Wahlergebnisse
Die Linke konnte sich im deutschen Parteiensystem erst mit ihrer faktischen Westausdehnung sicher etablieren. Ihre Wähleranteile liegen in den fünf neuen Ländern und Ost-Berlin zwar rund dreimal so hoch wie in den alten. Berücksichtigt man die Bevölkerungsrelationen, haben sich die Gewichte seit der Fusion mit der WASG aber zunehmend in den Westen verschoben. Entfielen bei der Bundestagswahl 2005 45,5 Prozent der Stimmen der Partei auf die alten Bundesländer (einschließlich West-Berlins), waren es beim Rekordergebnis 2009 bereits 57,7 Prozent. 2017 gingen fast zwei Drittel der Stimmen (65,4 Prozent) auf das Konto des Westens, wo die Partei gegenüber 2013 zulegen konnte, während sie im Osten massiv Stimmen an die AfD verlor. 2021 war der starke Einbruch (minus 4,3 Prozentpunkte gegenüber 2017) vor allem den Abwanderungen in Richtung SPD und Grüne geschuldet, wobei die Verluste prozentual betrachtet im Westen höher ausfielen als im Osten.
In allen Landtagen der neuen Länder und Berlin seit 1990 ständig vertreten, gelang der Linken 2007 in Bremen erstmals der Sprung in ein westdeutsches Landesparlament. Dort, in Hamburg und in Hessen ist sie seit dem Zusammenschluss mit der WASG in der Landespolitik eine feste Größe; bis zu ihrem Wahldesaster 2022 galt das auch für das Saarland. In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen verfehlte sie dagegen den Wiedereinzug in die Parlamente, während sie in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bisher stets unterhalb der Fünfprozenthürde blieb.
In den neuen Ländern, wo sich die Stimmenanteile der vormaligen PDS bei den "Gründungswahlen" 1990 noch zwischen 10 (Landtagswahl in Thüringen, Volkskammerwahl) und etwas über 15 Prozent (Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern) bewegt hatten, machte sie ab 1994 einen großen Sprung nach vorne. Dabei kam es zu einer Zweiteilung zwischen dem Norden und Süden. In Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg, wo die SPD als stärkste Partei zu Koalitionen mit der Linken bereit war, führte deren Regierungsbeteiligung zu deutlichen Einbußen in der Wählergunst, sodass die Postkommunisten hier hinter der CDU nur drittstärkste Kraft blieben. In den CDU-dominierten Ländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gelang es ihnen dagegen schon 1999 bzw. 2002, als Oppositionspartei die SPD zu überflügeln und seither den zweiten Platz im Parteiensystem einzunehmen. Auch bei den Wahlen auf nationaler Ebene (Bundestags- und Europawahlen) lag die Linke von 2009 bis 2017 in Ostdeutschland vor den Sozialdemokraten.
Gefährdet wurde die bis dahin stabile Position seit 2013 durch die Konkurrenz der AfD. Konnten der Wahlerfolg und die Übernahme des Ministerpräsidentenamtes in Thüringen die Abwanderung eigener Wähler zur AfD bei den Landtagswahlen in Osten 2014 noch überdecken, erlebte die Partei 2016 in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern ein Debakel, als die Rechtspopulisten sie aus dem Stand als zweit- bzw. drittstärkste Kraft verdrängten. Ähnlich hohe Einbußen erlitt die Linke bei den Landtagswahlen 2019 in Brandenburg und in Sachsen. Dort kam sie jeweils nur knapp über 10 Prozent, während sie in Thüringen dank der hohen Popularität des von ihr gestellten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow entgegen dem ostdeutschen Trend auf Platz eins blieb und ihr gutes Ergebnis von 2014 sogar übertraf (träger 2020: 175 ff.).
Bei den zehn Landtagswahlen, die 2021 und 2022 stattfanden, musste die Linke mit einer Ausnahme (Baden-Württemberg 2021) genauso wie bei der Bundestagswahl starke Verluste hinnehmen. In Ostdeutschland steht sie heute nur noch in Thüringen auf Platz eins, in den anderen Ländern ist sie auf den dritten (Sachsen, Sachsen-Anhalt), vierten (Berlin, Mecklenburg-Vorpommern) oder fünften Platz (Brandenburg) zurückgefallen.