Einleitung
Die Administration von Präsident George W. Bush wird mit einer der schlechtesten Leistungsbilanzen abtreten, die je von einer US-Regierung hinterlassen worden ist. Als Folge einer Mischung aus imperialer Hybris, ideologischer Verblendung und realpolitischen Fehlentscheidungen vermacht sie ihren Nachfolgern eine schwere Erblast. Die Bush-Administration hat in Bezug auf nahezu alle wichtigen Themen der internationalen Agenda (Friedenssicherung, Global Governance, Klima- und Umweltschutz, transnationaler Terrorismus, Nahostkonflikt) die weltpolitischen Herausforderungen ignoriert, ungeeignete Lösungsstrategien gewählt oder Rückschritte bei der Problembearbeitung verursacht. Ihre Außenpolitik war überwiegend den Realitäten einer komplexen und zunehmend interdependenten Welt nicht angemessen. Der Irak-Krieg stellt nur das prominenteste Beispiel für diese Fehlentwicklungen dar.
Als Folge dieser Politik befindet sich das Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt und der Respekt vor ihrem Gestaltungsanspruch als demokratische Weltführungsmacht zweifellos auf einem historischen Tiefpunkt. Angetreten, den "unipolaren Moment"
Die "Bush-Revolution"
Für welche außenpolitische Strategie sich die am 20. Januar 2001 erst nach wochenlangen Auseinandersetzungen um das Wahlergebnis ins Amt gekommene Bush-Administration entscheiden würde, war anfangs keineswegs klar zu prognostizieren. Während der neue Präsident über kein erkennbares außenpolitisches Profil verfügte, hatte seine Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice im Wahlkampf für eine Konzentration auf "nationale Interessen" geworben und vor einer Überdehnung amerikanischer Ressourcen durch "humanitäre Interventionen" gewarnt.
Auch die "Neokonservativen", die den Ausbau amerikanischer Hegemonie hauptsächlich durch die notfalls auch kriegerische Ausbreitung der Demokratie sichern wollten, waren mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz an führender Stelle vertreten.
Mit ihren außenpolitischen Zielsetzungen und Strategien sowie ihrem spezifischen Politikstil nahm die Bush-Administration eine Anknüpfung an zentrale Traditionslinien der US-Außenpolitik vor. Allerdings spitzte sie diese stark zu und vertrat sie mit einer rhetorischen Vehemenz wie noch keine Regierung zuvor, weshalb zu Recht von einer Bush Revolution in Foreign Policy
Der neue Kurs wurde in der Nationalen Sicherheitsstrategie vom September 2002 inhaltlich zusammengefasst.
"Krieg gegen den Terror"
Rückblickend betrachtet war "9/11" der Moment, durch den sich die Politik der Präsidentschaft George W. Bushs definierte. Nach den megaterroristischen Anschlägen in New York und Washington stand die Welt in seltener Einmütigkeit hinter den USA. In der Bevölkerung und bei den Eliten des Landes führte der erste Angriff auf das homeland seit dem Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812/14 zu einem Schockzustand, zu stärkster Solidarität und zum Bedürfnis nach größtmöglicher Sicherheit. Presidential Leadership war das Gebot der Stunde. Bush antwortete mit der Proklamation des "Krieges gegen den Terror" (War on Terror). Die Verantwortlichen für die Anschläge sollten "gejagt" werden, bis die USA und die ganze Welt wieder zu sicheren Orten geworden seien. Die Administration hatte das Leitmotiv und den Deutungsrahmen für ihre Politik gefunden.
Zum ersten Kriegsziel wurde Afghanistan, dessen islamistisches Taliban-Regime dem Terrornetzwerk Al Qaida seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine logistische Basis zur Verfügung gestellt hatte. Gestützt auf das Selbstverteidigungsrecht der UN-Charta und Resolutionen des Sicherheitsrates, forderten die USA die Auslieferung der Al-Qaida-Führer. Nach der Weigerung des Regimes begann am 6. Oktober 2001 der Angriff auf Afghanistan, der noch vor Jahresfrist mit dem Sturz der Taliban-Herrschaft und der Einsetzung einer neuen Regierung unter Präsident Hamid Karsai vorläufig beendet werden konnte. Dass dieser schnelle Erfolg wenig nachhaltig war, sollte sich erst später herausstellen.
