Einleitung
Das Weltklima verändert sich seit einiger Zeit fundamental, wie kaum mehr ernsthaft bestritten wird. Die große Klimakonferenz von Kopenhagen hat sich im Dezember 2009 in zähen Verhandlungen bemüht, die globale Erwärmung durch verschiedene Maßnahmen bis zum Jahre 2050 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die weltweit registrierte Erwärmung ist zweifellos zur globalen Herausforderung des 21. Jahrhunderts geworden. Die Klimazonen verschieben sich, vielen Weltregionen und Ländern drohen Hitzewellen, Dürrezeiten, Starkniederschläge, Sturmfluten und ein beträchtlicher Anstieg des Meeresspiegels. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in Form von Wassermangel, Überschwemmungen, Missernten und Bodenerosion sind dabei besonders gravierend.
Während die Erderwärmung und ihre Auswirkungen offenbar unstrittig sind, wird die entscheidende Frage, wie hoch der menschliche Anteil am Klimawandel zu bewerten ist, kontrovers diskutiert. Seriöse Klimaforscher verweisen zu Recht darauf, dass das Weltklima seit Jahrtausenden keineswegs konstant geblieben ist, sondern großen Schwankungen unterworfen war. Nach dem Ende der letzten Eiszeit (10 000 v. Chr.) kam es bereits vor etwa fünf- bis sechstausend Jahren zu einer Warmzeit mit hohen Durchschnittstemperaturen.
Klimaoptimum des Hochmittelalters
Das Bild einer hochmittelalterlichen Warmperiode wurde seit 1965 vor allem von dem englischen Historiker Hubert Lamb geprägt, der den Höhepunkt dieser Warmzeit zwischen 1000 und 1300 terminierte.
Gegen das Bild einer hochmittelalterlichen Warmzeit, das auch von Klimaforschern entworfen wurde, wandten sich in den Jahren nach 1990 einige Wissenschaftler und Umweltaktivisten.
Neben direkten Klimadaten und schriftlichen Hinweisen (Urkunden, Chroniken) wurden in der Historischen Klimatologie vor allem Proxydaten ausgewertet, das heißt Ernteertragszahlen, Vereisungsbelege oder Hochwasserangaben.
Die hochmittelalterliche Warmzeit tritt markant hervor, wenn man die Klimadaten des Hochmittelalters mit denen der späteren Kleinen Eiszeit (14. bis 18. Jahrhundert) vergleicht. Die Forschungen von Rüdiger Glaser, Hubert Lamb und Pierre Alexandre haben ergeben, dass die hochmittelalterliche Epoche vom 11. bis 13. Jahrhundert durch eine signifikante Erwärmung der Durchschnittstemperatur um ein bis zwei Grad Celsius gekennzeichnet war, wobei regionale und zeitliche Unterschiede konstatiert wurden.
Die Sommertemperaturen waren vom 11. bis zum 13. Jahrhundert überwiegend warm, wurden aber von Kaltphasen unterbrochen.
Bevölkerungsexpansion und Landesausbau
Welche Auswirkungen hatte die hochmittelalterliche Warmphase auf Agrarwirtschaft und Bevölkerungsdichte? In seinen grundlegenden Untersuchungen zur Agrar- und Ernährungsgeschichte Mitteleuropas seit dem Hochmittelalter hat Wilhelm Abel die Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts als Aufschwungsepoche charakterisiert, die im 14. und 15. Jahrhundert von einer Phase der Agrardepression abgelöst wurde.
Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert vergrößerte sich die Bevölkerung in den meisten west- und mitteleuropäischen Ländern um das Zwei- bis Dreifache. In Frankreich wuchs in diesem Zeitraum die Bevölkerung von etwa sechs auf 19 Millionen, während in Deutschland eine Zunahme von etwa vier auf 12 Millionen stattfand.
Intensivierung der Getreidewirtschaft
Im warmen Makroklima des Hochmittelalters verschoben sich die Anbaugrenzen der Kulturpflanzen, so dass die Expansion der Agrarwirtschaft und die Verdichtung der Siedlungen vorangetrieben wurden. Man muss berücksichtigen, dass selbst geringe Veränderungen in der Durchschnittstemperatur und im Ausmaß der Niederschläge beachtliche Auswirkungen auf die Pflanzenwelt haben konnten. Die Länge der Wachstumsperiode verschob sich durch die erhöhte Durchschnittstemperatur im mittel- und nordeuropäischen Raum um bis zu vier Wochen. Dies wirkte sich äußerst vorteilhaft auf die Wachstumsperiode der Pflanzen und die Höhe der Ernteerträge aus. Die Erwärmung des Klimas begünstigte den für die Ernährung der anwachsenden Bevölkerung wichtigen Getreideanbau, so dass man zu Recht von einer hochmittelalterlichen "Vergetreidung" der europäischen Kulturlandschaft gesprochen hat.
Sorgfältige Untersuchungen zur Getreidewirtschaft in England und Schottland haben ergeben,
Die Ausdehnung der Getreidebaugrenzen nach Norden hin lässt sich im Hochmittelalter besonders im skandinavischen Raum beobachten. In Norwegen reichte der Anbau von Gerste und anderen Getreidesorten im 11. Jahrhundert bis nach Malangen im Norden, und sogar im Gebiet von Trondheim wuchs Weizen auf klimatisch günstig gelegenen Feldern.
