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"Schön, aber nicht beruhigend" | Jazz | bpb.de

Jazz Editorial "Wir haben grundsätzlich die Tendenz zur Nabelschau im Elfenbeinturm". Ein Gespräch über die Vision und die gesellschaftliche Aufgabe von Jazz, was Kulturpolitik leisten muss und welche Strukturen die Freie Szene braucht "We Insist!". Eine Sozialgeschichte des Jazz in den USA "Schön, aber nicht beruhigend". Jazz im Spannungsfeld deutscher Gesellschaft und Politik 1919–2022 Jazz und Identität (Geschlechter-)Gerechtigkeit im Jazz. Soundtrack der Szene oder Zukunftsmusik? "Let my Children Hear Music". Sprachlosigkeit, Abwertung und Politisierung in deutscher Jazzpublizistik am Beispiel von Charles Mingus

"Schön, aber nicht beruhigend" Jazz im Spannungsfeld deutscher Gesellschaft und Politik 1919–2022

Stephan Braese

/ 21 Minuten zu lesen

Bereits in der Weimarer Republik akzeptiert und beliebt, kann der Jazz in Deutschland mittlerweile auf eine knapp 100-jährige Geschichte zurückblicken. Er überdauerte den Nationalsozialismus und fand in der Bundesrepublik wie in der DDR jeweils seinen eigenen Anklang.

Spätestens seit der Landung der US-amerikanischen Hellfighters samt ihrer von dem Afroamerikaner James Reese Europe geleiteten Marschkapelle in Frankreich 1918 hatte jene Musik, die bald darauf unter dem Namen "Jazz" Furore machte, unwiderruflich den europäischen Kontinent erreicht. Ihr Sänger, Geiger und Schlagzeuger Noble Sissle berichtete später, wie während eines Konzerts am 2. Februar 1918 in Nantes beim Vortrag von Melodien wie dem "Memphis Blues" das gesamte Publikum unwillkürlich mitzuschwingen begann und alles in Bewegung geriet: "Selbst die deutschen Gefangenen vergaßen, dass sie Gefangene waren, ließen ihre Arbeit fallen, hörten zu und wippten mit den Füßen im Takt zu den mitreißenden amerikanischen Stücken."

Die Entstehung des Jazz war über seine stilistischen Vorläufer, etwa den Field Holler, den Work Song, aber auch die Spirituals und schließlich den Blues, auf das Engste an die Erfahrung der afroamerikanischen Bevölkerung geknüpft. Als eine Verbindung aus musikalischen Einflüssen aus Afrika mit zahlreichen, vor allem volksmusikalischen Traditionen aus Europa, wie sie besonders im New Orleans der Jahrhundertwende aufeinandergetroffen waren, blieb der Jazz zutiefst geprägt von der Erfahrung der Sklaverei, der Demütigungen und Entrechtungen, aber auch der Kämpfe um Selbstbehauptung der afroamerikanischen Minderheit in einer konstitutiv rassistischen Gesellschaft. Aus dieser Herkunft ist dem Jazz ein Moment der Widerständigkeit, der Dissidenz, zugewachsen, das ihn fortan – bis in viele seiner aktuellsten Erscheinungsformen – begleitet hat. Wenn der Musikjournalist Olaf Maikopf 2020 eine Aufnahme von Shabaka and the Ancestors mit den Worten "schön, aber nicht beruhigend" charakterisiert, so hat er eine Kurzformel gefunden, die geradezu kongenial eine zentrale Beschaffenheit des Jazz zum Ausdruck bringt: Er vermittelt durch seine Ästhetik durchaus einen Genuss ("schön"), ohne jedoch seinem Publikum die Flucht in die Betäubung zu erlauben. Auch Maikopfs folgende Charakterisierung ist durchaus auf den Jazz insgesamt übertragbar: Er ist "eine Hommage an und eine Elegie für das Leben, ein Erfahrungsbericht aus den zerbröckelnden Tempeln der Gesellschaft". Eine moderne künstlerische Ausdrucksform, die aus dem Aufbegehren gegen unerträgliche gesellschaftliche Verhältnisse entstanden war, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Universalisierung und damit für die Verbreitung in viele Länder der Welt wie geschaffen. Jazz war eine Antwort auf gesellschaftliche und politische Verhältnisse – eine für viele Hörer*innen deutlichere Antwort als etwa jene Kunstformen vor allem europäischer Tradition, die über ihre Autonomie gerade oftmals ein vermeintliches Nicht-Verhältnis zu ihren Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen behaupteten. Doch in dem Maß, in dem Jazz eine kritische Antwort zu artikulieren versuchte, war er auch Bemühungen ausgesetzt, eingehegt, unterlaufen oder vereinnahmt zu werden.

