Einleitung
Am 22. April 2009 fanden in Südafrika die vierten freien und allgemeinen Wahlen statt. Von knapp 30 Millionen Wahlberechtigten gingen 18 Millionen zu den Urnen und machten damit von einem Recht Gebrauch, für das ihre schwarzen, "coloured-" oder indischstämmigen Väter und Mütter jahrzehntelang gekämpft hatten.
Zum vierten Mal war der Wahlsieger der African National Congress (ANC). Sein Vorsitzender Jacob Zuma ist der vierte Präsident des "neuen" Südafrika nach Nelson Mandela, Thabo Mbeki und dem Übergangspräsidenten Kgalema Motlanthe. Die Dominanz des ANC - auch 15 Jahre nach seinem ersten Wahlsieg - verleitet manchen Beobachter dazu, die Demokratie in Südafrika in Zweifel zu ziehen. Aber wie ist es um das politische System und die Demokratie in Südafrika wirklich bestellt?
Beginn des "neuen" Südafrika
Erst 1990 hatte die damalige Regierung der Apartheid unter Präsident Frederik Willem de Klerk Nelson Mandela aus 27-jähriger Haft entlassen, die bislang verbotenen schwarzen Befreiungsbewegungen wieder zugelassen und die Schaffung einer neuen Verfassung mit gleichen Rechten für alle Südafrikanerinnen und Südafrikaner verkündet. Es folgten Verhandlungen über Machttransfer, Machtteilung, die politische Zukunft und das politische System des neuen Südafrika zwischen der regierenden National Party (NP), unter deren Ägide die Politik der Apartheid institutionalisiert worden war, und der prominentesten und größten Befreiungsorganisation, dem ANC.
Das Ergebnis der von Dezember 1991 bis August 1993 dauernden Gespräche war eine Übergangsverfassung. Darin waren ein Grundrechtskatalog und eine Liste von Verfassungsprinzipien enthalten, die nur noch ausgestaltet, aber nicht mehr verändert werden konnten. Sensibilisiert durch die Rassendiskriminierung der Vergangenheit, erhielt Südafrika eine der liberalsten Verfassungen der Welt, was individuelle Rechte und den Schutz vor Diskriminierungen jeglicher Art betrifft. Was der ANC hingegen nicht wollte - ebenfalls wegen den Erfahrungen der Vergangenheit - waren ein kollektiver Minderheitenschutz oder Volksgruppenrechte, wie von den Verhandlungsführern der weißen Minderheit gewünscht. Diese verzichteten schließlich darauf, der ANC aber stimmte einem Proporzwahlrecht zu, das ethnischen oder politischen Minderheiten bessere Chancen gibt als ein Mehrheitswahlrecht.
Politische Entwicklungen seit 1994
Die Wahlen im April 1994 endeten mit einem überwältigenden Sieg für die ehemalige Befreiungsorganisation. Schon hier zeichnete sich das Muster ab, das die südafrikanischen Wahlen heute noch prägt: Die Bevölkerung stimmt überwiegend nach ethnischen Gesichtspunkten. So votieren Schwarze mehrheitlich für die Partei, die sie aus der Apartheid geführt hat, den ANC, Weiße hingegen für eine der anderen Parteien unter weißer Führung. Schon 1994 ließen sich Stimmen vernehmen, die dieses Wahlverhalten als eine Bedrohung für die junge Demokratie ansahen. (Vgl. Tabelle 1 in der PDF-Version)
Nelson Mandela setzte während seiner fünfjährigen Amtszeit auf Dialog und Aussöhnung mit der weißen Minderheit. 1999 gewann wiederum der ANC die Wahlen, diesmal sogar mit einer für Verfassungsänderungen nötigen Zweidrittelmehrheit. Neuer Präsident wurde Thabo Mbeki, der im September 2009 einige Monate vor dem Ablauf seiner zweiten Amtszeit von seiner eigenen Partei zum Rücktritt aufgefordert wurde. Ihm wurde vorgeworfen, in eine Intrige gegen seinen innerparteilichen Gegner Jacob Zuma
Der Machtwechsel in Südafrika von der Herrschaft einer ethnischen Minderheit zur "Regenbogennation" war friedlich verlaufen. Das Land konnte außerdem auf eine wesentlich längere Geschichte von politischen Parteien zurückblicken als andere Länder, in denen Befreiungsbewegungen die Macht übernommen hatten - auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung von der politischen Teilhabe ausgeschlossen gewesen war.
