Einleitung
Ein Krieg für Tiere"
Tierrecht - nicht Tierschutz
PETA versteht sich als Tierrechtsorganisation und beschreibt die Leitidee wie folgt: "PETA handelt nach dem einfachen Prinzip, dass wir Menschen nicht das Recht haben, Tiere in irgendeiner Form auszubeuten, zu misshandeln oder zu verwerten."
Rhetorik der Tierrechtsbewegung
Wie andere soziale Bewegungen auch will die Tierrechtsbewegung einen grundsätzlichen kulturellen Wandel anstoßen, in diesem Fall die Sicht der Menschen auf Tiere verändern. Tierrechtsorganisationen gelten als post-citizenship movement organizations, das heißt als Bewegungsorganisationen, bei denen nicht der persönliche Vorteil der Mitglieder das Ziel ist, sondern sich die Mitglieder für die Belange Dritter, in diesem Fall Tiere, einsetzen.
Die gemeinsame Identität von Mensch und Tier wird vor allem durch aussagekräftige visuelle Appelle und durch einprägsame Slogans dargestellt. Anzeigen und Spots betonen die Gemeinsamkeiten von Menschen und Tieren. Insbesondere die Visualisierung der Ähnlichkeiten soll dazu führen, die Anderen, also Tiere, nicht als Andere zu sehen. PETA setzt dabei bewusst auf Emotionen und vermenschlicht Tiere, um deren Gleichwertigkeit zu betonen. Die Bilder sollen dem Betrachter vermitteln, dass Tiere Gefühle wie Menschen erleben, und ihn dazu bringen, sich in die Lage der Tiere zu versetzen. Dazu dient auch die Darstellung von Menschen als Tiere, zum Beispiel indem ein Mensch, bei PETA-Kampagnen meist eine attraktive Frau, in einem Käfig abgebildet oder mit Fleischbezeichnungen bemalt wird. Auch bei diesen Kampagnenmotiven steht die Visualität im Mittelpunkt.
Konfrontation und Kontroverse als Strategie
Grundsätzlich stehen alle NGOs, ob im Tierschutz oder in anderen Bereichen, vor der Frage, wie sie in der Öffentlichkeit Gehör für ihre Botschaften bekommen. Eine entsprechend hohe Bedeutung hat Öffentlichkeitsarbeit, denn nur über öffentliche Aufmerksamkeit können NGOs Druck auf Entscheider in Politik und Wirtschaft ausüben. NGOs stehen dabei vor einer grundlegenden strategischen Entscheidung - zwischen einer eher dialogorientierten oder einer eher konfrontativen Öffentlichkeitsarbeit. Beide Strategien haben Vorteile und bergen Risiken.
Vorbild für die konfrontative Öffentlichkeitsarbeit vieler NGOs ist sicherlich Greenpeace. Wie kaum eine andere NGO basiert die Arbeit von Greenpeace auf Öffentlichkeitsarbeit mit spektakulären Aktionen, Inszenierungen und Konfrontation. "Schutz durch Öffentlichkeit" oder bearing witness (Zeugnis ablegen) sind Grundlage aller Greenpeace-Aktivitäten.
Konfrontative Öffentlichkeitsarbeit setzt als Strategie meist darauf, dass ein öffentlichkeitswirksamer Gegner gefunden wird. Dieser wird dann durchgehend negativ dargestellt; manchmal werden Handlungsalternativen aufgezeigt, die der Gegner übernehmen soll. Die ausgemachten Gegner von PETA sind oft Unternehmen, wobei einzelne Unternehmen stellvertretend für eine gesamte Branche stehen. Die Politik ist selten ein direkter Gegner, sondern vielmehr ein indirekter Akteur, der Unternehmen oder Verbraucher durch gesetzliche Regelungen zu Handlungsveränderungen zwingen soll, wie beispielweise bei der Kampagne zur Abschaffung der Wildtierhaltung in Zirkussen oder beim Thema Tierversuche. Ein weiteres Kennzeichen der konfrontativen Strategie ist, dass die kommunizierten Forderungen meist absolut sind, das heißt kein Kompromiss angestrebt wird. Tierrechtsorganisationen fordern meist die generelle Abschaffung jeglicher Tiernutzung. Auch PETA stellt vielfach absolute Forderungen, kämpft allerdings vereinzelt auch für Verbesserungen der Tierhaltung und weicht damit von der eigenen Leitidee ab.
