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Zensur im Internet

Stephan Zeidler

/ 16 Minuten zu lesen

Vor allem in kommunistischen sowie in vielen islamisch geprägten Ländern ist die Internetzensur gegenüber Oppositionellen und gegen Menschenrechtsgruppen auf dem Vormarsch.

Einleitung

Das Internet hat sich zum führenden globalen Kommunikationsmedium entwickelt. In fast allen Ländern der Erde stehen Internetzugänge zur Verfügung. Nicht nur Privatpersonen nutzen das Netz, vielmehr sind es zunehmend auch Menschenrechtsorganisationen, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten, die online Informationen aus ihren Heimatländern austauschen. Gerade der schnelle Datenaustausch wird aber von vielen Regierungen als Gefährdung der eigenen Machtposition angesehen. Daher versuchen insbesondere autoritäre und diktatorische Regime, den Zugang zum Internet zu kontrollieren und zu reglementieren.

Grundvoraussetzung der Zensur von Internetinhalten (Content) und der Kontrolle des E-Mail-Verkehrs der Nutzer (User) sind die technischen Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Behörden auf den Datenverkehr in einem Land. Je geringer die Zahl der Internet-Service-Provider (ISP) ist, umso größer sind für Polizei und Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeiten, das Netz zu überwachen. Die einfachste und effektivste Kontrolle kann dann erfolgen, wenn nur derjenige einen Internetzugang erhält, der als systemtreuer Unterstützer gilt. So ist es z.B. in Turkmenistan nicht möglich, einen privaten Internetzugang zu erhalten, sodass nur wenigen tausend Menschen ein Zugriff über dienstlich genutzte Geräte möglich ist.

Während diese Methode auf dem weitgehenden Ausschluss der Bürger eines Landes vom Internet beruht, sind viele Regierungen bei der Internetkontrolle "fortschrittlicher". Sie bemühen technische Methoden, um das Surfverhalten ihrer Einwohner zu regulieren und zu zensieren. Die technisch einfachste, aber auch am wenigsten effektive Methode besteht darin, dass Regierungsstellen die ISP anweisen, bestimmte Internetadressen (Domains) zu filtern und sie auf andere, regierungskonforme Seiten umzuleiten. Dieses System hat sich vor allem in Usbekistan durchgesetzt, wo der staatliche Internetprovider weitgehende Kontrolle auch über andere Firmen ausüben kann. Chinesische Surfer werden dagegen häufig mit technischen Fehlermeldungen konfrontiert, die dem User suggerieren sollen, dass die angeforderte Seite nicht (mehr) existiert. Allerdings lassen sich solche Manipulationen durch versierte Benutzer mit relativ wenig Aufwand umgehen.

Aufwändiger ist die Filterung einzelner Seiten bzw. Seiteninhalte, die unerwünschte Texte enthalten. So lassen sich manche Seiten verschiedener Anbieter nur teilweise darstellen, und das auch nur, solange sie nicht zensierte Begriffe wie "Menschenrechte" oder "Meinungsfreiheit" beinhalten. Moderne Content-Filter-Software lässt solchen Websites keine Chance und blockiert sie sofort. Selbst per se "unpolitische" Suchportale wie Google sind etwa für Internetnutzer in China nur dann erreichbar, wenn nicht entsprechende Begriffe gesucht werden. An den zentralen Übergabepunkten des chinesischen Internets setzen Filter an, um den Datenverkehr zu kontrollieren und insbesondere ausländische Seiten zu blockieren, sobald diese nicht genehmigte Inhalte anbieten. Allerdings hat sich dieses Kontrollbedürfnis der chinesischen Behörden bereits negativ ausgewirkt: Aufgrund der Vielzahl von Usern kommen die Server und Filter beim Datentransport kaum mehr hinterher, sodass das gesamte Netz in den Spitzenzeiten langsam wird, weil zu viele Daten kontrolliert und gefiltert werden müssen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Expansion ist die eingeschränkte Nutzung des Internets in China kontraproduktiv.

