I. Nicht-Regierungsorganisationen und internationale Umweltpolitik
Die Arbeit von Nicht-Regierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs) ist aus vielen Bereichen der nationalen und internationalen Politik nicht mehr wegzudenken. Die neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts gelten geradezu als das Jahrzehnt der Nicht-Regierungsorganisationen. Allein beim Umweltgipfel 1992 der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro waren mehr als 1 400 Nicht-Regierungsorganisationen akkreditiert. Umwelt-NGOs werden als das "ökologische Weltgewissen" oder als "neue Internationale" bezeichnet.
Diese - journalistisch geprägten - Einordnungs- und Evaluierungsversuche können durchaus als Schrittfolge für eine seriöse Beschäftigung mit dem Thema dienen: Die "neue Internationale" steht für die Stellung der NGOs in der Internationalen Politik in theoretischer und normativer Hinsicht. Und das Wort vom "ökologischen Weltgewissen" zielt auf das Problem der Legitimität dieser Organisationen vor dem Hintergrund globaler ökologischer Herausforderungen. Wenn Journalisten zudem von der "Macht der Mutigen" sprechen, so ist ferner die Frage nach der Bedeutung und der Leistungskraft international tätiger Umweltorganisationen aufgeworfen.
Einfluss und Effektivität hängen eng mit dem Selbstverständnis und der Arbeitsweise der jeweiligen Organisationen zusammen. Es handelt sich bei den international tätigen Umweltschutzorganisationen um äußerst unterschiedlich ausgestattete und unterschiedlich arbeitende Gruppierungen, so dass nur eine differenzierte Analyse ihrem heterogenen Auftreten gerecht wird. Wenn zu undifferenziert analysiert und zu vorschnell evaluiert wird, bleibt nur noch der Mythos eines NGO-Einflusses übrig.
II. NGOs und die Theorie der Internationalen Politik
Das klassische Ius Publicum Europaeum, das aus dem frühneuzeitlichen Naturrechtsdenken hervorgegangene Völkerrechtssystem also, hatte es nur mit Staaten bzw. Staatsregierungen zu tun. Für die Natur- und Völkerrechtstheoretiker der ersten Stunde - für Denker wie Samuel Pufendorf und Hugo Grotius, aber auch für die Staatenwelt des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts - wäre das Ausmaß der Mitsprache metastaatlicher Gruppierungen in internationalen Angelegenheiten, das heute globaler Alltag geworden ist, noch kaum vorstellbar gewesen. Auch bei den heute etablierten Großtheorien der Internationalen Politik - insbesondere der realistischen und neo-realistischen Schulen - ist von einer Mitsprache der NGOs nicht die Rede. Für sie zählen nur staatliche Akeure, allenfalls kommen noch internationale Organisationen in Betracht. Weil Macht bzw. das sich daraus ergebende Sicherheitsdilemma die zentrale Kategorie dieser Denkschulen darstellt, fungieren so genannte weiche Sachthemen wie Umweltschutz bei ihnen gar nicht als Untersuchungsgegenstände der Internationalen Politik.
Gerade jedoch die internationale Umweltpolitik ist von einem Nebeneinander staatlicher Akteure, internationaler Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren geprägt. Zu letzteren zählen marktorientierte Organisationen, insbesondere transnational tätige Konzerne, wissensorientierte Organisationen und NGOs im engeren Sinne.
Der Gemengelage der weltweiten Akteure wird durch die Begriffsverwendung Internationale bzw. Transnationale Beziehungen anstelle von Internationaler Politik Rechnung getragen. Theoretisch schlägt sich die Anerkennung der Akteursvielfalt in der Regimetheorie und vor allem im Konzept einer Global Governance nieder.
