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Zahal - die Armee | Israel | bpb.de

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Zahal - die Armee

Angelika Timm

/ 5 Minuten zu lesen

Die israelische Verteidigungsarmee Zahal ging während des ersten arabisch-israelischen Krieges hervor. Die "Geburt im Kampf" prägte ihr Selbstverständnis lange danach. Wie hat sich ihr Stellenwert verändert?

Frauen müssen 21 Monate in der Armee dienen. (© Hanna Huhtasaari)

Die israelische Verteidigungsarmee Zahal (hebr.: Zva Haganah le-Jisrael) ging während des Unabhängigkeitskrieges 1948 aus den jüdischen Militärorganisationen Haganah, Palmach, Ezel und Lechi hervor. Die "Geburt im Kampf" prägte ihr Selbstverständnis auch während der folgenden Jahrzehnte.

Zahal gilt als die kampferfahrenste und schlagkräftigste Armee der Nahostregion. Das militärische Establishment beeinflusst außenpolitische Entscheidungsprozesse, lenkt wirtschaftliche Entwicklungen und prägt innergesellschaftliche Orientierungen. Die Verteidigungsausgaben bilden mit 17 Prozent (2007) den größten Einzelposten im Staatshaushalt; der Anteil des Wehretats am Bruttoinlandprodukt beträgt 7,3 Prozent. Bis heute ist die Armee die bedeutendste Arbeitgeberin im Land. Auch im Alltag ist ihre Präsenz unübersehbar, verfügt Israel doch weltweit über den höchsten Anteil von Soldatinnen und Soldaten an der Bevölkerung.

Die Armee gliedert sich in Land-, See- und Luftstreitkräfte. Sie besteht im Kern aus einer kleinen Berufsarmee, der ausschließlich Offiziere und Unteroffiziere angehören, ferner aus Wehrpflichtigen und aus einer innerhalb von 24 Stunden mobilisierbaren Reservearmee. Im Jahr 2006 umfasste Zahal 176.500 Soldaten und Offiziere sowie rund 445.000 Reservisten.

Wehr- und Zivildienst

Den obligatorischen Wehrdienst von drei Jahren haben jüdische Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren abzuleisten. Die Wehrpflicht erstreckt sich auch auf unverheiratete jüdische Frauen zwischen 18 und 26 Jahren, die allerdings nur 21 Monate dienen. Der Reservedienst umfasst bisher für Männer bis zum Alter von 42 Jahren sowie für Frauen ohne Kinder und Familie bis zum 24. - in Ausnahmefällen bis zum 35. - Lebensjahr jährlich circa 40 Tage. Nach einem neuen Gesetz können ab 2010 Soldaten bis 40 Jahre und Offiziere bis 45 Jahre im Dreijahresrythmus jeweils bis zu 54 Tage zum Reservedienst einberufen werden. Nicht zum Militär eingezogen werden verheiratete Frauen, Mütter und arabische Staatsbürgerinnen und -bürger. Drusen und Angehörige der tscherkessischen Minderheit sind seit 1988 per Gesetz zum Wehrdienst verpflichtet. Ein relativ hoher Prozentsatz männlicher Beduinen dient auf freiwilliger Basis in der Armee.

Es existiert bisher keine Möglichkeit, aus ethischen oder religiösen Gründen Zivildienst zu leisten. Lediglich religiöse jüdische Frauen können sich vom Wehrdienst freistellen lassen und einen einjährigen freiwilligen Einsatz in Sozialeinrichtungen oder in einer Entwicklungsregion ableisten.

Besondere Einheiten der Armee

Eine Sonderform des Wehrdienstes bildet die Ausbildung in Nachal-Einheiten. Die aus der Kibbuzbewegung hervorgegangene "Kämpfende Pionierjugend" verbindet das militärische Training mit landwirtschaftlicher Tätigkeit. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Anlage sowie dem Erhalt von Wehrdörfern und Siedlungen. Die freiwillige vormilitärische Ausbildung der 14- bis 17-Jährigen durch Offiziere des Zahal dagegen erfolgt durch die dem Bildungsministerium unterstehende Organisation Gadna (Abk. f. Gdude ha-Noar, Jugendbataillone). Bis 2004 existierte ein spezielles Frauenkorps namens Chen (hebr.: Cheil Naschim), das die weiblichen Armeeangehörigen erfasste. Es wurde mit der Begründung aufgelöst, dass es der Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft widerspräche. Seither stehen den Frauen vier Fünftel der Streitkräfte offen; der Einsatz in Kampfeinheiten ist für sie freiwillig. Zahal zählt in seinen Reihen Pilotinnen und Fallschirmspringerinnen; im Jahre 2002 wurde erstmals eine Frau zur Armeesprecherin ernannt.