Daneben erfolgt die Kontrolle vor allem über den Zugang zum Internet. So verpflichten viele Regierungen die ISP, genaue Aufzeichnungen über das Surfverhalten ihrer Kunden anzulegen, um entsprechende Beweise für den Besuch missliebiger Seiten zu erhalten. Ein Nutzer muss damit rechnen, dass er Besuch von Polizei und Justiz erhält, wenn er sich etwa die Seiten von Menschenrechtsorganisationen oder politischen Dissidenten ansieht. Aber nicht nur das Surfen im Web, sondern auch der persönliche E-Mail-Verkehr wird häufig überwacht, um gegen Oppositionelle oder Menschenrechtsverteidiger vorzugehen. Da die meisten E-Mail-User auf den Einsatz effektiver Verschlüsselungstechniken verzichten, ist es für die Sicherheitsbehörden einfach, den E-Mail-Verkehr "abzuhören" und die Versender oder Empfänger ausfindig zu machen.

Die Lage in China

Vor allem die kommunistischen Regime in China, Nordkorea, Vietnam und Kuba verfolgen das Ziel, eine möglichst umfassende Beherrschung von Medienangeboten und Internetseiten zu erreichen. Während Nordkorea und Vietnam sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Struktur als ziemlich rückständig erweisen und bislang kaum auf moderne Technologien zurückgreifen können, hat China den Anschluss zum Weltmarkt gefunden und nutzt das Internet, um seine wirtschaftliche Potenz zu vergrößern. Jedoch steigt in jüngster Zeit die Zahl der Internetnutzer in China nicht mehr so rapide an. Die Gründe dafür liegen vor allem in der immer rigideren Kontrolle des Zugangs zum Internet über die Zuteilung von Anschlüssen und Nutzerberechtigungen.

Doch trotz der Kontrollen ist die Zahl der Nutzer inzwischen auf fast 100 Millionen angestiegen, und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Die Interessenschwerpunkte sind dabei neben kommerziellen Angeboten wie Handel oder Online-Banking auch Unterhaltung oder Jobangebote. Während solche Internetseiten von der staatlichen Zensur akzeptiert sind und keinen Verboten unterliegen, ist vor allem die Beschaffung ungefilterter Nachrichten aus dem Web heikel. Auch die Verbreitung von Informationen über das Web wird von den Behörden äußerst argwöhnisch beobachtet und führt sehr schnell zu Konflikten mit der Staatsmacht. Aufgrund zahlreicher "Gummiparagraphen" im chinesischen Strafgesetzbuch ist es leicht, Internetnutzer etwa wegen "konterrevolutionärer Vergehen", "Aufruf zur Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" zu verhaften und anzuklagen.

In den neunziger Jahren hat die Regierung einen Katalog verbotener Inhalte von Websites erlassen. Unzulässig ist danach jede Information, die "(1) den in der Verfassung festgelegten Grundprinzipien widerspricht, (2) die nationale Sicherheit gefährdet, Staatsgeheimnisse preisgibt, die Regierung umstürzt, die Einheit des Landes zerstört, (3) der Ehre und den Interessen des Staates schadet, (4) zu ethnischem Hass und ethnischer Diskriminierung aufstachelt, die Einheit der Nationalitäten [Chinas] zerstört, (5) der Religionspolitik des Staates schadet, böse Kulte oder feudalen Aberglauben propagiert, (6) Gerüchte verbreitet, die gesellschaftliche Ordnung stört, die gesellschaftliche Stabilität untergräbt, (7) Unzucht, Pornographie, Glücksspiel, Gewalt, Mord, Terror verbreitet oder zu Verbrechen anstiftet, (8) andere Personen beleidigt oder verleumdet, den legitimen Rechten und Interessen anderer Personen schadet, (sowie) (9) andere Inhalte, die durch das Gesetz oder Verwaltungsvorschriften verboten sind".

Ein ähnlicher Katalog mit "Bestimmungen für das Publikationswesen" wurde 1997 auch für andere Medien erlassen, um dort ebenso scharf kontrollieren zu können. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen lässt sich in China nahezu jede oppositionelle Meinungsäußerung verbieten, da jegliche politische Handlung unter die besonders in den ersten drei Punkten aufgeführten Vergehen subsumiert werden kann.

Bereits vor einigen Jahren hat die Regierung begonnen, in Anlehnung an das berühmte historische Bauwerk eine "Great Firewall" zu ziehen, um die Einwohner des Landes vor unerwünschten Informations- und Unterhaltungsangeboten zu "schützen". Diese "virtuelle Mauer" versucht, den Informationsfluss ins Land zu regulieren oder gar zu unterbinden. Sie wird unterstützt durch spezielle Polizeieinheiten zur Überwachung des Cyberspace. Betroffen sind vor allem ausländische Websites, da chinesische Webangebote von den Behörden registriert und genehmigt werden müssen. Unter dem Vorwand des Kampfs gegen Pornographie wurden allein im Jahr 2004 mehrere tausend ausländische Internetseiten gesperrt und im Zuge der gleichen Kampagne rund 8600 Internetcafés geschlossen. Während das Verbot der Pornographie jedoch nur ein Nebenschauplatz ist, um das von der kommunistischen Regierung propagierte Moralverständnis nicht zu untergraben, liegt das eigentliche Interesse der Behörden in der Überwachung von Dissidenten und kritischen Intellektuellen.

Insbesondere Veröffentlichungen mit politischen Äußerungen zur Demokratiebewegung in China oder Forderungen nach einer weiteren Öffnung des Landes führen unweigerlich zur Unterdrückung solcher Nachrichten. Noch über 15 Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz in Peking sind Artikel oder Berichte über die damaligen Vorgänge strengstens verboten und führen zur Verhaftung der Autoren. Auch die Beschaffung von Nachrichten aus dem Ausland wird zunehmend erschwert, seit die Zensurbehörden den Zugang zu "Google News" blockieren. Google selbst stand in der Kritik, weil die Betreiber auf die chinesische Zensur von sich aus reagierten und für das Land nur noch eine von Google selbst zensierte Version anboten, die den Machthabern mehr zusagte. Eine ähnliche Selbstzensur ist aber auch von anderen großen Portalen wie etwa sina.com bekannt, die sich dadurch vor dem Verbot retteten.

Zunehmend geraten jedoch nicht nur politisch motivierte Websites oder Nachrichten ins Blickfeld der chinesischen Zensurbehörden. Auch die Internetseiten von Kirchen und Religionsgemeinschaften - gleich welcher Ausrichtung - werden streng beobachtet, oder ein Zugriff darauf wird verhindert. Betroffen sind davon vor allem Inhalte zum tibetischen Buddhismus und dem Dalai Lama, zur Falun-Gong-Bewegung, aber auch der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang sowie zu anderen islamischen Organisationen, die als Gefahr für die kommunistische Regierung angesehen werden. Hinzu kommen auch weitere katholische Seiten aus dem Ausland, die häufig die mangelnde Religionsfreiheit in China kritisieren.

Hier wird deutlich, welch geringen Stellenwert grundlegende, individuelle Menschenrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit sowie Pressefreiheit in China haben. Zwar schützt die Anonymität des Internets die Nutzer bis zu einem gewissen Grad, der Zwang zur Registrierung bei der Zulassung und die Kontrolle der zahllosen Internetcafés macht ein Aufrechterhalten der Anonymität und damit auch des Rechts auf freie Meinungsäußerung kaum möglich. Inzwischen hat sich China nach Ansicht der Organisation "Reporter ohne Grenzen" zum größten Gefängnis für Cyber-Dissidenten entwickelt: Allein im Jahr 2004 wurden in der Volksrepublik über 60 verhaftete Dissidenten registriert, die allein aufgrund von Internetvergehen inhaftiert worden sind. Wie kritisch die Situation ist, verdeutlicht eine Meldung von Anfang März 2005: Danach hatten chinesische Behörden einem Anwalt, der Internetautoren und -journalisten vor Gericht verteidigt hatte, ein einjähriges Berufsverbot angedroht.

