Die technologische Überlegenheit des Westens macht sich in allen Regionen der Welt bemerkbar. Auch in der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik lässt sich das westliche Übergewicht - und das besonders in Afrika - spüren. Um den Vorwurf einer wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einflussnahme auf die Länder Afrikas abzuschwächen, haben die Industriestaaten in den vergangenen Jahrzehnten Netzwerke aufgebaut, in denen afrikanische und westliche Experten in einen Dialog treten und ihre Erfahrungen austauschen können.
Allgemein umfasst der Kulturbegriff alle von den Menschen hervorgebrachten materiellen und geistigen Werte, die für die weitere Entwicklung der Wirtschaft, der Technik, der Wissenschaft und der Kunst sowie für eine individuelle Selbstentfaltung in der Gesellschaft bestimmend sind. Afrika weist verschiedene Kulturen auf, die auch in der präkolonialen Zeit für die Sicherung des Überlebens seiner Völker entscheidend waren. Seit dem Eindringen der Europäer veränderten sich die afrikanischen Gesellschaften und Kulturen grundlegend. Insbesondere die mit der Kolonialisierung einhergehende Politik der Alphabetisierung führte zur Übernahme westlicher Werte und Denkweisen. Den Völkern Afrikas wurde dabei der Glaube vermittelt, dass ihre Sprachen und mündlichen Traditionen für die Unterentwicklung und kulturelle Rückständigkeit ihres Kontinents verantwortlich seien.
Diese negative Tendenz des Kolonialismus ging mit einer zunehmenden Deformation und bedauernswerten Degradierung der traditionellen Kulturwerte einher. Der antikoloniale Kampf, der im Panafrikanismus einsetzte und sich später in der Négritude
Heute spiegelt sich die Ausrichtung afrikanischer Eliten an westliche Lebensmodelle insbesondere im Wirtschafts- und Bildungsbereich wider. Die geerbten kolonialen Bildungseinrichtungen und Wirtschaftsstrukturen stellen nach wie vor ein großes Hindernis für eine eigenständige kulturelle Entwicklung in Afrika dar. Es gibt kaum einen kulturellen Bereich, - vom Verlagswesen über die Musik, das Theater und das Kino bis hin zu den Medien und den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien -, bei dem sich westliche Einflüsse nicht bemerkbar machen. Ein Vorwurf lässt sich jedoch nicht allein gegen die Industriestaaten mit ihrer auf Dominanz ausgerichteten auswärtigen Kulturpolitik erheben. Die wissenschaftlichen und politischen Eliten Afrikas sind vorrangig selbst für die kulturelle Abhängigkeit ihrer Länder verantwortlich, zumal sie nicht nur alle kulturellen Modelle der Industriestaaten schamlos kopieren, sondern sich ständig von europäisch-westlichen Ideen und Theorien inspirieren oder beeinflussen lassen.
Es gibt jedoch durchaus eine intellektuelle Debatte um die Erhaltung afrikanischer Werte und innerhalb der Eliten steht nicht jeder der westlichen Dominanz gleichgültig gegenüber. Die so genannten Optimisten sehen keine andere Alternative für die Entwicklung Afrikas, als sich in das westliche System durch Aneignung von dessen Werten einzubinden. Die Optimisten sind daher ebenso dem Neokolonialismus wie der Globalisierung passiv unterworfen.
Die Pessimisten kritisieren dagegen den Kolonialismus und Neokolonialismus in allen seinen Formen und lehnen eine Anpassung an das westliche Wertesystem kompromisslos und entschieden ab. Sie misstrauen zunächst einmal den meisten kulturellen Ideen und Modellen aus Europa. Die Pessimisten sind der Überzeugung, dass die Europäer den afrikanischen Kontinent bewusst in die kulturelle, politische und ökonomische Krise getrieben haben, um seine Eliten geistig und finanziell von sich abhängig zu machen und um sie dauerhaft manipulieren zu können. Den Neokolonialismus bezeichnen die Pessimisten als eine reine expansionistische, auf Profitgier, Selbstsucht und skrupelloser Ausbeutung beruhende Ideologie, die nur die Sicherung des Wohlstands der reichen Industrieländer auf Kosten der schwachen Staaten zum Ziel hat. Eine eigenständige Entwicklung Afrikas ist aus Sicht der Pessimisten nur durch eine Distanzierung von westlichen Ideologien bei einer gleichzeitigen Rückbesinnung auf traditionelle afrikanische Werte möglich.
Welche Denkmodelle können ökonomischen Fortschritt positiv fördern? Arbeiter einer Hammerschmiede in Sambia wird in Betriebswirtschaft angelernt. (© FAO/17868/A. Conti)
Welche Denkmodelle können ökonomischen Fortschritt positiv fördern? Arbeiter einer Hammerschmiede in Sambia wird in Betriebswirtschaft angelernt. (© FAO/17868/A. Conti)
Eine dritte Kategorie von Eliten bilden die Neutralisten, auch Neooptimisten genannt, die sich weder gegen die Assoziation mit dem Westen noch für die Dissoziation Afrikas von ihm aussprechen. Entscheidend für Afrika ist aus der Sicht der Neutralisten nicht die Frage nach der Herkunft eines Denkmodells, sondern vielmehr ob sich dieses Modell eignet, den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt der Länder Afrikas positiv zu fördern. Die Neutralisten warnen deshalb vor politischen Kompromissen und dogmatischen Positionierungen in Afrika, die zu unnötigen Stagnationen oder Zeitverlusten führen können.
Die atemberaubend rapiden Veränderungen in der Welt bringen nicht nur die Grundeinstellungen der westlichen Völker ins Wanken, sondern stellen die Afrikaner vor die Aufgabe, eigene Kulturmärkte in der Kunst, der Musik, des Theaters, des Kinos, der Medien etc. zu entwickeln, mit denen sie sich in der Welt und damit im interkulturellen Dialog präsent machen können. Von der Entstehung einer derart von wirtschaftlichen Kriterien geprägten Kultur wird die Fähigkeit Afrikas abhängen, auf gleicher Augenhöhe mit den Völkern des Westens zu stehen. Das Selbstbild Afrikas und seine positive Wahrnehmung in den Industrieländern wird aber die Gestaltung der internationalen Beziehungen auch in Zukunft entscheidend mitbestimmen.
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