Einleitung
Das Ende des Zweiten Weltkriegs markierte nicht nur den politischen und moralischen Zusammenbruch Deutschlands, sondern warf auch die Frage auf, wie mit einer Sprache umzugehen sei, die jahrelang von einer imperialistischen und rassistischen Ideologie geprägt worden war. Zwar wurde nach der NS-Herrschaft durch alliierte Direktiven eine Erneuerung der Sprache in Verwaltung und Medien durchgesetzt, doch in der deutschen Alltagssprache konnte von einer Wiederherstellung lexikalischer Zivilität lange Zeit keine Rede sein. Vielmehr schien das sprachliche Erbe des Dritten Reichs, wie Victor Klemperer 1947 bemerkte, "in manchen charakteristischen Ausdrücken überleben zu sollen; sie haben sich so tief eingefressen, dass sie ein dauernder Besitz der deutschen Sprache zu werden scheinen".
Erst seit den 1960er Jahren ist der Frage nach dem öffentlichen Umgang mit sprachlichen Ausdrücken, die seit ihrer Instrumentalisierung im "Dritten Reich" als "belastet" gelten, in der Bundesrepublik breitere Aufmerksamkeit zuteil geworden. Die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das, was die Linguistik als "Weiterverwendungsproblematik"
Insbesondere in den Medien haben sich in dieser Hinsicht eine Reihe Aufsehen erregender Fälle ereignet - etwa jener der Moderatorin Juliane Ziegler, die am 30. Januar 2008 in der Pro7-Quizshow "Nightloft" meinte, einen arbeitsmüden Anrufer mit den Worten "Arbeit macht frei" aufmuntern zu müssen. Ihre Äußerung, mit der Ziegler jene zynische Redewendung zitierte, die über oder an den Eingangstoren der Konzentrationslager Auschwitz I, Groß Rosen, Sachsenhausen, Dachau, Theresienstadt und Flossenbürg angebracht war, wertete der Sender als einen "unentschuldbaren Aussetzer" und kündigte der Moderatorin fristlos.
Im Mittelpunkt dieses Artikels steht der Umgang mit einer Formulierung, deren Verwendung seit den späten 1990er Jahren für Aufsehen gesorgt hat. Es geht um die Redewendung "Jedem das Seine", die maßgeblichen Wörterbüchern zufolge soviel bedeutet wie "ein Mensch bekommt den Lohn, der ihm gebührt"
In der Forschung ist seit den späten 1990er Jahren einerseits über die problematische Geschichte des Ausdrucks aufgeklärt
Gebrauch von "Jedem das Seine" bis 1945
Anfang 1938 erteilte der Kommandant des Konzentrationslagers Buchenwald, Karl Otto Koch, den Befehl, den Schriftzug "Jedem das Seine" in das eiserne Haupttor der Anlage einzuschmieden. Mit dem typografischen Entwurf der Inschrift wurde der Architekt und Grafiker Franz Ehrlich beauftragt, der 1934 wegen kommunistischer Aktivitäten verhaftet worden war und 1937 nach Buchenwald kam. Ehrlich war Ende der 1920er Jahre Bauhaus-Schüler gewesen und gestaltete den Schriftzug in Anlehnung an seinen Lehrer Joost Schmidt, weshalb später mit Blick auf die Buchstaben von einer "subtilen Intervention gegen den Geist der Inschrift"
Historisch geht die Inschrift auf eine klassische Gerechtigkeitsformel zurück, deren Ursprünge sich bis in die Antike verfolgen lassen. Während der Bedeutungsakzent von "Jedem das Seine" in Platons Hauptwerk "Der Staat" (ca. 370 v. Chr.) und in Ciceros "Von den Pflichten" (44 v. Chr.) primär auf den Pflichten des Bürgers gegenüber dem staatlichen Gemeinwesen lag, wurden 533 n. Chr. im "wohl wirkungsmächtigsten Rechtstext des Abendlandes",
