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Religionen und Globalisierung - Essay | Religion und Gesellschaft | bpb.de

Religion und Gesellschaft Editorial Religionen und Globalisierung - Essay Der Vatikan als Global Player Katholizismus und Demokratie Der Islam in der Weltpolitik Die theo-konservative Politik Amerikas

Religionen und Globalisierung - Essay

Claus Leggewie

/ 10 Minuten zu lesen

In vielen Gesellschaften Europas kam es zu einer umfassenden Säkularisierung, wohingegen sich in den USA zahlreiche Glaubensüberzeugungen auf hohem Niveau hielten. Es kam zu "zwei Säkularisierungen".

Einleitung

Vor 450 Jahren setzte der Augsburger Religionsfriede den Glaubenskriegen der Reformationszeit ein Ende, der Reichstag erklärte den Reichsfrieden für Katholiken und Protestanten. Das Religionsrecht lag gemäß der Friedensformel ("cuius regio eius religio") bei den Reichsständen, nicht bei den Untertanen. Wer nicht bereit war, die Religion des Landesherrn anzunehmen, durfte auswandern, nur in freien Reichsstädten konnten Katholiken und Lutheraner ihren Glauben nebeneinander praktizieren. Mit dieser Territorialisierung des religiösen Bekenntnisses war auch die neuzeitliche Souveränitätsformel geboren, die sich gut ein Jahrhundert später im Westfälischen Frieden durchsetzte und bis ins 20. Jahrhundert bestimmend blieb.

Globalisierung wird die mit der Entfaltung des kapitalistischen Weltmarktes verbundene Dynamik der Entgrenzung genannt, die alle territorialen Grenzen in Frage stellt. Sie ist nicht auf wirtschaftliche und finanzielle Transaktionen beschränkt, sondern betrifft auch und sogar vornehmlich kulturelle und religiöse Strömungen. Nicht zufällig wurde das Wort transnational in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erstmals auf global tätige Konzerne und auf die Kirchen angewandt. Dem religiösen Denken wie der Mission waren territoriale Grenzen ebenso wenig zu ziehen wie dem Weltmarkt, gleichwohl hielten sich in der Alten Welt - ungeachtet der individuellen Religionsfreiheit und voranschreitender Säkularisierung, der formalen Entflechtung von Politik und Religion - offene und versteckte Formen von Staatskirchen.

Diesen zu entkommen war der Hauptantrieb der europäischen Auswanderer, die in die Neue Welt nach Amerika flohen, um dort endlich vollständige Religionsfreiheit zu genießen. Hier liegen nicht nur die Wurzeln desamerikanischen Individualismus und der "staatlosen Gesellschaft" der Vereinigten Staaten, hier war auch die Wegscheide zwischen zwei Säkularisierungspfaden. Der europäische Pfad trennte Kirche und Staat nur halbherzig und beließ christlichen Religionsgemeinschaften ihr faktisches Monopol religiöser Sammlung und Mobilisierung, an seinem Ende stehen die weitgehende Privatisierung der Religion und letztlich die Entchristlichung Europas. Das Resultat lässt sich derzeit in Deutschland besichtigen: Reiche Bistümer hängen an der Nabelschnur der Kirchensteuer und anderer öffentlicher Alimentation, während sich die Gotteshäuser leeren und es an Priesternachwuchs wie an Gläubigen dramatisch fehlt.