Im "Jazz-Delirium": Weimarer Republik

Zu Beginn der 1920er Jahre existierte noch keine konzise Bestimmung des Jazz. Meist wurde er als Tanzmusik verstanden, zuweilen galten auch der Einsatz einer großen Trommel oder die Mitgliedschaft zumindest eines Afroamerikaners in der Band als Kennzeichen. Den meisten Schilderungen war jedoch eine exotistisch motivierte Faszination gemeinsam. Wenn einer der prominentesten Journalisten seiner Zeit (und spätere Romancier) Joseph Roth beim Hören einer Jazzband an "Urwald und Fabrik" denkt, sind zwei signifikante Momente berührt: zum einen das einer vermeintlichen "Ursprünglichkeit", die – im rassistischen Dispositiv der Zeit – Afroamerikaner in eine jeder Zivilisation bare Wildnis zurückversetzt, zum anderen eine andrängende Moderne, deren Technikbesessenheit als potenziell menschenfeindlich und als Ausgangspunkt einer Massengesellschaft empfunden wird, in der das Individuum nichts mehr zählt. Klaus Mann hat in einem Rückblick Jahrzehnte später ein "Jazz-Delirium" in Deutschland ausgemacht: "Die Börse hüpft, die Minister wackeln, der Reichstag vollführt Kapriolen. (…) Man tanzt Hunger und Hysterie, Angst und Gier, Panik und Entsetzen. (…) Ein geschlagenes, verarmtes, demoralisiertes Volk sucht Vergessen im Tanz." Die neue Musik wird hier erkennbar als ein Ventil in einer Zeit dramatischer politischer, ökonomischer und sozialer Verwerfungen. Orchester mit oft erstklassig ausgebildeten Musikern, wie etwa Weintraubs Syncopators und die Ensembles von Marek Weber, Dajos Bela, Efim Schachmeister, Paul Godwin oder Martin Roman, wetteiferten in einer kaum überschaubaren Zahl von Revuetheatern, Ballhäusern, Clubs und Bars in Berlin und vielen anderen deutschen Großstädten um ihr Publikum. Auch die bald international populären Comedian Harmonists waren den Einflüssen des zeitgenössischen Jazz unüberhörbar verpflichtet.

Wie nachhaltig – und auch einsinnig diffamierend – der Jazz als Krisenerscheinung noch während der "goldenen Zwanziger Jahre" wahrgenommen wurde, legt der 1927 ersterschienene "Steppenwolf" Hermann Hesses offen, dessen Protagonist erzählt: "Aus einem Tanzlokal, an dem ich vorüberkam, scholl mir, heiß und roh wie der Dampf von rohem Fleisch, eine heftige Jazzmusik entgegen. Ich blieb einen Augenblick stehen; immer hatte diese Art von Musik, sosehr ich sie verabscheute, einen heimlichen Reiz für mich. Jazz war mir zuwider, aber sie war mir zehnmal lieber als alle akademische Musik von heute, sie traf mit ihrer frohen rohen Wildheit auch bei mir tief in die Triebwelt und atmete eine naive redliche Sinnlichkeit. (…) 'Untergangsmusik' war es, im Rom der letzten Kaiser mußte es ähnliche Musik gegeben haben. Natürlich war sie, mit Bach und Mozart und wirklicher Musik verglichen, eine Schweinerei – aber das war all unsre Kunst, all unser Denken, all unsre Scheinkultur, sobald man sie mit wirklicher Kultur verglich. Und diese Musik hatte den Vorzug einer großen Aufrichtigkeit, einer liebenswerten unverlogenen Negerhaftigkeit und einer frohen, kindlichen Laune." Sosehr die Passage geradezu imprägniert ist von rassistischen Stereotypen, sexuellen Projektionen und eurozentrischer Perspektive, so deutlich steht sie für die unter Künstlern zeittypische Hoffnung, unter dem Eindruck außereuropäischer Kunstwerke und Traditionen eine Erneuerung europäischer Künste herbeiführen zu können.

Tatsächlich hatte gleichzeitig eine ernsthafte, keineswegs auf Betäubung und Vergessen zielende Auseinandersetzung mit der neuen Musik eingesetzt. Dazu hatten erste Tourneen afroamerikanischer Künstler in Deutschland beigetragen, die es ermöglichten, Jazz erstmals live zu erleben. Dazu zählte etwa Sam Wooding, der mit seinen Chocolate Kiddies, darunter der Trompeter Doc Cheatham, auch Titel Duke Ellingtons vorstellte und dessen Konzert 1925 im Berliner Admiralspalast eminente Folgen für die Geschichte des Jazz haben sollte: Der 17-jährige Alfred Lion war von dieser Musik so fasziniert, dass er 14 Jahre später, zusammen mit einem Freund aus Berliner Tagen, Frank Wolff, im US-amerikanischen Exil eines der wichtigsten Label des Jazz überhaupt gründen sollte – Blue Note Records. Doch auch die Revue Nègre konfrontierte das deutsche Publikum mit nachhaltig wirksamen Eindrücken – nicht nur durch die spektakulären Auftritte der Sängerin und Tänzerin Josephine Baker, sondern auch des Klarinettisten Sidney Bechet in der Begleitband. Komponisten wie Paul Hindemith, Ernst Krenek und Kurt Weill nahmen Einflüsse des Jazz in ihre eigenen Arbeiten auf; die Musik, die Weill für Brechts "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", aber auch für die "Dreigroschenoper" komponierte, ist deutlich von Jazzelementen geprägt.

Die gesellschaftlich-kulturelle Akzeptanz, die sich der Jazz Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre in Deutschland jenseits gestopft voller Vergnügungsetablissements wie der "Femina" oder dem "Moka-Efti" erarbeitet hatte, wird nicht nur deutlich in ersten seriösen Publikationen wie etwa Alfred Baresels "Jazz-Buch. Anleitung zum Spielen, Improvisieren und Komponieren moderner Tanzstücke" (1925), sondern auch in der Einrichtung des ersten Jazzlehrgangs im Frankfurter Hoch'schen Konservatorium 1928. Allerdings geschah dies nicht ohne Widerstände. Schon im Jahr davor protestierten mit Hans Pfitzner und Siegmund von Hausegger renommierte Komponisten dagegen, "wobei sie sich heftig über 'Niggerblut' und die 'Rhythmik bauchtanzender Neger' ausließen". Nur wenige Jahre später erhielt diese Argumentation Eingang in die regierungsamtliche Kulturpolitik.