In der Folge war die Sentenz in lateinischer oder deutscher Sprache auch in künstlerischen und wissenschaftlichen Texten präsent. Etwa 1715 im Titel der Bach-Kantate "Nur jedem das Seine", oder in Kants "Metaphysik der Sitten" von 1785, worin jeder Person die "Rechtspflicht" auferlegt wird, sich nur in einer solchen Gesellschaft zu bewegen, "in welcher jedem das Seine erhalten werden kann (suum cuique tribue)",
Einen eklatanten Bruch mit dieser Bedeutungstradition markierte ab 1938 die Installierung der Inschrift im Haupttor von Buchenwald, in deren Folge "Jedem das Seine" zu einer Todesformel, zu einem "Synonym für Massenmord"
In Karl Schnogs Lyrikband "Jedem das Seine" (1947) findet sich ein 1943 in Buchenwald verfasstes Gedicht, worin einerseits das mit der Torinschrift assoziierte Quälen und Morden beschrieben, in der Schlussstrophe aber auch eine Zukunft antizipiert wird, in der sich die Wendung gegen die Urheber ihrer Pervertierung richtet:
Die Herren haben wirklich Humor
In diesen bitteren Zeiten:
"JEDEM DAS SEINE" steht höhnisch am Tor;
Durch das die Häftlinge schreiten.
So leuchtet, erhaben und arrogant,
Was sie an das Höllentor schmieden.
Uns ist auch ohne das Sprüchlein bekannt,
Was jedem im Lager beschieden:
Dem Häftling - das Stehen in Sonne und Sturm,
Erfrieren und klatschende Güsse.
Dazu vom todesdrohenden Turm
Das ernste Versprechen der Schüsse.
Den Henkern - die Ehre, der schmackhafte Schmaus,
Das Gleiten auf federnden Felgen;
Die Ruhe und das behagliche Haus,
Die Wollust, die Macht und das Schwelgen.
Dem Häftling - der Hunger, die Angst und die Last,
Die Marter, die viehischen Witze;
Das Essen, das Baden, das Schlafen in Hast
Und schließlich die mordende Spritze.
Ihr Herren, die ihr heute noch grient,
Glaubt mir, was ich schwörend beteure:
Einst holt sich der Häftling, was er verdient.
Und Ihr? Ihr bekommt dann das Eure!
Weiterverwendung von "Jedem das Seine" seit 1945
Nach der Befreiung am 11. April 1945 verblieb der Schriftzug im Haupttor von Buchenwald. Auch die US-Armee, die in den folgenden Monaten die Verwaltung übernahm, sowie die sowjetische Militäradministration, die im August 1945 an gleicher Stelle das "Speziallager 2" einrichtete, ließen die Inschrift an Ort und Stelle. Unter sowjetischer Leitung wurden bis Anfang 1950 nationalsozialistisch belastete, aber auch willkürlich verhaftete Personen in der Anlage interniert - weit über 28 000 Menschen, von denen mehr als 7000 die Haftzeit nicht überlebten. Von Belang mit Blick auf die Weiterverwendung von "Jedem das Seine" ist, dass sich in beiden deutschen Staaten weder in der Besatzungszeit noch in deren Anfangsjahren ein öffentliches Bewusstsein für die Bedeutung im Zusammenhang mit dem Buchenwalder Terror entwickelte. Stattdessen wurde die Formulierung vorwiegend in einem ahistorisch profanen Sinn benutzt. Im Westen übersetzte "Der Spiegel" 1947 den Hollywoodfilm "To Each His Own", der unter dem Titel "Mutterherz" in die deutschen Kinos kam, mit "Jedem das Seine".
