Einleitung
Als Francisco Franco am 20. November 1975 starb, öffnete sich in Spanien der Weg für den Übergang zur Demokratie. Für die spanische Gesellschaft stellte sich damit auch die Frage nach dem öffentlichen Umgang mit der Erblast der während der 36-jährigen Diktatur (1939-1975) begangenen Menschenrechtsverletzungen.
Der Spanische Bürgerkrieg (1936-1939) und die massiven Repressionen der Nachkriegszeit hatten zahlreiche Todesopfer und Verwundete gefordert,
Der Sieg über das republikanische Spanien wurde für die sich nach dem Krieg etablierende Franco-Diktatur zum Gründungsmythos, der bis zu ihrem Ende gepflegt wurde. Die einzig mögliche Form öffentlicher Erinnerung an den Bürgerkrieg war somit jene in der Deutung der Franquisten, in deren Geschichtsbild er als Kreuzzug dargestellt wurde. Die offizielle Geschichtskonstruktion beherrschte als politisches Instrument die kollektive Erinnerung.
Übergang zur Demokratie: Amnestie und Amnesie
Mit dem von Konsens und Ausgleich getragenen Übergang zur Demokratie, der aus einer Kompromissstrategie der politischen Akteure resultierte, wurde nach dem Ende des Franco-Regimes eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Diktatur vermieden. Das von der antifranquistischen Opposition eingeforderte Amnestiegesetz sollte nicht nur die politischen Gefangenen des Franco-Regimes aus den Gefängnissen befreien, auch den franquistischen Sicherheitskräften sicherte es langfristig Straffreiheit zu. Die Generalamnestie vom Oktober 1977, die erste vergangenheitspolitische Maßnahme des neu gewählten demokratischen Parlaments, war hinsichtlich der Diktaturverbrechen an eine gesellschaftliche Amnesie geknüpft.
Als Konsequenz gab es in Spanien über zwanzig Jahre lang keine gesellschaftliche Debatte über die Franco-Diktatur und den Bürgerkrieg. Eine Thematisierung der Repression wurde gemieden, der viel gepriesene, erfolgreiche Übergang zur Demokratie - die sogenannte transicion (1975-1982) - basierte auf einem offiziellen Verschweigen der Bürgerkriegs- und Diktaturverbrechen. Die während des demokratischen Wandels verkündete "nationale Versöhnung" stand einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Diktaturvergangenheit entgegen.
Erst ab Ende der 1990er Jahre entwickelte sich sowohl in den Medien als auch in der politischen und zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung eine geschichtspolitische Debatte über den von den Kritikern als "Pakt des Schweigens" bezeichneten Umgang mit der Diktatur. In den vergangenen zehn Jahren ist in Spanien eine neue politische, soziale und kulturelle Dimension des öffentlichen Umgangs mit der franquistischen Vergangenheit festzustellen. Die Gründe dafür sind vielfältig und sollen im Folgenden in den Blick genommen werden.
PP-Regierung und Ende des Schweigepakts
Als die rechtskonservative Partido Popular (PP) 1996 zum ersten Mal seit Bestehen der Demokratie die parlamentarische Mehrheit erhielt, haben die im Parlament vertretenen Oppositionsparteien, die Sozialisten und Vereinigte Linke gemeinsam mit den Regionalparteien, öffentliche Debatten über die Franco-Vergangenheit forciert und tabuisierte Themen, wie die Repression während der Diktatur, aufgegriffen. Der "Pakt der politischen Nicht-Instrumentalisierung"
War die massive Repression zuvor auch von der spanischen Geschichtswissenschaft kaum thematisiert worden, so avancierte sie ab Ende der 1990er Jahre zu einem breit diskutierten Thema. In den vergangenen Jahren ist eine kaum mehr zu überblickende Fülle an wissenschaftlichen Untersuchungen über die franquistische Unterdrückungspolitik erschienen. Auch mit Ausstellungen, Fernsehprogrammen, Romanen und Konzerten wird seither den Opfern franquistischer Repression gedacht. Diese Entwicklungen gingen einher mit verstärkten zivilgesellschaftlichen Forderungen nach Aufarbeitung und Aufklärung bisher verschwiegener Aspekte der Franco-Vergangenheit. So hat sich in Spanien seit der Jahrtausendwende eine zivilgesellschaftliche Basisbewegung formiert, die sich für die Auffindung und öffentliche Erinnerung an republikanische "Verschwundene" (desaparecidos) aus dem Bürgerkrieg einsetzt.