Der Vorteil der konfrontativen Strategie liegt vor allem in der hohen medialen Wirksamkeit. Negativität, Konfrontation und Konflikte haben einen hohen Nachrichtenwert, der sich nochmals steigern lässt, je höher die Bekanntheit der beteiligten Akteure ist.
Doch die konfrontative Strategie birgt auch Risiken. Da meist die Kritik an einem Gegner im Mittelpunkt steht, besteht immer die Gefahr, lediglich als Kritiker in der Öffentlichkeit aufzutauchen und nicht mit der Lösung des Problems in Verbindung gebracht zu werden. Ein Vorwurf, der PETA auch immer wieder gemacht wird, da der vollkommene Verzicht auf tierische Nahrungsmittel oder auf Tierversuche in der medizinischen Forschung von der Mehrheit der Bevölkerung nicht als Lösung angesehen wird. Auch eine benennbare, bekannte Marke in den Mittelpunkt zu stellen, ist nicht ohne Risiko. Die Fokussierung auf den namhaften Gegner, meist noch verknüpft mit aufsehenerregenden Aktionen, ist meist nur bedingt geeignet, um komplexere Themen zu transportieren. Allgemeine Forderungen können untergehen, wenn der Gegner den Forderungen der NGO nachkommt. Wird beispielsweise eine Kampagne an den Zustände in den Betrieben eines einzelnen Geflügelzüchters oder an dem Einkaufsverhalten einer Fastfoodkette festgemacht, so ist die Gefahr groß, dass das Grundthema, das Leid der Tiere in der Massentierhaltung insgesamt, aus der öffentlichen Debatte verschwindet, sobald das eine Unternehmen den Forderungen der NGO nachgegeben hat. Hier stößt die konfrontative Strategie an ihre Grenzen.
Die Konfrontation, wie sie PETA und andere Tierrechtsorganisationen betreiben, ist auch in anderer Hinsicht problematisch. Das Aufdecken von Missständen ist meist nur durch geheime Überwachung, durch das Eindringen in Ställen oder anderen Einrichtungen möglich und damit oft nur durch illegale Aktivitäten. Manche Videos und Bilder, die PETA für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet, stammen beispielsweise von der Animal Liberation Front (ALF), eine aus Großbritannien stammende, aber inzwischen auch in vielen anderen Ländern aktive radikale Tierrechtsgruppierung.
Tierrecht als Lifestyle
Bis Ende der 1980er Jahre setzte PETA fast ausschließlich auf konfrontative Kampagnen mit schockierenden Bildern. Mit den 1990er Jahren kam der Strategiewechsel. Zwar blieb die konfrontative Herangehensweise in Teilen erhalten, aber in den Vordergrund rückte eine eher lifestyleorientierte Strategie und insbesondere die Kooperation mit Prominenten. Am Anfang stand die Zusammenarbeit mit Musikern und später mit Schauspielern und Models.
Die Zusammenarbeit mit Prominenten hatte für PETA mehrere Vorteile. Zum einen erschloss sich die Organisation damit Medien und Zielgruppen, die sie bisher nicht erreichen konnte. Kaum ein Modemagazin oder eine Illustrierte hätte über die kontroversen PETA-Kampagnen mit den schockierenden Bilder berichtet, aber das Engagement Prominenter für PETA war und ist für sie sehr wohl ein Thema. Insofern erwiesen sich die Prominenten als ideale und weltweit agierende Multiplikatoren, denn die Lifestyle-Kampagnen sind weit weniger abschreckend und bescherten der Organisation einen erheblichen Mitgliederzuwachs.
