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Der moderne Dandy | Männer in der Gesellschaft | bpb.de

Männer in der Gesellschaft Editorial Neue Männer Neue Männlichkeit - Neue Wege der Selbstverwirklichung Männer - weder Paschas noch Nestflüchter Männerparteien Der moderne Dandy

Der moderne Dandy

Günter Erbe

/ 21 Minuten zu lesen

Im Zeitalter der Beschleunigung, des Spektakels und der Überpräsenz der Medien steht der Dandy auf verlorenem Posten. Es wird ein altes Männlichkeitsideal skizziert und eine Bestandsaufnahme des "modernen" Dandytums versucht.

Was ist ein Dandy?

In Feuilletons und Modezeitschriften verwenden Journalisten häufig das Wort Dandy zur Kennzeichnung gut gekleideter, leicht feminin wirkender Männer, die sich durch besondere Eleganz auszeichnen. Die Leser gewinnen den Eindruck, es gebe ihn noch, den Dandy, oder er erlebe gerade ein Comeback. In trivialer Beschränkung auf den "Look" wird nur das Äußere des Phänomens wahrgenommen, dem geistigen Habitus dagegen kaum Bedeutung beigemessen. Begriffliche Klärung scheint vonnöten, um derartigen Missverständnissen vorzubeugen.

Der Dandy ist ein Mann von einfacher, erlesener Eleganz, einer Eleganz, die Ausdruck einer bestimmten Geistes- und Lebenshaltung ist. Er ist eine extravagante Spielart des Gentleman, ausgezeichnet durch überlegenen Geschmack, perfekte Manieren, zynisch-frivolen Konversationston, Kaltblütigkeit und Unerschütterlichkeit in allen Lebenslagen und einen auf die Spitze getriebenen Selbstkult. Er ist ein passionierter Müßiggänger und eine notorische Spielernatur. Er ist Solitär und Gesellschaftsmensch. So mag man ihn wie Rainer Gruenter paradoxerweise - aber das Paradoxe gehört zu seinem Wesen - als den Ungeselligen schlechthin ansehen, "dessen prinzipielle gesellige Distanz freilich auf eine raffinierte 'Geselligkeit' von Geselligkeitsverächtern bezogen ist".

Der Dandy existiert in vielen Spielarten und Mischformen, die durch die unterschiedlichen geschichtlichen Umstände bedingt sind. In der romantischen Restauration nach der Französischen Revolution begegnet er uns in der reinsten Ausprägung. Die Dandys des 19. Jahrhunderts bildeten eine exklusive Gruppe und wachten eifersüchtig über die Regeln der Zugehörigkeit zu ihrem "set". Soziologisch betrachtet, ist der klassische Dandy in der Regel ein Mitglied der High Society. Der Rückzug von diesem Terrain oder das Verschwinden dieser sozialen Formation beraubt ihn seines Betätigungsfeldes, denn mit dem Verlust an gesellschaftlicher Exklusivität verliert er an Substanz. Der Dandy, der Heros stilvoller Eleganz, agierte in einem gesellschaftlichen Umfeld, das sich durch Distinktion und kultivierten Müßiggang auszeichnete. Diese Gesellschaft, national in ihrer Verfassung und international in ihren Verkehrsformen, verfügte über einen Kodex des Verhaltens und des Geschmacks, der Uneingeweihte ausschloss. Dieser Kodex wurde von Generation zu Generation weitergegeben und änderte sich im Laufe der Zeit nur wenig. Er behauptete sich, solange jene soziale Formation existierte, die sich die "gute Gesellschaft" oder die "große Welt" nannte.

Dandy und Rebell

Seit Lord George Gordon Byron, spätestens aber seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, hat sich neben einem vor allem von Aristokraten geprägten gesellschaftlichen ein literarisch-künstlerisches Dandytum entwickelt. Die Schriftsteller, die ihn in ihren Werken gestalten, nehmen oft selbst Züge des Dandys an. Durch Jules Barbey d'Aurevilly und Charles Baudelaire kommt es zu einer Akzentverschiebung in der Bedeutung des Wortes Dandy, die typisch französisch ist. Das Element der Revolte, die ethischen und spirituellen Eigenschaften werden stärker betont, sogar auf Kosten der äußeren Eleganz. Zum aristokratischen Formalkult tritt die weltschmerzliche Erfahrung existentieller Isolation.

Der Charakter des Widerspruchs und der Auflehnung und der Kampf gegen die Trivialität erfordern höchste Bewusstheit und Selbstzucht. Deshalb die Forderung Baudelaires, der Dandy müsse sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterbrechung erhaben zu sein. "Er muss leben und schlafen vor einem Spiegel." Baudelaire räumt dem Dandyismus den Rang einer Philosophie ein, die den überlegenen Geist kennzeichnet, unabhängig von seinem historischen Ort. Er ist gleichsam die "Fundamentalkategorie des eleganten, des unabhängigen, anspruchsvollen, herausfordernden Menschen", der eine Verbindung mit jeder möglichen, vom Zeitgeist stets unterschiedlich geprägten Persönlichkeit eingehen kann. Der aggressive Dandy als charismatischer Außenseiter der Gesellschaft ist latent konservativ und neigt zur gegenrevolutionären Revolte. Allerdings greift er die Gesellschaft niemals unmittelbar an. "Er faßt schweigsamer und subtiler zu. Er verzichtet auf Aktionen, die ihn zwingen, unter sein Niveau zu gehen. Doch liegt gerade in dieser ostentativen Handlungsenthaltung seine Herausforderung."