African National Congress
Der ANC blickt auf eine lange Geschichte zurück - nicht als Partei, sondern als Befreiungsbewegung.
Prägend für die ideologische Bandbreite des ANC wurde seit den Jahren des Exils die sogenannte Dreier-Allianz: das Bündnis mit den Gewerkschaften und der South African Communist Party (SACP). Die SACP war schon 1953 verboten worden, und viele ihrer Mitglieder traten danach dem ANC bei. Die beiden Allianzpartner sind bis heute innerhalb des ANC verankert und spielen in der Parteipolitik eine entscheidende Rolle. Das äußerte sich nicht zuletzt im Machtkampf zwischen Thabo Mbeki und dem damaligen Vizepräsidenten Jacob Zuma beim Parteitag im Dezember 2007 in Polokwane. Mbeki, der sich nicht mehr um eine dritte Amtszeit als Präsident des Landes, wohl aber als ANC-Vorsitzender bewerben konnte, erlitt eine herbe Niederlage gegen Zuma. Es waren vor allem der linke Flügel und auch die ANC Youth League unter der Führung von Julius Malema, die für Zuma stimmten.
Damit war seit Polokwane auch klar, wer der nächste Präsidentschaftskandidat des ANC sein würde: der wegen Korruption und Vergewaltigung wiederholt angeklagte, aber immer freigesprochene Zuma - wie Mbeki politisches Urgestein des ANC. Sie waren politische Weggefährten und Freunde gewesen.
Viele Jugendliche wohnen in den schwarzen Wohngebieten, den (ehemaligen) Townships. Die Zeit der Apartheid haben sie zwar nicht mehr bewusst miterlebt, aber deren Folgen - schlechte Bildungschancen, hohe Arbeitslosigkeit, mangelhafte Infrastruktur - bekommen sie noch immer zu spüren. Vielfältige Programme - die Versorgung mit Wohnraum, Elektrizität oder Wasser, vor allem aber die bevorzugte Einstellung von Schwarzen im privaten und öffentlichen Sektor (affirmative action) - sind bei den ganz Armen nicht angekommen. Dass die Bereitstellung vieler öffentlicher Leistungen (service delivery) misslang, lag nicht zuletzt auch an der Korruption in den Reihen des ANC.
Die Ausländerhatz in den Townships im Mai 2008, bei denen rund 70 Einwanderer getötet und viele weitere verletzt und vertrieben wurden, war ein trauriges Resultat der vorhandenen Frustration und der Unfähigkeit des amtierenden Präsidenten Mbeki, auf die eskalierende Situation zu reagieren. Immer deutlicher wird die Schwäche der vom ANC eingesetzten Lokalverwaltungen, die nicht in der Lage sind, mit den dringenden Problemen der Bevölkerung in den - wie es heißt - ehemals benachteiligten Gegenden angemessen und kompetent umzugehen. In ihrer Hilflosigkeit wendet sich die Bevölkerung gegen die Symbole dieser Repräsentanz: Landesweit werden Verwaltungsgebäude und andere öffentliche Einrichtungen niedergebrannt und somit die ohnehin schon spärliche Infrastruktur weiter zerstört. Immer häufiger steht - wie zu Apartheidzeiten - die Armee in den Townships einer aufgebrachten Menge gegenüber.
Congress of the People
Im September 2008 musste Thabo Mbeki auf Geheiß des ANC-Zentralkomitees vorzeitig als Präsident zurücktreten, da er nach seiner Niederlage in Polokwane angeblich die Aufnahme des Korruptionsverfahrens gegen seinen Rivalen Zuma betrieben hatte. Mbeki, der sein Leben in den Dienst des ANC gestellt hatte, wehrte sich nicht gegen die Demütigung durch die Parteispitze kurz vor Ablauf seiner Amtszeit, sondern rief die Partei zur Einheit auf. Diese schien ihr abhanden gekommen zu sein, und ihre Vormachtstellung war zum ersten Mal seit der Wahl 1994 in Frage gestellt. Mit dem Congress of the People, kurz COPE, spaltete sich eine neue Partei vom ANC ab, deren Mitglieder unter anderem vom Umgang mit Mbeki enttäuscht waren. Treibende Kräfte waren ANC-Dissidenten wie der ehemalige Verteidigungsminister Mosioua "Terror" Lekota und der ehemalige Premier der Provinz Gauteng und frühere Gewerkschaftsführer Mbhazima Sam Shilowa. Am Gründungsparteitag am 16. Dezember 2008 - dem nationalen Tag der Aussöhnung -, symbolträchtig in Bloemfontein, wo 1912 der ANC gegründet worden war, nahmen mehr als 6000 Delegierte teil. Einflussreiche ANC-Mitglieder liefen zur neuen Partei über. Manche kehrten aber auch bereits nach kurzer Zeit wieder zur alten Partei zurück. Prominentester "Überläufer" war der Pastor und frühere Antiapartheid-Aktivist Allan Boesak, der daraufhin ins Provinzparlament im Western Cape gewählt wurde.
Der ANC reagierte auf die Konkurrenz aus den eigenen Reihen äußerst nervös: Die Abtrünnigen wurden beschimpft, jegliche Anspielung im Namen sowie im Parteiemblem der neuen Partei auf den ANC sollte gerichtlich unterbunden werden (was fehlschlug). Präsidentschaftskandidat wurde der Methodistenpfarrer und langjährige Präsident der methodistischen Bischofskonferenz Mvume Dandala und nicht wie erwartet einer der beiden prominenten Dissidenten. Dies ließ schon früh auf interne Rivalitäten schließen. Dandala gilt jedoch als integer und als eine moralische Autorität, was der Partei in der Konkurrenz mit dem umstrittenen Zuma durchaus Pluspunkte hätte bescheren können. Die Gründung von COPE markierte den Beginn des Wahlkampfes.
Anfänglich erwarteten Beobachter Stimmengewinne bis zu 15 Prozent für die neue Partei, die Zweidrittelmehrheit des ANC schien ernsthaft gefährdet. In der Gründungseuphorie wurde die junge Partei COPE offensichtlich überschätzt. Sie schaffte es weder, sich landesweit zu verankern, noch eine politische Alternative zum ANC zu entwickeln. Ihr Wahlkampfprogramm blieb unpräzise und unterschied sich nicht wesentlich von dem des ANC. Beide Parteien versprachen Arbeitsplätze, Investitionen in Bildung, Gesundheit und ländliche Entwicklung sowie die Bekämpfung der hohen Kriminalität - eines der größten Probleme am Kap, das nicht nur den Alltag der Bevölkerung prägt, sondern auch potenzielle Investoren abschreckt. Obwohl sich COPE gegen Korruption aussprach und sich als der bessere ANC darzustellen versuchte, vergab er die Chance, sich für die schwarzen Wähler als politische Alternative zum ANC zu etablieren, die er durchaus hätte werden können. Bei den Parlamentswahlen errang er mit 7,42 Prozent der Stimmen zwar einen Achtungserfolg, konnte sich aber bei den gleichzeitig stattfindenden Provinzwahlen in keiner Provinz durchsetzen.
Democratic Alliance
Der wirkliche Machtkampf - allerdings nicht auf nationaler, sondern auf Provinzebene - spielte sich letztendlich zwischen dem ANC und der Democratic Alliance (DA) ab. Die DA ist die Nachfolgepartei der Democratic Party, die schon zu Zeiten der Apartheid im Parlament als liberale Opposition vertreten war (seinerzeit als Progressive Federal Party) - lange Zeit nur mit einer Abgeordneten, der mutigen Helen Suzman. Sie war so etwas wie das "weiße Gewissen" im Apartheid-Staat und hielt mit ihren parlamentarischen Anfragen die Erinnerung an die verhaftete ANC-Führung wach.
