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Wer trägt die Schuld? - Schießbefehl und Mauertote

Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk

/ 2 Minuten zu lesen

28 Jahre lang war die DDR-Grenze ein Todesstreifen. Die Hinterbliebenen der Mauertoten klagen an. Kontraste fragt nach, warum die Verantwortlichen für das Grenzregime nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Fluchtversuch am Grenzübergang Chausseestraße in Berlin 1988 (© KONTRASTE, Rundfunk Berlin-Brandenburg)

Die Berliner Mauer war das Symbol des Kalten Krieges und der in Ost und West geteilten Welt schlechthin. Die illegale Überwindung dieser Mauer wie auch der innerdeutschen Grenze von Ost nach West konnte nur unter Lebensgefahr versucht werden. Das Grenzregime der DDR umfasste daneben auch noch die Ostsee und die westlichen Landesgrenzen der Tschechoslowakei, Ungarns, Rumäniens und Bulgariens.

Insgesamt kamen über eintausend Menschen ums Leben bei dem Versuch, die DDR "illegal" für immer zu verlassen. Großes Aufsehen erregte der Tod des achtzehnjährigen Peter Fechter, der beim Versuch, die Sperren in Richtung Westen zu durchbrechen, am 17. August 1962 angeschossen wurde. Er verblutete im Niemandsland zwischen Ost und West. Weder die Westberliner Polizei noch die Alliierten griffen ein: Sie hatten Angst, die Russen zu provozieren, lag Fechter doch auf deren Gebiet. Erst als der junge Mann qualvoll vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit gestorben war, bargen DDR-Grenzer seinen leblosen Körper aus dem Stacheldrahtverhau.

Aus urheberrechtlichen Gründen kann das KONTRASTE-Video derzeit nicht an dieser Stelle gezeigt werden. Dafür bitten wir um Verständnis. [d. Red., 17.04.2014]

Jeder wusste, dass an der Grenze und an der Mauer scharf geschossen wurde. Und dennoch leugnete die SED-Führung vor und nach 1989, dass es jemals einen Schießbefehl gegeben habe. Damit wollten die politisch Verantwortlichen jenen allein die Schuld zuschieben, die die Grenzen bewachten. Tatsächlich gab es aber seit Oktober 1961 de facto einen Schießbefehl, der zudem täglich in der Vergatterung der Wacheinheiten erneuert worden ist, 28 Jahre lang.

"Politbüro- und Mauerschützenprozess"

Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer geöffnet wurde, kam es erstaunlich schnell zu Wandlungen, die nur wenige Wochen zuvor unmöglich gewesen wären. Uniformträger ließen sich plötzlich einen Bart stehen, waren freundlich, zeigten sich unsicher und ließen ihr einstiges Autoritätsgehabe vermissen. Sie wussten nicht genau, was ihnen die Zukunft bringen würde. Einig schienen sie sich aber darin zu sein, dass sie keine individuelle Verantwortung für die Vergangenheit zu tragen hätten. Sie beriefen sich auf einen "Befehlsnotstand", der ihnen gar keine andere Wahl gelassen habe, als zu machen, was befohlen worden sei. Dass dies längst nicht nur die Hinterbliebenen von Mauertoten bestürzte und erregte, lässt sich leicht nachvollziehen.

Erst nach der deutschen Einheit wurden die politisch verantwortlichen Täter im "Politbüroprozess" sowie die individuellen Todesschützen in "Mauerschützenprozessen" verurteilt. Entscheidend bei diesen Prozessen war nicht die Strafhöhe, sondern der Umstand, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann noch bestraft werden, wenn sie von der damals gültigen Rechtslage scheinbar gesichert waren. Diese Botschaft hat eine Bedeutung, die weit über innerdeutsche Belange hinausreicht.

Fussnoten

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