Ganz anders Amerika: Die Trennmauer zwischen Religion und Politik wurde höher gezogen, aber Religiöses blieb im öffentlichen Raum und in der "Zivilreligion" präsent, die Varianz der Bekenntnisse wuchs ebenso wie die Zahl der Gläubigen. Auch hier lässt sich das Resultat besichtigen: Die amerikanische Multi-Religiosität hat mehrere Wellen der Glaubensinfragestellung überstanden, sie durchdringt das öffentliche Leben und prägt die allgemeine Sittlichkeit - ohne jede "Staatsknete". Dabei nehmen nicht nur protestantische Bekenntnisse insgesamt an Bedeutung zu, sondern auch Katholiken, Juden, Muslime und der gesamte "religiöse Supermarkt" (Malise Ruthven). Diese Entwicklung widerlegt Max Webers Vorhersage, die Frömmigkeit werde sich mäßigen, wenn die Welt voll im Griff der kapitalistischen Moderne sei: "Die rapide Europäisierung drängt heute die kirchliche Durchdringung des ganzen Lebens, die dem genuinen ,Amerikanismus` spezifisch war, überall zurück", schrieb der große Religionssoziologe vor hundert Jahren, und er prognostizierte, ein organisiertes, hierarchisches Kirchenwesen werde sich gegen das horizontal-egalitäre Sektenwesen durchsetzen. Offenbar haben die USA einen anderen Pfad eingeschlagen, eine fragmentierte, poröse und in den lokalen Gemeinden verankerte Religionslandschaft ist geblieben. Und dieses Muster scheint sich nun global auszubreiten, während Westeuropa eher einen Sonderweg beschreitet.

Um die These von den "zwei Säkularisierungen" und der Amerikanisierung der Religionswelt zu begründen, muss man etwas ausholen. Zu dem seit dem 18. Jahrhundert laufenden Prozess der Säkularisierung gehören, wie schon angedeutet, drei Elemente: die Trennung von Staat und Kirche (allgemeiner: von Religion und Politik), zweitens die Verdrängung religiöser Weltbilder und Symbole aus dem öffentlichen Raum und drittens der Rückgang der Volksfrömmigkeit. So hoch die amerikanischen Verfassungsväter die Trennmauer zwischen jeder einzelnen Religion und der staatlichen Sphäre gezogen haben, so wenig ließ sich die amerikanische Gesellschaft vom europäischen Trend zur Profanierung und Entchristlichung des privaten und öffentlichen Lebens anstecken.

Während es in vielen Gesellschaften Europas zur Säkularisierung im umfassenden Sinne kam, hielt sich die Ausübung der zahlreichen Glaubensüberzeugungen in den Vereinigten Staaten auf hohem Niveau. Neutralität des Staates bedeutet also nicht zwangsläufig Verdrängung der Religion aus der public sphere, auch nicht deren Entpolitisierung. Die Bürger der USA betätigten sich über Jahrhunderte hinweg religiös, gerade weil die US-Verfassung die Etablierung einer Kirche als Staatskirche und einer Religion als Staatsreligion von vornherein ausschloss. Deshalb konnte das öffentliche Leben jenseits des Atlantiks weit stärker religiös geprägt bleiben als in der Alten Welt.

Hieran aktualisiert sich eine klassische Ausgangsfrage politischer Theorie: Wie reguliert man, nunmehr weltweit, religiösen Pluralismus - und wer soll dafür zuständig sein? Grundsätzlich kann man wieder zwei Argumentationslinien unterscheiden, eine politisch-staatliche und eine marktwirtschaftliche. Die erste beschreibt einen Gedankengang von Thomas Hobbes zu Max Weber und Carl Schmitt und reklamiert für die Herbeiführung friedlicher Koexistenz rivalisierender Religionsgemeinschaften (mit ihren stets exklusiven und konträren Wahrheitsansprüchen) die Alleinzuständigkeit politischer Ordnungsmächte, das heißt: das staatliche Gewaltmonopol auf der Grundlage des als territoriale Gebietskörperschaft verfassten Staates.

Die zweite vertraut auf den friedlichen Wettbewerb im Rahmen eines durch eben diese Konkurrenz garantierten kulturellen Pluralismus. Regulator möglicher Konflikte ist nicht der hobbesianische Staat und die von ihm gestiftete Kohabitation, sondern der Markt und die auf ihm getätigten Nutzenkalküle der Individuen. In den USA ist persönliche Frömmigkeit mit den Usancen der freien kapitalistischen Marktwirtschaft vollständig kompatibel, Religionsgemeinschaften gerieren sich oft wie kapitalistische Unternehmen. Wirtschaftlicher Erfolg gilt, nicht nur in den Sparten des Protestantismus, als bester Beweis, von Gott auserkoren und des ewigen Lebens würdig zu sein.