Zwei Provinzen, nämlich KwaZulu Natal und das Western Cape gelten als Gradmesser für die Stärke des ANC. Beide sind keine Stammländer des ANC, hier stellte er nicht immer wie selbstverständlich die Provinzregierung. So gewannen 1994 und 1999 die Inkatha Freedom Party (IFP) KwaZulu Natal, die NP bzw. deren Nachfolgepartei New National Party (NNP) die Kapprovinz. Die Mehrheit der dortigen Bevölkerung sind sogenannte "coloureds", Nachkommen der burischen Siedler und der Schwarzen. Sie sind häufig Arbeiter auf Farmen, und viele von ihnen sind arbeitslos. Was Sprache und Religion anbelangt, stehen sie ihren weißen Vorfahren näher als ihren schwarzen. Der Großteil der Bevölkerung spricht Afrikaans und gehört der Reformierten Kirche an. Zudem leben in Western Cape mehr Weiße als in anderen Provinzen. Viele sind erst in jüngster Zeit dorthin gezogen, da dort bis vor kurzem das Leben als wesentlich sicherer galt als im wirtschaftlich boomenden Gauteng. Die Kapprovinz spiegelt daher nicht die ethnische Zusammensetzung des Landes wider. Nach fünf Jahren ANC-Herrschaft hatte die DA nun 2009 eine realistische Chance, hier die Macht zu erringen.
Erst kurz vor dem Wahltermin beendete der Generalstaatsanwalt das jahrelange juristische Tauziehen um Zuma und stellte das Verfahren ein. Für Zuma war damit der Weg zur Präsidentschaft endgültig frei, weshalb die Vorsitzende der DA, Helen Zille, in den letzten Wochen vor dem Urnengang auf eine "Stop Zuma"-Kampagne setzte. Die Bürgermeisterin von Kapstadt hatte den Parteivorsitz 2006 von Tony Leon übernommen, der als Vertreter der größten Oppositionspartei den ANC immer wieder heftig angegriffen und ihm fehlende Effizienz bei der Armuts- und Arbeitslosigkeitsbekämpfung vorgeworfen hatte. Mit 16,66 Prozent wurde die DA auf nationaler Ebene nun erneut zweitstärkste Partei. Aus der Wahl im Westkap ging sie als Siegerin hervor, und Zille wurde zur neuen Premierministerin der Provinz gekürt.
Übrige Parteien
Die IFP, deren Hochburg in KwaZulu Natal liegt und die damit als Zulu-Partei gilt, hat seit dem Ende der Apartheid immer weiter an Bedeutung verloren.
Die ehemalige Partei der Apartheid, die NP, überlebte den Niedergang ihrer Politik nicht lange. Nach dem politischen Rückzug ihres Vorsitzenden Frederik Willem de Klerk, der die Abkehr von der Rassentrennung und die Aufhebung des Verbots der schwarzen Befreiungsorganisationen verkündet hatte, versuchte die Partei ihrem Apartheid-Image zu entkommen und nannte sich um in New National Party. Kurzfristig schloss sie sich im Jahr 2000 mit der Democratic Party zur Democratic Alliance zusammen, um als Oppositionsallianz gegen den ANC mehr Gewicht zu haben. 2001 führte der neue Vorsitzende Marthinus van Schalkwyk seine Partei in ein Bündnis mit dem ANC. Durch diese Nähe zum ANC stellte die NNP keine politische Option mehr für die weiße und die "coloured" Bevölkerung dar. Als den Abgeordneten 2002 mit dem Gesetz des "Floor Crossing" dann auch noch die Möglichkeit eröffnet wurde, die Partei unter Mitnahme ihres Mandats zu wechseln, liefen viele Abgeordnete der NNP zum ANC über. Der Stimmenrückgang von 20 Prozent bei der Wahl 1994 auf 7 Prozent 1999 und 2 Prozent 2004 kann als Resultat dieses Schlingerkurses der Partei gesehen werden. Konsequenterweise löste sie sich 2005 auf.
Als weiße Vertretung einer kleinen Hardlinergruppe ist nur noch die Freedom Front, inzwischen nennt sie sich Freedom Front Plus (FF+), übrig. Sie wurde kurz vor der Wahl 1994 von dem ehemaligen General Constand Viljoen gegründet und vertritt die Interessen der Buren. Ihr erklärtes Ziel ist die Absicherung der Selbstbestimmung der Buren oder Afrikaaner, wie sie sich selbst nennen. Pieter Mulder, früher Führer der NP, ist heute prominentestes Mitglied der FF+ und stellvertretender Landwirtschaftsminister im Kabinett Zuma.