Der Dandy hat keinen anderen Beruf als die Eleganz. Sie ist Ausdruck seiner materiellen und geistigen Unabhängigkeit und seiner moralischen Verfassung. Prinzip seiner Distinktion ist die vollkommene, aber raffinierte Einfachheit, da man sich auf keine bessere Weise von anderen unterscheiden kann. Indem er in der Kleidung das rechte Maß zu wahren weiß, provoziert er, da er sich den Zeitmoden verweigert. Er ist auf sich als Kultfigur, auf seine ästhetische Selbstvervollkommnung bezogen. Der Dandy amüsiert nicht, er dominiert. Durch seine absolute Selbstkontrolle beherrscht er die Szene. Die Aura seines Auftretens ist die Kälte. Sie ist Ausdruck seiner Unerschütterlichkeit und Ungerührtheit und zugleich die besondere Form seiner Schönheit. Der Dandy gefällt, indem er missfällt. Er provoziert, er leistet sich Verstöße gegen die Regeln, was voraussetzt, dass es Regeln gibt, die respektiert werden. Wo Regellosigkeit herrscht, wo es keine Etikette mehr gibt, wo alles erlaubt ist, gehen die Provokationen des Dandys ins Leere.

Was in einer Gesellschaft der Permissivität bleibt, ist ein Individualismus ohne Rückbindung an verpflichtende Konventionen des Geschmacks und des Stils. Das Spannungsverhältnis ist nicht mehr gegeben, aus dem die Selbstdarstellungskunst des Dandys Funken schlägt. Seine Nachfolger verfügen nicht mehr über die seelische und intellektuelle Disziplin, die den Dandy auszeichnet. Exemplarische Eleganz wird ersetzt durch forcierte Extravaganz, ein Prozess, der schon mit Oscar Wilde einsetzte, dem Vorreiter eines öffentlichen Dandytums.

Stilwandel im Medienzeitalter

Seine Gesellschaftsmacht hat der Dandy an Designer, Popstars und andere Stilfiguren des Medienzeitalters abtreten müssen, die heute als Trendsetter der Mode und Geschmacksidole - oftmals unter dem Etikett "Dandy" - die gesellschaftliche Szene beherrschen. Die inflationäre Ausbreitung dandyhafter Attitüden hat eine Nivellierung des Dandytums zur Folge. Im Zeitalter der Mobilität sind die Schauplätze des Highlife auf den gesamten Globus verteilt. Was heute noch als Enklave gesellschaftlicher Exklusivität gilt, kann morgen schon zum Ziel des organisierten Massentourismus werden. Orte wie St. Moritz, Saint-Tropez, Portofino, Acapulco, Marbella, die Bahamas usw. haben längst das Image des Exklusiven eingebüßt.

Im Zeitalter der Massenkultur und der Massenmedien gewinnt neben Herkunft und Reichtum die Bekanntheit einer Person, ihre durch die Öffentlichkeit beglaubigte Prominenz, als Kriterium für die Aufnahme in die bunt zusammengewürfelten Kreise des Jetset an Bedeutung. Ein prominenter Popstar, Sportler, Modeschöpfer, Friseur oder Talkmaster, ein hoch bezahltes Model, eine namhafte Moderatorin, eine erfolgreiche Partyorganisatorin - sie alle haben Chancen, vom Jetset adoptiert zu werden, wenn die Medien sie promovieren und aus der Masse der Namenlosen herausheben. Arrivierte dieses Schlages finden sich bald auf exklusiven Soireen, Partys und Bällen, neben königlichen Hoheiten, Prinzen von Geblüt, Diplomaten und Repräsentanten der Hochfinanz. Wie schon Oscar Wilde erkannt hat, kann unter demokratischen Bedingungen jeder ein Star sein, wenn er es versteht, Schlagzeilen zu machen.

In einer Zeit, in welcher der Selbststilisierung und Selbstdarstellung keine Grenzen mehr gesetzt und einzelne Charakterzüge des Dandys zu Massenerscheinungen geworden sind, hat es ein wirklicher Dandy schwer, seine Originalität zu beweisen. Man gewinnt den Eindruck, dass die Zahl der auf öffentlicher Bühne paradierenden Dandys oder Pseudodandys unüberschaubar geworden ist. Wahrscheinlich müsste ein die geistigen Intentionen des Dandys ernst nehmendes Individuum sich von der gesellschaftlichen Bühne ganz zurückziehen, sich in eine Art mönchische Askese begeben.

In den Milieus der Subkultur finden sich zahlreiche Verwandlungskünstler und Selbstdarsteller unterschiedlichster Couleur. Aber diese Exzentriker und Außenseiterexistenzen sind keine Dandys, sondern urbane Überlebenskünstler. Sie haben vom Dandy die eine oder andere Attitüde übernommen, doch weder ist die Eleganz ihr einziger Beruf, noch widmen sie sich einzig und allein dem Zweck, die Idee des Schönen in ihrer Person zu kultivieren. Sie sind hektisch bemüht, Aufmerksamkeit zu erhaschen. Von der stoischen Ruhe des Dandys, der sich sein Tempo beim Flanieren auf dem Boulevard von einer Schildkröte vorgeben ließ, die er am Halsband führte, sind diese gehetzten Wesen meilenweit entfernt.