Dem kam die früh auf Wettbewerb getrimmte Religionsstruktur entgegen: Sekten und Denominationen können weder im Prinzip noch in der Praxis über ihre Gläubigen verfügen, sie müssen stets um sie werben. Gläubige werden als autonome und eigensinnige Individuen angesprochen, die aus eigener Gewissensentscheidung zu ihrem Bekenntnis gelangen, auch wenn sie sich am Ende von ihren biografischen Wurzeln und sozialen Milieus nicht weit entfernen. Bei aller Vielfalt stimmen so gut wie alle amerikanische Gläubigen (und anders als der Vatikan auch die meisten US-Katholiken) in der Bekräftigung des kapitalistischen Marktes überein. Wenn Gläubige somit als Konsumenten oder Kunden angesprochen werden, herrscht folglich auch überall Mission, die freilich nicht mit Zwang vorgehen kann, sondern "persuasiv" auftreten muss - wie Handelsvertreter, die ein Produkt zum Kauf anbieten. Einfache Konversionen und blühender Synkretismus gehören zu dieser offenen Religiosität.

Aus dieser Erfahrung heraus hat ein Nachfolger Max Webers, der in die USA emigrierte Peter L. Berger, den europäischen Kirchen die Umwandlung in eine McJesus, Inc., eine Art "Nachfragediakonie", angeraten. Das würde bedeuten: Religionen überzeugen nicht als mehr oder weniger etablierte Staats- und Landeskirchen, sondern durch das täglich neu zu generierende Engagement und die situative Überzeugungskraft der Glaubensgemeinschaften. Religiöse Gemeinschaften können in der Weltgesellschaft nicht länger selbstevidente Wahrheiten in ihren jeweiligen kulturellen Kontexten verkünden, sie stehen mit anderen Wahrheitsansprüchen in einem Wettbewerb, im ökonomischen Sinne des Wortes. Einerseits werden ererbte religiöse Kollektividentitäten durch individuelle Religionswahl und -ausübung unterminiert, andererseits erlaubt die Globalisierung die Rekonstruktion und Wiederbelebung partikularer, in Sonderheit religiöser Wir-Gefühle, die nun aus einem erweiterten Angebot schöpfen können.

Am meisten profitieren davon derzeit neben esoterischen die evangelikalen Strömungen, die den stärker bürokratisierten "Mainline-Protestantismus" in den USA eingeholt und überholt haben und sich in Mittelamerika, Westafrika, Osteuropa und Asien stark ausbreiten. Sie bilden in den USA selbst eine Bastion des christlichen Fundamentalismus, und verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass unter dem Druck der Religiösen Rechten die USA den pluralistischen Weg verlassen. Zum einen geht die von Präsident George W. Bush favorisierte Sozial- und Bildungspolitik hart an die Grenze der amerikanischen Verfassung, indem "glaubensbasierte Initiativen" Unterricht und Wohlfahrt übernehmen und dabei offen religiöse Propaganda machen. Zum anderen gibt es in Bushs Elektorat und Entourage nicht wenige "christliche Zionisten", die den Religionsfrieden aufkündigen, indem sie die offene, kreuzzugartige Auseinandersetzung mit dem Islam und die Bekehrung der Juden propagieren und die Außenpolitik generell dem Ziel der Re-Christianisierung unterwerfen. Der fundamentalistische Protestantismus ist in den Sog einer extremistischen Häresie geraten, deren Neigung zu Manipulation und Politisierung nicht nur Agnostikern Sorge bereitet, sondern auch Gläubige aller Konfessionen beunruhigen muss. Ähnlich wie im islamischen Fundamentalismus wird Religion fürprofan-reaktionäre Zielsetzungen missbraucht.