Die Lage in Nordkorea, Kuba und Vietnam

Vor allem Nordkorea schirmt sich gegen Einflüsse und Kontakte von und nach außen ab. Dies betrifft jedoch nicht nur Nachrichten zum Thema Internetzensur, sondern auch alle anderen Bereiche des Lebens in dem Land. Sämtliche Medien unterliegen strengster Kontrolle, und bereits kleinste Unregelmäßigkeiten bedeuten für Journalisten nicht selten Haftstrafen und Umerziehungslager. Die Behörden sind nicht auf umfangreiche Zensur- und Überwachungsmaßnahmen angewiesen: Nur wenige tausend handverlesene Bürger mit Loyalität zu Staat und Partei haben überhaupt einen Zugang zum Internet oder können E-Mails nutzen. Kontakte außerhalb des Landes gibt es fast ausschließlich zu Einrichtungen in der Volksrepublik China. Für die Regierung wurde von einem deutschen Unternehmen mit dem Aufbau eines Intranets begonnen, das jedoch aufgrund deutscher Ausfuhrverbote für technische Geräte in der Bundesrepublik gehostet ist (der Server befindet sich in Deutschland), sodass die Daten per Satellit nach Nordkorea transportiert werden müssen. Wie unterentwickelt das Land in Sachen Internet ist, zeigt sich auch daran, dass der Länderdomainname .kp bisher nicht von der internationalen Vergabeorganisation ICANN registriert wurde. Die gespannte politische Situation des Landes, insbesondere die Auseinandersetzung mit den USA über den Bau von Kernwaffen, lässt für die nähere Zukunft kaum eine positive Entwicklung erwarten.

Sehr ähnlich gestaltet sich auch die Situation in Kuba. Der Zugang zum Internet ist auf wenige Bürger beschränkt. Computer sind kaum zu erwerben, und der E-Mail-Verkehr wird streng überwacht. Im Jahr 2000 wurde sogar ein Ministerium gegründet, dessen Aufgabe die Überwachung und Regulierung von Netzwerken und Telekommunikation ist. Den meisten Bürgern ist nur ein von der Regierung erarbeitetes und autorisiertes Intranet zugänglich, während der Weg in das World Wide Web versperrt ist und nur Touristen offen steht. Illegale Computer- und Internetnutzung wird von den Behörden streng verfolgt und geahndet.

Die Situation in Vietnam ähnelt stark der in China. Wie in dem großen Nachbarland steht die Regierung vor dem Dilemma, einerseits die Nutzung und Verbreitung des Internets zu fördern, um wirtschaftliche Vorteile zu gewinnen. Dazu wurden auch erste Breitbandverbindungen (ähnlich einer DSL-Verbindung in Deutschland) eingerichtet, um den Datentransfer zu beschleunigen und mehr User an das Netz anzubinden. Andererseits birgt jeder Ausbau die Gefahr in sich, dass oppositionelle und regimekritische Stimmen sich verbreiten. Wie China reagierte auch die vietnamesische Staatsführung mit der Einrichtung einer Spezialpolizeieinheit, um "Cyber-Kriminelle" zu jagen. So werden vor allem regimekritische Websites und Angebote von Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen durch Filter und Firewalls blockiert. Hinzu kommen Seiten von vietnamesischen Dissidenten im Exil, die die Zustände in ihrer Heimat anprangern. Um die Nutzer bereits bei der Suche nach Informationen zu lenken, haben die Zensurbehörden eine eigenständige Suchmaschine entwickelt, die gezielt zu offiziellen oder staatlich registrierten Internet-Seiten führt.