Dandytum und Subkultur

Eine besondere Spielart des literarischen Dandyismus nach dem Zweiten Weltkrieg stellt die Wiener-Gruppe dar. Oswald Wiener hat vor dem Hintergrund der Erfahrungen in dieser Gruppe in seinem Essay "Eine Art Einzige" eine Theorie zu einem modernen Dandytum entworfen. Der Dandy ist bei Wiener ein Verhaltenstypus, dessen Künstlichkeit dem Maschinenhaften unserer Zeit entspreche. Er werfe sich zum Demiurgen des Sinns in einer Welt von Automaten auf. Wiener sieht im Dandy nicht den Narziss und mondänen Gesellschaftsmenschen, sondern den experimentierenden Geist. Er hat den Weg aus der Gesellschaft und in die Welt des Künstlichen bereits soweit beschritten, dass ihn das Nachgemachte mehr interessiert als das Originale. Er streift alles Luxuriöse des dekadenten Dandys ab. Er hat es nicht mehr wie dieser mit sich selbst zu tun, "sondern mit der form, als welche er sich in seinen gedanken erscheint, seine identität ist provisorisch. er verkörpert das künstliche im engsten sinn, das ununterbrochen schöpferische." Wiener kommt zu dem Schluss, dass Dandytum auf hohem Niveau nicht mehr möglich sei, sondern nur Wiederholung auf niedrigerer Stufe, in der Subkultur. Es gebe nur noch ein "sekundäres Dandytum", das bereits Bekanntes für sich neu entdecke. Soziologisch betrachtet heißt dies, dass der intellektuelle Dandy im Rückzug auf sich selbst nur ein Surrogat darstellt.

Hier nähert sich Wiener der von Susan Sontag beschriebenen Camp-Attitüde an. "Camp" ist Sontag zufolge eine Erlebnisweise kleiner urbaner Gruppen, die sich durch eine Vorliebe für das Künstliche, Übertriebene und Theatralische auszeichnet und sich vor allem an Produkten der dekorativen Künste delektiert. Es handele sich um eine Spielart des Ästhetizismus, ihr Kennzeichen sei der Geist der Extravaganz. Camp wird von Sontag als Dandyismus im Zeitalter der Massenkultur bezeichnet. Während der Dandy alten Stils sich dem guten Geschmack hingebe, mache der Anhänger des Camp keinen Unterschied mehr zwischen dem einzigartigen Gegenstand und dem Massengut. Er verstehe es, die Produkte der Massenkultur auf ausgefallene Art zu besitzen.

In Oscar Wilde sieht Sontag eine Übergangsfigur, die sich nie ganz von den Vergnügungen des Dandys alten Stils - dem Highlife - habe trennen können. Das soziale Terrain des Dandys im Zeitalter der Massenkultur sei dagegen die Subkultur. Träger des Camp-Geschmacks sei "eine improvisierte Klasse, die sich selbst ernannt hat und vorwiegend aus Homosexuellen besteht, die sich als die Aristokraten des Geschmacks einsetzen". Diese Klasse repräsentiere die Beziehung zum Stil in einer Zeit, in der die Übernahme eines Stils - als solche - fragwürdig geworden sei und in der es keine echten Aristokraten im alten Sinne mehr gebe, diebesondere Geschmacksrichtungen fördern könnten.

Sontag zieht daraus keineswegs den Schluss, ein heutiger Dandy stehe auf verlorenem Posten, da er keinen sozialen Ort, kein Publikum mehr vorfinde, das seine Geschmacksdiktate goutiere. Vielmehr deutet sie die von Baudelaire als Tod desDandys bezeichnete Demokratisierung des Geschmacks in eine Chance für Einzelne um, auf raffinierte, erlesene Weise ihren Geschmack am schlechten Geschmack, am Aufgedonnerten, Stillosen, Theatralischen zu kultivieren.

Durch das postmoderne Spiel mit Widerspiegelungen hat sich die Aura des Dandys, sein Charisma verflüchtigt. Elisabeth Bronfen spricht von einer "celebrity culture", in der Ansprüche auf Authentizität zugunsten einer reinen Feier des Image aufgegeben werden. Jeder könne eine Pose einnehmen, jeder zum Bild werden. Im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Divaschreibt Bronfen: "Regiert in der heutigen Alltagskultur vornehmlich eine Ökonomie der Aufmerksamkeit, in der das Image und der Aktdes Sich-zur-Schau-Stellens alles ist, geht esbei celebrity nicht mehr darum, ob man tatsächlich etwas Bedeutsames geschaffen hat, andas eine Nachwelt sich erinnern soll. Statt dessen zählt der kurzlebige Ruhm, die Aufmerksamkeit des Augenblicks." Obgleich die Eintagsstars in den Medien den Vorrang haben, bleibe ein Verlangen nach der charismatischen Einzigartigkeit, die von der Diva verkörpert wird.