Verantwortlich für den Einfluss von NGOs in der internationalen Politik zeichnet nicht zuletzt die Metamorphose des Staates. Aufgrund wachsender - nicht nur wirtschaftlicher - Interdependenz kann der Staat heute die Vielfalt der Innen- und Außenbeziehungen in hochkomplexen Gesellschaften nicht mehr allein wahrnehmen. Der Staat - nicht nur in den westlichen Demokratien - ist nicht mehr der große "Leviathan", der alle Entscheidungen mehr oder weniger allein trifft und kontrolliert. Seine Vertreter sind immer öfter gehalten, ihren "angestammten" Platz an der Spitze bzw. im Zentrum der Gesellschaft zu verlassen und sich in Verhandlungen mit wirtschaftlichen, korporatistischen, wissenschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Interessengruppen zu begeben. Es vollzieht sich eine Ablösung der hierarchisch integrierten Herrschaftsstrukturen durch formelle und informelle Verhandlungssysteme und Netzwerke.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, konstatiert solche theoretischen Einsichten im Milleniums-Bericht der Weltorganisation schon als politische Realität: "Many diverse and increasingly influential non-state actors" heißt es da, "have joined with national decision makers to improvise new forms of global governance. The more complex the problem at hand . . . the more likely we are to find non-governmental organizations, private sector institutions and multilateral agencies working with sovereign states to find consensus solutions."
Waren es die vielen empirisch nachgewiesenen Einflussfelder der transnationalen Nicht-Regierungsorganisationen, die den Weg für neue theoretische Konzepte in den Internationalen Beziehungen ebneten, so bleiben für viele Beobachter doch einige Fragen offen: Neben dem tatsächlichen Einfluss geht es in erster Linie um die Frage der Legitimation von transnational tätigen NGOs. Doch legitimieren muss sich in offenen, pluralistischen Gesellschaften nur ein Akteur, nämlich der, der kollektiv bindende Entscheidungen trifft und damit autoritative Herrschaft ausübt, also der Staat. Da NGOs eine solche Herrschaft nicht ausüben, sondern nur entweder ihre Interessen oder Allgemeininteressen vertreten, besteht kein demokratischer Legitimationszwang.
Die hier kurz dargestellten veränderten weltpolitischen Bedingungen und die Rolle von NGOs sollen nunmehr speziell auf das Feld der internationalen Umweltpolitik übertragen werden.
III. NGOs und die globale ökologische Herausforderung
Viele Umweltprobleme haben nicht nur grenzüberschreitenden, sondern globalen Charakter. Dazu gehören u. a. die Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht, die weltweite Vernichtung des tropischen Regenwaldes, die Abnahme der biologischen Vielfalt und die Gefahr einer globalen Klimaveränderung.
In der globalen Umweltpolitik kann zunächst nicht auf staatliche Handlungsinstrumente zurückgegriffen werden, denn nur innerhalb von Staaten ist die rechtliche Erzwingung von staatlichen Entscheidungen möglich und das Verursacherprinzip juristisch durchsetzbar. Um international überhaupt zu einem Konsens zu kommen, einigt man sich oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Nicht nur z. B. Ober- und Unterlieger-Konstellationen bei "grenzüberschreitenden" Flüssen erschweren gemeinsame Maßnahmen der Staatenwelt, auch Unterschiede im Lebens- und Konsumstil - besonders zwischen Industrieländern und nichtentwickelten Ländern - führen zu unterschiedlichen sozialstrukturellen Bedingungen für eine erfolgreiche internationale Umweltpolitik (ein Beispiel dafür ist die wohlstands- versus armutsinduzierte Umweltzerstörung).
Dies bedeutet aber nicht, dass die lokale Ebene der Einsatzort für Umweltschutz-NGOs wäre. Die Tätigkeitsfelder der nichtstaatlichen Umweltschutzakteure liegen vielmehr an den unterschiedlichsten Stellen politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsmacht. Umweltschutz-NGOs agieren als Lobbyisten, als "moralische Unternehmer", als Experten, als Koordinatoren, als Kontrolleure und als Marktteilnehmer. Umweltschutzgruppen kommt aber auch eine Vermittlungsfunktion zwischen Staat und Gesellschaft zu. Regierungen sind in demokratischen Staaten von der Zustimmung der Wähler abhängig. Regierungen scheuen sich daher, ihren Bürgern und Wählern zu "teure" Verhaltensänderungen aufzubürden. Gesellschaftliche Organisationen können diese Überzeugungsarbeit viel besser leisten, weil sie nicht - wie Regierungen - einem permanenten und kurzfristigen Akzeptanzdruck ausgesetzt sind.