Erinnerungsbewegung zur Auffindung der "Verschwundenen"
Als öffentlichkeitswirksamster Aspekt der aufkeimenden Auseinandersetzung mit der franquistischen Repression hat sich die "Neuentdeckung" der bis heute in Massengräbern verscharrten republikanischen "Verschwundenen" herausgestellt. Die Mobilisierung zur Identifizierung und angemessenen Bestattung dieser Repressionsopfer, deren Schicksal bis heute nicht aufgeklärt ist, wird vor allem von lokalen Bürgerinitiativen vorangetrieben.
So gründete sich im Jahr 2000 die Vereinigung für die Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses (Asociacion para la Recuperacion de la Memoria Historica, ARMH), die sich für eine Aufklärung des Verbleibs republikanischer desaparecidos aus dem Bürgerkrieg und der Folgezeit einsetzt. Die ARMH als die erste Organisation, welche Öffnungen von Massengräbern veranlasste, entstand zunächst als ein kleiner Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die sterblichen Überreste von Opfern der franquistischen Repression in der Provinz Leon aus anonymen Massengräbern exhumieren zu lassen. Als die Aktivitäten des Vereins in der spanischen Öffentlichkeit auf ein unerwartet hohes Maß an Interesse stießen, war der Grundstein für eine zivilgesellschaftliche Erinnerungsbewegung gelegt. Die Zahl der erinnerungspolitischen Organisationen ist seither explosionsartig angestiegen: Allein zwischen 2003 und 2005 haben sie sich von rund 30 auf 170 Vereinigungen erhöht.
Die Verwendung des Begriffs desaparecido für die republikanischen Bürgerkriegsopfer stellt einen bewussten Bezug zur Praxis des "Verschwindenlassens" in lateinamerikanischen Militärdiktaturen her und soll die Übertragbarkeit auf die spanische Diktaturvergangenheit verdeutlichen. Mit der sich aus den Erfahrungen der Repressionspraxis der Militärdiktaturen des südlichen Lateinamerika speisenden juristischen Figur des desaparecido rekurrieren die Erinnerungsinitiativen auf internationale Menschenrechtsnormen, um ihren Aufarbeitungsforderungen auf lokaler Ebene Nachdruck zu verleihen.
So reichte die ARMH bei der Arbeitsgruppe über Erzwungenes Verschwindenlassen der Vereinten Nationen - ursprünglich zur Auffindung der desaparecidos in Lateinamerika eingerichtet - im August 2002 einen Antrag ein, in welchem sie verlangte, dass der spanische Staat die Exhumierung der in Massengräbern verscharrten Opfer der Franco-Diktatur anordnet. Die ARMH konnte dabei einen Teilerfolg erringen, da die damals amtierende rechtskonservative Regierung unter José María Aznar (1996-2004) fortan unter dem Zwang stand, zumindest die Fälle des "Verschwindenlassens" nach Gründung der UNO im Jahr 1945 aufzuklären. Somit konnte die Initiative durch die Internationalisierung des Konflikts den innenpolitischen Druck auf staatliche Stellen erhöhen. Im November 2002 hatte das spanische Parlament einer offiziellen Verurteilung der Franco-Diktatur überraschend einstimmig zugestimmt. Indessen beziehen sich zivilgesellschaftliche Bürgerinitiativen und Menschenrechtsorganisationen bei der Suche nach den "Verschwundenen" in Spanien systematisch auf das internationale Recht und die Aufarbeitungserfahrungen in Lateinamerika, um ihre Forderungen nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung durchzusetzen.