Gleiches ließe sich vom Dandy sagen. Er verspricht Einzigartigkeit und Originalität in einer Zeit der Nivellierung, der immer gleichen Abziehbilder und der angepassten Durchschnittsexistenzen. Wie die Diva muss sich der Dandy zunächst entwerfen und inszenieren. Seine Karriere hängt davon ab, sich mit wenigen, aber entscheidenden Zeichen und Posen ein unverwechselbares, öffentliches Image zu verschaffen, das von den Massen nicht nachgeahmt werden kann. "Wie die Diva", schreibt Barbara Straumann, "ist er somit von den medialen Technologien der Massenkultur, insbesondere der Photographie und der Presse abhängig. Wendet er sich einerseits angewidert von der Einförmigkeit der ordinären Massenkultur ab, so schöpft er andererseits deren Publicity-Möglichkeiten voll aus ... Als geistiger Aristokrat besetzt der Dandy bezeichnenderweise die Bühne des Sehens und Gesehenwerdens, auf die der kulturelle Kredit der Aristokratie infolge ihrer politischen Abwertung geschrumpft ist." Auf Andy Warhol anspielend, meint Straumann, wenn die Oberflächlichkeit seiner Inszenierung eine Botschaft verkünde, "dann die, dass auf die Nivellierung sozialer Hierarchien sowie auf die freie Wahl des Lifestyle nur mit der ausgewählten Künstlichkeit der theatralischen Selbstinszenierungen, mit attitude und posing geantwortet werden kann."

Zeitgenössische Adaptionen

Der Dandy als Massenprodukt: Andy Warhol

Als ein Beispiel des von Oswald Wiener diagnostizierten sekundären Dandytums lässt sich Andy Warhol anführen, dessen Person und Werk die genaueste Analyse verdienen. Warhol verkörpert jenen von Wiener beschriebenen und von Paul Valéry in seinem Roman "Monsieur Teste" vorweggenommenen Verhaltenstypus, dessen Künstlichkeit dem Maschinenhaften unserer Zeit entspricht. Dieser Dandy ist ein Virtuose der Selbstbeobachtung. Er entdeckt die Mechanik immer größerer Teile dessen, was er für seine Freiheit gehalten hat. Dadurch entsteht das Gefühl seiner Überlegenheit. Er durchschaut, was sein Gegenüber nicht durchschaut hat. Er gewinnt Macht über den anderen, der noch auf dem natürlichen Verständnis seiner Emotionen beharrt und nicht weiß, dass er von ihnen determiniert ist.

Der Intellektuelle wie der Künstler ist freilich immer nur eine unvollkommene Gestalt des Dandys, da sein Künstlertum sich in einem Werk außerhalb seiner selbst manifestiert. Der wahre Dandy hingegen macht sich selbst zum Werk einer künstlerischen Anstrengung. In den Warhol'schen Selbstinszenierungen verwischen sich die Grenzen zwischen der Person des Künstlers und dem Kunstwerk. So stellte Warhol sich z.B. in einer Kunstausstellung selbst mit aus. Warhol erinnert in seinem Habitus an die distanzierte Kühle und Künstlichkeit des Dandys. "Der Grund, warum ich in dieser Art male, ist, dass ich eine Maschine sein möchte, und ich habe das Gefühl, dass, was immer ich tue und maschinenähnlich tue, dem entspricht, was ich tun möchte ... Der Arbeitsprozeß in der kommerziellen Kultur war maschinenähnlich, aber in der Einstellung lag ästhetisches Gefühl." Und weiter heißt es: "Ich denke, die Künstler, die nicht sehr gut sind, sollten so werden wie jeder andere, damit die Leute Dinge möchten, die nicht sehr gut sind. Es geschieht bereits."

Warhols Wunsch, eine Maschine zu sein, realisiert sich über die Auslöschung seiner selbst durch das unablässige Aufzeichnen des Belanglosen und dessen Verwandlung in schillernde Oberfläche. Indem Warhol serielle Bilder für ein Massenpublikum produziert, funktioniert er selbst wie die Massenkultur, die ihrerseits eine Maschinerie ist. Er hat durch sein Werk die Verdinglichung wie kein anderer bewusst gemacht, auch und gerade durch die affirmative Haltung, die er zu ihr einnimmt. Warhol partizipiert an dem von Hollywood produzierten klassenlosen Glamour. Er selbst ging freilich nie mit konventionellen Trendvorstellungen konform, sondern wurde zu einer Instanz in Geschmacks- und Stilfragen, weil er bereit war, seine Identität ständig neu herzustellen und zu einem Chamäleon wechselnder Stile zu werden. Obgleich er ein Liebling des internationalen Jetsets war, stellte sich bei ihm dennoch nie das Gefühl ein dazuzugehören. Mit seinem Diktum, jeder könne in Zukunft für fünfzehn Minuten berühmt sein, nahm er die heutige TV-Kultur vorweg.

In seiner den Lifestyle diktierenden Rolle ist Warhol ein Erbe des Dandys, ein Avantgardist des Stils und Geschmacks im Zeitalter der Massenkultur.