"Schluß" mit den "zersetzenden Elementen": Die NS-Zeit

Die völkisch und antisemitisch geprägte Ideologie des Nationalsozialismus suchte frühzeitig gegen den Jazz zu mobilisieren, erst mit einiger Verzögerung jedoch – im Oktober 1935 – erfolgte ein landesweites Sendeverbot für Jazz im Rundfunk. In der Verlautbarung des zuständigen Kulturfunktionärs hieß es, dass "mit den noch in unserer Unterhaltungs- und Tanzmusik verbliebenen zersetzenden Elementen (…) des Nigger-Jazz" "Schluss" gemacht werden solle. Tatsächlich hatten einer lückenlosen Verfolgung des Jazz in NS-Deutschland mehrere Argumente entgegengestanden. Dies waren neben der enormen Beliebtheit jazzaffiner Tanzmusik in der Bevölkerung internationale Vereinbarungen, die den Vertrieb ausländischer Plattenproduktionen im Inland regelten, flankiert vom Interesse am Vertrieb deutscher Produktionen im Ausland. Als es 1936 während der Olympischen Spiele gar darum ging, Deutschland als modernes, weltläufiges Land darzustellen, gehörte der Sound des Jazz gleichsam zwingend dazu. Wenig später jedoch ließ das Regime an der Missliebigkeit des Jazz keinerlei Zweifel mehr. Das Plakat zur Düsseldorfer Ausstellung "Entartete Kunst" von 1938 zeigt nicht nur einen affenähnlich gezeichneten Schwarzen mit Saxofon, sondern der Davidstern auf seinem Revers demonstriert zugleich die Bemühung der NS-Rassenideologie, Rassismus gegen Afrikaner und Afroamerikaner mit Antisemitismus zu verschmelzen.

Getragen von der massiven Nachfrage in der Bevölkerung und zeitweilig geschützt durch kleine Tricks wie die Umbenennung US-amerikanischer Standards in deutsche Titel, konnten sich Orchester wie die von Heinz Wehner, Ernst Höllerhagen oder Benny de Weille eine Zeit lang auch in den NS-Jahren behaupten. Die große Zahl jüdischer Jazzmusiker hatte diese Chance nicht: Wer von ihnen nicht ins Exil ging, lief Gefahr, deportiert und ermordet zu werden.

Einer Tarnung deutlich abgeneigt hingegen waren Angehörige der sogenannten Swing-Jugend, die nicht nur durch ihre Tanzabende zu aktueller afroamerikanischer Musik, sondern auch durch ihr äußeres Erscheinungsbild den systemkonformen Uniformitätsvorstellungen, wie sie durch Hitlerjugend (HJ) und Bund Deutscher Mädel vorgeführt wurden, demonstrativ widersprachen. Kurz nach Kriegsende erinnerte sich eines ihrer Mitglieder, Olaf Hudtwalcker, an "die Stunden, in denen man sich nächtlich-trunken, vor den Dämonen auf Augenblicke geborgen, vor irgend einem Gramophon fand, um in der Stimme Bessie Smiths, der Klarinette Rappollo's, der Jericho-Trompete Armstrongs usw. das Schimmern des ewigen Lichtes wahrzunehmen". Hudtwalcker erinnerte sich aber auch an durchaus robuste Widerstandsaktionen: "Der gefürchtete Bismarck-Club, welcher handfeste Pistolenangriffe gegen HJ führte, der verschiedene HJ-Führer nachts in die Fleete von Barmbek und Eimsbüttel warf oder mit Guitarrensaiten gefesselt im Stadtpark an Laternenpfähle knüpfte. (…) [D]ie unzähligen, die für eine Schallplatte ins KZ gingen, die Langhaarigen, Schirmschwingenden, Kreppbesohlten, die ein Heer von Gestapo-Beamten und Spitzeln in Bewegung hielten, die 'Wehrkraftzersetzer' und 'Undeutschdenkenden', die da im Kriege sangen: 'Wir sind nicht Juden, sind nicht Kommunisten, doch unsere Hymne ist der Tiger Rag'". Hudtwalckers Ausführungen stehen durchaus in Einklang mit der Beobachtung des Musikwissenschaftlers Wolfram Knauer, dass das "Verbrechen der sogenannten 'Swingheinis' in Hamburg, wo die Gestapo schärfer durchgriff als anderswo und die Jugendlichen zur 'Umerziehung' in Konzentrationslagern landeten", weniger darin bestanden habe, "dass sie sich für Swing begeisterten, als vielmehr [in der] Tatsache, dass sie sich der faschistischen Ästhetik widersetzten, deren Ideal natürlich begeisterte Hitlerjungen verkörperten." Die Drohung für die Nazis bestand darin, dass diese Musik "die Jugendlichen, auf deren Konformität sie für die Aufrechterhaltung des Systems angewiesen waren, für ihre Zwecke verderben würde".