Die Gründe für das mangelnde Bewusstsein vom Zusammenhang mit dem SS-Terror sind in den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der Nachkriegszeit zu suchen. Zum einen blieb die Kenntnis von der Buchenwalder Todesformel zunächst primär auf die Überlebenden und auf jene rund 1000 Weimarer Bürgerinnen und Bürger beschränkt, die nach der Befreiung durch die Anlage geführt wurden. Hanus Burgers Film "Die Todesmühlen", der die Konfrontation der Weimarer Bevölkerung mit den Großverbrechen in ihrer Nachbarschaft dokumentiert und Anfang 1946 eine Woche lang alternativlos in allen Kinos der US-Zone gezeigt wurde, zeigt zwar mehrfach die in Auschwitz und anderen KZs benutzte Torinschrift "Arbeit macht frei", setzt aber die Buchenwalder Sentenz nicht ins Bild. Hinzu kam, dass die Anlage auf dem Ettersberg der Öffentlichkeit jahrelang nicht zugänglich war, weil die Sowjets dort ihr Speziallager betrieben.
Wer sich schon damals ein Bild von der Instrumentalisierung der deutschen Sprache unter der NS-Diktatur verschaffen wollte, hatte allerdings durchaus Gelegenheit dazu. Bereits nach Kriegsende setzte zumindest auf akademischer Ebene eine Weiterverwendungsdiskussion ein. Im Westen stand dabei eine Folge von Artikeln im Mittelpunkt, die Dolf Sternberger, Gerhard Storz und Wilhelm E. Süskind in der "Wandlung" publizierten, und die 1957 gesammelt unter dem Titel "Aus dem Wörterbuch des Unmenschen" erschienen. Im Osten kam 1947 der Band "LTI (Lingua Tertii Imperii)" heraus, worin der Holocaust-Überlebende Victor Klemperer als erster den Versuch unternahm, die Hauptmerkmale der NS-Sprache zu umreißen. Dass diese sprachkritischen Reflexionen jahrelang ohne Breitenwirkung blieben, lag sowohl an der vorherrschenden Verdrängungsmentalität als auch am akademischen Zuschnitt der Beiträge.
Erst in den 1960er Jahren, als die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit allmählich auf breiter Ebene Gestalt anzunehmen begann, entwickelte sich in der Bundesrepublik ein öffentliches Bewusstsein für das lexikalische NS-Erbe. In der Linguistik erschienen systematischere Untersuchungen zum Sprachgebrauch im Dritten Reich, etwa Cornelia Bernings "Vom Abstammungsnachweis zum Zuchtwart - Vokabular des Nationalsozialismus" (1964). Sprachkritiker und Linguisten führten eine Debatte über die Spätfolgen des nationalsozialistischen Sprachgebrauchs, und in der westdeutschen Germanistik wurde der Versuch unternommen, den rhetorischen Konformismus vieler Fachkollegen in der NS-Zeit auszuleuchten. Einen Wendepunkt im Umgang mit der belasteten deutschen Sprache markierte allerdings erst die Revolte von 1968, mit der eine Offensive gegen den "Sprachgebrauch der Herrschenden" einherging, wie sie zum Beispiel Wolfgang Fritz Haug betrieb, indem er die "Sprachverwandtschaft"
Trotz dieses Wandels hat sich bis heute kein öffentlicher Konsens über den Umgang mit dem lexikalischen NS-Erbe herausgebildet. Während zum Beispiel die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ihre Straßenverkehrsämter 1985 anwies, keine Autokennzeichen mehr mit nazistischen Akronymen wie KZ, SS, SA oder HJ in Umlauf zu bringen, nahm jahrzehntelang niemand am unreflektierten Gebrauch von "Jedem das Seine" Anstoß. So gab die Wendung etwa 1962 den Titel für die deutsche Übersetzung von Louis Bromfields Unterhaltungsroman "McLeod's Folly (You Get What You Give)" ab, und seit den 1970er Jahren wurde an bundesdeutschen Bühnen die Komödie "Jedem das Seine" gespielt, bei deren Titel es sich um eine Übersetzung von Peter Yeldhams und Donald Churchills "Fringe Benefits" handelt.