Bei diesen Kampagnen steht auch nicht mehr ein bestimmter Gegner im Mittelpunkt. Stattdessen werden die Konsumenten angesprochen. Sie sollen ihr Verhalten ändern, zum Beispiel durch den Umstieg auf vegetarische Ernährung oder durch den Boykott bestimmter Produkte wie Pelze. Um dies zu erreichen, werden die Verbraucher zwar immer noch mit zum Teil schockierenden Bildern konfrontiert, aber im Vordergrund steht die Vorbildfunktion von Prominenten. Die wohl bekannteste Kampagne von PETA in diesem Bereich ist die Anti-Pelz-Kampagne "I'd Rather Go Naked Than Wear Fur" ("Lieber nackt als Pelz"), die 1991 als Anzeigenkampagne mit der Rockband "The Go-Go's" begann. Seitdem wurde das Kampagnenmotiv mit unterschiedlichen Prominenten, vor allem mit bekannten Models, und verschiedenen Slogans immer wieder neu aufgelegt. Später wurden ähnliche Motive mit halbnackten Models und Schauspielerinnen auch für Kampagnen gegen den Fleischverzehr eingesetzt.
In der PR-Strategie auf Lifestyle zu setzen birgt aber auch Risiken. PETA verknüpft in Kampagnen für vegetarische Ernährung die meist nur spärlich bekleideten Prominenten mit Argumenten hinsichtlich Gesundheit, Aussehen und Sex Appeal. Wenn jedoch Vegetarismus nur als ein gesunder und attraktiver Lebensstil dargestellt wird und mit perfekt aussehenden Models oder Schauspielerinnen in Verbindung gebracht wird, verliert der Aufruf dazu seine eigentliche Bedeutung. Die Botschaft, dass Tiere nicht genutzt werden dürfen, also die moralische Kernidee, könnte so verloren gehen.
Für jede Zielgruppe ein Angebot
Mit der Mischung aus konfrontativen und lifestyleorientieren Kampagnen hat sich PETA ganz unterschiedliche Zielgruppen erschlossen. Wie kaum eine andere NGO schafft es die Tierrechtsorganisation, mit speziellen Angeboten ganz unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Fast zu jedem Themenfeld gibt es eigene Websites. Spezielle Zielgruppen haben ebenfalls eigene Internetportale, so zum Beispiel Menschen über 50. Dort werden Themen wie vegane Ernährung, Gesundheit und Haustiere behandelt.
Besonders viele Angebote richten sich an Kinder und Jugendliche. In den USA gibt PETA ein eigenes Magazin für Jugendliche heraus, das die PETA-Themen geschickt mit Teenager-Themen vermischt. Hinzu kommt spezielles Info-Material für Kinder und Jugendliche und auch der PETA-Onlineshop hat eigene Angebote für Kinder. Extra für die jugendliche Zielgruppe wurde das Internetportal PETA2 mit eigener Online-Community geschaffen.
Erfolg oder Misserfolg?
In den meisten westlichen Ländern gibt es inzwischen zahlreiche Gesetze, die den Tierschutz regeln, wie Vorschriften zur Tierhaltung in der Landwirtschaft oder zu Tierversuchen in der Forschung. Diese wären ohne die Tierschutz- und Tierrechtsbewegung sicherlich nicht zustande gekommen, denn diese hat maßgeblich dazu beigetragen, das von Menschen verursachte Leiden von Tieren in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. Hinzu kommen zahlreiche Einzelerfolge. PETA konnte vor allem in den USA einige große Unternehmen zur Änderung ihrer Tierversuchspolitik bringen und Bekleidungsunternehmen dazu, auf Pelz zu verzichten. In der medizinischen und wissenschaftlichen Forschung ist PETA zu einem gefürchteten Gegner geworden. Auch Fastfoodketten haben ihre Einkaufs- und Angebotspolitik auf Druck von PETA verändert.
Auch die wohl bekannteste Dauerkampagne von PETA gegen das Tragen von Pelzen ist keine hundertprozentige Erfolgsgeschichte. Zwar trugen die Kampagne und die spektakulären Aktionen maßgeblich dazu bei, das Tragen von Pelzen Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre zu einem Tabu zu machen - allerdings nicht auf Dauer. In den vergangenen Jahren verwenden viele Designer wieder Pelz, und einige Models, die sich in den 1990er Jahren noch für die PETA-Kampagne auszogen, machen inzwischen wieder Werbung für Mode mit Tierfellen. Dies offenbart ein weiteres Problem der lifestyleorientieren Kampagnen, die auf Prominente als Vorbild setzen. Die Prominenten werden eingesetzt, weil sie öffentliche Aufmerksamkeit garantieren, aber diese ist eben auch gewiss, wenn sie entgegen ihrer ursprünglichen Werbeaussage handeln. Auch arbeitet PETA bei anderen Themen mit Prominenten zusammen, die ganz offensichtlich bestimmte Ziele der Organisation nicht unterstützen und beispielsweise offen Pelz tragen. Solche Vorfälle reduzieren nicht nur die Glaubwürdigkeit der Prominenten, sondern auch die von PETA. Für Kritiker ist das eine Bestätigung, dass es PETA nur um öffentliche Aufmerksamkeit geht.