Im Frühjahr 2004 hat die vietnamesische Regierung mit einer Kampagne begonnen, um die Überwachung der Nutzer zu verschärfen. Ähnlich wie in China wird mit weit auslegbaren Paragraphen und Straftatbeständen gearbeitet, um bereits bei geringsten Vergehen mit Haftstrafen reagieren zu können. Auch hier stehen die Gefährdung der nationalen Sicherheit oder mögliche Störungen der öffentlichen Ordnung im Vordergrund, um jede kritische Äußerung zu verfolgen. Besucher von Internetcafés müssen sich beim Betreten registrieren lassen und ihre Ausweise vorlegen, um eine nachträgliche Identifizierung bei Aufrufen illegaler Seiten zu ermöglichen.

Aus Vietnam kamen in der jüngsten Vergangenheit wiederholt Nachrichten über die Verurteilung von Cyber-Dissidenten. So wurde 2003 ein Mann verhaftet, weil er einen Text der amerikanischen Botschaft über Demokratie in seine Heimatsprache übersetzt und über E-Mail verteilt hatte. Die verschärften Zensurmaßnahmen aus dem Jahr 2004 lassen daher kaum Hoffnung zu, dass ein Wandel in absehbarer Zeit zu erwarten ist.

Arabische und islamische Staaten

Auch in vielen arabischen und islamisch geprägten Ländern hat sich die Zensur des Internets in den letzten Jahren stark ausgeweitet. Gerade diese Zensurpolitik hat die "digitale Spaltung" in Arm und Reich verstärkt. Eine von der Menschenrechtsorganisation Arabic Portal for Human Rights Information vorgelegte Studie zur Nutzung des Internets in verschiedenen arabischen Staaten belegte, dass "neben Armut und Analphabetismus vor allem politische Repression für die langsame Entwicklung verantwortlich" ist. Auch die Vereinten Nationen haben in einem Bericht zur Entwicklung in diesen Ländern festgestellt, dass mangelnde Bildung sowie der häufig nicht vorhandene Zugang zum Internet und die Zensur eine Ursache für das Zurückbleiben der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung seien.

Dagegen beschreiten Staaten wie Tunesien oder der Iran einen anderen Weg. Hier haben sich in den letzten Jahren zwar die Möglichkeiten, das Internet zu nutzen, durch zahlreiche Internetcafés oder Internetanschlüsse an Schulen und Hochschulen stark verbessert. Damit einher ging jedoch auch eine nahezu ausufernde Zensur von Websites und eine verstärkte Kontrolle der Nutzer in den Cafés. Gerade Tunesien hat sich in diesem Bereich einen zweifelhaften Ruf erworben. Zum einem hat die Regierung unter Staatspräsident Ben Ali die Infrastruktur der staatlichen Telekommunikationssysteme ausgebaut, neue Internetcafés eingerichtet und die Möglichkeiten zum Surfen erweitert. Zum anderen aber dürfen die Nutzer nur das sehen, was den staatlichen Zensurbehörden gefällt und was nicht die "nationale Sicherheit" gefährdet. Vor allem ausländische Medien mit Berichten zur Menschenrechtssituation und kritische Artikel zur Politik der Regierung werden blockiert und sind nicht frei zugänglich. Wie in vielen anderen Ländern auch ist ein Besuch eines Internetcafés nur nach behördlicher Registrierung möglich. Bezug nehmend auf den recht frühen Anschluss Tunesiens an das Internet (1991) urteilte das Arabic Portal for Human Rights Information: "Tunisia: The First, The Worst." Verstöße gegen die strengen Gesetze führen auch in Tunesien unweigerlich zu Verhaftungen. Erst im Frühjahr 2004 wurden mehrere Personen zu Gefängnisstrafen zwischen 19 und 26 Jahren verurteilt, weil sie verbotene Dokumente aus dem Web heruntergeladen hatten.