Doch Jazz – und Jazzmusiker – ließen sich auch in die Dienste des Nationalsozialismus stellen. Mit der Band Charlie and his Orchestra initiierte Goebbels' Propagandaministerium die Gründung eines Ensembles, das mit der tatkräftigen Unterstützung "einige[r] der besten deutschen Instrumentalisten" Jazztitel einspielte, deren Originaltexte durch englischsprachige Propagandatexte ausgetauscht wurden, um über die Ausstrahlung dieser Aufnahmen im Rundfunk vor allem Einfluss auf das britische Publikum zu nehmen. Da wurde Irving Berlins Song "Slumming on Park Avenue" in "Let's Go Bombing" umbenannt, oder der Standard "Makin' Whoopee" beginnt mit den Zeilen "Another War, Another Profit, Another Jewish Business
Trick!" Was heute grotesk erscheinen mag, darf in seiner Wirkung wohl nicht unterschätzt werden; Wolfram Knauer stellte fest: "[E]s verstört vielleicht am meisten, dass man noch heute beim Anhören zu verstehen meint, wie direkt und unmittelbar Musik Stimmung machen kann." Dass einer der beteiligten Jazzmusiker, Fritz Brocksieper, später äußerte, "er habe die Propagandatexte gar nicht so wahrgenommen" und dagegen die Qualität der Musik pries, reiht sich ein in das Formelrepertoire von Millionen von Deutschen nach 1945. In der neuen Zeit, die mit dem Mai 1945 angebrochen war, verschwand für viele Deutsche die jüngste deutsche Vergangenheit in einem Nebel des Vergessens – unter ihnen waren auch Jazzmusiker.

"American Patrol": Nachkrieg

Als die Alliierten 1945 in Deutschland einzogen, war Jazz nicht nur deswegen die Musik der Sieger, weil der infektiöse Swing des Orchesters von Glenn Miller mit Hits wie "In the Mood", "Tuxedo Junction" oder "American Patrol", ausgestrahlt über den Rundfunk der Allied Expeditionary
Forces, gleichsam den Soundtrack zu diesem Einzug in das Land des Feindes gebildet hatte. Er war auch deswegen die Musik der Sieger, weil seine prominente Stellung, die er im Bild vieler Deutscher von ihren 'Besatzern' einnahm, so diametral dem Feindbild entgegenstand, das die NS-Kulturpolitik von ihm gezeichnet und zu propagieren versucht hatte. Und darüber hinaus erlebten viele Deutsche – insbesondere in den amerikanisch besetzten Territorien, zu denen zunächst auch Teile der späteren Sowjetischen Besatzungszone gehörten – Afroamerikaner als Botschafter und besondere Fans dieser Musik, Menschen also, die bis vor Kurzem explizit staatlicher, rassistischer Verachtung und Verfolgung ausgesetzt gewesen waren. Der Schriftsteller Dieter Wellershoff, damals 20 Jahre alt, erinnerte sich später an "eine Zeit täglicher Entdeckungen (…), vor allem, als eine vitale Stimulierung, die uns eine neue Art äußerer und innerer Bewegung lehrte, der Jazz. Es war eine neue Zivilisation mit neuen Umgangsformen und Lebensreizen. Jitterbug und Boogie-Woogie trieben uns den Marschtritt aus dem Leib, und es war einleuchtend nicht nur im Bewußtsein, sondern eben auch im Körper, im vitalen Selbstgefühl, daß der politische Rahmen dieses neuen Lebens nur die Demokratie sein konnte."

Rasch bildeten sich aus Liebhaberkreisen, die, meist im Teenager-Alter, bis zum Ende des Krieges in vielen deutschen Städten oft konspirative Hot Clubs gebildet hatten, Initiativen, die mit Vereinsgründungen, Zeitschriften und einer Fülle an Amateur-Bands dieser neuen Musik ein möglichst großes Publikum zu erschließen versuchten. Eine zentrale Rolle spielten dabei Clubs der US-Army, in denen regelmäßig amerikanische Bands, aber bald auch erste deutsche Ensembles, zur Unterhaltung Jazz – meist im populären Swing-Stil – spielten. Als auch deutsche Musiker, die noch die reiche deutsche Jazz-Tradition der 1930er Jahre aus persönlicher Erfahrung kannten, im von den Alliierten nach dem Vorbild der BBC neu aufgestellten Rundfunk Tanz- und Konzertmusik mit mal mehr, mal weniger deutlichen Jazz-Einschlägen vorstellten, bildete sich allerdings Widerstand. Furore machte dabei eine von der noch jungen Zeitschrift "Hör Zu!" 1947/48 orchestrierte Kampagne. Das Blatt druckte nach der Ausstrahlung eines "Abend[s] mit dem Radiotanzorchester" des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) unter Leitung von Kurt Wege Hörerstimmen ab, die nach Aussagen der Redaktion angeblich zu Tausenden, bald als "Hagel", dann als "Lawine" eingegangen seien. Darin hieß es: "Dieses Kind aus Übersee ist nichts für unsere Ohren!"; "Ist es nicht beschämend für uns, daß wir ausländische Sender einschalten müssen, wenn wir liebe, altvertraute deutsche Weisen vernehmen wollen?"; "Das Geschreie und Getöse ist einfach furchtbar. Es gibt doch so gute deutsche Tanzweisen." Das hier betonte nationale Attribut war sprechend. Es bestätigte den Hörer*innen gleichsam beiläufig, dass man – ungeachtet der von Deutschen begangenen Massenverbrechen – auf eine nationale Eigenart auch in einem positiven Sinn durchaus Anspruch erheben dürfe – und dass man keineswegs bereit war, sein Deutschsein inklusive seiner Hörgewohnheiten von den kulturellen Gepflogenheiten oder gar programmatischen Reeducation-Absichten einer ausländischen Siegermacht 'überfremden' zu lassen. Die in Kürze noch virulenter werdende Vorstellung eines mutmaßlich unaufhebbaren Gegenübers zu allem, was mit "Übersee", "Amerika", "Urwald" ("Geschreie, Getöse") zu tun hatte, meldete sich hier bereits an. Einer der auf diese Weise gemaßregelten Künstler – der Arrangeur Friedrich Meyer – zahlte in ähnlicher Münze heim; an die Verfasser der Leserbriefe gewandt, schrieb er: "Ihr könnt euch nicht beklagen: die deutschen Rundfunkstationen nudeln tagaus, tagein Eure Ständchen und Serenaden, 'Großmütterchen' und 'Rote Laterne von St. Pauli'. (…) [B]leibt mit Eurer Kritik zu Hause, wenn Sie von keiner Sachkenntnis getrübt ist. Blamiert euch in Eurer Werkstatt, in Euren Büros und zu Hause." Doch zuletzt sah sich der Leiter der NWDR-Musikabteilung, Harry Hermann Spitz, der als Jude selbst nur im Exil hatte überleben können, gezwungen, einzulenken: Die Zusammenarbeit mit Meyer wurde beendet, Kurt Wege in einen "zweimonatigen 'Erholungsurlaub'" geschickt, wie der "Spiegel" berichtete, und eine deutliche Änderung des Musikprogramms angekündigt. 'Volkes Stimme', hier auf verschobene Weise Ausdruck einer völlig unbearbeiteten sozialen und moralischen Katastrophe, hatte unüberhörbar einen Sieg errungen.