Gleichwohl entwickelte sich parallel zum unkritischen Gebrauch ab 1958 ein Bewusstsein für die Buchenwalder Pervertierung. Hierbei spielte die Eröffnung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte am 14. September 1958 offenbar eine wichtige Rolle, weil sie den Ort des Terrors stärker ins nationale und internationale Blickfeld rückte. Von nun an wurde in ostdeutschen Medien kursorisch auf die Todesformel hingewiesen; etwa 1979 aus Anlass einer Gedenkfeier für den 1944 in Buchenwald ermordeten KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann
Ein historisch kritischer Umgang begann sich allerdings erst in den späten 1990er Jahren abzuzeichnen, wobei der Auseinandersetzung um Trutz Hardos 1996 erschienenen Roman "Jedem das Seine" eine gewisse Rolle zukommt. Hardo rechtfertigt darin den Holocaust, indem er ihn als Vollstreckung des "Karmagesetzes" interpretiert; im KZ Buchenwald, schreibt der Autor, werde jedem "in konzentrierter Weise das ihm aus karmischer Gesetzmäßigkeit zustehende Schicksal zugewiesen, um seine Verschuldung abzuarbeiten und dadurch frei zu werden."
Den entscheidenden Impuls zugunsten eines historisch kritischen Gebrauchs gaben jedoch die öffentlichen Proteste gegen die Verwendung als Reklamespruch. Im Juni 1998 sah sich Nokia aufgefordert, eine Kampagne für Handy-Gehäuse einzustellen, nachdem Wendy Kloke vom Berliner Büro des American Jewish Committee und Die Grünen dagegen interveniert hatten. Henryk M. Broder nahm die Nokia-Werbung in seinem Sachbuch "Jedem das Seine" (1999) zum Anlass, in 37 ironisch-provokativen Skizzen die Absurditäten im Umgang der Deutschen mit den Juden zu beschreiben. Es folgte der Abbruch einer Grillzubehör-Aktion von Rewe, einer Software-Kampagne von Microsoft sowie 1999 einer Handzettel-Aktion von Burger King. 2001 verhinderten Mitarbeiter der Münchner Merkur-Bank in Weimar und Jena eine Kampagne für Kontoführungsmodelle, nachdem sie bemerkt hatten, dass der dafür verwendete Slogan mit der Buchenwalder Torinschrift in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft identisch ist. Nach einer kritischen Anfrage der "Frankfurter Rundschau" beendeten Esso und Tchibo Anfang 2009 ihre Kaffee-Kampagne vorzeitig.
Fazit
Trotz juristischer, journalistischer und akademischer Bemühungen um eine kritische Nutzung von "Jedem das Seine" hat sich bis heute kein öffentlicher Konsens über den Umgang mit der belasteten Wendung etabliert. In der Diskussion über den weiteren Gebrauch stehen sich vielmehr zwei Positionen gegenüber. Für die Gegner ist die Instrumentalisierung als Todesformel das Maß der Dinge, dem sie auch die Jahrtausende alte Bedeutungsgeschichte unterordnen: "das Motto ist verdorben dadurch, dass es das KZ Buchenwald assoziiert."
Befürworter der Weiterverwendung sehen es genau andersherum und ordnen den Missbrauch der zeitübergreifenden Bedeutung unter: "Wer eine Gerechtigkeitsformel, die fast 2500 Jahre alt ist, schon durch die kurzzeitige Pervertierung durch ein Terrorregime als nicht mehr zitierfähig ansieht", argumentiert Dietmar von der Pfordten, "gestattet dessen geistigem Zerstörungswerk fortzuwirken, anstatt offensiv und aufklärend gegen diese Pervertierung vorzugehen."
