Die Vitalität und Beliebtheit des Jazz in Polen ist ein Phänomen, das Besucher aus dem Ausland immer wieder mit Staunen zur Kenntnis nehmen. Rundfunksendungen zum Jazz haben bis heute Kultstatus, Festivals wie das Warschauer Jazz Jamboree sind feste Bezugspunkte der internationalen Jazz-Szene. Zu verstehen ist dies nur, wenn man weiß, welche Bedeutung der Jazz in der Volksrepublik Polen vor 1989, insbesondere in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten hatte: Als der Eiserne Vorhang den ganzen Ostblock hermetisch von der Außenwelt abschirmte, stellte der Jazz ein Fenster zur Freiheit dar. Er galt seinen Fans als Ausdruck eines anderen Lebensstils, und als "Waffe des Kalten Krieges" wurde er gezielt zum Transfer amerikanischer Werte in den Ostblock eingesetzt. Jazz wurde zu einer neuen Ausdrucksform des tief verwurzelten polnischen Freiheitsstrebens und begann, sich in einer vitalen Szene sehr eigenständig weiterzuentwickeln.
Die Wurzeln des polnischen Jazz reichen jedoch schon bis weit in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurück, als in den urbanen Zentren Polens ähnliche Musikcafes und Tanzclubs wie in Berlin oder Paris entstanden, in denen sich der aus den USA importierte Swing allmählich als Sound eines modernen, urbanen und weltoffenen Lebensstils durchsetzte. 1923 gründete der Saxophonist Zygmunt Karasiński eine erste Jazzband; das Piano spielte Jerzy Peterburski, der später insbesondere mit seinem Tango Milonga auch als Komponist berühmte wurde. Als "König des polnischen Jazz" galt freilich in den dreißiger Jahren ein deutscher Jude, Eddie oder Ady Rosner, der sich als Sohn polnisch-jüdischer Einwanderer bereits um 1930 in Berlin in der legendären Jazz Formation der Weintraub-Syncopaters mit seiner Trompete einen Namen machte. Zusammen mit einigen anderen jüdischen Jazz-Musikern emigrierte Rosner nach 1933 nach Polen; dort bescheinigte man ihm, den Jazz von einer reinen Tanzmusik zu einer neuen Kunstform gemacht zu haben. Rosner floh nach Kriegsausbruch in die Sowjetunion, wo er während des Krieges und auch anschließend weiterhin eigene Jazz-Orchester leitete. In den Jahren 1939-1941 entwickelte sich insbesondere Białystok unter der sowjetischen Besatzung zu einem Fluchtpunkt für Jazzmusiker. Im deutsch besetzten Polen, wo Tanzen verboten war, konnten die dort verbliebenen Musiker nur noch in kleinen Ensembles auftreten.
Nach 1945 begann dann die eigentliche Geschichte des Polski Jazz. In den ersten Nachkriegsjahren fanden Jazz-Konzerte in Polen vor allem im geschützten Raum der YMCA-Häuser in Warschau, Krakau, Lodz und anderen Städten statt. Dort bildeten sich neue Jazz-Clubs, die bei der polnischen Nachkriegsjugend zunehmend auf Interesse stießen. In der frühen Volksrepublik gab es vermutlich keinen anderen Bereich, in dem so viel Freiheit zu spüren und gleichzeitig die Möglichkeit gegeben war, der grauen kommunistischen Nachkriegswirklichkeit zu entfliehen. In den frühen Jazz-Clubs trug man eine andere Kleidung, sprach, benahm sich anders und pflegte einen anderen Lebensstil als den offiziell propagierten. Zunehmend stieß dies jedoch auch auf Kritik, und ähnlich wie zuvor schon Maksim Gorki setzte auch der polnische Schriftsteller Tadeusz Borowski, bekannt durch die Aufsehen erregende literarische Verarbeitung seiner Auschwitz-Erfahrungen, Jazz und Pornographie gleich. In der Volksrepublik Polen galt der Jazz seit Ende der vierziger Jahre als unerwünscht, die YMCA-Clubs wurden 1949 aufgelöst, die YMCA-Bibliothek in Lodz verbrannt.