Die Bush-Administration definierte "9/11" von Anfang an als Zeitenwende und den "Krieg gegen Terror" als eine Herausforderung, vergleichbar mit dem Faschismus in den 1930er und 1940er Jahren oder mit der kommunistischen Gefahr im Kalten Krieg. Erneut gehe es darum, dass Amerika weltweit die Freiheit schütze gegen eine totalitäre Bedrohung. Neokonservative Anhänger der Administration sprachen gar von "Islamofaschismus", der in einem "Vierten Weltkrieg"
Damit war - aus Sicht der Administration - die Welt klar geordnet. Auf den Anschlag eines asymmetrischen, terroristischen Netzwerks wurde geantwortet, indem eine von den USA zusammengestellte Staatengruppe zum Feind erklärt wurde. Statt den Anti-Terror-Kampf auf Al Qaida bzw. die transnational verbundenen islamistischen Terroristen zu konzentrieren, wurde der globale Terrorismus als solcher zum Ziel. Aus der mangelhaften Fokussierung folgte die zeitliche und räumliche Entgrenzung: Der "Krieg gegen den Terror" wurde zur Generationenaufgabe erklärt. Dieser Krieg sei anders als jeder andere Krieg in der amerikanischen Geschichte, er werde "über lange Zeit und an vielen Fronten gegen einen besonders schwer fassbaren Feind geführt werden".
Angesichts dieser Rhetorik ist es bemerkenswert, dass der Kampf gegen islamistische Terroristen nach der Amtsübernahme der Bush-Administration zunächst nicht als zentrale außenpolitische Aufgabe verstanden worden war. Bis zum 11. September 2001 hatte sich der Präsident mit dieser Herausforderung gar nicht befasst.
Der "Krieg gegen den Terror" sollte - so der erklärte Anspruch der Bush-Administration - für die Ausbreitung der Freiheit geführt werden. Dennoch gehörten das Völkerrecht und die Menschenrechte zu seinen ersten "Kollateralschäden". Ausgehend von der Argumentation, nach der es sich um eine völlig neuartige Form des Krieges handele und der Gegner sich nicht an die Regeln der Staatenwelt halte, wurden rechtsstaatliche Errungenschaften der westlichen Zivilisation wie das Folterverbot, das Recht auf einen gesetzlichen Richter (Habeas Corpus) oder der Schutz vor menschenunwürdiger Behandlung eingeschränkt bzw. preisgegeben.
Debakel Irak-Krieg
Wenn der "Krieg gegen den Terror" den defining moment für die Außenpolitik der Bush-Administration darstellte, dann ist der Irak-Krieg ihre größte und folgenschwerste Erblast. Vizepräsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld und sein Stellvertreter Wolfowitz hatten schon vor ihrer Amtsübernahme einen "Regimewechsel" im Irak befürwortet. Aus ihrer Sicht ging es darum, den Fehler aus dem Golfkrieg 1990/91 zu korrigieren. Damals hatte Präsident George Bush sen. auf einen Sturz des Diktators Saddam Hussein verzichtet, weil dafür keine Legitimation der Vereinten Nationen vorhanden war und eine Desintegration des Landes befürchtet wurde. Nach dem 11. September 2001 rückte der Irak erneut ins Visier. Hussein wurde unterstellt, im Widerspruch zu bindenden UN-Resolutionen weiterhin nach Massenvernichtungswaffen zu streben. Das Regime sei bereit, solche Waffen auch an Terroristen weiterzugeben, mit denen es bereits zusammenarbeite. Die USA, so Bush, dürften nicht warten, bis ein Atompilz die Verfügungsmacht des Iraks über Nuklearwaffen bestätige.
Im Lauf des Jahres 2002 dominierte die Auseinandersetzung über den Irak in zunehmendem Maße die internationale Politik. Auf Anraten seines Außenministers Powell und des britischen Premierministers Tony Blair entschied sich Bush zunächst für den Weg über die Vereinten Nationen, um eine größtmögliche internationale Unterstützung zu gewinnen. In Resolution 1441 vom 8. November 2002 verlangte der UN-Sicherheitsrat die Wiederzulassung von Inspektionen der Weltorganisation, um die vollständige Vernichtung aller ABC-Waffen überprüfen zu können. Eine Ermächtigung zur militärischen Intervention für den Fall einer Verweigerung des Iraks enthielt diese Resolution nicht. Der Irak bestritt, über solche Waffen zu verfügen. Nach anfänglicher Weigerung lenkte Saddam Hussein ein und gestattete die Wiederaufnahme der 1998 abgebrochenen Inspektionen, die - ungeachtet verschiedener Behinderungen - insgesamt erfolgreich durchgeführt werden konnten und keine Beweise für den Besitz oder das Streben nach Massenvernichtungswaffen erbrachten.