Zwei kleinere Parteien verdienen noch Erwähnung, der PAC und die African Christian Democratic Party (ACDP). Der PAC hatte seit seiner Abspaltung vom ANC 1959 bewusst einen militanten Weg gegen die Politik der Apartheid gewählt. Berüchtigt war sein Slogan "One settler, one bullet" ("Ein Siedler, eine Kugel"). Im neuen Südafrika geht es ihm in erster Linie um Umverteilung des Landes an die schwarze Bevölkerung. Seit dem Ausscheiden seiner Vorsitzenden Patricia de Lille im Jahr 2003, die nun Vorsitzende der PAC-Abspaltung Independent Democrats (ID) ist, verliert der PAC zunehmend an Bedeutung. Die ACDP wurde 1993 von dem evangelikalen Geistlichen Kenneth Meshoe gegründet. Wiewohl auch sie nur noch drei Abgeordnete im südafrikanischen Parlament hat, sollte ihr Einfluss nicht unterschätzt werden. Sie vertritt die wachsende Gruppe evangelikaler-charismatischer Christen, die sich für ein Rechtssystem basierend auf fundamentalen christlichen Werten einsetzen und zum Beispiel gegen die gleichgeschlechtliche Ehe oder Abtreibung sind.
Wahlen oder Zensus?
Im Jahr 2007, also knapp zwei Jahre vor der Gründung von COPE, veranlasste das Arnold-Bergstraesser-Institut eine repräsentative Meinungsbefragung in Südafrika.
Aber auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, sind die Schwarzen keine einheitliche Wählerschaft. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind größer geworden. Vom Aufschwung der Mbeki-Präsidentschaft profitierte eine erstarkende, kleine schwarze Mittelschicht.
Lässt sich aber aus der weiter bestehenden Dominanz des ANC auf eine Gefahr für die Demokratie in Südafrika schließen? Ideologische Auseinandersetzungen finden innerhalb des ANC zwischen den verschiedenen Flügeln statt, weniger zwischen der Regierungspartei und den Oppositionsparteien. Und schließlich ist Südafrika nicht das einzige Land, das über viele Jahre von einer dominanten Mehrheitspartei regiert wurde: Man denke an die Kongresspartei in Indien, die Liberaldemokratische Partei in Japan oder die Democrazia Cristiana in Italien. In Italien endete die Herrschaft der Mehrheitspartei nach vier Jahrzehnten 1990, in Japan fand erst 2009 der erste Regierungswechsel seit 1947 statt. In Indien wurde die Kongresspartei unter Indira Gandhi 1977 nach drei Jahrzehnten abgewählt, errang aber drei Jahre später erneut die Mehrheit und ist seitdem, mit Ausnahme der Jahre 1989 bis 1991, wieder an der Macht. In allen drei Ländern wurde die Qualität des demokratischen Systems nie ernsthaft in Frage gestellt. Warum dann in Südafrika?
Der ANC ist erst im 16. Jahr seiner Herrschaft. Weitaus wichtiger für die Zukunft der Demokratie am Kap ist die Frage, ob sich die Gewaltenteilung und insbesondere die unabhängige Justiz weiter werden behaupten können. Bislang galt die Justiz in Südafrika als Garant für die Verfassung. Seit den Prozessen gegen Zuma und der umstrittenen Aufhebung der Verfahren gegen sind erste Kratzer im demokratischen Lack. Die Ernennung von Sandile Ngcobo zum neuen Vorsitzenden des Verfassungsgerichts durch den Präsidenten am 1. Oktober 2009 sowie die Ernennung vier weiterer Richter in das Gremium stießen auf weitgehende Zustimmung auch der Oppositionsparteien. Es ist freilich verfrüht, daraus zu schließen, dass auch Jacob Zuma die Gewaltenteilung ernst nimmt und ein Garant für die demokratische Entwicklung im neuen Südafrika sein kann und sein will.