Während sich der Dandy jedoch auf eine exklusive Schicht von fellow travellers bezieht, will Warhol auf den Geschmack der Masse einwirken. Sein Inkognito ist in der Tat die Banalität. Als Underground-Künstler und Star, der seinerseits Superstars produziert, thront er jedoch bei aller Sympathie für die Lebensweise des Durchschnittsmenschen hoch über der Masse. Mehr als jeder Popstar aus der Musikbranche oder prominente Designer verkörpert er das Schicksal des Dandys in unserer Zeit. In Warhol manifestieren sich die Schwundstufen von Eleganz, Originalität und Exklusivität. Er ist der wahre Repräsentant der "camp" genannten Erlebnisweise. Er vermischt virtuos die Geschmacksebenen und Stile. Der Satz von Oscar Wilde aus dem Stück "Eine Frau ohne Bedeutung": "Ich schwärme für einfache Genüsse, sie sind die letzte Zuflucht der Komplizierten", könnte von Warhol stammen.

Doch wo bleibt der Müßiggang? Der moderne Dandy kennt keine Vergnügungen. Er ist berufstätig, ein harter Arbeiter, denn es bedarf unaufhörlicher Anstrengung, um sich immer neu zu erfinden.

Der Dandy als Desperado: Pim Fortuyn

Dandyhafte Züge kennzeichneten auch das Auftreten des niederländischen Politikers Pim Fortuyn, der einem Attentat zum Opfer fiel. Fortuyn wollte sein Publikum nicht wie frühere Dandys durch sein Beispiel ästhetisch erziehen. Er kultivierte sein Anderssein. Er verhöhnte nicht die Masse wie Baudelaire. Als Wahlredner suchte er das Bad in der Menge. Er spielte auf der Klaviatur der Medien und beherrschte die Register der Selbstinszenierung. Eingedenk der Selbsterkenntnis der englischen Exzentrikerin Edith Sitwell: Warum sollte man versuchen, wie ein Pekinese auszusehen, wenn man ein Windhund ist? - bediente sich Fortuyn des Kostüms des Dandys. Doch verstand er sich nicht als Anwalt des Schönen und als Müßiggänger. Sein Dandytum erschöpfte sich nicht in sich selbst. Es war wie beim jungen Benjamin Disraeli, der verkündete, er wolle Premierminister werden, Mittel zum Zweck.

Fortuyn spielte die Rolle des schwulen Lebemanns mit dem Habitus eines Herrn. Zu seiner Popularität trug sein glamouröses Erscheinungsbild bei: ein hochgewachsener Mann mit kahlgeschorenem Kopf, in maßgeschneidertem Anzug mit stets auffallender Krawatte, in repräsentativer Limousine mit Chauffeur. Ein kitschiges Porträt in Öl zeigt ihn mit zwei Hunden im Arm. Sein Lebensstil des kalkulierten Exzesses steigerte seinen Aufmerksamkeitswert und unterschied ihn von der grauen Politikerkaste.

Fortuyn führte eine aggressive Kampagne mit allen erlaubten Mitteln rhetorischer Zuspitzung und Provokation und suchte den direkten Kontakt zum Volk über die Medien. Auf seiner Homepage war zu lesen: "Sein Lebensstil ist adlig, im Denken ist er ein massiver Nonkonformist, vom Gemüt her ein Romantiker. Zorn und Zweifel bestimmen ihn, Hedonismus und Mitempfinden: Er ist ein Mehrstromland. Ein Ethiker im Darkroom. Manifester Homosexueller und doch soviel femininer als alle Frauen im Kabinett. Ein Lehrmeister und Kind. Ein Ästhet und Basisdemokrat. Sonntagskind und Desperado. Dadaist mit Gladiatorenhaupt. A Rebel with a cause."

Im Fall Fortuyns wird das geistige Arsenal des Dandys - die provozierende Rede, die Schlagfertigkeit, der Wortwitz, die Ironie, die Aggressivität - für politische Ziele, den Kampf gegen die Konsensdemokratie und die Zumutungen der Fortschrittsutopie, instrumentalisiert. Der charismatische Politiker-Dandy biedert sich nicht an und macht sich dennoch zum Sprachrohr der Masse. "Er war der erste ganz und gar postmoderne Populist Europas."

Der Dandy als Designer: Karl Lagerfeld

Wenn vom Dandy in unserer Zeit die Rede ist, fällt unvermeidlich der Name Karl Lagerfeld. Die Zeitschrift "L'Express" nannte ihn noch unlängst den "letzten Dandy" von Paris, und auch ein Chronist des Dandytums, Hans-Joachim Schickedanz, scheut vor dem Urteil nicht zurück, niemand komme in der Gegenwart dem Dandy-Ideal so nahe wie Lagerfeld. Er besitze "alles, was einen wahren Dandy ausmacht: nämlich Geld, Macht, Prestige, Geschmack, Sensibilität, Kreativität, Witz, Satire und Ironie sowie ein ganz außerordentliches Gespür für die 'geheimen Flaggensignale der kommenden Dinge' (Benjamin)". Kaum ein anderer der großen Designer ist in den Medien so präsent und beherrscht die Kunst der Selbstinszenierung und -vermarktung so perfekt wie Lagerfeld.