"Musik gegen jeden Totalitarismus": Bundesrepublik bis 1990

Zunächst noch unter dem unmittelbaren Eindruck musizierender US-Soldaten, bald auch erster Tourneen amerikanischer Stars, ermutigt von Rundfunk-Redakteuren wie Joachim-Ernst Berendt im Südwestrundfunk, die, entgegen aller Kritik, einschlägige Sendereihen einrichteten, aber auch motiviert durch ein Publikum, das das Neue und Frische dieser Musik zu schätzen wusste, war es die Generation der Max Greger, Paul Kuhn, Emil und Albert Mangelsdorff, Hans (James) Last, Jutta Hipp, Inge Brandenburg, Hubert Strasser und vieler anderer, die die eigentliche Wiedergeburt des Jazz in Deutschland einläuteten. Meist ohne eigene Erfahrung des Jazz der Vorkriegszeit, rezipierten sie die afroamerikanische Musik als Ausdruck einer neuen Zeit und waren begierig nach den neuesten Entwicklungen dieser Musik, die sich für sie vor allem, wenn nicht ausschließlich, in den USA abzeichneten.

Die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz des Jazz wurde – wenn auch auf etwas eigentümliche Weise – dokumentiert in der Auseinandersetzung zwischen Theodor W. Adorno und Joachim-Ernst Berendt in der Zeitschrift "Merkur" im Sommer 1953. Adorno zufolge hatte sich im Jazz alles Oppositionell-Widerständige abgeschliffen und war zu Produkten einer Kulturindustrie geworden, der Kritik am System konstitutiv fremd ist; Berendt hingegen beging den fatalen Fehler, "sich auf Adornos Vorgabe einzulassen, den Jazz mit der europäischen Kunstmusik in einen gemeinsamen Bezugsrahmen zu setzen. (…) Der Punkt ist aber nicht, dass Jazz auch Kunst wäre, sondern dass er aus anderen Prinzipien zu verstehen ist als die europäische Kunstmusik." Obendrein glaubte Berendt betonen zu müssen, "wie absolut sicher diese Musik gegen jeden Totalitarismus 'impft' (…). Hat man schon einmal einen Funktionär oder Militaristen gesehen, der gleichzeitig Jazz-Fan gewesen wäre? Woher kommt denn die tiefe, eingewurzelte Abneigung aller Militärs gegen den Jazz?" Das stand in eklatantem Widerspruch nicht nur zu Charlie and his Orchestra, sondern ebenso zur – freilich erst 1958 erfolgenden – Initiative des Verteidigungsministers Franz Josef Strauß, Jazz in das Repertoire der zahlreichen Kapellen der noch jungen deutschen Bundeswehr aufzunehmen. Mochte Berendt auf der argumentativen Ebene auch das Nachsehen gegenüber dem Sozialphilosophen haben – Jazz war zum Gegenstand des 'hochkulturellen' Diskurses geworden, ohne dass Adornos Position einen nachweisbaren Einfluss auf die Entwicklung des Jazz in Westdeutschland hinterlassen hätte.

Im Gegenteil: In den 1950er und 1960er Jahren nahm nicht nur die Vielfalt der Stile, die Aufmerksamkeit von Konzertagenturen und die Zahl der einschlägigen Rundfunk-Sendungen zu – unter letzteren etwa der 1958 eingeführte NDR-Jazzworkshop, in dem sich bald Top-Stars aus den USA die Klinke in die Hand gaben –, sondern auch ein neues Selbstbewusstsein der deutschen Jazzmusiker. Waren für Jahrzehnte stets die US-amerikanischen Musiker die Vorbilder gewesen, formulierte Albert Mangelsdorff 1963 die folgenreiche Einsicht, dass "ein Jazzmusiker in Europa (…) nicht von sich verlangen [solle], so zu spielen wie ein farbiger Musiker in New York oder Chicago, er sollte es nicht versuchen und man sollte es nicht von ihm erwarten, weil seine Probleme andere sind und sein Lebenskreis anderen Bedingungen unterworfen ist." Was ganz selbstverständlich klingt, stand jedoch für eine neue Erdung des dem Jazz eigenen Protestpotenzials: Sollte Jazz gerade mit seiner Widerständigkeit authentisch sein, taugte ein Sich-Hineinversetzen in die Situation eines Afroamerikaners in New York oder Chicago nur bedingt, bestand doch an "Problemen" auch für einen Bewohner Europas, erst recht Deutschlands angesichts der Katastrophe von Krieg und Holocaust, ebenfalls kein Mangel. Einen ersten Höhepunkt dieser eingeforderten Besinnung auf die eigene Lage bildete die um Mangelsdorff, Joki Freund und andere entstandene sogenannte "Frankfurter Schule", die, noch deutlich vom Cool Jazz geprägt, gleichwohl mit einem eigenen Sound auffiel. Die von dem polnischen Komponisten Kristof Komeda geprägte Bezeichnung schließt – mit ihrer Anspielung auf die Frankfurter Schule von Adorno, Horkheimer, Löwenthal und anderen – den kritischen Impuls charakteristisch mit ein. Von hier aus konnte jene vieldiskutierte "Emanzipation" des deutschen Jazz von den US-amerikanischen Vorbildern ihren Ausgang nehmen, die teils parallel, teils in regem Austausch mit der Entwicklung anderer europäischer Jazz-Szenen stattfand und bis heute anhält.

DDR: "Bestandteil sozialistischer Musikkultur"

Anders als in der jungen Bundesrepublik war Kultur in der DDR mit dem Auftrag versehen, einen Beitrag zum Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft zu leisten. Jazz, in sowjetisch-parteikommunistischer Perspektive "Ausdruck des amerikanischen nationalen Ideals (…) des geistigen Chaos und des Durcheinanders, (…) geistiger Abstumpfung und des Zerfalls des lebendigen Denkens", galt dafür als denkbar ungeeignet. Fritz Rudolf Fries, der einen bis heute äußerst lesenswerten Roman über die Leipziger Jazz-Fan-Szene Ende der 1950er Jahre verfasste, charakterisiert die Situation in seinen Erinnerungen wie folgt: "In der DDR galt Jazz für viele Jahre als dekadenter Ausdruck einer Unkultur des Imperialismus. Man ließ Ausnahmen zu. Der Blues als Ausdruck schwarzen Proletariats auf dem Weg aus den Südstaaten in die Slums der großen Städte im Norden durfte passieren. Der Rest war anarchistisch und trotzkistisch – im Sinne einer permanenten Revolution. Den Vorurteilen begegneten wir in der eigenen Familie in Gestalt von Onkeln und Tanten, die in ihrem ästhetischen Haushalt mit Marsch-, Volks- und Schlagermusik auskamen. Mit Hilfe der amerikanischen Sender fochten wir für eine Entnazifizierung in der Kultur, für eine Entrümpelung der Köpfe und Sinne."

Allerdings waren die 'regulierenden' und kontrollierenden Maßnahmen der DDR-Behörden zum einen Kursschwankungen in der offiziellen Kulturpolitik ausgesetzt, die sich mal mehr, mal weniger offen gab, zum andern den Entscheidungen regional zeitweilig durchaus unterschiedlicher Praktiken. Trotz der Instabilität dieser Bedingungen konnten sich etliche namhafte Jazz-Ensembles behaupten, wie etwa die von Karl Walter, Günter Hörig oder Fips Fleischer. Wie schwierig die Arbeitsbedingungen jedoch blieben, legt auch eine Situation am Rande der Tournee Louis Armstrongs in der DDR 1965 offen. Die Jazzlegende, dessen Konzerte zu den – im Vergleich zum Westen – raren Möglichkeiten für Jazzmusiker*innen und Fans in der DDR zählten, afroamerikanische Künstler live zu erleben, wurde während einer internationalen Pressekonferenz nach seiner Ankunft in Ost-Berlin von einem West-Berliner Journalisten gefragt, "ob sich der Musiker die 'Mauer' ansehen werde. – Armstrongs Antwort: 'Ich habe die Mauer bereits gesehen. Aber sie interessiert mich nicht. Mich interessiert nur mein Publikum, deshalb bin ich hier.' – Daraufhin flüsterte der Generaldirektor der Künstleragentur nervös mit dem Dolmetscher, während Louis Armstrong einen bemerkenswerten Satz nachschob: 'Ich kann zwar nicht sagen, was ich sagen möchte. Aber wenn Sie einverstanden sind, würde ich sagen: Vergesst all den Scheiß!'" Die Äußerung verrät Armstrongs Widerwillen gegen die wiederholten und zuweilen hartnäckigen Versuche, ihn und seine Musik für politische Zwecke zu instrumentalisieren – ohne sich jedoch, wie er wohl wissen mochte, nachhaltig dagegen wehren zu können.

Der Mauerbau 1961 schien eine "[n]eue Freiheit" auch für den Jazz in der DDR zu ermöglichen. Wenn auch unter wiederholter, aber nicht kontinuierlicher Beobachtung der Stasi, meldete sich eine neue Generation zu Wort, darunter Joachim Kühn, Friedhelm Schönfeld, Ernst Ludwig Petrowsky, Uschi Brüning, Ulrich Gumpert und Günter Sommer. Etliche von ihnen wandten sich dem Free Jazz zu, der – etwa im Rahmen der Jazzwerkstatt Peitz, später auch als "Woodstock am Karpfenteich" bezeichnet – besonders viele Koproduktionen mit Jazzmusiker*innen aus der Bundesrepublik, aber auch aus Polen erlaubte. Nicht zuletzt die internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung einer Musik, die außerhalb des Staates vereinfachend als "DDR-Jazz" bezeichnet wurde, mag mit dazu beigetragen haben, dass es in den 1986 erschienenen offiziösen "Hinweisen zur Pflege des Jazz im Kulturbund der DDR" heißen konnte: "Der Jazz ist Bestandteil der sozialistischen Musikkultur in der DDR." Für viele Musiker*innen und noch mehr Hörer*innen und Fans schien ein wichtiges Ziel erreicht. Doch nur vier Jahre später besiegelte der Einigungsvertrag das Ende der DDR.

Berliner Republik

Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten, aber auch Aspekte der Globalisierung wie verbesserte Ausbildungsmöglichkeiten für junge Jazzmusiker*innen haben zu einer bis dato ungekannten Diversifizierung von Spielarten des Jazz in Deutschland geführt. Wolfram Knauer zeichnet in seiner herausragenden Gesamtdarstellung ein detailliertes Portrait der Entwicklungen gerade der zurückliegenden 30 Jahre. Wie aber lässt sich der Jazz in Deutschland heute in Hinblick auf seine Bezüge zu Gesellschaft und Politik charakterisieren?

Gemessen sowohl an seiner Herkunft als auch noch an seinem gesellschaftlichen Status in den 1920er und 1930er Jahren ist der Jazz heute in Deutschland von vielen Kennzeichen einer sogenannten E-Musik geprägt. Dazu zählen nicht nur die enormen Anforderungen technischer Expertise an seine ausübenden Künstler*innen – das galt auch schon in früheren Zeiten –, sondern die – wenn auch mit großer Verzögerung erfolgte – Einrichtung akademischer Ausbildungsstätten, die Öffnung der repräsentativen Konzerthallen des Landes, verschiedenste Formen staatlicher Förderung und ein zahlenmäßig im Vergleich zu vielen anderen Musikstilen äußerst eingeschränktes Publikum, das seinerseits von Überalterung bedroht ist. All diese Kennzeichen, die der Jazz heute mit der europäischen Klassik teilt – mit Ausnahme der eklatanten Unterschiede im Umfang der öffentlichen Förderung –, deuten im historischen Längsriss auf zweierlei: Zum einen war es das ausdrückliche Ziel seiner frühen Förderer in der jungen Bundesrepublik, auf modifizierte Weise auch in der DDR, dem Jazz genau jene gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen, die die europäische Klassik zweifelsfrei genoss. Joachim-Ernst Berendt hatte dies zeitweilig zu Parallelisierungen zwischen Jazz und Klassik verführt, die nicht nur Adorno mit einiger Berechtigung zurückgewiesen hatte. Zum andern jedoch musste unweigerlich ein bestimmter Modus der Akzeptanz, eine Aufnahme des Jazz gar in kanonisierte Formen von Darbietung und Rezeption, zu einer Reduzierung seines Dissidenz-Charakters, seiner Widerständigkeit führen.

Um diesen Sachverhalt genauer ermessen zu können, hilft ein Blick auf die aktuelle US-amerikanische Szene. In den USA, in denen unverändert wichtige Entwicklungen des Jazz stattfinden, waren diese Entwicklungen stets entscheidend geknüpft an Geschichte und Gegenwart der afroamerikanischen Minorität. Der Rang ihrer Erfahrungen für die eigene kreative Arbeit wird auch heute – vielleicht zusätzlich motiviert durch Ereignisse wie diejenigen, die die Black-Lives-Matter-Bewegung ausgelöst haben – immer wieder hervorgehoben, von Künstlern wie Theo Croker, Jeremy Pelt, Jon Batiste und vielen anderen. Aber auch der Blick auf einen der bedeutendsten Innovationsschübe im europäischen Jazz der vergangenen Jahre – die Entwicklung in der britischen Szene um Shabaka Hutchings, Theon Cross, Nubya Garcia und weiteren – legt offen, dass auch hier eine soziale und kulturelle Differenzerfahrung, nämlich die der Herkunft aus dem karibischen Raum in Abgrenzung zur weißen englischen Mehrheitsgesellschaft, maßgeblich auf die musikalische Ästhetik eingewirkt hat.

Keine Frage: Es bedarf nicht der hier angedeuteten Differenzerfahrungen, um auch als deutsche*r Jazzmusiker*in die eigene Kunst als radikal zeitgemäßen Ausdruck zu gestalten, der als solcher – meist unhintergehbar – von jenen "Problemen" zeugt, von denen Mangelsdorff sprach. Ihr unerlässlicher Partner ist ein Publikum, das die Zeitgemäßheit des Gehörten fortwährend kritisch überprüft. Dass dieses Selbstverständnis keineswegs der Vergangenheit angehört, wurde während eines Auftritts von Kurt Elling und der WDR Big Band auf dem Jazzfest 2014 vor dem – für seine Unmutsbekundungen freilich berühmt-berüchtigten – Berliner Publikum deutlich. Der anwesende Musikjournalist Rolf Thomas vermeinte, der Vertonung einer "Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung" beizuwohnen – und "spätestens, als Ronald Reagan als Freiheitskämpfer gefeiert werden sollte, erwartete man, dass David Hasselhoff um die Ecke biegen und 'I've Been Looking For Freedom' anstimmen würde; es war aber der bemitleidenswerte Kurt Elling, der diesen missratenen und von vielen Buhrufen begleiteten Auftritt gestalten musste."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zit. nach Wolfram Knauer, "Play Yourself, Man!" – Die Geschichte des Jazz in Deutschland, Ditzingen 2019, S. 18.

  2. Olaf Maikopf, Rezension von Shabaka and the Ancestors: We Are Sent Here By History, in: Jazzthetik 5–6/2020, S. 69.

  3. Ebd.

  4. Joseph Roth, Jazzband, in: ders., Werke I. Das journalistische Werk 1915–1923, hrsg. von Klaus Westermann, Köln–Amsterdam 1989, S. 543–547, hier S. 545.

  5. Klaus Mann, Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht, Reinbek 1986, S. 125f.

  6. Hermann Hesse, Der Steppenwolf. Mit einem Kommentar von Heribert Kuhn, Frankfurt/M. 2017, S. 44f.

  7. Vgl. Michael H. Kater, Gewagtes Spiel. Jazz im Nationalsozialismus, München 1998, S. 29f.

  8. Vgl. Stephan Braese, Identifying the Impulse: Alfred Lion Founds the Blue Note Jazz Label, in: Eckart Goebel/Sigrid Weigel (Hrsg.), "Escape to Life". German Intellectuals in New York: A Compendium on Exile after 1933, Berlin–Boston 2012, S. 270–287.

  9. Kater (Anm. 7), S. 47.

  10. Zit. nach Knauer (Anm. 1), S. 84.

  11. Vgl. Kater (Anm. 7), S. 98; Knauer (Anm. 1), S. 93.

  12. Vgl. Kater (Anm. 7), S. 79ff.; Peter Köhler, Die "Ghetto Swingers" im Konzentrationslager Theresienstadt, in: Klaus Wolbert (Hrsg.), That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1997, S. 389f.

  13. Olaf Hudtwalcker, Erinnerungen aus den finsteren Jahren!, in: Jazz-Club News 13–14/1946, S. 6f.

  14. Ders., Olaf Hudtwalcker's Wiedersehen mit der Swingjugend. Kurt Widmann in Hamburg, in Jazz-Club News 23–24/1947, S. 34.

  15. Knauer (Anm. 1), S. 111.

  16. Ebd., S. 113.

  17. Ebd., S. 115.

  18. Vgl. ebd., S. 119.

  19. Ebd., S. 118.

  20. Ebd., S. 123.

  21. Vgl. Kater (Anm. 7), S. 312–314.

  22. Dieter Wellershoff, Die Arbeit des Lebens, in: ders., Werke 3. Autobiographische Schriften, hrsg. von Keith Bullivant/Manfred Durzak, Köln 1996, S. 54–257, hier S. 103.

  23. Kurt Wege hat das Wort, in: Hör Zu! 46/1947, S. 4; Stellt doch Euer Radio ab! Die Spezial-Arrangeure äußern sich, in: Hör Zu! 48/1947, S. 4; Tanzmusik – so oder so? Schluß der Debatte, in: Hör Zu! 4/1948, S. 3f., hier S. 3.

  24. Alle Zitate aus "Tanzmusik – so oder so? Quäken, Jaulen, Grunzen", in: Hör Zu! 45/1947, S. 4.

  25. Stellt doch Euer Radio ab! (Anm. 23).

  26. Blech an die Wand gedrückt – Zwischen heiß und süß, in: Der Spiegel, 17.1.1948, S. 17f., hier S. 17.

  27. Heinz Steinert, Die Entdeckung der Kulturindustrie. Oder: Warum Professor Adorno Jazz-Musik nicht ausstehen konnte, Münster 2003 S. 20, S. 139.

  28. Joachim-Ernst Berendt, Für und wider den Jazz, in: Merkur 7/1953, S. 887–890, hier S. 890.

  29. Vgl. Uta G. Poiger, Jazz, Rock, and Rebels. Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley u.a. 2000, S. 166.

  30. Zit. nach Wolfram Knauer, Emanzipation wovon? Zum Verhältnis des amerikanischen und des deutschen Jazz in den 50er und 60er Jahren, in: ders. (Hrsg.), Jazz in Deutschland. Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung, Bd. 4, Hofheim 1996, S. 141–157, hier S. 147.

  31. Vgl. Knauer (Anm. 1), S. 359ff.

  32. Zit. nach Bert Noglik, Vom Linden-Blues zum Zentralquartett. Fragmentarisches zur Entwicklung des Jazz in der DDR, in: Wolbert (Anm. 12), S. 421–432, hier S. 422.

  33. Fritz Rudolf Fries, Diogenes auf der Parkbank. Erinnerungen, Berlin 2002, S. 38.

  34. Stephan Schulz, What a Wonderful World. Als Louis Armstrong durch den Osten tourte, Berlin 2010, S. 57f.

  35. Knauer (Anm. 1), S. 323.

  36. Zit. nach ebd., S. 357.

  37. Rolf Thomas, JazzFest Berlin, in: Jazzthetik 1–2/2015, S. 85.

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ist Professor für Europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.
E-Mail Link: s.braese@germlit.rwth-aachen.de