Stellt sich die Frage, wie die schockierenden Bilder, aber auch die Lifestyle-Kampagnen ankommen. Verschiedene Studien, vor allem aus den USA, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Studien über die Mitglieder von Tierrechtsorganisationen zeigen, dass Info-Material von Organisationen, vor allem auch solches mit schockierenden Bildern, nicht nur einen hohen Einfluss auf die Entscheidung hatte, sich in diesem Feld zu engagieren, sondern meist auch eine vegane oder vegetarische Ernährung zur Folge hatte.
Zu der am häufigsten geäußerten Kritik gegenüber den Kampagnen von PETA gehört der Vorwurf des Sexismus, der sich in erster Linie darauf bezieht, dass PETA in Kampagnen immer wieder nackte oder halbnackte Frauen zeigt. Dazu enthalten die Slogans häufig sexuelle Anspielungen und die Gestaltung der Motive erinnert nicht selten an softpornografische Bilder. Kritiker werfen der Organisation daher vor, Frauen zu Objekten zu machen, Geschlechterstereotypen zu reproduzieren und das gängige Schönheitsideal zu propagieren. Einige Kritiker werfen der Organisation zudem vor, rassistisch zu sein, da die meisten Anzeigenmotive weiße, blonde Frauen zeigen. PETA-Gründerin Ingrid Newkirk verteidigt diese Vorgehensweise als legitimes Mittel, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und verweist darauf, dass alle Models und Prominente in solchen Anzeigen Freiwillige seien. Aber wohl auch als Reaktion auf die anhaltende Kritik sind die PETA-Kampagnen zunehmend geschlechtsneutral geworden und bilden inzwischen sowohl Männer als auch Frauen ab. Geblieben ist allerdings die sexualisierte Darstellung. Kritiker sehen darin eine Bagatellisierung des eigentlichen Anliegens. Das Thema Tierrecht würde durch die sexualisierte Werbung in den Hintergrund rücken und PETA-Kampagnen den eigentlichen Zielen daher eher schaden.
Dass PETA mit schockierenden Kampagnen den schmalen Grad zwischen positiver Aufmerksamkeit und Ablehnung zu überschreiten weiß, verdeutlicht wohl kein Beispiel besser als die Ausstellung "Der Holocaust auf Ihrem Teller". Die verglich Bilder vom Holocaust mit Bildern aus der Massentierhaltung und wurde 2003 erstmals in den USA gezeigt und ging später dann auch in andere Länder. Nicht nur in Deutschland löste der Vergleich Proteste aus. In den USA wurde die Ausstellung 2005 beendet. In Deutschland wurde PETA die Verbreitung der Ausstellung 2005 gerichtlich untersagt. Mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist PETA 2009 gescheitert. Der Ausstellung "Der Holocaust auf Ihrem Teller" folgte in den USA eine weitere kontroverse Ausstellung mit dem Titel "Animal Liberation Project: We Are All Animals", dass Bilder von Massentierhaltung mit Bildern des Leidens von Sklaven und anderen unterdrückten Menschen verglich. Auch diese Ausstellung führte zu massiven Protesten. Analogien zwischen Tierausbeutung und Holocaust und Sklaverei hat es in der Tierrechtsbewegung bereits zuvor gegeben. Viele Tierrechtler bezeichnen sich beispielsweise als "Abolitionisten", um damit ihre Verbindung zu der historischen Anti-Sklaverei-Bewegung zu signalisieren und Gruppierungen wie die Animal Liberation Front haben schon immer Vergleiche zum Holocaust genutzt.
Auffallen um jeden Preis?
Der amerikanische Journalist Michael Specter hat PETAs Strategie treffend beschrieben: "PETA's publicity formula - eighty per cent outrage, ten per cent each of celebrity and truth - insures that everything it does offends someone."