Die Bush-Administration war jedoch nicht bereit, dieses Ergebnis hinzunehmen. Die Entscheidung für den Krieg war in Washington längst gefallen. Zur Rechtfertigung berief sich der Präsident auf Geheimdiensterkenntnisse, die - wie sich später herausstellen sollte - im Auftrag Cheneys und Rumsfelds offenbar manipuliert worden waren.
Der Krieg wurde zum ersten Anwendungsfall der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie. Gegen den Willen des Weltsicherheitsrates und gegen geltendes Völkerrecht führte eine "Koalition der Willigen" unter amerikanischer Führung einen "Regimewechsel" herbei. Das vom Präsidenten erst wenige Wochen vor Kriegsbeginn proklamierte Ziel, den "neuen Irak" nach Saddam Hussein zu einer Demokratie mit Leitbildfunktion für die gesamte Region zu machen, trat legitimatorisch immer stärker in den Vordergrund. Dagegen wurden Massenvernichtungswaffen bis heute nicht gefunden. Tatsächlich ging es den USA im Irak-Konflikt primär um eine Demonstration ihrer als weitgehend unbeschränkt wahrgenommenen Gestaltungsmacht, um die Festigung der hegemonialen Stellung in der Region und um den Zugriff auf die reichen Energievorräte des Landes. Dazu war die Ausschaltung eines alten Feindes erforderlich. Die globale Bedeutung des Irak-Konflikts ging über diese Zielsetzungen weit hinaus. In der Debatte über diesen Krieg ging es um Unilateralismus oder Multilateralismus in der Weltpolitik, um den Vorrang von Recht oder Macht, um den Stellenwert der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, um die Förderung von Demokratisierung als evolutionären Prozess oder als militärisch zu befördernder Exportartikel. In ihrer Substanz war diese Debatte eine globale Auseinandersetzung mit dem imperialen Ordnungsanspruch der Bush-Administration.
Die bisherige Bilanz des Irak-Krieges fällt, gemessen an den selbst gesteckten Zielen, verheerend aus.
Misslungene Neuordnung des Mittleren Ostens
Mit dem Irak-Feldzug wollte die Bush-Administration eine groß angelegte "Neuordnung" des Mittleren Ostens einleiten. Diesem Projekt lag die Einschätzung zu Grunde, dass der islamistische Terrorismus durch eine Modernisierungsblockade in der arabischen Welt entscheidend begünstigt werde. Die westliche Unterstützung von Autokratien sei ein Fehler gewesen. Erforderlich sei vielmehr eine umfassende Demokratisierung der Region, durch die den Terroristen der Boden entzogen werden könnte. In einem derart modernisierten und demokratisierten Mittleren Osten ließe sich auch der Konflikt zwischen Israel und Palästina lösen, weil Demokratien untereinander prinzipiell friedfertig seien. Dieses Projekt wurde vor allem von den Neokonservativen betrieben, die auch die Unterstützung des Präsidenten gewinnen konnten.
Der Irak-Krieg hat nicht als das intendierte Startsignal zur Demokratisierung und Modernisierung des Mittleren Ostens gewirkt. Stattdessen exportierte er zusätzliche Instabilität in eine ohnehin fragile und fragmentierte Region. Zu den wichtigsten, gleichwohl von der Bush-Administration nicht beabsichtigten Nebenfolgen der Irak-Invasion gehört der weitere Aufstieg des Iran. Mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan beseitigten die USA Konkurrenten des Iran und ermöglichten dessen Aufstieg zur regionalen Vormacht. Mit ihren engen Verbindungen zur Hamas und zur Hisbollah wurde es der iranischen Führung möglich, die Interessen der USA im Nahen Osten empfindlich zu beeinträchtigen. Obwohl sich der Iran seit Ende der 1990er Jahre um eine vorsichtige Annäherung an die Vereinigten Staaten bemüht hatte, wurde er 2002 der "Achse des Bösen" zugeordnet. Nach dem Sturz des pro-westlichen Schah-Regimes (1979) war die Islamische Republik von Washington nie anerkannt worden; nach dem Irak-Krieg befürwortete die Bush-Administration einen Regimewechsel auch in Teheran.
