Die größte Herausforderung für die Reformer im Rennen um die Präsidentschaft 2009 besteht darin, die gleichgültigen, von der Präsidentschaft Mohammed Chatamis (1997-2005) enttäuschten, städtischen Wähler zurückzugewinnen. Das Parlament hatte unter Chatami einstimmig über 100 progressive Gesetze verabschiedet: ein Folterverbot, die Anhebung des gesetzliches Heiratsalters, die Verbesserung des Scheidungsrechts, die Erweiterung des Schwurgerichtsverfahrens und die Vollmitgliedschaft im "Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" (CEDAW) der Vereinten Nationen – aber bei all diesen Gesetzen legte später der Wächterrat sein Veto ein.
Trotz dieses Hintergrunds machen Kandidaten wie Mehdi Karroubi unter dem Wahlspruch "Gemeinsam für den Wandel" ähnliche Versprechungen. Der andere Kandidat der Reformer, Mir Hossein Mussawi, hat neulich auf einer Kundgebung (30. Mai) versprochen, "ungerechte" Gesetze gegen Frauen zu bekämpfen. Er ist der erste Präsidentschaftskandidat seit der Revolution, der gemeinsam mit seiner Frau, Zahra Rahnavard, Wahlkampf macht. Die ehemalige Rektorin der Al-Zahra Universität war nach der Wahl des amtierenden Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad entlassen worden, weil sie die Friedensnobelpreisträgerin Externer Link: Shirin Ebadi zu einem Vortrag eingeladen hatte.
Die staatlichen Medien unterstützen Ahmadinedschad
Ein Externer Link: Wahlplakat, das Rahnavard und Mussawi beim Verlassen einer Wahlversammlung Hand in Hand zeigt, kommt bei der Bevölkerung gut an. Die vielleicht bemerkenswerteste Unterstützung kommt von Externer Link: Großajatollah Yusef Saanei, der sagte, dass er sich für den Kandidaten ausspreche, der "beim Betreten der politischen und gesellschaftlichen Bühne die Hand seiner Frau hält".
Doch bei den Reformern geht es nicht allein darum, die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass sie ihre Wahlversprechen diesmal werden halten können, sondern auch darum, dass ihre Stimmen gehört werden. Die beiden Kandidaten des Reformlagers, Karroubi und Mussawi, sowie Resai, Kandidat der Konservativen, haben sich alle über die Parteilichkeit der staatlichen Medien zugunsten Ahmadinedschads beschwert. Zugleich wurde die reformfreundliche Tageszeitung Yas-No am 16. Mai geschlossen, der Tag, an dem sie zum ersten Mal wieder an den Zeitungskiosks zu finden war. Yas-No, was "Neuer Jasmin" bedeutet, ist für eine großformatige, an westlichen Standards orientierte Zeitung ein auffälliger Name – genauso wie Rayehe Khosh Khedmat, "Der Duft des guten Dienens", der Name einer politischen Koalition für Ahmadinedschad.
"Mussawi hat noch keinen Geruch an sich"
All diese olfaktorischen Bezüge sind dem Persischen sehr zu Eigen und können durch die Übersetzung leicht verloren gehen. Vielleicht kann eine Kettenreaktion, die vor kurzem in der iranischen Blogosphäre stattfand, und mit der die Blogger versuchten, die mit jedem einzelnen Kandidaten assoziierten Gerüche zu beschreiben, einen guten Eindruck der durch die Kandidaten ausgelösten Gefühle vermitteln. Immer unter der Berücksichtigung, dass genau wie die staatlichen Medien, auch die jungen iranischen Blogger voreingenommen sind und zwar zumeist gegenüber Ahmadinedschad.
Für Blogger Barba-papa riecht der frühere Chef der Revolutionswächter Resai nach "Schießpulver, Zigarren, Geld". Blogger Milezok beschreibt Ahmadinedschad mit den Gerüchen von "Beleidigung, Erniedrigung". Während für Shatot "kein Hibiskusstrauch oder Weihrauch den Geruch seines [Ahmadinedschads] wüsten Durcheinanders entfernen kann...". Für Fabian haftet Ahmadinedschad, der der iranischen Bevölkerung eine Teilhabe an Irans Ölreichtum versprochen hatte, der "Geruch von Öl, das niemals auf den Tisch gekommen ist..." an sowie der "Geruch von Kuchen, von altem, vergilbtem Kuchen, von dem schon eine Maus gefressen hat".
Blogger Milezok berichtet, der frühere parlamentarische Sprecher Karroubi "riecht vielleicht nach 'Veränderung'... nach Menschenrechten, nach Demokratie", fügt aber hinzu, "während ich diese Dinge aufschreibe, kann ich mir selbst kaum glauben".
Blogger Fabian beschreibt Mussawi, der während des Iran-Irak-Krieges 1980 bis 1988 Premierminister war, mit dem Geruch nach "Lebensmittelkarten mit Überresten allen erdenklichen Drecks". Milezok schreibt, "er hält die Hand seiner Frau, ich weiß nicht genau, wie man diesen Duft nennt, aber er berührt mein Herz...". Blogger Barba-papa sagt, "noch hat er keinen Geruch an sich, er muss kommen, dann erfahren wir wonach er riecht, aber ich werde ihm meine Stimme geben, um den Geruch [Ahmadinedschads] nach totem Hund und Pfefferspray loszuwerden."
Um die Blogger nicht zu gefährden, werden die Links zu den Blogs nicht genannt.
Aus dem Englischen von Martina Heimermann