Einleitung
Die Finanznöte der Städte und Gemeinden schlagen auch auf die Kulturfinanzierung durch. Bereits im Jahr 2009 waren künftige Engpässe im Bereich der kommunalen Kulturfinanzierung erkennbar. Der Deutsche Bundestag hatte schon in dieser frühen Phase der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Expertengespräch zum Thema Rezession und kulturelle Kulturfinanzierung durchgeführt. Es sollten Prognosen erstellt werden über die zu erwartenden Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf die Kultur in Deutschland.
Im Frühjahr 2010 lud der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien erneut eine Reihe von Expertinnen und Experten
Bund, Länder und Gemeinden
Die Ausführungen der Fachleute drehten sich vor allem um Möglichkeiten zur Unterstützung der Länder- und Kommunalhaushalte bei der Kulturfinanzierung. Insgesamt werden in Deutschland etwa 8,3 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln pro Jahr für die Kultur ausgegeben; das sind lediglich 1,8 Prozent der gesamten Steuermittel. Der Grund dafür, dass sich die Experten bei ihren Lösungsvorschlägen auf die Bundesländer und Gemeinden konzentrierten, ist insbesondere darin zu sehen, dass in Deutschland im Durchschnitt die Kultur zu 47 Prozent von den Ländern und zu 43 Prozent von den Kommunen finanziert wird (in Nordrhein-Westfalen beträgt der Kommunalisierungsgrad der Kulturfinanzierung sogar rund 80 Prozent
Als kleinste räumlich-administrative Einheiten haben die Gemeinden ein in Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) verbrieftes Selbstverwaltungsrecht. Dass die kommunale Selbstverwaltung über eine sichere finanzielle Grundausstattung verfügt, die sich trotz erheblicher Unterschiede in der Steuerkraft der einzelnen Gemeinden stets auf einem gleichmäßigen Niveau befindet, soll durch den kommunalen Finanzausgleich sichergestellt werden. Dieser verläuft sowohl vertikal, das heißt im Verhältnis zwischen Ländern und Kommunen, als auch horizontal, also im Verhältnis der Gemeinden untereinander. Gemäß Artikel 106 Absatz 7 GG müssen die Länder einen prozentualen Anteil der Gemeinschaftssteuern, bestehend aus der nicht veranlagten Ertragssteuer, der veranlagten Einkommenssteuer, der Lohnsteuer, der Körperschaftssteuer,
Die Rechtsprechung hat den Umfang dieser sogenannten Schlüsselzuweisungen derart bestimmt, dass sie geeignet sein müssen, den Kommunen die Wahrnehmung der sogenannten freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu gestatten. Entsprechend der Freiwilligkeit dieser Aufgaben sind die Zuweisungen frei verwendbar und nicht zweckgebunden. Aus der Gesamtsumme der für den Finanzausgleich bereitgestellten Mittel, der sogenannten (Steuer-)Verbundsmasse, werden in einigen Bundesländern Teile reserviert, die im Falle von kommunalen haushälterischen Notlagen auf Antrag als Bedarfszuweisungen freigegeben werden können. Auch im Landeshaushalt werden disponible Mittel für die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben freigehalten. Diese machen in der Regel etwa 20 Prozent des Gesamthaushalts aus.
Schwindende Einnahmen, steigende Ausgaben
In den Kommunen kollidiert bei der Kulturfinanzierung ein verfassungsrechtlicher Grundsatz mit einem fiskalischen: Auf der einen Seite steht das bereits erwähnte Selbstverwaltungsrecht, aus dem sich gleichzeitig eine Pflicht zur kulturellen Daseinsvorsorge ergibt; entsprechend häufig sind die Gemeinden selbst Träger von Kultureinrichtungen, was wiederum ihre hohe Quote bei der Kulturfinanzierung erklärt. Auf der anderen Seite stehen den Kommunen als einzige originäre Einnahmequellen abseits der Länderzuweisungen die Grundsteuer und vor allem die stark konjunkturabhängige Gewerbesteuer zur Verfügung. Von der Gewerbesteuer, die als wesentliches finanzielles Werkzeug zur Selbstverwaltung verfassungsmäßig in Artikel 28 Absatz 2 Satz 3 GG ausdrücklich geschützt ist, müssen die Kommunen zirka ein Fünftel im Wege der Gewerbesteuerumlage nach einem festgelegten Schlüssel an den Bund und die Länder abführen.
Dass eine derartige wirtschaftliche und politische Entwicklung die kommunalen Haushalte besonders hart treffen musste, habe laut Ansicht der Experten auf der Hand gelegen: Während die Gemeindehaushalte in den Jahren 2006 und 2007 noch deutliche Einnahmeverbesserungen und Überschüsse verzeichneten,
Auch mittel- und längerfristig ist keine Besserung in Sicht: Mit der Mär vom Ende der Krise, die Anfang 2011 die Runde in Politik und Medien macht, kann freilich nur das Ende der Krise für die deutsche Privatwirtschaft gemeint sein. Hingegen wird die Handlungsfähigkeit der meisten Kommunen auf viele Jahre hinaus zumindest stark eingeschränkt bleiben. Bereits die Kreditschulden sind vielerorts inzwischen so hoch, dass die Haushalte allein durch Zinstilgungen über lange Zeit stark an- oder sogar aufgefressen werden. Die meisten Maßnahmen des zur Abmilderung der Finanz- und Wirtschaftskrise geschaffenen Konjunkturpaketes II sind Ende 2010 ausgelaufen, und im Jahr 2019 enden auch die Bundesergänzungszuweisungen aus dem Solidarpakt II. Speziell für den kulturellen Bereich kommt erschwerend hinzu, dass er im Rahmen der Daseinsvorsorge zu den freiwilligen Aufgaben der Gemeinden gehört, in Abgrenzung zu den klassischen Pflichtaufgaben wie zum Beispiel dem Meldewesen, der Abfallbeseitigung oder etwa der Straßenreinigung.
Lediglich der Freistaat Sachsen hat mit dem Sächsischen Kulturraumgesetz (SächsKRG) die Kulturpflege für die Kommunen zu einer Pflichtaufgabe mit Gesetzesrang erhoben (§2 Absatz 1 SächsKRG). Im Jahr 1994 zunächst vorläufig entstanden, um das Auslaufen der im Zuge der Wiedervereinigung gewährten Übergangsfinanzierung der Kultur in den ostdeutschen Bundesländern abzufedern, hat das SächsKRG inzwischen Vorbildfunktion.
Nach einhelliger Meinung der Experten sei es immer der Bereich der "freiwilligen Aufgaben", der bei den Sparbemühungen der Gemeindekämmerer und auch in entsprechenden Auflagen der Kommunalaufsichtsbehörden an erster Stelle genannt werde. Konsens besteht ebenfalls darüber, dass dieses Zusammenspiel von negativen Faktoren dazu geführt habe, dass auf kommunaler Ebene die Finanzierung kultureller Einrichtungen in einer Vielzahl von Fällen schwierig, wenn nicht gar unmöglich geworden sei. Aus der hohen kommunalen Finanzierungsquote bei der Kultur folge, dass die finanzielle Lage der Kultur unmittelbar mit der finanziellen Lage der Kommunen im Allgemeinen verknüpft sei.
Besonders problematisch stelle sich in diesem Zusammenhang die Aufrechterhaltung der kulturellen Grundversorgung schlechthin dar, etwa von Musikschulen oder Bibliotheken, und die dauerhafte Sicherung des laufenden Betriebes kultureller Einrichtungen.
Von Seiten des Deutschen Bühnenvereins wird vorgebracht, dass die Einsparmaßnahmen im Kern immer einen Abbau von Personal vorsähen, weil eben schwerlich woanders gespart werden könne. Bei Theatern und Orchestern etwa seien in den vergangenen Jahren 7000 von 45000 Arbeitsplätzen abgebaut und gleichzeitig niedrigere Haustarife eingeführt worden.
Lösungsvorschläge
Für die kommunale Ebene werden Lösungsmöglichkeiten zur Erhaltung kultureller Strukturen vorgeschlagen, die über die allgegenwärtigen Sparmaßnahmen hinausgehen. Zunächst gelte es, wie bereits in Brandenburg angestoßen, Kulturentwicklungskonzeptionen unter Mitwirkung von Ländern und Gemeinden zu erstellen. In diesem Rahmen könne man möglichst effiziente Strukturanpassungen entwickeln, die bestimmenden Faktoren wie dem demographischen Wandel gerecht würden.
Diese Maßnahmen könnten womöglich flankiert werden von Einnahmeverbesserungen mittels Preiserhöhungen, insbesondere im oberen Preissegment. Als Maßnahmen, die unmittelbar Geld brächten, wird etwa die Erhöhung der eigenen Steueraufkommen durch die Gemeinden selbst genannt. In diesem Zusammenhang soll eine im März 2010 vom Bundesfinanzministerium eingesetzte Gemeindefinanzkommission Vorschläge für eine Neuordnung der Kommunalfinanzierung unterbreiten. Zu den aktuellen Vorschlägen dieser Kommission gehört zum Beispiel die Einführung eines künftigen eigenen Hebesatzrechtes der Gemeinden auf die Einkommenssteuer.
Mancherorts haben private Initiativen bereits für die Erhaltung bedrohter oder bereits geschlossener kommunaler kultureller Strukturen gesorgt. Öffentliche Einrichtungen sind beispielsweise in private Vereine umgewandelt worden und werden nun mit größerer Flexibilität und kleineren Budgets weitergeführt.
An den Bund wird die Forderung nach einer Entschuldung der Kommunen herangetragen. Insbesondere sollen diejenigen Steuergesetze, von denen die Gemeinden profitierten, entsprechend verändert werden.
Keine Einigkeit hingegen herrscht über den Vorschlag, die Kultur als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Ähnlich kontrovers wird der Vorschlag eines Kulturnothilfefonds des Bundes mit direkter Wirkung für die Kommunen diskutiert, eines der Kernthemen des letzten Expertengespräches. Nur noch am Rande wird zurzeit der Vorschlag einer Art Umgehungsfinanzierung durch den Bund mittels einer finanziellen Entlastung der Länder bei Aufgaben von nationaler Bedeutung diskutiert, obwohl dieser Ansatz mittelfristig den größten Erfolg zu versprechen scheint.
Ein genauerer Blick auf die aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten zeigt, dass hier ein Königsweg noch lange nicht gefunden ist. Angesichts der Größe und Vielschichtigkeit der Aufgabe, eine nationale Initiative zur Rettung kultureller Strukturen zu schaffen, verwundert dies nicht. Die jenseits finanzieller Zuweisung liegenden, eher "weichen" Governance-Lösungen, wie etwa die Kulturentwicklungskonzeptionen zwischen Ländern und Kommunen oder legislative Maßnahmen wie Steuer-, Länder- oder Grundgesetzreformen zur Priorisierung der Kultur, stehen vor allem vor einem Problem: Die Zeit drängt. Daher kommt den unmittelbar finanzwirksamen Maßnahmen eine ungleich höhere Bedeutung zu. Dass eine grundgesetzliche Verankerung des Staatszieles Kultur etwa den Kulturverantwortlichen bei den Verhandlungen mit den Kämmerern helfen würde, leuchtet ein.
Der Vorschlag, in die erneute Kreditaufnahme zu gehen, ist vor allem an der Fähigkeit zur Tilgung zu messen. Ohne Einschränkungen kommt diese Alternative daher nur für wirtschaftlich leistungsfähige Gemeinden mit einem entsprechenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Frage
Das Mittel der Preiserhöhungen ist ebenfalls als nur begrenzt wirksam einzustufen. Angesichts einer sinkenden Bereitschaft und Kraft für Ausgaben in der Bevölkerung, auch oder gerade im oberen Preissegment, könnte eine allzu rigide Vorgehensweise in dieser Richtung sogar den gegenteiligen Effekt haben und zu Einnahmeverlusten führen. Die Umwandlung von kommunalen öffentlichen Kultureinrichtungen in private Körperschaften kann zwar zur Rettung von Strukturen führen, geht jedoch zumeist mit einer drastischen Reduzierung von Stellen und Material sowie einer entsprechenden Verkleinerung des inhaltlichen Angebotes einher. Dem Ruf nach verstärkter Länderbeteiligung steht entgegen, dass sich die Länder, was ihren Anteil an der Kulturfinanzierung und ihre finanzielle Situation betrifft, in einer ähnlichen Situation befinden wie die Kommunen.
Was den Nothilfefonds betrifft, so ist zunächst zu sagen, dass ein direkter Durchgriff auf die Gemeinden durch den Bund im Zuge der Entflechtung durch die Föderalismusreformen I und II verfassungsmäßig unmöglich geworden ist.
Es wäre nicht überraschend, wenn zu den Stimmen aus der parlamentarischen Opposition, welche die Gemeindefinanzkommission Ende 2010 für gescheitert erklärt haben,
Aus diesem Grund sind Finanzhilfen der rein projektbezogen tätigen Kulturstiftung des Bundes ebenfalls nur äußerst begrenzt wirksam. Die in Artikel 104b GG genannten drei Förderzwecke, die "Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", der "Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet" und die "Förderung des wirtschaftlichen Wachstums", lassen sich zudem auf die Kultur nicht anwenden.
Umgehungsfinanzierung
Vorzugswürdig scheint eine Lösung, die an den Zweck aus Artikel 104b Absatz 1 Nr. 3, die "Förderung des wirtschaftlichen Wachstums", anknüpft. Ein ganz ähnlicher Zweck ist in Artikel 91a Absatz 1 Nr. 1 GG zu finden. Demzufolge ist die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Wahrnehmung der "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" als sogenannte "Gemeinschaftsaufgabe" möglich.
In diesem Licht erscheint eine modifizierte Variante der insbesondere durch den Hamburger Staatsrat Nikolas Hill
Ein solches Modell stellt keine Gesetzesumgehung im Sinne eines fraus legis dar; im Gegenteil: Eine Kopplung von Finanzzuweisungen für gesamtstaatlich bedeutende Pflichtaufgaben der Länder und Kommunen, etwa mit der inhaltlich nicht näher bestimmten Auflage, das dadurch eingesparte Geld zur Durchführung freiwilliger Aufgaben einzusetzen, würde die kommunale Kulturfinanzierung als solche sichern und trüge gleichzeitig dem "Wie" - der Freiwilligkeit - bei eigenverantwortlicher Selbstverwaltung Rechnung.