In der Alten Welt sind diverse Muster des Verhältnisses von Staat und Kirche ausgeprägt, die mit den Realtypen "Staatskirche", "Versäulung" und "Laizismus" bezeichnet werden können. Staatskirchensysteme offizialisieren und privilegieren eine bestimmte Konfession, deren Würdenträger eine mehr oder weniger offene Symbiose mit staatlichen Instanzen eingehen, wie in den vormals oströmischen Gesellschaften der orthodoxen Christenheit, abgemildert auch in Großbritannien. Während (im Extremfall nur eine) Religion im öffentlichen Raum eine Rolle spielt, haben laizistische Republiken Religion vollständig zur Privatsache erklärt und zwischen staatlichen und kirchlichen Institutionen eine hohe Trennmauer aufgerichtet. Ist das Verhältnis von Religion und Politik, wie in Frankreich und der Türkei, durch eine weit reichende Abwehr- und Aufsichtsfunktion des Staates charakterisiert, ordnen Konkordanzdemokratien wie die Niederlande die religiösen Gruppen säulenartig nebeneinander an, womit religiöse Gemeinschaften ein hohes Maß an Autonomie und Eigeninitiative zugesprochen bekommen und sie, neben anderen weltanschaulichen Gruppen, den weitgehend staatsfrei vorgestellten Raum der Bürgergesellschaft repräsentieren.

Als Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Regulierungsmuster kann man festhalten, dass in den Verfassungen wie in der Verfassungswirklichkeit westlicher Demokratien positive und negative Religionsfreiheit grundsätzlich garantiert sind (mit den Aspekten Bekenntnis-, Kultus- und Vereinigungsfreiheit), was, ungeachtet der historischen Hegemonie christlicher Religionsgemeinschaften, Angehörige nichtchristlicher Bekenntnisse im Prinzip stets einschließt. Die Staaten und seine Repräsentanten können eben nicht mehr festlegen, was eine Religion ist und was nicht als eine solche gelten soll, auch wenn in Deutschland über die Genehmigung von Vereinen ein Religionsprivileg verliehen und beim Steuerrecht die Gewährung von Gemeinnützigkeit verweigert werden kann.

Religionsfreiheit beinhaltet die kollektive Ausübung von Religion in Gruppen und Gemeinden, doch gibt es gerade dabei erhebliche Umsetzungsprobleme, was die (in deutscher Terminologie) "besonderen Gewaltverhältnisse" von Familien, Schulen und Arbeitswelt berührt. Die Institutionalisierung religiöser Praxen orientiert sich in Europa gewohnheitsmäßig wie rechtsdogmatisch am Vorbild organisierter "Kirchen" und erschwert so die Integration solcher Gläubiger, die einer derartigen Organisation nicht angehören (wollen), sich aber gleichwohl kollektiv betätigen und auf der faktischen wie symbolischen Präsenz ihrer Religion im öffentlichen Raum bestehen - einer Religion, die im Fall des Islam auch eine strikte Trennung religiöser und politischer Belange verweigert. "Der" Islam ist definitiv keine Kirche, und "den" Islam gibt es ohnehin nicht in der Weise, wie sich "das" Christentum beziehungsweise die real existierenden katholischen und protestantischen Kirchen in Dachorganisationen, sozialpolitischen Einrichtungen und ökumenischen Verbindungen als Kooperationspartner staatlicher Politik und öffentlicher Belange darstellen. Und "die Islame" sind, ihrem Charakter als umfassende Kulturvorschrift entsprechend, auch ohne aggressive Politisierung im radikalen Islamismus oftmals (allerdings nicht notwendig) explizit politische Bewegungen.

Deswegen gelten Muslime allerorts als troublemaker. Dabei sind Anpassungs- und Transplantationsprobleme eine fast zwangsläufige Folge der Entgrenzung; mit der kulturellen Öffnung schreitet die Ablösung selbst-deklarierter Leitkulturen von ihrem geographisch-territorialen Substrat noch einmal voran, was nationale Staat-Kirche-Systeme ebenso erschüttert wie ein regionales Identitätskonstrukt vom Typ "christliches Abendland". Auf dem "amerikanischen" Weg erscheint die Inklusion von Muslimen besser möglich als in den Quasi-Staatskirchen in Europa.