Die Aufdeckung eines geheimen, wahrscheinlich auf den Erwerb von Nuklearwaffen gerichteten Atomprogramms (2003) führte zur Verschärfung des amerikanisch-iranischen Konfliktes, der sich durch anti-israelische Hassparolen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad immer weiter zuspitzt. In der Nationalen Sicherheitsstrategie 2006 avancierte das Land zur größten einzelstaatlichen Gefahr für die Sicherheit Amerikas.
Ein aktiver Beitrag für die Regelung des Nahost-Konflikts stand zunächst nicht weit oben auf der Agenda der Bush-Administration. Nachdem Präsident Clinton im Sommer 2000 mit dem ambitionierten Versuch gescheitert war, noch vor dem Ende seiner Amtszeit einen Durchbruch zu erreichen, schreckte sein Nachfolger vor der Übernahme einer Maklerrolle zurück, überließ die zutiefst zerstrittenen Konfliktparteien weitgehend sich selbst und ignorierte regionale Lösungsansätze wie den Friedensplan Saudi-Arabiens (2002). Durch die erstmals offiziell ausgesprochene teilweise Anerkennung der Siedlungspolitik in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten rückte Bush die USA so eng an die israelische Position, dass sie von der arabischen Welt nur noch sehr eingeschränkt als Vermittler akzeptiert wurden. Der Irak-Krieg drängte die Suche nach einer Friedenslösung im Nahen Osten in den Hintergrund. Erst nach dem israelisch-libanesischen "Sommerkrieg" im Jahr 2006, der den Einflusszuwachs islamistischer Kräfte wie der Hisbollah eindrücklich dokumentierte, hatte die Konfliktregelung zwischen Israel und Palästina wieder Priorität. In Annapolis (Maryland) verkündete Präsident Bush im Dezember 2007 das hoch gesteckte Ziel, bis zum Ende seiner Amtszeit eine Friedenslösung verwirklichen zu wollen. Dass dieses Ziel erreicht werden kann, erscheint äußerst unwahrscheinlich. Stärker als unter Präsident Clinton stoßen die Vereinigten Staaten unter George W. Bush im Nahen Osten offenbar an die Grenzen ihrer Gestaltungsmacht.
Aufrüstung statt Rüstungskontrolle
Rüstungskontrolle zielt darauf ab, die Wahrscheinlichkeit militärischer Konflikte durch kooperative Steuerung bzw. die Begrenzung von Rüstung zu reduzieren. Diese Zielsetzung wurde von der Bush-Administration, die sich damit in die Tradition der republikanischen Rechten seit den 1960er Jahren stellte, abgelehnt. Stattdessen strebte Bush nach umfassender militärischer, insbesondere nuklearer Überlegenheit als Grundlage der unipolaren Machtstellung der USA, löste sich von Verträgen, die diesem Ziel entgegenstanden, und wollte die Proliferation von Massenvernichtungswaffen mit allen Mitteln verhindern: durch "Koalitionen der Willigen", notfalls auch unilateral und präventiv.
Rückschritt oder Blockade kennzeichnen auch die Bilanz in anderen Bereichen der Rüstungskontrollpolitik. Der präzise, strenge Kontrollregeln enthaltende START-Vertrag über eine Reduzierung der amerikanischen und russischen strategischen Nuklearwaffen wurde 2002 durch den wesentlich flexibleren, keine Mechanismen zur Überprüfung mehr vorsehenden SORT-Vertrag (Strategic Offensive Reductions Treaty) ersetzt. Obwohl die Administration von ihrer ursprünglichen Absicht abrückte, die Unterschrift unter den Atomteststopp-Vertrag zurückzuziehen, unterstützte sie dieses Vertragswerk mit Blick auf künftige nukleare Aufrüstungspläne nicht. Auch das multilaterale Regime des Vertrags über die Nukleare Nichtweiterverbreitung (NVV) wurde von der Bush-Präsidentschaft unilateral interpretiert. Obwohl sie von Drittstaaten wie dem Iran die strikte Einhaltung aller Bestimmungen verlangte, lehnte sie die Abrüstungsverpflichtungen aus diesem Abkommen für sich selbst ab.
Besonders problematisch ist in diesem Kontext ein 2005 zwischen den USA und Indien, das dem NVV nicht angehört, vereinbartes Nuklearabkommen.
In der Amtszeit der Bush-Administration haben sich die Verteidigungsausgaben der USA von 305 (2001) auf 647 Milliarden US-Dollar (2008) mehr als verdoppelt.
Von der unipolaren zur multipolaren Welt
Als Folge einer übersteigerten Einschätzung der eigenen Handlungsmöglichkeiten hatte die Bush-Administration in ihrem ersten Amtsjahr die Beziehungen zu anderen Zentren der Weltpolitik vernachlässigt. Nach dem 11. September 2001 wurde diese Einstellung auf der Suche nach neuen Verbündeten teilweise revidiert. Generell vollzog sich in der zweiten Amtszeit eine Wende zur pragmatischen Kooperation.
Am schwierigsten war der Wechsel von Clinton zu Bush für die traditionellen Verbündeten in Europa. Der Rückzug aus dem ABM-Vertrag, aus dem Kyoto-Abkommen zum Klimaschutz und aus dem Vertrag über den Internationalen Strafgerichtshof kündigte eine unilaterale Politik an, mit der sich das auf Multilateralismus setzende Europa nicht arrangieren konnte. Während die Solidarität nach "9/11" diese Entfremdung kurzfristig überdeckte, eskalierte sie im Konflikt über den Irak-Krieg und führte zur bisher schwersten Belastungsprobe der transatlantischen Beziehungen. Im Gegensatz zu allen Vorgängerregierungen setzte die Bush-Administration nur unter Vorbehalt auf die europäische Integration und versuchte stattdessen, Europa in "alt" und "neu" zu spalten. Die NATO, die nach den Anschlägen den Bündnisfall ausgerufen hatte, wurde nicht als zentrales sicherheitspolitisches Konsultationsforum genutzt. Mit ihrem Versuch, fallweise "Koalitionen der Willigen" zu formieren, demonstrierte die Bush-Präsidentschaft ihr Verständnis eines rein instrumentellen Multilateralismus. Nach dem Fiasko im Irak näherten sich beide Seiten wieder an.
Die Beziehungen zu Russland entwickelten sich, gestützt auf ein gutes persönliches Verhältnis der Präsidenten Bush und Wladimir Putin, anfangs positiv. Seit dem Krieg gegen den Irak dominieren jedoch die Interessengegensätze: die Einrichtung dauerhafter US-Stützpunkte in Zentralasien, der unilateral betriebene Aufbau einer Raketenabwehr in Polen und Tschechien sowie das Drängen der USA auf eine zügige Erweiterung der NATO um die Ukraine und Georgien belasten das bilaterale Verhältnis, insbesondere nach dem jüngsten Krieg im Kaukasus. Ähnlich problematisch entwickelte sich die Beziehung zur Volksrepublik China, deren wirtschaftlicher und politischer Aufstieg die Weltpolitik verändert. Die Vereinigten Staaten konnten sich nicht entscheiden, ob sie China als "strategischen Rivalen" oder als "strategischen Partner" betrachten sollen. Die Notwendigkeit zur sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, so bei den Sechs-Parteien-Gesprächen über das nordkoreanische Nuklearprogramm, sowie zunehmende Interdependenzen zwischen den beiden Volkswirtschaften führten zu einer pragmatischen Kombination von Kooperation und vorsichtiger Eindämmung. Der Versuch, eine strategische Partnerschaft mit Indien zu begründen, blieb im Ergebnis ambivalent. Ungeachtet des bilateralen Nuklearabkommens und zahlreicher gemeinsamer Interessen ist die zweite große aufsteigende Macht in Asien nicht bereit, sich im trilateralen Verhältnis mit China und den USA auf die amerikanische Seite zu stellen.
Fazit
Der von "imperialen Illusionen"
Die größte Fehlleistung der Bush-Administration besteht darin, die überwältigende weltweite Solidarität nach dem 11. September vollständig verspielt zu haben, statt sie in eine Festigung ihrer Führungsposition durch kluge Politik umzusetzen. Zur Lösung globaler Probleme, aber auch zur Erarbeitung von Regeln und Normen für die Ordnung in einer abnehmend unipolaren und zunehmend multipolaren Welt hat sie wenig beigetragen. Die Herausforderung für die nächste amerikanische Präsidentschaft besteht in genau dieser Aufgabe - und darin, für eine veränderte, mit den Realitäten kompatible Außenpolitik auch die Zustimmung im eigenen politischen System zu sichern.