Seit Staatsgründung sind ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die an Talmudschulen studieren, vom Wehrdienst befreit. Nur wenige nutzten die Möglichkeit, in Jeschivot Hesder eine Kombination von religiösem Studium und militärischer Ausbildung zu absolvieren. Nach jahrelangen Diskussionen beschloss die Knesset 2002 eine Neuregelung. Jeschivah-Studenten, die sich für die Beendigung des religiösen Studiums entschließen, sollen entweder vier Monate Militärdienst oder ein Jahr Zivildienst ableisten, um danach in den Arbeitsprozess integriert zu werden.

Gesellschaftlicher Stellenwert

Zahal gilt als "Armee des Volkes" und "Schule der Nation". Diese Wertschätzung resultiert einerseits aus der Tatsache, dass Angehörige nahezu jeder israelischen Familie - mit Ausnahme der arabischen und der ultraorthodoxen jüdischen Bevölkerungsgruppe - den Armeedienst aus eigener Erfahrung kennen oder Freunde und Verwandte haben, die in einem der sechs Nahostkriege gefallen sind oder verwundet wurden. Andererseits hat die Armee - neben der Schule - eine wichtige Funktion bei der staatsbürgerlich-patriotischen Erziehung der jungen Generation, bei der "Verschmelzung" der unterschiedlichen Ethnien sowie bei der sprachlichen und gesellschaftlichen Integration von Neueinwanderern. Nicht selten werden während der Dienstzeit Schul- oder Berufsabschlüsse erworben.

Die israelische Militärdoktrin ist durch das zionistische Siedlungswerk, die Erfahrungen der Schoah und den seit Staatsgründung anhaltenden Nahost-Konflikt geprägt. Sie basiert auf der Grundannahme, dass Israel in einer feindlichen Umgebung existiere und sich aufgrund der fehlenden strategischen Tiefe des Landes sowie der geringen Bevölkerungszahl keinen Krieg auf dem eigenen Territorium leisten dürfe. Zu Hauptsäulen israelischen Sicherheitsdenkens wurden folglich die Politik der Abschreckung und Vergeltung, der Aufbau eines Frühwarnsystems und die Schaffung militärischer Überlegenheit. Seine Verteidigungskraft sucht Israel durch militärstrategische Zusammenarbeit mit den USA und Westeuropa zu stärken. Es verfügt über eine moderne Rüstungsindustrie und - als Bestandteil seiner Abschreckungspolitik - über ein atomares Potenzial.

Der umfassende Wertewandel seit Beginn der 1990er Jahre wirkte auch auf den Stellenwert der Armee in der Gesellschaft ein. Militärapparat und Geheimdienste wurden transparenter. Vormals tabuisierte Verfehlungen und Misserfolge wurden in den Medien nunmehr debattiert. Insbesondere während des Libanonkrieges 2006, in dessen Verlauf die israelischen Städte Haifa, Atlit, Nazareth und Tiberias durch Raketen libanesischer Milizen angegriffen wurden, erlitt das Ansehen des Zahal einen deutlichen Verlust. Ein von der Regierung eingesetzter Untersuchungsausschuss attestierte der politischen und militärischen Führung des Landes schwerwiegendes Versagen und Schwäche im strategischen Denken. Der Rücktritt mehrerer hochrangiger Militärs sowie des Verteidigungsministers war die Folge.

Sicherheitsdienste und Polizei

Gesellschaftliche Reputation genießen nach wie vor die israelischen Sicherheits- und Abwehrdienste. Sie umfassen drei Gliederungen:

  • den für Auslandsaufklärung und Geheimoperationen zuständigen Mossad (Abk. f. ha-Mosad le- Modiin we-Tafkidim Mejuchadim - Institution zur Aufklärung und für besondere Aufgaben),

  • den für die Sicherheit in Israel und in den besetzten Territorien, jedoch auch für Terrorismusbekämpfung und Spionageabwehr verantwortlichen Schin Beit (Abk. f. Scherut Bitachon Klali, Allgemeiner Sicherheitsdienst, auch Schabak genannt) und

  • den Nachrichtendienst der Armee Aman (Abk. f. Agaf Modi'in), der insbesondere mit der Gewinnung und Analyse militärischer, geographischer und wirtschaftlicher Daten über arabische Staaten beauftragt ist.

Die Polizei ist nach territorialem Prinzip organisiert und in vier Bezirke (Nordbezirk, Zentralbezirk, Distrikt Tel Aviv und Südbezirk) sowie eine Vielzahl von Subdistrikten gegliedert. Die größte mobile Sondereinheit bildet die Grenzpolizei, die u. a. für den Schutz strategisch wichtiger Areale - beispielsweise Flughäfen, Hafenanlagen und sensitive Grenzabschnitte - zuständig ist. Neben den vielfältigen Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben obliegt auch der Polizei die Verhinderung von Terroranschlägen.

Auszug aus: Informationen zur politischen Bildung (Heft 278) Israel, überarbeitete Neuauflage 2008.

Fussnoten

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