Debatten um das Erinnerungsgesetz
Zwar waren seit dem Ende der Franco-Diktatur einige partielle Maßnahmen verabschiedet worden, die im Sinne der Versöhnungspolitik darauf zielten, die republikanischen mit den franquistischen Bürgerkriegsopfern gleichzustellen. Allerdings sollte die Vergangenheitspolitik erst mit der sozialdemokratischen Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero (seit 2004) und der Verabschiedung des sogenannten "Erinnerungsgesetzes"
Bereits der erste Entwurf war heftig umstritten: Während sich zivilgesellschaftliche Bürgerinitiativen enttäuscht zeigten und das Linksbündnis (Izquierda Unida, IU) sowie die linksgerichteten Regionalparteien das geplante Gesetz als zu zaghaft kritisierten, wurde es von der PP insgesamt zurückgewiesen. Das Gesetz kündige den auf Versöhnung beruhenden Charakter des Transitionsprozesses auf, erneuere die Spaltung der Spanier und öffne längst verschlossene "alte Wunden", begründeten die Rechtskonservativen ihre Ablehnung.
Die Interministerielle Kommission, die unter Vorsitz von Vizepräsidentin María Teresa Fernández de la Vega zunächst mit der Ausarbeitung eines Berichts als Grundlage für den Gesetzesentwurf beauftragt worden war, legte diesen - mit über einjähriger Verspätung - im Juli 2006 vor. Nachdem der Ministerrat den Entwurf gebilligt hatte, konnte das Gesetz nach langen Verhandlungen und mehrmaligen Überarbeitungen im Dezember 2007 schließlich verabschiedet werden.
Das Gesetz enthält eine Reihe grundsätzlicher vergangenheitspolitischer Regelungen: So spricht es denjenigen, die unter Bürgerkrieg und Diktatur gelitten haben, ein Recht auf persönliche Anerkennung und Wiedergutmachung zu. Für Menschen, die über mindestens einen Zeitraum von drei Jahren in franquistischen Haftanstalten einsaßen oder Zwangsarbeit leisten mussten, sind Entschädigungsmaßnahmen vorgesehen. Franquistische Symbole, Straßennamen, Monumente und Gedenktafeln sollen aus dem öffentlichen Raum entfernt werden. Im "Tal der Gefallenen", dem gigantischen Mausoleum Francos, in dem 33.832 Bürgerkriegsopfer begraben liegen, sind politische Veranstaltungen von Altfranquisten und Sympathisanten der Diktatur seither verboten. Den Kindern und Enkelkindern von Exilierten wird die Möglichkeit eingeräumt, bis 2011 die spanische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Auch den Internationalen Brigaden wird die spanische Staatsangehörigkeit zuerkannt, ohne dass sie auf ihre eigene Staatsbürgerschaft verzichten müssen. Vereinigungen, die sich für die Anerkennung der Opfer politischer Gewalt einsetzen, sollen staatlich subventioniert werden. Zudem entsteht in Salamanca ein Dokumentationszentrum, in das auch das Generalarchiv des Spanischen Bürgerkriegs eingegliedert werden soll.
Dass die spanische Regierung jedoch nicht grundsätzlich Verantwortung für die Exhumierung von Massengräbern übernahm und die dazu nötige Infrastruktur zur Verfügung stellte, trug zur Enttäuschung seitens der Erinnerungsbewegung bei. Für weiteren Unmut sorgte, dass das Gesetz der Forderung vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen, die vor franquistischen Standgerichten gesprochenen Urteile aus dem Bürgerkrieg und der Franco-Diktatur für unrechtmäßig zu erklären, nicht nachkommt. Erst im April 2007 konnte ein Kompromiss zwischen der regierenden Sozialistischen Partei PSOE und der Vereinigten Linken erzielt werden, der schließlich darin bestand, dass die franquistischen Gerichtsurteile für illegitim erklärt, jedoch nicht grundsätzlich annulliert wurden. Internationale Menschrechtsorganisationen, allen voran Amnesty International oder das Equipo Nizkor, die sich alsbald in die Kontroverse einbrachten, zeigten sich mit dem "Erinnerungsgesetz" ebenfalls äußerst unzufrieden, da es eine juristische Aufarbeitung umgehe und damit die Täteramnestie fortschreibe.
Vom "Fall Pinochet" zum "Fall Garzon"
Hatte die öffentliche Auseinandersetzung mit der Verabschiedung des "Erinnerungsgesetzes" gerade etwas an Intensität verloren, so entflammte sie im Herbst 2008 erneut auf, angestoßen durch eine Verfügung des spanischen Ermittlungsrichters Baltasar Garzon.
Im Oktober 1998 hatte Garzon die Verhaftung des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet in London veranlasst und dessen Auslieferung an Spanien beantragt. Vor dem Hintergrund des gegen Pinochet eingeleiteten Auslieferungsverfahrens, um ihm vor dem spanischen Nationalen Gerichtshof (Audiencia Nacional) den Prozess zu machen, kam auch die Frage nach den spanischen Diktaturverbrechen mittelbar auf die politische Agenda. Mit der Ahndung der Menschenrechtsverbrechen in Lateinamerika war das Vorgehen Garzons weltweit zu einem Referenzpunkt für die Durchsetzung internationaler Jurisdiktion vor ausländischen Gerichten geworden. Während er sich für die Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen lateinamerikanischer Diktaturen einsetzte, hatten ihm spanische Bürgerinitiativen wiederholt vorgeworfen, die Diktaturvergangenheit Spaniens juristisch zu vernachlässigen. Daraufhin wendete sich der Ermittlungsrichter auch der Aufarbeitung des Franco-Regimes zu: Am 16. Oktober 2008 legte Garzon eine Verfügung zur Auffindung der "Verschwundenen" des Spanischen Bürgerkriegs vor und kündigte an, die Verbrechen der Franco-Diktatur ahnden zu wollen - trotz des bestehenden Amnestiegesetzes, das bisher eine Bestrafung der Täter verhinderte. Das gewählte Datum war von großem Symbolgehalt, da sich die Verhaftung des chilenischen Ex-Diktators Pinochet an diesem Tag zum zehnten Mal jährte.
Seit Ende 2006 hatten insgesamt 15 Organisationen der Erinnerungsbewegung aus unterschiedlichen Regionen Spaniens vor dem Nationalen Gerichtshof entsprechende Anträge eingereicht. Daraufhin veranlasste Garzon, dass von staatlichen und kirchlichen Archiven die nötigen Informationen zu den verschwundenen Opfern der Franco-Diktatur vorzulegen seien, um eine möglichst vollständige Bestandsaufnahme der bisher nicht identifizierten Toten erstellen zu können. Lange war die Zahl von 30.000 in anonymen Gräbern verscharrten republikanischen desaparecidos kursiert. Der im Juli 2008 veröffentlichte, dem Nationalen Gericht vorgelegte Bericht des Historikers Francisco Espinosa Maestre kam jedoch zu der weitaus höheren Zahl von über 143.000 "Verschwundenen".
Die Verfügung Garzons hob hervor, dass die Repressionspraktik des "Verschwindenlassens" in Spanien juristisch bisher nicht verfolgt worden seien. Vielmehr habe die Amnestierung von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", auf die das internationale Recht angewendet werden müsse, die Regel gebildet. Im Sinne der Erinnerungsbewegung appellierte er an die Verpflichtung des spanischen Staates, die Opfer des Franquismus offiziell anzuerkennen. Erstmals ging somit von der spanischen Justiz ein Versuch der rechtlichen Aufarbeitung der Diktaturverbrechen aus, mit der die franquistische Repression als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gegeißelt und das Tabu der Straflosigkeit (impunidad) in Frage gestellt wurde.