Während sein Kollege Yves Saint Laurent dem Kampf für die Schönheit entsagte, ist Lagerfeld auch in fortgeschrittenen Jahren ein unermüdlicher Kämpfer gegen die Trivialität. Dabei ist er sich nicht zu schade, in der Ausschöpfung aller Publicity-Möglichkeiten dem Trivialen selbst Tribut zu zollen. Es ist nur konsequent, wenn Lagerfeld inzwischen sein Terrain auf die Billig-Modekette Hennes & Mauritz ausdehnt. "Das Konzept, wie man sich anzieht, entspricht nicht mehr den alten Idealen. Das grauenhafte Wort 'exklusiv' klingt nach Mottenkiste. Heute gibt es nur noch zwei Wörter: erschwinglich und unerschwinglich. Modisch müssen beide richtig liegen." Im Unterschied zum Dandy, der im Widerstreit mit dem Zeitgeist hochmütig seinen eigenen Stil behauptet, passt der Designer sich den Trends der Zeit an, um geschäftlich nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Lagerfeld sieht sich als ein altes, verwöhntes Kind, das den Luxus genießt, der Mittelpunkt seiner eigenen artifiziellen Welt zu sein. Sein Verhältnis zu den Dingen, die er herstellt, und zur Wirklichkeit, die ihn umgibt, ist von Distanz, Kälte und einer gewissen Gleichgültigkeit geprägt. Seine Fixierung auf die Gegenwart lässt jeden Vergangenheitsbezug als spielerisches Zitat erscheinen, als ein Eintauchen in eine imaginäre Welt des aristokratischen savoir vivre. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarzer Schlips, dunkle Brille, ornamentiert durch Fächer und Zopf, das war jahrzehntelang seine Maskerade des Lebens. Seit seiner Abmagerungskur sieht man ihn der barocken Ingredienzen entledigt im neuen Jugendstil, ohne Fächer, in hautengen Jeans. Betrachtet man ihn in dieser Attitüde, so verwundert es nicht, ihn sagen zu hören, er sei nicht intellektuell, sondern kultiviert. Wer zu tief denke, sei in der Modebranche fehl am Platz.

Die Pose exzentrischer Kultiviertheit ziert den Designer des modernen Lebens, der vier Sprachen spricht, Jean Racine und Jacques-Bénigne Bossuet zitiert, in Paris lebt und dort Hof hält. Was fasziniert die Franzosen an diesem professionellen Dilettanten, der sich anschickt, ihnen zu diktieren, was guter Geschmack ist? Entscheidend sind wohl seine Nonchalance, die Ungezwungenheit, Leichtigkeit und dandyhafte Ungerührtheit, die er auf dem gesellschaftlichen Parkett zur Schau stellt. Mag der Perfektionist Lagerfeld noch so unseriös erscheinen und das Ergebnis einer totalen Improvisation sein: Witz, Schlagfertigkeit, Charme und Formgefühl - lebt in ihnen nicht das Spielelement einer längst vergangenen Kultur fort?

Lagerfelds Modephilosophie erschließt sich durch die Lektüre des Tagebuchs "Creationen mit Anna Piaggi". Es enthält eine Fülle von Modezeichnungen, flüchtig hingeworfene Tusche-Vignetten, ausgearbeitete Buntstiftzeichnungen und Aquarell-Illustrationen, die den Designer als einen Meister seines Fachs zeigen. Die Garderobe der Mailänder Modejournalistin umspannt einen riesigen Kostümfundus aus mehreren Epochen, aus dem sie für den jeweiligen Tagesanlass ihre Kleidung zusammenstellt. Lagerfeld hat sein Modell in den verschiedensten "Looks" gezeichnet und damit ein modegeschichtliches Panorama ausgebreitet. Die bewundernden Worte, die er für Anna Piaggi findet, lesen sich wie eine Selbstcharakteristik. "Anna versteht es, einem Kleidungsstück seine visuelle Sprache zu geben. Sie kennt keine Banalität. Sie tut nie das, was man von ihr erwartet, aber sie tut immer das Richtige. Ein unvorhergesehenes Detail, ein stilistischer Pleonasmus, ein geistreiches Accessoire, eine überraschende Mischung verschiedenster Elemente und viel Humor ergeben ihre einmalige Erscheinung." Lagerfeld rühmt das Improvisationstalent Piaggis, die Fähigkeit, mit unvorhergesehenen Situationen fertig zu werden. Die Bühne ihres Auftritts sei das tägliche Leben. "Jeder Moment wird dramatisiert. Ihr Instinkt ist ihr Gedächtnis. (...) Sie kennt keinen Respekt. Sie schöpft aus den Entwürfen der anderen. Ihre Art, sich zu kleiden, erinnert an ein Puzzle. Und das Ergebnis ist genauso persönlich wie unvorhersehbar." Sie sei weder exzentrisch noch egozentrisch, sondern "ganz natürlich auf ihre eigene, unvergleichliche Art".

Nun weiß Lagerfeld nur zu gut, dass natürliche Eleganz nicht so sehr mit Mode als mit Haltung und Ausstrahlung zu tun hat. Eleganz bedeutet, etwas zu kreieren, das sich mit Worten nicht beschreiben lässt. Es ist das "gewisse Etwas", das man hat oder nicht hat. Der Dandy ist im Unterschied zum Designer ein Kleiderkünstler, der es sich angelegen sein lässt, im Rahmen des Schicklichen eine wirkliche Originalität zu schaffen. Kleidung ist für ihn nicht ein Gewerbe, dem er sich verdingt, sondern ausschließlich Selbstausdruck. Das Kunstwerk, das diesem Handwerk entspringt, ist der Dandy selbst.