Ähnlich scharf geht die iranische Regierung gegen Kritiker vor. Zuletzt wurden auch dort wiederholt Journalisten wegen ihrer Arbeit sowie Autoren aufgrund ihrer Veröffentlichungen in Weblogs verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Begründet werden Zensur und Verhaftungen auch hier mit Verstößen gegen die nationale Sicherheit oder mit der Verletzung religiöser Gefühle.

Geradezu absurd mutet die Situation in Saudi-Arabien an. Mit Hilfe deutscher Unternehmen hat das saudische Königshaus eines der weltweit besten Filtersysteme aufbauen lassen, um große Bereiche des Internets zu sperren. Betroffen sind davon vor allem Seiten mit den Themen Politik, Sexualität, Religion und Menschenrechte. Selbst unverdächtige Websites wie die des amerikanischen Musikmagazins "Rolling Stone" stehen auf dem Index. Besonders betroffen sind vor allem Seiten, die sich mit Frauenrechten oder mit Homosexualität beschäftigten. Da Letztere in Saudi Arabien verboten und mit körperlichen Strafen wie Auspeitschen bedroht ist, dürfen solche Webinhalte nicht zugänglich sein. Diese Verbote werden von vielen Saudis jedoch häufig umgangen. Zwar erlauben die Filter normalerweise kaum einen Zugriff auf gesperrte Seiten. Inzwischen hat sich jedoch eine Art "Schwarzmarkt" unter Hackern ausgebreitet, die bereit sind, für ein paar Dollar Seiten zu hacken und den Lesern zugänglich zu machen. Das Hacken der Seiten ist nicht verboten und wird auch nicht verfolgt. Viele Einwohner des Landes sind auf das Netz angewiesen, da viele politische Betätigungen, aber auch zahlreiche Freizeitvergnügungen aufgrund der strengen, religiös begründeten Moralvorstellungen verboten sind.

Zensur oder Freiheit?

Die Zukunft des Internets als Kommunikationsmedium, das auch politische Diskussion und kritische Berichterstattung zulässt, hängt stark davon ab, wie die Regierungen einzelner Länder mit Zensur umgehen. In den letzten Jahren hat sich der Wille zur Zensur und zur Blockade unerwünschter Inhalte eher verstärkt als abgeschwächt. Dies lässt befürchten, dass die Arbeit im Internet für Onlinejournalisten, Menschenrechtsgruppen und politische Dissidenten schwerer wird denn je. Der User unterliegt stärkeren Kontrollen und wird beim Surfen beobachtet, registriert und auch verfolgt, wenn er "illegale" Inhalte aufruft. Selbst in Ländern wie Russland, das man bereits auf dem Weg zu einer Demokratie nach westlichen Maßstäben wähnte, ist der Drang nach Zensur gewachsen. In den USA wird angesichts der erhöhten Sicherheitsbedürfnisse nach den Terroranschlägen 2001 die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit von vielen Menschen kaum als Problem wahrgenommen.

Dennoch ist in der politischen Diskussion die Tendenz wahrnehmbar, sich dem weltweiten Zensurproblem zu stellen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im Februar 2005 legte der Europarat einen Entwurf für eine Erklärung vor, die Menschenrechte im Internet besonders betont und zu deren Schutz aufruft. Auch in Deutschland wurde ein entsprechender Antrag in den Bundestag eingebracht, aber von der Regierungskoalition zunächst abgelehnt. Inwieweit die Initiative Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. In den USA ist man in der Diskussion schon weiter: Dort wurde bereits eine Behörde eingerichtet, die zensierte Inhalte den Bürgern anderer Länder zugänglich machen soll. Grundlage dafür ist der Global Internet Freedom Act, den zwei Kongressabgeordnete vor einigen Jahren initiiert haben. Ähnliche Initiativen, die einen Zugriff auf im Ausland gesperrte Seiten ermöglichen könnten, sind in Deutschland bisher nicht zu verzeichnen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Reporters without Borders, The Internet under Surveillance, Turkmenistan, in: www.rsf.org/article.php3?id_article=10684.