Als sich jedoch das Nationale Gericht nach einem hektischen juristischen Tauziehen für nicht zuständig erklärte und entschied, dass die Entscheidungskompetenz über die Öffnung von Massengräbern und die Identifizierung von Opfern bei den spanischen Regionalgerichten läge, war eine landesweite Lösung und damit konsequente rechtliche Handhabe zur Aufklärung der Schicksale der "Verschwundenen" erneut in weite Ferne gerückt. Doch auch wenn Garzon mit dem Versuch einer Beendigung der Straflosigkeit erfolglos blieb, hatte er den gesellschaftlichen Diskussionsprozess um den Umgang mit der Franco-Diktatur doch neu entfacht.
Die Debatte spitzte sich weiter zu, als der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) Garzon im Mai 2010 vom Dienst suspendierte, nachdem er Ermittlungen zur Aufklärung der franquistischen Verbrechen eingeleitet hatte. Zuvor hatte das Gericht mehrere Klagegesuche gegen den Ermittlungsrichter zugelassen, unter anderem des ultrarechten Beamtenbundes Manos Limpias ("Saubere Hände") und der rechtsradikalen Partei Falange española, die ihm Kompetenzüberschreitung und Rechtsbeugung zur Last legten.
Das Ermittlungsverfahren gegen Garzon hat sowohl in Spanien als auch international eine Protestwelle ausgelöst. Die "New York Times" etwa reagierte mit Empörung auf die Gerichtsentscheidung,
Die zivilgesellschaftlichen Proteste gegen die Suspendierung Garzons, der nun zunächst am Internationalen Gerichtshof in Den Haag arbeitet, bildeten in Spanien einen erneuten Höhepunkt der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Franco-Vergangenheit. Am 24. April 2010 demonstrierten etwa 60.000 Menschen in Madrid und 21 weiteren spanischen Städten für Garzon und gegen die andauernde Straflosigkeit der franquistischen Verbrechen.
Transnationale Aufarbeitungspolitik
Für die nunmehr verstärkt vorgetragene Forderung, das Amnestiegesetz aufzuheben, sind das internationale Recht und die Erfahrungen der Menschenrechtsbewegungen im Kampf gegen Straflosigkeit der lateinamerikanischen Militärdiktaturen wichtige Referenzpunkte. Die spanische Erinnerungsbewegung orientiert sich zunehmend an von lateinamerikanischen Aufarbeitungserfahrungen geprägten internationalen Menschenrechtsnormen, die ihr auf lokaler Ebene einen wirkmächtigen Bezugsrahmen liefern. Die zentralen juristischen Konzepte ihres Diskurses, wie die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, stellen ihre Forderungen in den Kontext eines universellen Erinnerungsimperativs.
Spanische Erinnerungsinitiativen werden unterdessen aktiv von argentinischen Menschenrechtsvereinigungen unterstützt. So waren auch prominente Aktivisten argentinischer Menschenrechtsorganisationen zur Großdemonstration nach Madrid gereist, wo die Erinnerungsverbände eine wöchentliche Mobilisierung auf dem Platz vor dem Nationalen Gerichtshof nach dem Vorbild des argentinischen Opferverbands Madres de Plaza de Mayo ins Leben riefen. Die Teilnehmer wurden dazu aufgerufen, Bilder von "Verschwundenen" demonstrativ am Körper zu tragen, um die "vergessenen Toten" sichtbar zu machen. Es lässt sich demnach ein transnationaler Transfer von Erinnerungspraktiken beobachten, bei dem Schlüsselbegriffe wie der des desaparecido, die Straflosigkeit und universelle Gerichtsbarkeit sowie damit verbundene symbolische Praktiken der Sichtbarmachung
Auch die Vorzeichen bei der Anwendung der universellen Gerichtsbarkeit scheinen sich mit den gegen Garzon gerichteten Klagen insgesamt verändert zu haben: Im April 2010 reichten zwei Angehörige republikanischer Exilierter aus dem Spanischen Bürgerkrieg von Argentinien aus eine Klage in Buenos Aires ein, mit der auch Garzon unterstützt werden sollte. Getragen von zehn argentinischen Menschenrechtsorganisationen, dem Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel und der spanischen ARMH sollte mit Bezug auf die universelle Gerichtsbarkeit eine rechtliche Aufarbeitung der Franco-Diktatur vor argentinischen Gerichten erreicht werden.