Lagerfeld nimmt die Attitüde des Dandys an, wenn seine Arbeit ruht und er sich der staunenden Öffentlichkeit als Plauderkünstler präsentiert. Verwertungszwang und Erfolgsdruck sind jedoch so stark, dass er sich keine Ruhe gönnen kann, will er nicht ins zweite Glied zurückfallen. Ihm fehlt die Muße, über die der Dandy in reichem Maße verfügt. Die Hast des Geschäftslebens teilt sich auch dem "Konversationisten" Lagerfeld mit. Er ist ein atemloser Plauderer, kaum zu bremsen im Fluss seiner Rede. Dabei entspringt das, was er mitteilt, ebenso einer Augenblickslaune wie seine modischen Capricen. Er will überraschen und dabei selbst unbewegt bleiben. In der Person des modernen Designers hat der Dandy seine Unschuld verloren. Er ist kein blutleerer Elegant mehr, sondern ein muskulöser Arbeiter. In der Mode hat dieser Herkules seine Aufgabe gefunden.

Der Dandy als Popliterat

Ein Beispiel für die erfolgreiche Suche unserer Feuilletons nach neuen, zeitgemäßen Verkörperungen des Dandys sind die jungen Autoren, die sich selbst mit ihrem Gesprächsnotat "Tristesse Royale" als popkulturelles Quintett annoncierten. Sie sind als Journalisten für das Fernsehen, die Presse oder die Werbebranche tätig. Sie haben begriffen, dass man heutzutage die Werbung für seine Bücher und Artikel selbst in die Hand nehmen muss, indem man durch provokantes Reden und Posieren im Scheinwerferlicht der Medien auf sich aufmerksam macht. Sie wollen keine kritischen Intellektuellen mehr sein wie ihre älteren Rivalen in den Redaktionsstuben, sondern Vorreiter einer neuen Geschmackselite. Dabei zählt nicht so sehr das literarische Können, sie demonstrieren ihre Überlegenheit vielmehr durch ihren Kleidungsstil. Sie sind besser angezogen, verfügen über einen ästhetisch raffinierteren Geschmack als ihre Kritiker, die es für unter ihrer Würde halten, sich "mit Dingen, die doch vor allem praktischen Zwecken dienen sollten, wie Kleidern, Schuhen, Zigaretten, Reisezielen, Hotels, Kreditkarten und all dem anderen zeitraubenden Kram", zu befassen. Das sei einem intelligenten Menschen nicht zuzumuten, ja, es sei zutiefst kleinbürgerlich, einen individuellen Stil aushecken zu wollen.

Nun dienen, wie man weiß, Kleider, Schuhe usw. nicht nur grobpraktischen Zwecken. Sie sollen nicht nur vor der Unbill der Witterung schützen, sie sollen auch schmücken und uns auszeichnen. Dieses Bedürfnis ist sicherlich unterschiedlich entwickelt. Doch der klassische deutsche Intellektuelle, von Ausnahmen abgesehen, verachtet die Eitelkeit, die spielerische Eleganz, die Mode. Sich mit derart profanen Dingen zu befassen, raubt ihm Zeit für seine geistigen Anstrengungen. Die Einstellung der Popliteraten zur Kleidung ist nun allerdings gar nicht spielerisch. In diesen Dingen verstehen sie keinen Spaß. Es ist ihnen absolut ernst mit ihrer Betonung des Äußerlichen, ihrem Markenfetischismus und dem Lob des schönen Scheins. Selbstironie in diesem Punkt ist ihnen fremd. Sie treten als Geschmacksrichter auf, ohne wirklich originell zu sein. Es fehlt ihnen die Muße, um eigene Geschmacksakzente zu setzen. Hier rächt sich das Eingespanntsein in den Betrieb. Diese Möchtegern-Dandys arbeiten zu viel. Sie promenieren nicht, sie hasten ruhelos von Ort zu Ort.

Naiv beklagen ihre Kritiker, die Autoren von "Tristesse Royale" goutierten die pure Oberfläche der Warenwelt. Es sei dies eine snobistische Lebenshaltung, ein geckenhafter Dezisionismus. Die Kälte in den menschlichen Beziehungen in unserer schönen, bunten Warenwelt werde zynisch registriert und als "condition humaine" hingenommen. Die Popliteraten wollen schnell reich werden, plaudern abschätzig über die Zukurzgekommenen und den schlechten Geschmack, wobei das Wort Prolet nicht den Arbeiter, sondern den Durchschnittsbürger meint, und berufen sich auf die ästhetische Differenz.

Der von ihnen propagierte Kult der Oberfläche ist nichts anderes als ein Reflex des expandierenden Mediensektors und der für diesen Wirtschaftsbereich geltenden Erfolgsprinzipien. Es geht um optimale Vermarktung der Person. Wo der Schein dominiert, fehlt dem Kult der Oberfläche freilich jedes subversive Element. Was hier stattfindet, ist eine Vergesellschaftung von Impulsen des Dandytums. Als Priester des schönen Scheins in einer Scheinwelt wird der Dandy zum Abziehbild. Oscar Wilde, der vorgab, der Literatur nur sein Talent zu gewähren, sein Genie aber an sein Leben zu verschwenden, konnte noch sagen, es sei die erste Pflicht im Leben, eine Pose einzunehmen. Heute wäre zu fragen, ob es nicht die erste Pflicht ist, auf jede Pose zu verzichten. A propos: Man kann ein Kleidernarr sein wie Tom Wolfe und gesellschaftskritische Romane schreiben.