Die unterschiedlichen Rollen, Strategien und Möglichkeiten der international tätigen Umweltschutz-NGOs sollen nunmehr anhand einer idealtypisch vorgenommenen Kategorisierung aufgezeigt werden.
IV. Die Strategien der Umwelt-NGOs
Die nachfolgende Einteilung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zuweilen auch Überschneidungen im Selbstverständnis und in der Arbeitsweise der transnationalen Umwelt-NGOs gibt.
1. Die Experten
Umweltzusammenhänge sind meist von hoher Komplexität geprägt. Die theoretische und angewandte Umweltforschung hat seit ca. 30 Jahren einen ungeahnten Aufschwung erlebt. Sie wird von staatlichen, internationalen, halbstaatlichen, privatwirtschaftlichen oder gemeinnützig arbeitenden Organisationen betrieben. Auf manchen Teilgebieten wie dem Arten- und Naturschutz sind staatliche und internationale Behörden stark auf die Forschungsarbeiten von gesellschaftlichen Organisationen angewiesen. Transnationale NGOs wie die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) oder der Worldwide Fund for Nature (WWF) wären hier zu nennen. Die IUCN hat ganz wesentlich mit ihrer "World Conservation Strategy" von 1982 zum Nachhaltigkeitskonzept der Brundtland-Kommission beigetragen. Ebenso hat die IUCN die Grundlagen für die Konvention über die biologische Vielfalt von 1992 erarbeitet, bevor das United Nations Environmental Program (UNEP) die Koordination der Biodiversitätsanstrengungen übernahm.
Bei den Expertenorganisationen handelt es sich oft um "gemischte" Organisationen, also um solche, bei denen Nationalstaaten oder internationale Organisationen neben gesellschaftlichen Organisationen Mitglieder sind. Oft sind es auch transnationale Fachorganisationen wie die World Meteriological Organization (WMO), die initiativ tätig werden und deren Anstöße zu institutionalisierten (staatlichen) Zusammenschlüssen wie dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) führen.
Experten-NGOs lassen sich in ihrer Arbeit selten auf eine wissenschaftliche Tätigkeit reduzieren. Besonders wichtig ist neben ihrer publizistischen Funktion auch ihre Einbeziehung in internationale Umweltregime, von wo aus sie direkten Einfluss auf die Fachverhandlungen der Staatenvertreter nehmen können.
2. Die Lobbyisten
Die klassische Arbeit von Interessenorganisationen besteht in der Lobbyarbeit, also der direkten Einflussnahme auf Verwaltungs-, Regierungs- oder Parlamentsentscheidungen. Wenn auch Umweltschutz-NGOs keine Interessengruppen im herkömmlichen Sinne darstellen, weil sie in erster Linie Allgemeininteressen wahrnehmen, so bedienen sie sich doch durchaus auch der klassischen Instrumente der Interessenorganisationen. Dies gilt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Auf internationalem Parkett heißt dies, dass die Einflussnahme beim Aushandeln internationaler Umweltschutzabkommen innerhalb von etablierten Umweltregimen oder vor Gremien der Vereinten Nationen stattfinden kann. Wie auch auf nationaler Ebene gibt es formelle und informelle Einflussmöglichkeiten. Die bisher einzige "offizielle" Anerkennung der Umweltschutz-NGOs erfolgte im Rahmen der Vorbereitung des Umweltgipfels von Rio de Janeiro 1992 (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED). Die Resolution 44/228 der Generalversammlung verlangte ausdrücklich "relevant nongovernmental organizations in consultative status with the Economic and Social Council to contribute to the Conference as appropriate". In praxi sieht die Lobbyarbeit bei den Vereinten Nationen so aus, dass Positionspapiere auf den Plenarsitzungen verteilt werden können und die Teilnahme an vorbereitenden Sitzungen in der Regel erlaubt ist.
Die internationale Lobbyarbeit vollzieht sich deshalb in weit effektiverem Maße informell. Man versucht, die Diplomaten eben nicht im Plenum, sondern in den Cafeterias und Hotels anzusprechen, zu informieren und zu überzeugen. Schon die "offizielle" Anwesenheit einer so großen Zahl von NGOs auf dem Umweltgipfel zeigt das, worauf die Umweltschützer so dringend angewiesen sind: eine möglichst große Öffentlichkeit. Und diese Öffentlichkeit kann auf so genannten Gegengipfeln oft besser erreicht werden als in spröden diplomatischen Veranstaltungen, denn auf den eigenen Veranstaltungen führen die NGOs Regie - mit all ihrer Buntheit und Dramatik, wie wir sie von Greenpeace& Co. kennen. Die Umwelt-NGOs brauchen gleichwohl die diplomatischen Großveranstaltungen. Auf diesen gehen sie vor allem eine Symbiose mit den Medien ein; beide sind aufeinander angewiesen. Öffentlichkeitsarbeit verdrängt hier zwangsläufig die Sacharbeit, Lobbyarbeit wird zu einem großen Teil Öffentlichkeitsarbeit.
Natürlich gibt es sie auch noch, die klassische Lobbyarbeit. Sie vollzieht sich im Stillen, im Kontakthalten mit diplomatischen, administrativen und parlamentarischen Amtsträgern - sei es in Brüssel, Straßburg oder an anderen Orten inter- und supranationaler Organisationen. Dabei wird auch deutlich, dass es keine genaue Abgrenzung zwischen Experten- und Lobbyarbeit gibt. Probleme für das Selbstverständnis der Umwelt-NGOs ergeben sich dann, wenn die Lobbytätigkeit von den staatlichen oder internationalen Organisationen zu stark vereinnahmt wird. Dies ist dann der Fall, wenn NGOs in eine finanzielle Abhängigkeit von ihren Lobbypartnern geraten, wie dies beispielsweise bei der EU und dem Europäischen Umweltbüro, das ca. 130 nationale Umweltorganisationen repräsentiert, vorkommt.
Was die Organisationen im Einzelnen betrifft, so hängt es im Wesentlichen von der Größe und Kapazität der einzelnen Umweltschutz-NGOs ab, ob sie Lobbyarbeit betreiben. In diesem Sinne gibt es durchaus eine Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Gruppen.
3. Die Moralisten
Die natürliche Umwelt hat zunächst keine eigenen Fürsprecher. In einem staatlich umgrenzten Raum können Menschen, die von Umweltzerstörung betroffen sind, wenigstens versuchen, auf Entscheidungsträger Einfluss auszuüben. Anders verhält es sich mit staatsfreien Räumen wie den Weltmeeren. Weil diese Global Commons über Gebühr - beispielsweise durch Überfischen und Mülldumping - missbraucht wurden und es keinen politischen Druck von direkt Betroffenen gibt, stellen die Global Commons auch das Geburtsfeld der als "ökologisches Weltgewissen" arbeitenden NGOs dar. Durch die bessere Moral kann auch David den Goliath angehen. Der damals nahezu aussichtslose Kampf der Besatzung der "Vega" und der "Rainbow Warrior" gegen Atomwaffentests und Walfang wurde nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Tiere, der Natur und der Allgemeinheit ausgefochten. Greenpeace steht für diese Art der Umweltschutzarbeit, die man im Englischen Advocacy Activism nennt.
Die Anwälte der Umwelt sind längst nicht mehr nur auf den Weltmeeren aktiv, ihre Vorgehensweise bleibt aber stets die gleiche. Weil sie für die gute Sache kämpfen, ist nach ihrem Selbstverständnis auch Regelverletzung und ziviler Ungehorsam erlaubt. Diese Mittel müssen aber, um wirksam zu sein, an symbolträchtigen Orten eingesetzt und mit entsprechender Dramatik ausgestattet sein. Ohne die (weltweite) mediale Vermittlung sind sie wirkungslos; und dies bestimmt nicht zuletzt die Strategie der Visualisierung: Greenpeace macht Bilder, Bilder machen Greenpeace.
Diese Art von Aktionismus ist nicht ungefährlich; es kostete zwei Greenpeace-Mitarbeitern das Leben, als der französische Geheimdienst ihr Schiff vor Neuseeland versenkte.
Die Politik der moralischen Visualisierung, wie sie die genannten Gruppen betreiben, birgt auch eine andere Gefahr in sich: Um das große Publikum zu erreichen, muss vereinfacht werden. Bei dem komplexen Sachgegenstand Umweltschutz ist dies oft eine problematische Angelegenheit. Greenpeace zum Beispiel will zwar diese Schieflage durch eigene Forschungsvorhaben und durch andere Schwerpunkte (wie Lobbying) ausgleichen, dennoch lebt die Organisation gerade (auch in finanzieller Hinsicht) von ihrem Mythos.
4. Die Verbraucheraktivisten
In den internationalen Beziehungen spielen multinationale Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Tendenzen der Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess werten diese Rolle noch einmal auf.
Umwelt-NGOs profitieren von der wirtschaftlichen Globalisierung, denn in einer Welt der vernetzten Märkte sind Unternehmen anfällig für weltweite Proteste. Die Multis stecken in der "Globalisierungsfalle"
Bevor eine solche Aktion zum Erfolg führt, bedarf es allerdings eines erheblichen logistischen Aufwands und einer fundierten internationalen Koordination. Entscheidend ist der politisch verstandene wirtschaftliche Hebel. Der Umweg über die (staatenzentrierte) internationale Politik muss damit nicht gegangen werden. Die NGOs tun in dieser Beziehung nichts anderes, als sich in adäquater Weise auf eine sich verändernde Weltpolitik einzustellen. Die "Privatisierung der Weltpolitik" ist ja auch nichts Privates; sie ist höchst politisch, weil sie in vielen Fällen Menschen und Natur um ihre Lebenschancen bringt. Die Umweltschutz-NGOs und die mitdenkenden und mitmachenden Verbraucher handeln ebenfalls politisch, wenn sie gegen Kahlschlag und andere Umweltzerstörungen protestieren; sie benutzen lediglich wirtschaftliche Instrumente dafür.
5. Die Glokalisten
Da viele Umweltprobleme einerseits dezentral auftreten, aber übergreifende strukturelle Ursachen haben, und andererseits die dezentralen Akteure wie Produzenten, Kommunen und Verbraucher durch ihr konkretes Investitions- und Verbraucherverhalten zum Umweltschutz beitragen können, liegt es nahe, globale Umweltschutzstrategien mit lokalen zu verbinden. Den NGOs kommt hierbei wiederum eine äußerst wichtige Rolle zu, denn "Environmental problems that are simultaneously global and local are unlikely to be effectively redressed if policy remedies are the sole provenance of the state"
Bemerkenswerte Ansatzpunkte der Verknüpfung von globalen Problemen und lokalen Lösungsstrategien haben Umweltschutz-NGOs in den neunziger Jahren entwickelt. Ein Beispiel dafür sind die so genannten "Debt-for-Nature-Swaps", also eine Art Schuldenerlass für Naturschutz, mit dem NGOs aus den Industriestaaten die Auslandsschulden von nicht entwickelten Staaten tilgten, wenn diese sich verpflichteten, lokale Umweltschutzprojekte zu initiieren. Eine Erweiterung erfährt dieser Ansatz in der Zusammenarbeit von indigenen Völkern und europäischen Kommunen beim Klimaschutz. Im Rahmen eines gemeinnützigen Vereins arbeiten Organisationen von indigenen Völkern der Regenwaldgebiete mit europäischen kommunalen Gebietskörperschaften als Vollmitgliedern und NGOs als assoziierten Mitgliedern zusammen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Konzept der Agenda 21. Auf der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro von 1992 wurde in diesem Dokument die Einsicht formuliert, dass der verschwenderische Lebensstil des industrialisierten Nordens kein Vorbild für den nicht industrialisierten Süden sein kann. Die "Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen" im Rahmen einer "globalen Partnerschaft"