Doch erreichten diese Repressionen offenbar das Gegenteil des Erhofften: der Jazz ging nun in den Untergrund und erfreute sich dort als "Katakomben"-Jazz zunehmender Beliebtheit. Die bekannteste Jazz-Band jener Zeit waren die Lodzer "Melomani". Der 1981 gedrehte Spielfilm "Es war einmal der Jazz" (Był Jazz) ist eine Hommage an diese Band. Er erzählt die Geschichte der jungen Lodzer Freizeitmusiker. Ihre unermüdlichen Versuche, bei jeder Gelegenheit die verbotene Musik zu spielen, ziehen sich als roter Faden durch den Film, in dem der Konflikt zwischen jugendlich-lebendiger Jazz-Szene und sozialistischem Alltagsgrau mit z.T. bedrohlichen Dimensionen immer wieder vom Wechselspiel der Jazz-Rhythmen mit langweilig-biederem Musik- und Liedgut untermalt wird. Spießige offizielle Unterhaltungs- und Jugendveranstaltungen, drohend-autoritäre oder unterwürfig-angepasste Vertreter und Verfechter der "neuen", sozialistischen Ordnung, die die sozialistischen Phrasen der neuen Herrschaftsträger dreschen, werden konfrontiert mit enthusiastischen jungen Leuten, die beim Jazz-Spielen und Hören locker swingen und rauchen, Voice of America hören und in der Dämmerung über die Affinität von Jazz und Tod philosophieren.
Es war somit nicht nur die Musik, sondern auch der in den Katakomben gepflegte Dissidenten-Habitus, der mit seinen äußeren Attributen eindeutig auf den Westen verwies. Man trug Tweed-Jacket, Flanellhosen, Mokassins und amerikanische Krawatten mit Palmen-Motiven, die auf das Bikini-Atoll verwiesen (daher auch die polnische Bezeichnung "bikiniarze"). Die improvisierte Musik, ihre Rhythmen und der damit verbundene Lebensstil galten den jungen Leuten als Ausdruck der Sehnsucht nach einer anderen, freien Welt.
Erst nach Stalins Tod konnte der Jazz allmählich wieder in das Licht der Öffentlichkeit treten. Nunmehr schrieb man auch in polnischen Zeitungen über "die Musik des unterdrückten schwarzen Proletariats". Doch wurden zunehmend auch Stimmen laut, die eine eigene, polnische Jazz-Stilistik einklagten, die sich vom angeblich degenerierten Jazz der USA unterscheiden und Motive polnischer Volksmusik wie auch Chopins einbeziehen solle. Als Beginn einer eigenständigen polnischen Jazz-Tradition gilt das erste Krakauer Allerseelen-Jazz-Festival, "Zaduszki jazzowe" 1954. Wichtigster Geburtshelfer war Leopold Tyrmand, der in den 50er-Jahren durch seine Jazz-Vorträge und Schriften wie auch durch sein Auftreten zu einer Art Guru für eine ganze Generation wurde.
Als sich 1956 25.000 junge Menschen beim ersten großen polnischen Jazz-Festival in Sopot versammelten, beschrieb das Zentralorgan der Polnischen Arbeiterpartei die Atmosphäre als Zwischending zwischen Chopin-Wettbewerb und Fußballspiel. Die Begeisterung der Jugendlichen ist vermutlich nicht zuletzt auch auf die seit 1955 täglich ausgestrahlten Jazz-Sendungen von Voice of America zurückzuführen. Bereits 1956 zog auch der polnische Rundfunk mit einer eigenen Radiosendung "Das ist Jazz" (To jest Jazz) nach, moderiert von Leopold Tyrmand und Stefan Roginski. Tyrmant beschrieb die ungeheure Dynamik der Aufbruchsstimmung am Beispiel eines Abends im Warschauer Jazz-Club Stodola wie folgt: