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Islamismus in der Bundesrepublik Deutschland | Terrorismus | bpb.de

Terrorismus Editorial Zwischen Staatsvernunft und Gefühlskultur Terrorismus in neuen Dimensionen Die weltpolitische Rolle der USA nach dem 11. September 2001 Internationaler Terror, forcierter Regimewechsel und die UNO: Der Fall Afghanistan Neue Gefahren verlangen neue Politik Multilateralismus statt Dominanz Islamismus in der Bundesrepublik Deutschland

Islamismus in der Bundesrepublik Deutschland Ursachen, Organisationen, Gefahrenpotenzial

Armin Pfahl-Traughber

/ 28 Minuten zu lesen

Armin Pfahl-Traughber berichtet über das Wirken islamistischer Gruppierungen in Deutschland, dem im Rahmen einer pluralistischen Gesellschaft entgegengetreten werden muss.

I. Einleitung

Die islamistischen Terroristen zugeschriebenen Anschläge in den USA rückten auch die islamistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland stärker ins Licht des öffentlichen Interesses.

Sie bilden allerdings keinen homogenen Block, wie auch die Reaktionen auf die genannten Ereignisse zeigen: Eine überwiegende Mehrheit der organisierten Islamisten lehnte die Terroranschläge offiziell ab. Lediglich eine Minderheit sah in ihnen eine angemessene Handlung gegen die als erklärter Feind geltenden USA. Das Gefahrenpotenzial islamistischer Organisationen ergibt sich jedoch nicht nur aus der Einstellung zu den verheerenden Anschlägen oder aus dem Verhältnis zur Gewalt als politischem Mittel an sich. Auch unterhalb der Schwelle politisch motivierter Militanz können sich bedenkliche Entwicklungen für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft vollziehen. Das gesamte Ausmaß damit angesprochener Handlungsstile, vom kulturpolitischen Wirken bis zum gewalttätigen Vorgehen, lässt sich bei Islamisten in der Bundesrepublik Deutschland ausmachen.

Allein diese Einsicht verbietet eine pauschale Sicht und nötigt zu Differenziertheit in Beschreibung und Einschätzung. Gerade sie sind vor dem Hintergrund einer emotionalisierten Debatte zum Thema nötig, gilt es doch Dramatisierung ebenso wie Verharmlosung zu vermeiden. Erstere zeigt sich etwa, wenn die zu einem Glaubenskrieg aufrufende Gewaltrhetorik bestimmter Aktivisten direkt oder indirekt mit den Muslimen an sich oder den Islamisten in Gänze identifiziert wird. Verharmlosend wirkt demgegenüber die mitunter feststellbare kritiklose gesellschaftliche Akzeptanz einzelner islamistischer Organisationen als Dialogpartner durch bestimmte Politiker oder Institutionen. Eine andere - offenbar sogar dominierende - Reaktionsweise besteht in der weitgehenden Ignoranz gegenüber der Entwicklung islamistischer Organisationen. So besteht in der Mehrheit der deutschen Gesellschaft ein nicht besonders hohes Interesse an Alltagsleben, Einstellungen und Glaube der teilweise schon jahrzehntelang in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten.

Bestärkt wird diese Haltung durch das bewusste Abschotten der islamistischen Organisationen, die sich teilweise um die Schaffung von Parallelgesellschaften bemühen und daher kritische Einblicke in ihre wahren Absichten und Aktivitäten vermeiden wollen. Die Kombination beider Umstände führte dazu, dass es an einem breiteren und tiefgründigen öffentlichen Wissen über den politisch motivierten Islamismus weitgehend mangelt. Die Medien berichten lediglich anlassbezogen, sporadisch und eher oberflächlich; nur wenige Journalisten spezialisierten sich auf das Thema. Im wissenschaftlichen Bereich bestehen zwar einige Einrichtungen und Institute zur Islam-Forschung, die aber bisher den islamistischen Organisationen insgesamt eher geringe Aufmerksamkeit widmeten. Einige wenige Abhandlungen stellen hier nur Ausnahmen von der Regel dar. Kontinuierliche Berichte über das Wirken des politisch organisierten Islamismus in der Bundesrepublik Deutschland findet man bislang lediglich in den jährlichen Berichten der Ämter für Verfassungsschutz.

II. Islamismus - Inhaltliche Definition und demokratie- theoretische Bewertung

Wie lässt sich der Begriff "Islamismus" definieren? Worin besteht seine ablehnende Haltung gegenüber der Demokratie? Der von den Anhängern selbst genutzte Terminus steht für eine Doktrin, die auch als islamischer Fundamentalismus bezeichnet wird. Ähnliche Phänomene lassen sich in anderen Religionen ausmachen, daher handelt es sich nicht nur um eine Besonderheit der islamischen Welt. All diesen Fundamentalismen ist die Ablehnung der "westlichen Moderne" eigen, womit Demokratie, Individualisierung, Marktwirtschaft, Menschenrechte, Pluralismus und Säkularisierung gemeint sind. Die damit verbundene Frontstellung belässt es aber nicht bei der Idealisierung vergangener gesellschaftlicher Zustände mit einer stärker religiösen Orientierung. Hierin unterscheiden sich die Fundamentalisten meist von orthodoxen und traditionalistischen Vertretern der jeweiligen Religionen. Auch nutzen sie im Unterschied zu diesen bewusst die technischen Errungenschaften der Moderne - um deren weltanschauliche Prinzipien gleichzeitig zu negieren. Zum Ausdruck kommt darin eine konkrete Zukunftsorientierung, die auf eine fundamentale Änderung der Gesellschaftsordnungen abzielt.

Dabei nehmen die Anhänger des Fundamentalismus im Allgemeinen und des Islamismus im Besonderen bewusst eine politische Deutung ihrer religiösen Glaubensgrundlage vor. Es handelt sich also um einen typischen Akt der Ideologiebildung, der nur partiell etwas mit dem religiösen Gehalt des Islam zu tun hat. Eine Gleichsetzung aller Muslime mit den Islamisten verbietet sich von daher. Hinzu kommt: Sowohl in den meisten islamisch geprägten Ländern als auch unter den muslimischen Ausländern in westlichen Ländern stellen Islamisten nur Minderheiten dar. Zwar können sie sich in ihren Einstellungen und Handlungen teilweise auf Aussagen des Koran berufen. Darin enthaltene dogmatische und inhumane Auffassungen finden sich aber ebenfalls in Grundlagenwerken anderer Religionen. Auch im Namen der Bibel wurden im Laufe der Geschichte die schändlichsten Verbrechen begangen. Inwieweit solche Deutungen theologisch legitim sein könnten, bleibt zunächst von sekundärer Bedeutung. Entscheidend für den hier zu erörternden Zusammenhang ist, dass es solche ideologisierenden Vereinnahmungen religiöser Aussagen zu politischen Zwecken gibt und dass sie mobilisierende Wirkung entfalten.

Die ideologische Instrumentalisierung geht im Fall des Islamismus zunächst von einer Krisensituation aus. Gefragt wird dabei, warum die muslimisch geprägten Länder gegenüber den westlichen Ländern sozial und wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten seien. Die konstatierten Probleme und Schwächen der islamischen Staaten führen die Anhänger des Fundamentalismus auf eine Abkehr vom "wahren Glauben" oder eine Verfälschung des "göttlichen Willens" zurück. Weder Kapitalismus noch Kommunismus seien daher eine Lösung, folge doch aus deren Materialismus Dekadenz, Elend und Unglaube. Stattdessen fordert man die Rückkehr zu den Grundlagen des Islam, die sich allerdings nicht nur auf das persönliche Alltagsverhalten oder entsprechende individuelle Einstellungen beziehen solle. Auch das politische System müsse einer Re-Islamisierung unterzogen, die Trennung von Politik und Religion aufgehoben werden. Dies bedeutet in der Konsequenz die Errichtung einer Theokratie, also einer Herrschaftsform, in der die Staatsgewalt allein religiös legitimiert wird und in der die Regierenden nach dem Willen Allahs und den Vorschriften des Koran herrschen.

Da es aber weder unter den Muslimen noch unter den Islamisten eine einheitliche theologische Lehrmeinung gibt und ein Gott nicht unmittelbar in die Politik eingreift, obliegt die Deutungs- und Entscheidungskompetenz den jeweiligen Interpreten der religiösen Vorgaben. Der von welcher Instanz auch immer anerkannte Gottesgelehrte wird somit zum eigentlichen Herrscher. Dogmatismus und Willkür prägen dann die Legitimation der eigenen Politik, denn in einer solchen Sichtweise muss jeder Andersdenkende als verderblicher Ungläubigen gelten. Darüber hinaus führt eine solche Gesellschaftsauffassung zur Ablehnung von tragenden Prinzipien demokratischer Verfassungsstaaten: Herrschaft legitimiert sich nicht mehr durch den Willen des Volkes, sondern durch die Berufung auf die Vorschriften des Koran. Das Vorhandensein unterschiedlicher Meinungen im Sinne eines Pluralismus widerspricht in dieser Sicht dem unbedingten Anspruch des göttlichen Willens. Auch spielen individuelle Menschenrechte keine Rolle mehr, erhält der Einzelne doch seinen rechtlichen Status durch die Zugehörigkeit zur islamischen Gemeinschaft.

III. Islamistische Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland

1. Allgemeine Aussagen

Vor der detaillierteren Darstellung der einzelnen islamistischen Organisationen bedarf es noch einiger genereller Aussagen, die für die Einschätzung von deren Bedeutung und Gefahrenpotenzial von besonderem Interesse sind. Als erster diesbezüglicher Gesichtspunkt sei auf die quantitative Dimension des Personenpotenzials verwiesen: Ende des Jahres 2000 gehörten 20 islamistischen Organisationen 31 450 Personen an. Dies entspricht etwa 1 Prozent der 3,2 Millionen in Deutschland lebenden Ausländer muslimischen Glaubens. Aus diesem relativ gering erscheinenden Anteil kann allerdings aus mehreren Gründen nicht auf die völlige oder weitgehende Isolation der islamistischen Organisationen innerhalb der muslimischen Bevölkerung geschlossen werden. Rechnet man die Familienangehörigen der Mitglieder noch hinzu, was vor dem Hintergrund einer auch politische Aspekte betreffenden hohen Bedeutung der Familie als sozialer Institution legitim ist, so muss man hier sicherlich die mehrfache Anzahl hinzurechnen.

Darüber hinaus besteht ein nur schwer zu bezifferendes Mobilisierungs- und Sympathisantenpotenzial. Es bewegt sich insbesondere in kulturellen, religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen im Umfeld von islamistischen Organisationen, die für den Alltag von Muslimen von wichtiger Bedeutung sind und entsprechend längerfristig auch eine politisierende Wirkung nach sich ziehen. Gerade für die Gewinnung von jugendlichen Muslimen spielen solche Einrichtungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und schließlich muss auf eine den Islamisten wie den Muslimen gemeinsame religiöse Basis verwiesen werden. Zwar gibt es weder in der Gesamtgruppe der Gläubigen noch in der Teilgruppe der Islamisten eine einheitliche Interpretation der Glaubensgrundsätze. Gleichwohl bestehen gemeinsame inhaltliche Bezugspunkte und Diskurse, die ebenfalls als Orientierungs- und Politisierungsfaktoren nicht ignoriert werden können. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Islam auch als Gesellschaftsordnung verstanden werden kann und er eine Trennung von Politik und Religion nicht kennt.

Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung des Islamismus in der Bundesrepublik nur eingeschränkt aus den Mitgliederzahlen seiner Organisationen abgelesen werden. Sie spielen darüber hinaus für die Einschätzung des Gefahrenpotenzials, bezogen auf den jeweiligen Handlungsstil, nur eine untergeordnete Rolle. Die anschließend näher darzustellenden Organisationen können grob danach unterschieden werden, ob sie sich weitgehend an geltende Gesetze halten, also einem "legalistischen" Kurs folgen, oder ob sie Gewalt als legitimes politisches Mittel ansehen, also eine militante Strategie vertreten. Von den in den letzten Jahren knapp über 31 000 organisierten Islamisten können um die 28 000 Personen der erstgenannten Kategorie zugerechnet werden, während um die 3 000 Personen der letztgenannten Einstellung zuneigen. Hierbei muss allerdings betont werden, dass sich deren unzweifelhaft vorhandene Gewaltbereitschaft nicht notwendigerweise in entsprechenden Handlungen artikulieren muss. Es geht bei der Bezeichnung primär um die Einstellung zur Gewalt.

2. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" - eine islamistische Kulturorganisation

Am Anfang der Darstellung der einzelnen Organisationen steht der größte islamische Personenzusammenschluss in der Bundesrepublik Deutschland: die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG). Ihr gehören um die 27 000 Miglieder an, während die anderen islamistischen Organisationen lediglich einige hundert bis knapp über tausend Mitglieder zählen. Außerdem verdient die IGMG aufgrund ihres strategischen Wirkens als Kulturorganisation besondere Aufmerksamkeit, da sie durch die gesellschaftlichen Aktivitäten in den Gastländern andere Muslime für ihre politischen Ziele gewinnen will. Die IGMG entstand aus zwei Vorläuferorganisationen: der 1976 gegründeten "Türkischen Union Europa" und der 1985 gegründeten "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa". Ihre 1995 angenommene jetzige Bezeichnung "Milli Görüs" (Nationale Perspektive) geht zurück auf den Titel eines 1973 erstmals erschienenen programmatischen Buches von Necmettin Erbakan, dem damaligen Vorsitzenden der islamistischen "Nationalen Heilspartei" (MSP) in der Türkei.

Die Organisation vertrat bis Mitte der neunziger Jahre offen politische Auffassungen wie diese: Man plädierte für ein islamistisches Gesellschafts- und Staatsverständnis, das die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung einer auf der Scharia basierenden Ordnung zum Ziel hatte. Der Koran galt als einzige legitime Verfassung, alle anderen Verfassungen hingegen als Ausdruck des Unglaubens. Es könne nur eine Partei Allahs und nicht mehrere Parteien geben. Herrschaft sei göttlichen Ursprungs und nicht vom Volk legitimiert. Die organisationsnahe Zeitung "Milli Gazete" bezeichnete die Bundesrepublik Deutschland als Land der Niedertracht und des Unglaubens und die Europäer als Götzenanbeter, Imperialisten, Kapitalisten, Kommunisten und Wucherer. In der Zeitung fanden sich scharfe antisemitische Aussagen, die etwa die Welt als unter dem Monopol der Juden stehend beschrieb, und Zeichnungen, die etwa Juden als hakennasige Kriegstreiber zeigten. In einigen Artikeln propagierte man gar die Auffassung von einer gegen den Islam gerichteten Verschwörung von Freimaurern, Juden, Kommunisten und Liberalen.

Seit Mitte der neunziger Jahre lassen sich solche scharfen Töne in den Erklärungen und Veröffentlichungen der IGMG nur noch selten ausmachen. Ob es sich bei dieser Entwicklung um das Ergebnis eines Lern- und Mäßigungsprozesses oder das Resultat strategischer Rücksichtnahme handelt, wird unterschiedlich bewertet. Führende Funktionäre bezeichneten solche Äußerungen als Kinderkrankheiten und Fehler der Vergangenheit. Man habe gemerkt, so eine Stellungnahme, dass antisemitische Äußerungen, die in der Türkei üblich seien, in Deutschland verboten wären. Solche Aussagen bedeuten keine Distanzierung von extremistischen Einstellungen, sondern suchen nur den dadurch entstandenen öffentlichen Eindruck zu korrigieren. Daher müssen auch Bekenntnisse zu den politischen Werten des Grundgesetzes oder zur Integration in die deutsche Gesellschaft unter großen Vorbehalten betrachtet werden. Gerade in derlei Fragen lässt sich immer wieder ein diametraler Gegensatz von gegenüber der deutschen Öffentlichkeit verlautbarten Positionen der IGMG-Führung einerseits und internen gegenüber der eigenen Anhängerschaft andererseits feststellen.

Auch das Fehlen einer verbandsinternen Demokratie, der hierarchische Aufbau und die autoritäre Führung des Hauptvorstandes sprechen keineswegs für eine innere Wandlung der Organisation. Sie hat keine erkennbare Abkehr von den Grundprinzipien des islamistischen Politikverständnisses vollzogen, sondern wirbt für dieses Ordnungsmodell weiterhin durch ihre Kulturarbeit. Dafür stehen ihr weitverzweigte Strukturen zur Verfügung: Neben den Organisationen auf Bundes-, Regional- und Ortsebene existieren eine Reihe von zielgruppenorientierten Einrichtungen für Akademiker, Frauen, Jugendliche oder Studenten. Hinzu kommen zahlreiche Bildungs- und Sozialeinrichtungen, die fachliche wie religiöse Schulungen abhalten und Beratungs- wie Unterstützungsdienste bei Alltagsproblemen organisieren. Darüber hinaus nutzt man die Präsenz in Dachverbänden der Muslime zur Einflussnahme. Den Unterhalt dieser Arbeit bestreitet die IGMG aus ihren erheblichen Finanzmitteln. Sie stammen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden sowie aus organisationsnahen Wirtschaftsunternehmen (Buchläden, Lebensmittelgeschäfte, Reisebüros etc.).

Bei der IGMG handelt es sich somit nicht nur um eine politische Kulturorganisation, sondern auch um eine soziale Bewegung. Ziel ihrer gesellschaftspolitischen Aktivitäten und Initiativen ist die Bewahrung, Entwicklung bzw. Stärkung einer islamistischen Identität, die sich gegen die Integration in die deutsche Gesellschaft wendet. Insbesondere Jugendliche sucht man für eine auch äußerlich erkennbare Abgrenzung gegenüber gleichaltrigen Deutschen zu gewinnen - und dies nicht nur über das Gebot des Kopftuchtragens für junge Türkinnen, was übrigens in den Schulen der Türkei verboten ist. Jüngere Türken bilden somit auch die wichtigste Zielgruppe der Arbeit von "Milli Görüs": Über ein breites Spektrum von Freizeitaktivitäten, die von Computerlehrgängen über Ferienlager und Jugendwettbewerbe bis zu Sportvereinen reichen, versucht man, sie an Ideologie und Organisation zu binden. Es geht dabei also nicht um eine interessenunabhängige kulturelle und soziale Betreuung muslimischer Jugendlicher, sondern um deren Abschottung gegen als westlich geltende kulturelle, politische und soziale Einflüsse. Dazu zählt man nicht nur verwerfliche Erscheinungsformen wie Drogenkonsum, Kriminalität und Kulturverfall, sondern auch tragende Prinzipien wie Individualität, Pluralismus und Säkularität.

Ihre Ziele verfolgt die IGMG nicht mit gewaltsamen Mitteln, sondern über die gesellschaftliche und politische Betätigung der Mitglieder. Die strategisch motivierte verbale Mäßigung ihrer Positionen dient dabei der längerfristigen Verwirklichung ihrer Absichten. Man will von Behörden und Öffentlichkeit als Dialogpartner akzeptiert werden und die in Deutschland geltenden Gesetze und Rechte zum eigenen Vorteil ausnutzen. Dies erklärt auch den instrumentellen Bezug auf das Recht der Religionsfreiheit, das entgegen dem eigentlichen verfassungsrechtlichen Verständnis keineswegs als absolut im Sinne von "unbegrenzt" für alle Aktivitäten im Namen der Religion gilt. Ein besonderes Einfluss- und Wirkungsfeld erhofft sich die Organisation von der Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen in Deutschland (in deutscher Sprache, aber bei eigener Gestaltung der Lehrpläne). Hierbei könnten Islamisten die in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht konsequent durchgeführte Trennung von Kirche und Staat für die eigenen Möglichkeiten und Zielsetzungen nutzen und so in ihrem ideologischen Sinne früh auf die Sozialisation von muslimischen Kindern und Jugendlichen Einfluss nehmen.

3. Die Kaplan-Organisation - eine islamistische Sekte

Die nach der IGMG mitgliederstärkste islamistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland ist der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" (ICCB), der sich später in "Der Kalifatsstaat" umbenannte. Um keine Irritation bezüglich der Bezeichnungen aufkommen zu lassen, wird im Folgenden von der Kaplan-Organisation gesprochen. Diese Bezeichnung ergibt sich aus der zentralen Rolle, die zunächst Cemaleddin Kaplan und nach seinem Tod dessen Sohn Metin Kaplan in ihr spielten. Der Organisation gehören um die 1 100 Mitglieder an. Vergleicht man diese Zahl mit der Mitgliedschaft der IGMG (27 000), so dokumentiert allein dieses Verhältnis die herausragende Bedeutung der letztgenannten Organisation für den Islamismus in Deutschland. Hinsichtlich der grundlegenden Ziele, also der Ablösung des laizistischen Systems in der Türkei und dessen Ersetzung durch eine islamistische Ordnung, bestehen jedoch grundlegende Gemeinsamkeiten. Differenzen gibt es allerdings bezüglich des dazu einzuschlagenden Weges: Während "Milli Görüs" für eine Reformpolitik votiert, setzt die Kaplan-Organisation auf eine revolutionäre Lösung.

Der Begründer, Cemaleddin Kaplan, gehörte zunächst noch zu dem politischen Umfeld von Necmettin Erbakan in der Türkei und ging nach politischen Problemen 1981 in die Bundesrepublik Deutschland. Dort schloss er sich der Vorläuferorganisation der IGMG an und betätigte sich in ihr zeitweise als Funktionär an herausgehobener Stelle. 1983 kam es zum Bruch, wobei die erwähnten Differenzen über die angemessene Strategie von zentraler Bedeutung waren. Kaplan votierte für die "iranische Lösung", also für einen revolutionären Umsturz in der Türkei. Ein Großteil der Anhänger dieser Strategie folgte Kaplan, der 1984 den "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" gründete. Die Organisation konnte zunächst eine ansteigende Mitgliederentwicklung verzeichnen, geriet aber aufgrund von internen Problemen zunehmend in die Krise. Während die Kaplan-Organisation 1985 noch über 10 000 und 1995 noch über 2 900 Mitglieder verfügte, schmolz deren Zahl im Laufe der neunziger Jahre auf etwa 1 300 zusammen.

Offiziell behauptete die Organisation, die gemeinsamen Interessen der islamischen Gemeinschaften und Vereinigungen in Europa zu vertreten. Tatsächlich propagierte Kaplan aber von Anfang an die politische Botschaft eines revolutionären Weges hin zu einer islamistisch ausgerichteten Türkei. In einem bereits 1983 erstellten Verfassungsentwurf schrieb er die Scharia als einzige Gesellschafts- und Rechtsordnung vor. Danach liege die Souveränität allein bei Gott und nicht beim Volk. Nichtmuslime sollten politisch und rechtlich Bürger zweiter Klasse sein und sich auch in ihrer Kleidung von den Muslimen unterscheiden. Nach Kaplans Tod 1995 übernahm sein Sohn Metin die Leitung der Organisation. Zu einer Änderung der politischen Positionen kam es durch diesen Wechsel an der Führungsspitze nicht: Weiterhin postuliert man den Alleinvertretungsanspruch des Islam und dessen Weltherrschaft als Endziel und lehnt offen Demokratie und Parteienpluralismus als mit dieser Religion nicht vereinbare Auffassungen dezidiert ab. Auch antisemitische Aussagen finden sich häufig im Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed".

Der anhand der Mitgliederentwicklung bereits angedeutete Niedergang der Kaplan-Organisation ging einher mit einer Änderung des organisatorischen Selbstverständnisses und der sozialen Zusammensetzung: Aus einer relativ offenen Bewegung wurde ein elitärer Orden. Statt einfacher Muslime ländlicher Herkunft stellen nunmehr intellektuell gebildete Fanatiker das Gros der Mitgliedschaft. Die politische Rhetorik verschärfte sich darüber hinaus in Gewaltphantasien. Diese Tendenz hing damit zusammen, dass die Euphorie aus der Anfangsphase der Organisation keine nachweisbaren Erfolge nach sich gezogen hatte. Als Reaktion auf den Niedergang der Gruppe gab Cemaleddin Kaplan seiner Organisation den Anstrich einer politischen Sekte. Dies wurde anhand von drei Ereignissen deutlich: der 1991 erfolgten Erklärung des Glaubenskriegs, der 1992 erfolgten Ausrufung einer Exilregierung und der 1994 erfolgten Selbsternennung Kaplans zum Kalifen, also zum Oberhaupt aller Muslime der Welt. Gerade der letztgenannte Schritt illustriert sowohl den Sektencharakter der Organisation wie den Realitätsverlust ihrer Anhänger.

Auch der Sohn Metin Kaplan beanspruchte nach seiner Übernahme der Führung der zwischenzeitlich in "Kalifatsstaat" umbenannten Organisation das Amt des Kalifen. Allerdings strebte auch ein früherer hochrangiger Mitarbeiter des Vaters, Halil Ibrahim Sofu, diesen Titel an. Es kam zu heftigen Konflikten über diese Frage, die schließlich zur Spaltung führten. Ausschlaggebend dafür waren neben inhaltlichen und machtpolitischen Differenzen auch die Interessen an dem nicht unerheblichen Finanz- und Immobilienvermögen der Organisation. Im Verlauf dieses Konfliktes sprach Kaplan gegenüber dem "Gegen-Kalifen" Todesdrohungen aus. Im Mai 1997 wurde Sofu in Berlin von Unbekannten erschossen. Drei Jahre später, im November 2000, verurteilte ein Gericht Kaplan zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Man sah es als erwiesen an, dass er zum Mord an seinem Widersacher aufgerufen hatte. Die Verantwortlichen für die professionell ausgeführte Tat vermutet man unter Kaplan-Anhängern, die früher als Freiwillige in Afghanistan und Bosnien gekämpft haben.

4. Ableger gewaltbereiter islamistischer Organisationen in Deutschland

Die vorgenannten beiden islamistischen Organisationen entstammen der mit Abstand größten muslimischen Gruppe unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern - den Türken. Diese machen allein 2,5 Millionen der 3,2 Millionen Muslime im Land aus. Schon von daher erklärt sich, warum die anderen islamistischen Personenzusammenschlüsse eine quantitativ weitaus geringere Bedeutung haben als die IGMG und die Kaplan-Organisation. Entsprechend geringer sind die Einflussmöglichkeiten auf das gesellschaftliche und politische Leben in der Bundesrepublik und auf die dort lebenden Muslime. Das Selbstverständnis und die Zielsetzungen dieser Gruppen liegen indessen auf einer anderen Ebene: Überwiegend bestehen sie aus Ablegern und Einzelpersonen gewaltbereiter und gewalttätiger arabischer Islamisten-Organisationen der jeweiligen Herkunftsländer. Ihnen geht es um die politische Veränderung der dortigen Gesellschaftsordnung. Insofern hielten sie sich bislang in der Bundesrepublik eher zurück, betrachtet man das Land doch als Rückzugs- und Ruhegebiet.

Als solche Gruppen gelten können die Ableger der algerischen Organisationen "Islamische Heilsfront" (FIS), "Bewaffnete islamische Gruppe" (GIA) und "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" (GSPC). Deren Aktivitäten müssen vor dem Hintergrund der politischen Situation in ihrem Heimatland gesehen werden, wo es seit 1992 zu andauernden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der algerischen Regierung und der islamistischen Bewegung kommt. In Deutschland leben etwa 400 algerische Islamisten, die zu geringeren Teilen mit den terroristisch vorgehenden GIA und GSPC und zu größeren Teilen mit der politisch kompromissbereiten FIS sympathisieren. Formale Vereinsstrukturen der letztgenannten Organisation bestehen in Deutschland nicht. Die Sympathisanten beschränken sich auf die propagandistische Unterstützung der Gruppe. Ähnliches gilt für die GIA- und GSPC-Anhänger in Deutschland, die allerdings teilweise in ein europaweit agierendes Netz zur Beschaffung von Material für den Kampf in Algerien eingebunden sind.

Sunnitisch orientiert ist gleichfalls die in den teilautonomen palästinensischen Gebieten aktive "Islamische Widerstandsbewegung" (Hamas) , der palästinensische Zweig der "Muslimbruderschaft". Hauptziel der Organisation ist ein islamistischer Staat im gesamten Gebiet Palästinas. Dieser soll durch einen auch folgenschwere Terroranschläge einschließenden bewaffneten Kampf in Israel und den teilautonomen Gebieten erreicht werden. Seit Ende der achtziger Jahre vertritt der "Islamische Bund Palästina" die Positionen der "Hamas" in Deutschland. Ihm gehören etwa 250 Personen an. Zentrale Begegnungsstätte ist das "Islamische Kultur- und Erziehungszentrum Berlin". Von den Anhängern gingen bislang in Deutschland keine gewalttätigen Aktionen aus. Sie beschränkten sich vielmehr auf die Agitation gegen Israel und Propaganda für die Palästinenser, wobei ihre öffentlichen Bekundungen häufig von einer deutlichen Gewaltrhetorik geprägt waren. Neben den Demonstrationen und Kundgebungen dienten auch organisierte Spendensammlung der finanziellen Unterstützung der "Mutterorganisation" "Hamas".

Eine relativ mitgliederstarke islamistische Organisation des oben genannten Typs ist der hiesige Ableger von "Hizbollah" (Partei Gottes) , die etwa 800 Personen um sich schart. Die 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildete Organisation entwickelte sich zu einer militanten Sammlungsbewegung dortiger Schiiten. Sie beabsichtigt die Errichtung eines islamistischen Systems im Libanon und bedient sich zur Erreichung dieses Ziels auch terroristischer Mittel, wovon zahlreiche Anschläge, Flugzeugentführungen und Selbstmordattentate zeugen. Schon seit Jahren bemühen sich ihre in der Bundesrepublik lebenden Anhänger um eine Organisationsstruktur, was allerdings bislang an internen Konflikten scheiterte. "Hizbollah"-Aktivitäten blieben weitgehend auf interne Treffen und politische Veranstaltungen in dem als zentrale Begegnungsstätte dienenden "Islamischen Zentrum Münster" beschränkt. Darüber hinaus beteiligten sich Aktivisten an Demonstrationen und führten Spendensammlungen durch.

Und schließlich muss im Zusammenhang mit gewaltbereiten islamistischen Organisationen auch auf die in Deutschland bestehenden Netzwerke "Arabischer Mujahedin" (Kämpfer für die Sache Allahs) verwiesen werden. Die ihnen angehörenden, quantitativ nicht näher bezifferbaren Islamisten nahmen häufig als Freiwillige an Kampfeinsätzen in Afghanistan, Bosnien oder Tschetschenien teil oder absolvierten eine militärisch-terroristische Ausbildung in afghanischen Lagern. Entsprechend der multinationalen Zusammensetzung treten die Angehörigen derartiger Netzwerke für die über nationale Grenzen reichende politische und religiöse Einheit der Muslime ein; auch sie lehnen die Institutionen und Wertvorstellungen westlicher Gesellschaften fundamental ab. Die Bereitschaft, diese Einstellung auch terroristisch umzusetzen, veranschaulicht die Festnahme von vier mutmaßlichen Angehörigen einer "Mujahedin"-Gruppierung in Frankfurt/M. Ende Dezember 2000. Mit den in ihrem Besitz befindlichen Sprengstoffmaterialien und Waffen plante die Gruppe offenbar einen Anschlag in Westeuropa.

Einige der in die Netzwerke eingebundenen terroristischen "Mujahedin"-Zellen stehen in Verbindungen mit der Organisation "Al-Qaida" (Die Basis) des saudi-arabischen Multimillionärs und Terroristen Usama Bin Ladin. In seinem Umkreis entstanden in zahlreichen Ländern selbstständige Zellen von gewaltbereiten Aktivisten sowie Verbindungen zwischen den terroristisch agierenden Gruppen unterschiedlichster Länder der muslimischen Welt. Darüber hinaus organisierte Bin Laden über seine Kontakte ein komplexes Finanzierungssystem, das u. a. mit Gewinnen aus Drogengeschäften das umfassende Netzwerk unterstützt. Er steht im Verdacht, für zahlreiche Anschläge auf amerikanische Einrichtungen seit Anfang der neunziger Jahre verantwortlich zu sein. Auch der am 11. September 2001 in New York und Washington erfolgte Terroranschlag mit über 5 000 Todesopfern wird Bin Laden zugeschrieben. Einige der mutmaßlichen Selbstmord-Attentäter lebten zuvor in Deutschland als Studenten und gehörten offenbar zu diesen Zellen. Sie wähnten sich als Angehörige einer Avantgarde im Kampf zur Befreiung muslimischen Territoriums.

IV. Einige Reflexionen über die Ursachen für die Attraktivität islamistischer Organisationen

Allen vorgenannten Organisationen ist das skizzierte islamistische Politikverständnis eigen, was ihre Einordnung unter dieser Sammelbezeichnung rechtfertigt. Allerdings handelt es sich dabei weder um einen ideologisch noch strukturell einheitlichen Block. Hinsichtlich des Handlungsstils reichen die Optionen von kulturpolitisch ausgerichteten Aktivitäten zur Werbung von Anhängern bis zum geplanten Terroranschlag auf öffentliche Einrichtungen mit vielen Opfern. Allein von daher kann keine Gleichsetzung der genannten Organisationen vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Frage nach den Ursachen für die Attraktivität islamistischer Personenzusammenschlüsse nur schwer beantworten, gibt es doch je nach Organisationstyp ganz unterschiedliche Gründe für die Hinwendung zu den genannten Gruppierungen. Gleichwohl sollen hier einige sich aus den wenigen Forschungen zum Thema ergebende Bedingungsfaktoren genannt werden. Die Ausführungen dazu verstehen sich daher nicht als umfassender Erklärungsansatz, sondern dienen lediglich als thesenartige Anregungen hierzu.

Das Benennen von Ursachen steht in einer emotionalisierten Debatte häufig vor dem Problem selektiver Wahrnehmung: Werden gesellschaftliche Aspekte genannt, deutet man dies mitunter als Entschuldigung für die jeweiligen Personen. Der Verweis auf die Besonderheiten in der jeweiligen Gruppe gilt demgegenüber als Entlastung der Mehrheitsgesellschaft. Beide Reaktionsweisen ignorieren dabei den Unterschied zwischen empirischer Beschreibung und normativer Rechtfertigung. Die Frage nach den Ursachen dient der Erklärung für die Herausbildung eines besonderen sozialen Prozesses und damit auch der Herausbildung von Strategien gegen eine als bedenklich geltende Entwicklung. Die hier formulierten Ausführungen beziehen sich weniger auf die in gewaltbereiten Organisationen aktiven Islamisten, liegen die Ursachen für deren Politisierung doch überwiegend in der Situation ihrer jeweiligen Heimatländer begründet. Stattdessen soll die Aufmerksamkeit auf die Gründe gerichtet werden, die islamistische Organisationen für in Deutschland aufgewachsene Jugendliche attraktiv machen.

Ansatzpunkt für darauf gerichtete Reflexionen ist die Frage, worin das werbewirksame Angebot besteht. Es kann verständlicherweise Wirkung nur entfalten, wenn eine entsprechende Nachfrage existiert. Sie ergibt sich zu einem gewissen Anteil aus dem subjektiven Empfinden der eigenen Stellung in der deutschen Gesellschaft, die als ausgrenzend, benachteiligend und diskriminierend wahrgenommen wird. Ob diese Einschätzung auch der Realität sozialer Beziehungen entspricht oder durch eigene Einstellungen und Verhaltensweisen mit bedingt ist, spielt für den hier zu erörternden Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist die individuelle Wahrnehmung, die in der Zuschreibung eines niedrigen Status in der Gesellschaft besteht. Hieraus erwächst das Bedürfnis nach einer Erklärung für die empfundene Stigmatisierung und nach einer Aufwertung der eigenen Identität. Sie erfolgt in islamistischen Organisationen durch die negative Bewertung der deutschen Gesellschaft, die ablehnende Haltung gegenüber einer Integration und die Betonung der Unvereinbarkeit von islamischer und westlicher Welt.

Aus dieser polarisierten Perspektive heraus entwickelt sich dann das Bedürfnis nach Identität, die in der besonderen kulturellen und politischen Deutung von Religion gesehen wird. Deren inhaltliche Akzeptanz und soziale Praxis dient der eigenen Aufwertung durch die Zugehörigkeit zur als überlegen geltenden Glaubensform und zur idealisierten islamischen Gemeinschaft. Außerdem soll sie den Anhängern Halt und Orientierung in einer als feindlich empfundenen gesellschaftlichen Umwelt geben. Da dazu die jeweiligen Kernfamilien nicht mehr in der Lage seien - so das Selbstverständnis der islamistischen Organisationen -, komme ihnen selbst die Bedeutung einer "neuen Familie" zu. Zu dieser Ansicht passt auch das Vorhandensein von Einrichtungen, mit denen die Anhänger und Sympathisanten fest an die Organisation gebunden werden sollen. Exemplarisch verwiesen sei hier nur auf Freizeitaktivitäten, Kindergärten, Kulturveranstaltungen, Schulunterstützung und Sozialbetreuung. Selbst die lange Zeit als verrufen geltenden Sportklubs dienen als Mittel zur Einflussnahme auf Jugendliche im islamistischen Sinne.

Die Ursachen für die Attraktivität solcher Organisationen liegen demnach sowohl in mitgebrachten mentalen Prägungen der muslimischen Minderheit als auch in gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Aufnahmegesellschaft begründet. Insbesondere das Fehlen einer konzeptionell entwickelten Integrationspolitik dürfte hier seine langfristigen Folgen nach sich gezogen haben, führte es doch zu einer gegenseitigen Isolation von deutscher Mehrheitsgesellschaft und muslimischer Minderheit. Die geringe Integrationsbereitschaft der einen Seite schwächte jeweils die Integrationsbereitschaft der anderen Seite. Gerade islamistischen Gruppen gestattete dies den Aufbau von Strukturen einer Parallelgesellschaft. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer wertorientierten Integrationspolitik , die allerdings nicht eine "deutsche Leitkultur" zum Kriterium machen kann. Eine solche lässt sich noch nicht einmal für die Deutschen selbst ausmachen und stellt daher allenfalls eine soziologische Fiktion dar. Angemessen und verbindlich sein können nur Normen und Verhaltensweisen, die man im Sinne eines Konsenses für die Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders allen abverlangen kann.

Hierzu gehören die Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates in Gestalt von Konstitutionalismus, Menschenrechten, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit, Säkularität und Volkssouveränität. Säkularität fordert keineswegs von allen Gläubigen - oder hier insbesondere von den Muslimen - die Aufgabe ihres Glaubens, sondern dessen Beschränkung auf den privaten Bereich und Zurückdrängung aus der politischen Sphäre. Wenn Fundamentalismus und Islamismus als "Entprivatisierung der Religion" verstanden werden, bedarf es als dagegen gerichteter Entwicklung einer Privatisierung der Religion. Diese gestattet es weiterhin, individuell wie kollektiv den Glauben zu praktizieren. Eine Privatisierung von Religion schließt deren Instrumentalisierung für politische Zwecke aus. Genau darin besteht aber das Anliegen der islamischen Organisationen, die ihre besondere Interpretation der Religion über die oben genannten Wertvorstellungen eines demokratischen Verfassungsstaates stellen wollen. Ein Säkularisierungsprozess im beschriebenen Sinne würde ihnen innerhalb der muslimischen Bevölkerung Akzeptanz und Basis nehmen.

V. Schlussbemerkung: Zur Problematik der Einschätzung des Gefahrenpotenzials

Wie lässt sich bilanzierend das Gefahrenpotenzial der islamistischen Organisationen einschätzen? Auch bei der Beantwortung dieser Frage gilt es, die Erscheinungsformen nach ihrem Handlungsstil zu unterscheiden. Die gewaltbereiten Gruppierungen machen zwar quantitativ nur einen geringen Anteil des politischen Islamismus aus. Darüber hinaus beschränken sie sich meist auf propagandistische Aktivitäten und verzichten hierzulande weitgehend auf die Anwendung von Gewalt. Diese Zurückhaltung ist allerdings primär taktisch motiviert: Zum einen nutzen die Anhänger der erwähnten Gruppierungen die Bundesrepublik Deutschland als Rückzugs- und Ruheraum; sie wollen sich die damit verbundenen Vorzüge nicht durch militantes Agieren verderben. Zum anderen gilt die Bundesrepublik Deutschland bei den "Mutterorganisationen" in den jeweiligen Herkunftsländern aufgrund ihrer ausgleichenden oder zurückhaltenden Außenpolitik nicht als zentrales Feindbild. In einer anderen weltpolitischen Konstellation könnte sich diese Einstellung allerdings zugunsten der aktiven Anwendung von Gewalt durchaus ändern.

Während in den genannten Fällen das Gefahrenpotenzial in möglichen Anschlägen besteht, muss es bei den legalistisch vorgehenden Islamisten in dem Maß der langfristigen Wirkung ihrer Politisierung gesehen werden. Sie führt aus mehreren Gründen zu einer Störung des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft und religiöser Orientierung: Die islamistische Orientierung verhindert die Integration in unsere Gesellschaft und lässt eine von ihr abgeschottete Parallelgesellschaft entstehen. Da eine rigide Abgrenzung allerdings nicht für alle Lebensbereiche umsetzbar ist, kommt es automatisch zu Konflikten und Spannungen. Diese können generell zu einem konstruktiven Wandel in der Gesellschaft führen, stoßen in diesem Fall aber auf Absolutheitsansprüche und Fanatismus. In islamistisch geprägten Parallelgesellschaften besteht weder Offenheit noch Pluralismus, denn hier will man die eigene, als einzig wahr geltende Religion über alle anderen Werte des Gastlandes - auch die Grund- und Menschenrechte - stellen. Eine ausschließende politische Anlehnung an einen selektiv interpretierten Islam führt dann in der Konsequenz zur Herausbildung eines antidemokratischen Potenzials.

Die damit aufkommende Gefahr kann nicht als Ausdruck eines "Kampfes der Kulturen" angesehen werden, unterstellt doch die damit verbundene populäre These die Geschlossenheit von Kulturen. Von einer solchen Annahme lässt sich weder bezogen auf die Kulturen der Welt noch auf die Muslime in Deutschland sprechen. So besteht auch bei ihnen ein unterschwelliger Dissens zwischen den Anhängern eines fundamentalistischen und eines privatisierten Religionsverständnisses. An einer offenen Diskussion über dieses Spannungsfeld scheint es in Deutschland allerdings zu mangeln. Ebenso wie sich die deutsche Bevölkerung mit ihren extremistischen Potenzialen selbstkritisch auseinandersetzen muss, muss sich auch die muslimische Bevölkerung selbstkritisch mit ihren islamistischen Potenzialen auseinandersetzen. Ein solcher Prozess kann durch das kritische Interesse der Öffentlichkeit der Mehrheitsgesellschaft und die Entwicklung einer konzeptionell angelegten und wertgebundenen Integrationspolitik vorangetrieben werden. Das damit möglich werdende tolerante Zusammenleben schließt allerdings den Fundamentalismus aus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die vorliegende Darstellung wird aus politikwissenschaftlicher Sicht formuliert und entspricht der persönlichen Auffassung des Autors.

  2. An der Basis solcher Organisationen gab es allerdings durchaus Freudenstimmung, vgl. u. a. Welt am Sonntag vom 23. September 2001.

  3. Vgl. Peter Heine, Halbmond über deutschen Dächern. Muslimisches Leben in unserem Land, München 1997; Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander?, Freiburg 1998; Bassam Tibi, Der Islam und Deutschland. Muslime in Deutschland, Stuttgart 2000.

  4. Vgl. als Ausnahme Nils Feind-Rigers/Udo Steinbach, Islamische Organisationen in Deutschland. Eine aktuelle Bestandsaufnahme und Analyse, Hamburg 1997, S. 21-25. Bei dieser Veröffentlichung des deutschen Orient-Instituts Hamburg handelt es sich allerdings um eine eher oberflächliche und unkritische Darstellung.

  5. Vgl. etwa Bahman Nirumand (Hrsg.), Im Namen Allahs. Islamische Gruppen und der Fundamentalismus in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1990; Werner Schiffauer, Der Weg zum Gottesstaat. Die fundamentalistischen Gemeinden türkischer Arbeitsmigranten in der Bundesrepublik, in: ders., Fremde in der Stadt. Zehn Essays zu Kultur und Differenz, Frankfurt/M. 1997, S. 190-212.

  6. Vgl. die jährlichen Berichte des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz mit den Eintragungen zum Ausländerextremismus. Für eine komprimierte Überblicksdarstellung vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Extremistisch-islamische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1999.

  7. Vgl. u. a. Klaus Kienzler, Der religiöse Fundamentalismus. Christentum - Judentum - Islam, München 1996; Martin E. Marty/R. Scott Appleby, Herausforderung Fundamentalismus. Radikale Christen, Moslems und Juden im Kampf gegen die Moderne, Frankfurt/M. 1996; Thomas Meyer (Hrsg.), Fundamentalismus in der modernen Welt. Die Internationale der Unvernunft, Frankfurt/M. 1989.

  8. Neben der offenen Ablehnung besteht auch die Strategie der Umdeutung von Werten, etwa wenn von einem gesonderten "islamischen Menschenrechtsverständnis" ausgegangen wird.

  9. Vgl. Thomas Meyer, Fundamentalismus. Aufstand gegen die Moderne, Reinbek 1989; Bassam Tibi, Islamischer Fundamentalismus, moderne Wissenschaft und Technologie, Frankfurt/M. 1992.

  10. Alle Zahlenangaben - falls nicht anders angegeben - beziehen sich auf den Zeitraum Ende 2000. Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2000, Berlin 2001.

  11. Mitunter geben die islamistischen Organisationen ihre Mitgliederzahlen auch selbst bezogen auf Familien an.

  12. In diesem Kontext verdienen auch islamistische Einflüsse auf Ausländerbeiräte oder Dachorganisationen Interesse; vgl. Reinhard Hocker, Islamistische Einflüsse in den Ausländerbeiräten des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, in: Heiner Bielefeld/Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Politisierte Religion. Ursachen und Erscheinungsformen des modernen Fundamentalismus, Frankfurt/M. 1998, S. 395-417.

  13. Vgl. Ernest Gellner, Der Islam als Gesellschaftsordnung, München 1992.

  14. Vgl. Karl Binswanger/Fethi Sipahioglu, Türkisch-islamische Vereine als Faktor deutsch-türkischer Koexistenz, Benediktbeuren 1988, S. 89-104.

  15. Die Organisation gibt selbst weitaus höhere Zahlen an, vgl. Die Welt vom 2. Oktober 2001.

  16. Erbakan gründete eine Reihe von islamistischen Parteien, die in der Türkei aufgrund der laizistischen konstitutionellen Ordnung verboten wurden. Von Juni 1996 bis Juni 1997 war er türkischer Ministerpräsident. In Veröffentlichungen propagierte Erbakan u. a. die antisemitische Auffassung von einer jüdisch beherrschten Verschwörung gegen die islamische Welt. Vgl. u. a. Necmettin Erbakan, Gerechte Wirtschaftsordnung, Ankara 1991 (deutschsprachige Ausgabe), S. 4 f.

  17. Vgl. Milli Gazete vom 24. Juli 1986.

  18. Vgl. Milli Gazete vom 19. Juli 1986 und vom 27. April 1987.

  19. Vgl. Milli Gazete vom 31. Januar 1994 und 13. August 1996.

  20. Vgl. die tageszeitung vom 9. Dezember 2000.

  21. Vgl. Eberhard Seidel/Claudia Dantschke/Ali Yildirim, Politik im Namen Allahs. Der Islamismus - eine Herausforderung für Europa, Brüssel 2000, S. 26-58.

  22. Noch 1998 erklärte der damalige Vorsitzende Ali Yüksel in einer Saalveranstaltung, man müsse auch für eine Eroberung Europas durch den Islam kämpfen. Voraussetzung dafür sei u. a. das Zurückdrängen der organisationsinternen Opposition und die Unterbindung von Meinungsverschiedenheiten. Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1998, Berlin 1999, S. 154.

  23. Nach eigenen Angaben beträgt der Jahresumsatz 450 Millionen DM. Die Organisation soll auch als dubiose Geldbeschaffungsmaschine dienen, vgl. Focus, Nr. 40 vom 1. Oktober 2001, S. 62 f.

  24. Der Vorsitzende Mehmet Erbakan lehnt es ausdrücklich ab, dass die islamgläubigen Türken in Deutschland den Weg der Assimilation gehen, vgl. Die Welt vom 2. Oktober 2001.

  25. In dieser Hinsicht bestehen Gemeinsamkeiten mit der "Scientology"-Organisation, zu der "Milli Görüs" auch direkten Kontakt hatte, vgl. Frank Nordhausen/Liane von Billerbeck, Psycho-Sekten. Die Praktiken der Seelenfänger, Berlin 1997, S. 470-474.

  26. Vgl. kritisch dazu: Joachim Kahl, Kein islamischer Religionsunterricht an staatlichen Schulen in Deutschland, in: Aufklärung und Kritik, 7 (2000) 1, S. 16-22.

  27. Vgl. Werner Schiffauer, Die Gottesmänner. Türkische Islamisten in Deutschland. Eine Studie zur Herstellung religiöser Evidenz, Frankfurt/M. 2000.

  28. Vgl. K. Binswanger/F. Sipahioglu (Anm. 14), S. 106 f.

  29. Vgl. u. a. Ümmet-i Muhammed vom 17. Februar 2000, 24. Februar 2000 und 22. Juni 2000.

  30. Für eine Protestdemonstration in Köln gegen die Verurteilung konnte die nur 1 300 Mitglieder zählende Organisation immerhin etwa 3 500 Personen mobilisieren, vgl. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2000 (Anm. 10), S. 203-205.

  31. 1997 besuchte eine Delegation der Kaplan-Organisation auch den islamistischen Terroristenführer Usama Bin Ladin, vgl. Focus, Nr. 40 vom 1. Oktober 2001, S. 65. Nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 distanzierte sich Kaplan formal davon, sollten sich seine Anhänger doch prinzipiell nicht an solchen Maßnahmen beteiligen. Ob es sich dabei um eine wirkliche Wandlung handelt, muss allerdings bezweifelt werden. Möglicherweise wollte Kaplan mit der Erklärung nur einem möglichen Verbot seiner Organisation entgegenwirken; vgl. Kölner Stadt-Anzeiger vom 5. Oktober 2001.

  32. Eine weitere islamistische Organisation von Türken stellt die in Hessen für brutale Erpressungen verantwortliche "Front der islamistischen Kämpfer des großen Ostens" (IBDA-C) dar; vgl. Der Spiegel, Nr. 40 vom 1. Oktober 2001.

  33. Vgl. Annette Jünemann, Demokratischer Beistand oder Angst vor dem islamischen Nachbarn? Europa und Algerien, in: Kai Hafez (Hrsg.), Der Islam und der Westen. Anstiftung zum Dialog, Frankfurt/M. 1997, S. 125-138.

  34. Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremistisch-islamische Bestrebung (Anm. 6), S. 27-30; Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2000 (Anm. 10), S. 210 f.

  35. Vgl. Thomas Philipp, Der Islam in ausgewählten Staaten: Israel und die besetzten Gebiete, in: Werner Ende/ Udo Steinbach (Hrsg.) Der Islam in der Gegenwart. Entwicklung und Ausbreitung. Stadt, Politik und Recht, Kultur und Religion, München 19964, S. 496-506, hier S. 503-506.

  36. Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremistisch-islamische Bestrebungen (Anm. 6), S. 31 f.; Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2000 (Anm. 10), S. 213 f.

  37. Hierbei spielt der in Aachen ansässige Verein "Al Aqsa" eine wichtige Rolle. Die Spenden werden offiziell für humanitäre Zwecke erhoben. Ob sie nicht auch der direkten oder indirekten Finanzierung von Gewaltaktionen dienen, kann nur schwerlich kontrolliert werden; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Oktober 2001.

  38. Vgl. Rolf Tophoven, Sterben für Allah. Die Schiiten und der Terrorismus, Herford 1991, S. 70-81.

  39. Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremistisch-islamische" Bestrebungen (Anm. 6), S. 30 f.; Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2000 (Anm. 10), S. 214 f.

  40. Vgl. Bundesministerium des Innern, ebd., S. 212.

  41. Vgl. Roland Jacquard, Au nom d"Oussama Ben Ladin. Dossier secret sur le terroriste le plus recherché du monde, Paris 2001; Michael Pohly/Khalid DurÄn, Osama bin Laden und der internationale Terrorismus, München 2001.

  42. Vgl. Der Spiegel, Nr. 40 vom 1. Oktober 2001, S. 30-38.

  43. Hierzu gehört auch: Wilhelm Heitmeyer/Joachim Müller/Helmut Schröder, Verlockender Fundamentalismus. Türkische Jugendliche in Deutschland, Frankfurt/M. 1997; eine empirische Untersuchung, die trotz einer Reihe interessanter Aspekte inhaltliche und methodische Mängel aufweist. Mitunter bestätigen die erhobenen Daten nicht die formulierten Einschätzungen.

  44. Vgl Reinhard Hocker, Türkische Jugendliche im ideologischen Zugriff. Zur Einflussnahme extremistischer Gruppierungen auf jugendliche Migranten türkischer Herkunft, in: Wilhelm Heitmeyer/Rainer Dollase (Hrsg.), Die bedrängte Toleranz. Ethnisch-kulturelle Konflikte, religiöse Differenzen und die Gefahren politisierter Gewalt, Frankfurt/M. 1996, S. 426-449.

  45. Vgl. Emir Ali Sag, Üben islamisch-fundamentalistische Organisationen eine Anziehungskraft auf Jugendliche aus?, in: W. Heitmeyer/R. Dollase (Hrsg.), ebd., S. 450-473.

  46. Hierzu gehört auch eine autoritär-traditionalistische Sozialisation, die sich u. a. in einem dogmatischen Religionsverständnis, einem abwertenden Frauenbild und dem Stellenwert von Gewalt als Erziehungsstil zeigt.

  47. Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Kulturpluralismus statt Kulturrelativismus. Plädoyer für die Wertgebundenheit des Miteinanders von unterschiedlichen Kulturen, in: Humanismus aktuell, 4 (2000) 6, S. 17-27.

  48. Vgl. Ahmet Cigdem, Religiöser Fundamentalismus als Entprivatisierung der Religion, in: H. Bielefeldt/W. Heit-meyer (Anm. 12), S. 91-108.

  49. Vgl. Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München 1996; kritisch dazu: Thomas Meyer, Identitäts-Wahn. Die Politisierung des kulturellen Unterschieds, Berlin 1997; Harald Müller, Das Zusammenleben der Kulturen. Ein Gegenentwurf zu Huntington, Frankfurt/M. 1998.

  50. Vgl. Jürgen Habermas, Anerkennungskämpfe im demokratischen Rechtsstaat, in: Charles Taylor, Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, Frankfurt/M. 1993, S. 174-196, hier S. 177.

Dr. phil., Dipl.-Pol., Dipl.-Soz., geb. 1963; seit 1994 Referatsleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz Köln, Abteilung II: Rechtsextremismus; seit 1997 Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln im Bereich Politische Theorie.

Anschrift: Postfach 10 28 18, 50468 Köln.

Veröffentlichungen u. a.: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1998; Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., München 2001.