Die jungen Literaten sind sich über das Epigonenhafte ihrer Posen durchaus im Klaren. Ihre Vorbilder beziehen sie nicht aus Deutschland. Sie haben von der angelsächsischen Kultur gelernt, denn in Deutschland sind Schriftsteller, die den Wert der Pose zu schätzen wissen, eine Seltenheit. Sie tun das, was längst fällig ist. Sie führen mit großer Energie und werbestrategischer Intelligenz das "Poppertum" (Ulf Poschardt) in den Literaturbetrieb ein. Ihre schlecht gekleideten Betriebskollegen fühlen sich herausgefordert, schelten die modischen Popliteraten stockkonservativ und sprechen von einer H & M-Variante des Stefan-George-Kreises. Mit diesem Etikett können die jungen Lifestyleliteraten gut leben. Das popkulturelle Quintett entspricht dem Zeitgeist wie der George-Kreis dem Geist des wilhelminischen Deutschland.

Wo Eleganz und Stil so sehr auf den Hund gekommen sind, helfen nur Übertreibung und freche Anmaßung, um ein Mindestmaß an Veredelung zu bewirken. So können selbst wertkonservative Popkonsumenten im Heiligenschein von Rebellen glänzen, wenn sie hierzulande anstehen, den Literaturbetrieb zu erobern.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rainer Gruenter, Vom Elend des Schönen. Studien zur Literatur und Kunst, München 1988, S. 100. Vgl. auch Pierre Bourdieus Unterscheidung zwischen der einfachen Einfachheit der "Einfachen" und der gesuchten Einfachheit der "Raffinierten", in: Pierre Bourdieu, Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/M. 1974, S. 70. In unserer Darstellung ist der Dandy männlichen Geschlechts. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass mit der Auflösung der traditionellen Geschlechterrollen die für den Dandy charakteristischen Techniken der Selbstdarstellung und ästhetischen Inszenierung für beide Geschlechter verfügbar geworden sind.

  2. Charles Baudelaire, Mein entblößtes Herz, in: Sämtliche Werke/Briefe. Bd. 6, hrsg. v. Friedhelm Kemp und Claude Pichois, München 1991, S. 224.

  3. Rainer Gruenter, Formen des Dandyismus. Eine problemgeschichtliche Studie über Ernst Jünger, in: Euphorion, 46 (1952) 2, S. 191.

  4. Vgl. Karl Heinz Bohrer, Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk, Frankfurt/ M. 1983, S. 37.

  5. R. Gruenter (Anm. 3), S. 189.

  6. Oswald Wiener, Eine Art Einzige, in: Verena von der Heyden-Rynsch (Hrsg.), Riten der Selbstauflösung, München 1982, S. 59.

  7. Susan Sontag, Anmerkungen zu "Camp", in: dies., Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen, Reinbek 1968, S. 282.

  8. Von der Chefredakteurin der amerikanischen "Vogue" Diana Vreeland stammt der Ausspruch: "Etwas schlechter Geschmack ist wie eine Prise Paprika." Vgl. Karin Wieland, Die Pompadour von der Fifth Avenue, in: Der Tagesspiegel vom 24.7. 1994, S. 26.

  9. Elisabeth Bronfen/Barbara Straumann, Die Diva. Eine Geschichte der Bewunderung, München 2002, S. 216f.

  10. Ebd., S. 79 f.

  11. Ebd., S. 81.

  12. Andy Warhol, Interview, in: V. von der Heyden-Rynsch (Anm. 6), S. 297; vgl. auch Mark Francis/Margery King, The Warhol Look. Glamour, Style, Fashion, München 1997.

  13. Zit. in: Caroline Fetscher, Zerrspiegel, in: Der Tagesspiegel vom 8./9.5. 2002, S. 27.

  14. Thomas Schmid, Neues Mitglied, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.5. 2002, S. 1.

  15. Hans-Joachim Schickedanz, Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten. Eine kulturgeschichtliche Studie über den europäischen Dandyismus, Frankfurt/M. 2000, S. 227.

  16. "Die Massen wollen Luxus." Gespräch mit Karl Lagerfeld, in: Welt am Sonntag vom 27.6. 2004, S. 13.

  17. Karl Lagerfeld, Creationen mit Anna Piaggi. Ein Modetagebuch, Stuttgart-Berlin-Köln 1986, S. 7ff.

  18. Ebd., S. 9 f.

  19. Vgl. Tristesse Royale. Das popkulturelle Quintett mit Joachim Bessing, Christian Kracht, Eckhart Nickel, Alexander v. Schönburg und Benjamin v. Stuckrad-Barre, Berlin 1999.

  20. Gustav Seibt, Aussortieren, was falsch ist, in: Die Zeit, Nr. 10 vom 2.3. 2000, S. 38.

Dr. phil., geb. 1943; Privatdozent an der Freien Universität Berlin, Institut für Soziologie.
Anschrift: Hektorstraße 20, 10711 Berlin.
E-Mail: E-Mail Link: guerb@zedat.fu-berlin.de

Veröffentlichung u.a.: Dandys. Virtuosen der Lebenskunst. Eine Geschichte des mondänen Lebens, Köln 2002.