Das Postulat einer Umma (islamischen Weltgemeinschaft) und seine Realisierung in Gestalt diverser Diaspora-Gemeinschaften in westlichen Einwanderungsgesellschaften zeigen jedenfalls, dass religiöse Transnationalisierung nicht identisch sein kann mit Verwestlichung und einer Säkularisierung nach europäischem Muster. Der vor allem migrationsbedingte Zuwachs von Muslimen in Europa zeitigt eine für beide Seiten unerwartete Wirkung: eine Art Amerikanisierung der religiösen Struktur. "Mehr Amerika" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Präsenz beispielsweise der als Kirche hoch umstrittenen (und in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachteten) Church of Scientology und anderer synkretistischer Religionsgruppen, sondern auch die stärkere Präsenz des Islam im öffentlichen Raum. Eine solche war mit der "Amerikanisierung des Islam" (Yazbeck Haddad) in den USA einhergegangen, womit nicht das besonders spektakuläre und aggressive Auftreten der "Nation of Islam" gemeint ist, sondern die lautlose und bis zum 11. September 2001 kaum sonderlich zur Kenntnis genommene Einfügung von Millionen islamischer Einwanderer in die horizontale Religionsstruktur. Und selbst die "Nation of Islam" ist in allen Ausprägungen eher "amerikanisch" als den Kerngebieten des Islam zugewandt, wo diese Splittergruppe entweder nicht beachtet oder als häretisch eingestuft wird. Gerade in der Diversität des Auftretens erweist sich Amerikanisierung als horizontale Integration, in welcher auch theologisch-liturgisch weit auseinander strebende Denominationen stärker miteinander verwandt sind als mit Glaubensgenossen außerhalb der USA. Aufgrund dieses selbstverständlichen Pluralismus und Patriotismus stellte sich bisher auch das Problem der Loyalität nicht, und es war eine aktive Beteiligung von Muslimen an interreligiösen Dialogen und in politisch-religiösen Koalitionen (auch der Religiösen Rechten) möglich, wobei abzuwarten bleibt, wie sich dies im Bezug auf die arabischen Muslime künftig weiterentwickeln wird.

Für Muslime außerhalb der islamischen Kernregionen bedeutet das, dass diese monotheistische Buchreligion unter Bedingungen globaler Kommunikation einem strukturellen "Polytheismus" ausgesetzt ist und sich einfügen muss in das vielseitige Angebot subjektiv-identitärer und esoterischer Erfahrungsreligiosität, die jenseits organisierter Kirchlichkeit und Theologie nun auch in Lateinamerika, Afrika und Europa aufblüht. Für die europäische und speziell deutsche Religionslandschaft würde das Folgendes bedeuten: - eine striktere Trennung von Staat und Kirche bei gleichzeitig ungenierterer Präsenz vieler Religionen im öffentlichen Raum; - die Erosion religiöser Oligopole zugunsten einer horizontalen, in der Struktur eher sektenartigen als kirchenförmigen Koexistenz von Religionsgemeinschaften; - mehr Volksfrömmigkeit und damit eine intensivierte Ausübung der Religionen bei gleichzeitiger Subjektivierung und Individualisierung der Religionspraxis.

Die Inkorporation nicht-christlicher Religionsgemeinschaften, darunter zunehmend auch noch andere als der Islam, tendiert zu einer Neuregulierung des Verhältnisses von Religion und Politik in Deutschland und in der Europäischen Union. Davon kann die Inkorporation des Islam in Europa profitieren, zugleich erzeugt sie erhebliche Irritation bei Muslimen und Nicht-Muslimen. Damit bleiben die Fundamente eines "europäischen Islam", der Säkularisierung und Pluralismus anerkennt, instabil, aber kulturelle Globalisierung ist für keine Religionsgemeinschaft eine Einbahnstraße.

Dr. disc., geb. 1950; Professor für Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen und Direktor des dortigen Zentrums für Medien und Interaktivität. JLU, Karl-Glöckner-Str. 21 E, 35394 Gießen.
E-Mail: E-Mail Link: claus.leggewie@zmi.uni-giessen.de