Den Umweltschutz- und Entwicklungs-NGOs - vor allem auf lokaler Ebene - kommt in diesem Prozess eine wichtige Aufgabe zu. Ihr Engagement, ihre Phantasie und ihre unbürokratische Arbeitsweise kann nicht nur die Arbeit der Kommunen stärken; in nicht wenigen Fällen mussten NGOs Kommunen erst zum Mitmachen bewegen. Bei der Agenda-21-Arbeit finden sich die unterschiedlichsten Gruppen wieder. Neben den Dritte-Welt-Gruppen engagieren sich insbesondere lokal verwurzelte Umweltgruppen wie der BUND, diverse Bürgerinitiativen und Stadtteilgruppen. Bemerkenswert ist auch das Engagement von international tätigen Organisationen, die in Kontakt zu NGOs in den nicht entwickelten Ländern stehen. Die Agenda-Arbeit ist aber auch für alle interessierten Gruppen und Individuen offen, für halbstaatliche Organisationen wie die entwicklungspolitische Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) genauso wie für kirchliche Gruppen und lokale Unternehmer. Die Transformation von Umweltschutzanstrengungen auf der Ebene der "Glocalization" wäre ohne die Anstöße und das Engagement der NGOs sicherlich nicht möglich gewesen.
V. Wie erfolgreich ist die Arbeit der Nicht-Regierungsorganisationen wirklich?
Die These, dass "(die) Lösung der Weltprobleme zu wichtig sei, als dass sie den Staaten allein anvertraut werden dürfte", trifft wohl die Einschätzung vieler transnational tätiger NGOs. Eine solche Einschätzung sagt aber noch nichts über Erfolg oder Misserfolg von Nicht-Regierungsorganisationen in der Umweltpolitik; sie korrespondiert mit anderen Einschätzungen, die etwa von NGOs als "den am meisten überschätzten Akteuren der Weltpolitik"
Wie eingangs beschrieben, haben wir es weltweit mit einem Gestaltwandel von Staatlichkeit zu tun, als dessen Ausdruck Nicht-Regierungsorganisationen angesehen werden müssen. Gleichzeitig treiben diese Akteure den Gestaltwandel voran und erlangen dadurch Bedeutung.
Bei allen drei Varianten können transnationale NGOs erfolgreich sein. Bei der abgegebenen "Macht" arbeiten sie als Experten und Kontrolleure; im Rahmen der delegierten "Macht" nutzen sie die Struktur des Weltwirtschaftssystems selbst als Konsumenten und selbstbewusste Marktveränderer; bei der letzten staatlichen "Macht"-Bastion erfahren Umwelt-NGOs aber durchaus ihre Grenzen. In ihrer Lobbyfunktion haben sie weder beim Biodiversitätsabkommen noch beim Klimaschutz viel erreicht.
Erfolgreich waren sie in der Kombination als Experten und Moralisten; am Anfang als Geburtshelfer des Umweltbewusstseins, dann beim Agenda-Setting für staatliche und internationale Akteure, und schließlich als Vermittler zwischen globalen Problemen und lokalen Lösungsansätzen, eben als "Glokalisten". Umweltschützer müssen nicht nur das Verhalten von Regierungen, sondern vor allem das Verhalten von Menchen ändern helfen - in diesem Verständnis bleiben sie in erster Linie Moralisten.
Die Vielfalt der Umwelt-NGOs macht ihre Stärke aus. Seit ihren Anfängen sind sie einen weiten und - insgesamt gesehen - erfolgreichen Weg gegangen. Wenn sie sich jedoch in ihrer mittlerweile erreichten Professionalität auf das bloße Bearbeiten bearbeitbarer Probleme beschränken,