Für sich genommen wird allerdings keine der beiden Positionen der Sachlage gerecht. Das liegt zum einen daran, dass der Ausdruck sich nicht einfach disqualifizieren lässt, indem man ihn dem rassistischen Radikalwortschatz des "Dritten Reichs" - das heißt Ausdrücken wie "Ariernachweis" oder "Untermensch" - zuordnet. Es liegt zum anderen daran, dass die Sentenz auch nicht jener Kategorie von Ausdrücken angehört, die in den Jahrzehnten nach 1945 eine Art Rehabilitierung erfahren haben - wie etwa "betreuen", das im Umfeld des Konzentrationslagers Theresienstadt "in letzter Konsequenz ein Euphemismus für Morden und Mord"
Mit Blick auf die zukünftige Verwendung ist vielmehr ein differenzierender Umgang weiterführend. Legitim ist die Benutzung der lateinischen Form suum cuique, weil es sich dabei um einen in relativ niedriger Frequenz gebrauchten Ausdruck handelt, der seit 1945 praktisch von niemandem mit den NS-Verbrechen assoziiert worden ist. Die Benutzung in der Rechtslehre, in der Geschichtsschreibung über Preußen, in Gerichtssälen oder im Barettabzeichen der Feldjäger kann deshalb nicht in Frage gestellt werden. Nichts einzuwenden ist ebenfalls gegen die deutsche Form in Fällen, in denen es um einen aufklärenden Umgang geht, wie er sich etwa bei Schnog, Olivier oder Broder nachweisen lässt. Eine Tabuisierung wäre hier kontraproduktiv, weil sie die in den Texten geleistete Aufklärung über den Holocaust verhindern würde.
Anders verhält es sich beim apologetischen oder ahistorisch profanen Gebrauch. Hardos Deutung der Buchenwalder Torinschrift ist inakzeptabel, weil sie den KZ-Terror nachträglich legitimiert. Zutiefst fragwürdig ist ebenfalls die unreflektierte Handhabung in der Unterhaltungsindustrie oder der Werbebranche. Sie ist es zum einen, weil sie die Gefühle der Opfer verletzt, und zum anderen, weil sie eine der großen gesellschaftspolitischen Leistungen der Bundesrepublik untergräbt: die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Dieses Projekt, das im Selbstverständnis der Deutschen mittlerweile eine zentrale Position einnimmt, wird nur dann seine Wahrhaftigkeit bewahren, wenn nicht allein Einvernehmen über die selbstkritische Auseinandersetzung mit dem rassistischen Wertesystem und den Verbrechen des "Dritten Reichs" besteht, sondern es ebenso zu einer Konsensbildung über den angemessenen Umgang mit der lexikalischen Hinterlassenschaft der NS-Diktatur kommt.
Dass in dieser Hinsicht weiterhin beträchtliche Defizite bestehen, lässt sich nicht nur anhand von "Jedem das Seine", sondern bei einer Vielzahl von Wörtern und Wendungen beobachten. Auch der Umgang mit einem Wort wie zum Beispiel "Entartung" gestaltet sich bis heute ausgesprochen heterogen. Während Günter Grass, nachdem er im Frühjahr 2007 die Reaktionen der Presse auf seine frühere SS-Mitgliedschaft als eine "Entartung" des deutschen Journalismus bezeichnete hatte, von den Medien genötigt wurde, die Verwendung des Ausdrucks öffentlich zu widerrufen, hat bislang kein Rezensent den Gebrauch desselben Wortes in Helmut Schmidts Bilanz "Außer Dienst" (2008) beanstandet.
Wie wenig es den Deutschen bislang gelungen ist, einen Konsens über den angemessenen Umgang mit dem Lexikon des Nationalsozialismus herzustellen, wurde an jenem eingangs bereits erwähnten Eklat über Eva Hermans Äußerungen in der Fernseh-Talkshow auf geradezu exemplarische Weise deutlich. Statt sich in einem sachbezogenen Diskurs über den problematischen Gebrauch belasteter Ausdrücke zu verständigen, kulminierte der Disput im Rauswurf einer Teilnehmerin. Um die Behebung derartiger Defizite geht es beim Umgang mit der sprachlichen Hinterlassenschaft der NS-Diktatur. Denn die Glaubwürdigkeit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus insgesamt wird nicht zuletzt auch an dem Maß an diskursiver Zivilität gemessen, das in Deutschland seit 1945 wieder hergestellt werden konnte.