  2. Vgl. Florian Rötzer, Verschlossene Türen im virtuellen Raum der Globalität, in: Das Parlament, Nr. 31/32 vom 26.7./2.8. 2004, S. 18.

  3. Vgl. Reporters without Borders (Anm. 1), Uzbekistan, in: www.rsf.org/article.php3?id_article=10687

  4. Vgl. Zensur im Internet, in: http://de.wikipedia.org/wiki/Zensur_im_Internet, mit weiteren Hinweisen zur Umgehung von Zensurmethoden.

  5. Vgl. Zensierte Suche, in: Der Tagesspiegel vom 3.10. 2004. Vgl. auch Niels Gründel, Google im Visier, in: www.netzkritik.de/art/283.shtml

  6. Vgl. Web-Zensur verlangsamt Chinas Netz, in: www.netzeitung.de/internet/229564.html.

  7. Vgl. Klaus Boldt, Ein historischer Trend, der nicht aufgehalten werden kann. Zensurversuche stoßen im Internet-Zeitalter an ihre Grenzen, in: www.epo.de/specials/zensur_internet.html.

  8. Vgl. 87 Millionen Chinesen sind online, in: www.heise.de/newsticker/meldung/49283.

  9. Vgl. Chinas Internet wächst trotz Zensur, in: www.netzeitung.de/internet/323055.html.

  10. Zit. nach Gudrun Wacker, Widerstand ist zwecklos: Internet und Zensur in China, in: Günter Schucher (Hrsg.), Asien und das Internet, Hamburg 2002, S. 70 - 96, Zitat: S. 77ff.

  11. Vgl. David Banisar, "Great Firewall" in China: Dissidenten im Internet, in: www.epo.de/specials/md_firewall.html.

  12. Vgl. Gudrun Wacker, Hinter der virtuellen Mauer. Die VR China und das Internet (Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien), Köln 2000, S. 35.

  13. Vgl. Ralf Lehnert, China: Mächtige digitale Mauer, in: www.deutsche-welle.de, Meldung v. 22.6. 2004.

  14. Vgl. China blockiert ausländische Websites, in: www.heise.de/newsticker/meldung/49381.

  15. Vgl. China geht gegen Intellektuelle wegen Internet-Artikel vor, in: www.heise.de/newsticker/meldung/54216.

  16. Vgl. China blockiert Google-News, in: www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,330328,00.html.

  17. Vgl. Felix Corley/Magda Hornemann, CHINA: Government blocks religious websites, in: http://forum18.org/Archive.php?article_id=366;

  18. Vgl. Martin Woesler, Das Internet und die Menschenrechte in China, S. 319f., in: Hauke Brunkhorst/Matthias Kettner (Hrsg.), Globalisierung und Demokratie. Wirtschaft, Recht, Medien, Frankfurt/M. 2000, S. 310 - 329.

  19. Vgl. Fritjof Meyer, Chinas Staatsfeind, in: www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,2922116,00.html.

  20. Vgl. Reporters without Borders (Anm. 1), China, in: www.rsf.org/article.php3?id_article=10749.

  21. Vgl. Berufsverbot für Anwalt von Internet-Autoren in China angedroht, in: www.heise.de/newsticker/meldung/56947.

  22. Vgl. Vincent Brossel, North Korea. Journalism in the service of a totalitarian dictatorship. Fact-finding mission, in: www.rsf.org.

  23. Vgl. Reporters without Borders (Anm. 1), North Korea, in: www.rsf.org/article.php3?id_article=10798.

  24. Vgl. ebd., www.rsf.org/article.php3?id_article= 10611.

  25. Vgl. ebd., Vietnam, in: www.rsf.org/article.php3?id_article=10778.

  26. Vgl. Vietnam verschärft Internet-Kontrolle, in: www.netzeitung.de/internet/286405.html.

  27. Vgl. Amnesty kämpft in Vietnam für Meinungsfreiheit im Internet, in: www.netzeitung.de/internet/244218.html; Der Spiegel vom 1.9. 2003.

  28. Vgl. The Internet in the Arab World. A New Space of Repression? Overview, in: www.hrinfo.net/en/reports/net2004/intro.shtml.

  29. Vgl. Internet-Kontrolle verschärft digitale Kluft in arabischen Staaten, in: www.heise.de/newsticker/meldung/48705.

  30. Vgl. Christian Buck, UNO dokumentiert den Niedergang der Araber. Entwicklungsbericht stellt den Machthabern ein vernichtendes Zeugnis aus - Eklatante Bildungsdefizite, in: Die Welt vom 3.1. 2004.

  31. Vgl. Ralf Lehnert, Tunesien: Schöne neue Cyberwelt?, in: www.deutsche-welle.de, Meldung vom 22.6. 2004.

  32. The Internet in the Arab World. A New Space of Repression? Tunisia, in: www.hrinfo.net/en/reports/net2004/tunis.shtml.

  33. Vgl. Tunesisches Gericht verhängt lange Haftstrafen wegen Internet-Lektüre, in: www.heise.de/newsticker/meldung/46548.

  34. Vgl. Aktion für verhaftete iranische Blogger, in: www.heise.de/newsticker/meldung/56669.

  35. Vgl. Europas Internet-Medien fordern Freilassung von Journalisten, in: www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,324125,00.html.

  36. Vgl. Netz-Zensur im Iran: Kulturelle Vorbehalte, in: www.heise.de/newsticker/meldung/42865.

  37. Vgl. Mit Allah und den Deutschen, in: Die Tageszeitung vom 22.8. 2002.

  38. The Internet in the Arab World. A New Space of Repression? Saudi Arabia, in: www.hrinfo.net/en/reports/net2004/saudi.shtml.

  39. Vgl. Reporters without Borders (Anm. 1), Saudi Arabia, in: www.rsf.org/article.php3?id_article=10766.

  40. Vgl. Oliver Eberhardt, Den zensierten Internetzugang zahlt das Königshaus, in: www.telepolis.de/r4/artikel/14/14928/1.html.

  41. Vgl. Katja Seefeldt, Großreinemachen auf der Müllhalde Internet, in: www.telepolis.de/deutsch/inhalt/on/17663/1.html; Putins Pressionen. Wird nach dem Fernsehen das Internet zensiert?, in: Süddeutsche Zeitung vom 4.6. 2004.

  42. Vgl. Florian Rötzer, Staatliche Zensur nicht so schlimm, in: www.telepolis.de/r4/artikel/19/19358/1.html; Michael Voegger, Krieg mit Filter, in: www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,330668,00.html.

  43. Vgl. Stefan Krempl, Der Europarat will die Menschenrechte im Cyberspace retten, in: www.telepolis.de/r4/artikel/19/19396/1.html.

  44. Vgl. Antrag der CDU/CSU-Fraktion, Presse- und Meinungsfreiheit im Internet weltweit durchsetzen - Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und private Internetnutzer besser schützen, in: Bundestagsdrucksache 15/3709.

  45. Vgl. Neue US-Behörde soll Internet-Zensur anderer Nationen verhindern, in: www.heise.de/newsticker/meldung/38667.


Dr. phil., geb. 1969; Historiker; wissenschaftlicher Referent bei einem Mitglied des Deutschen Bundestages. Uhlandstraße 11, 13156 Berlin.
E-Mail: E-Mail Link: s.zeidler@gmx.de