Ausweitung der Weinbaugrenzen
Inwieweit kann der Weinbau, der auf warme Temperaturen angewiesen ist, als Indikator der hochmittelalterlichen Wärmegunst im nordalpinen Raum dienen? Zahlreiche Studien zur Verbreitung des Weinbaus konnten aufzeigen, dass Wein im Hochmittelalter nicht nur in den alten Anbaugebieten an Mosel und Rhein in Lagen bis zu 200 Metern oberhalb der heutigen Weinbaugrenze erzeugt wurde, sondern auch weit im Norden bis nach Holstein und Ostpreußen sowie in England und im südlichen Skandinavien.
Die Weinrebe gehört zu denjenigen Kulturpflanzen, bei denen Klima und Witterung eine große Rolle spielen. Ihren hohen Ansprüchen kann der Weinbau in nördlichen Breiten daher nur an günstigen Standorten gerecht werden.
Wie sehr verschob sich die nördliche Weinbaugrenze während der Warmphase des Hochmittelalters? Ausgehend von den spätrömischen Rebanlagen an Mosel und Rhein hatte sich der Weinbau bereits in der Karolingerzeit vom linksrheinischen Raum auf die Gebiete rechts des Rheins ausgebreitet. Eine vermehrte Anlage von Weinbergen ist in Mitteleuropa vor allem seit dem 11. Jahrhundert zu registrieren.
Im Bereich von Saale und Unstrut, im Thüringer Becken und im Elbtal hatte sich der Weinbau ebenfalls ausgedehnt. Von den älteren Weinbauregionen aus war der Weinbau während des Hochmittelalters auch in klimatisch weniger begünstigte Anbaugebiete transferiert worden, etwa in die Eifel und nach Westfalen. Nach Norden hin drang der Weinbau bis Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Ostpreußen vor. In Polen wird Weinbau bereits im 13. Jahrhundert an der unteren Nida erwähnt; in anderen Teilen Polens werden Rebanlagen in Posen und Plock genannt. Im Gebiet des Deutschen Ritterordens gab es Weinberge vor allem in der Gegend von Rastenburg, Leunenburg und Thorn.
Klimaverschlechterung im Spätmittelalter
Im 14. und 15. Jahrhundert setzte nach dem Ende der hochmittelalterlichen Warmzeit eine Phase der Klimaverschlechterung und Abkühlung ein, die schließlich zur "Kleinen Eiszeit" der Frühen Neuzeit überleitete. Der Klimawandel trat besonders im Verlauf der großen Hungersnot von 1315 bis 1317 hervor. Strenge Winter, verregnete Sommer und überwiegend kühle Frühlings- und Herbstzeiten leiteten eine Hungerkatastrophe ein, die durch ihre Dauer alle Hungersnöte des Jahrhunderts davor weit übertraf.
Nach einigen guten Jahren begann Mitte der 1330er Jahre erneut eine Phase schwieriger Klimaverhältnisse mit ernsten Auswirkungen auf Landwirtschaft und Agrarkonjunktur. Mitte des 14. Jahrhunderts war die Pest der Jahre 1347 bis 1352 ein Ereignis, das katastrophale Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft hatte. Während weniger Jahre wurde die Bevölkerung um mehr als ein Drittel dezimiert, als sich die todbringende Krankheit ausbreitete.
Wüstungen und verlassene Siedlungen
Im Spätmittelalter entstanden in vielen Regionen Europas zahlreiche Wüstungen und abgegangene Höfe, Dörfer und Fluren.
Die Siedlungsforschung hat zu Recht darauf hingewiesen, dass während des Spätmittelalters die höher gelegenen und von der Natur benachteiligten Siedlungen den stärksten Abgang erlebten. Die starke Bevölkerungszunahme, die im 12. und 13. Jahrhundert den Landesausbau vorantrieb, hatte dazu geführt, dass bäuerliche Siedlungen auch auf Grenzertragsböden und an solchen Orten angelegt wurden, wo bäuerliche Siedlung auf die Dauer nicht möglich war oder zu hohe Kosten verursachte. Von der Wüstungsbildung des Spätmittelalters waren daher die Rodungssiedlungen des Hochmittelalters in den deutschen Mittelgebirgsregionen am stärksten bedroht. Der ungünstigen Lage von Siedlungen kommt bei der spätmittelalterlichen Wüstungsbildung aber nur eine mitverursachende Rolle zu, da die Abwanderung aus den klimatisch gefährdeten und wenig begünstigten Orten erst erfolgte, als durch den allgemeinen Bevölkerungsrückgang Platz in den günstiger gelegenen Siedlungen entstanden war.
In Norwegen, das durch seine Randlage auf Klimaveränderungen äußerst empfindlich reagiert, war die Wüstungsbildung im Spätmittelalter besonders ausgeprägt. Die Aufgabe vieler Einzelhöfe und Dörfer war nach Ansicht der norwegischen Forschung vor allem eine Folge der Klimaverschlechterung, die dort im Spätmittelalter zusammen mit einem beträchtlichen Bevölkerungsrückgang in erheblichem Maße wirksam war. Durch detaillierte Untersuchungen zur Siedlungs- und Agrargeschichte konnte gezeigt werden, dass die bäuerliche Agrarwirtschaft während des klimatisch günstig beeinflussten Hochmittelalters in Skandinavien einen Höchststand erreichte.
Die norwegische Bevölkerung hat sich über Jahrhunderte hinweg von den Folgen der Klimaverschlechterung nicht erholt. Während dieser Zeit wurden die meisten Gehöfte in höheren Lagen verlassen, zumal abwandernde Bauernfamilien in den Tälern leergewordene Hofstellen mit besseren Böden übernehmen konnten. Zweifellos wirkten sich Klimawandel und Bevölkerungsrückgang besonders auf Ackerbau und Getreidewirtschaft aus. Schriftlichen Zeugnissen zufolge belief sich die norwegische Getreideernte noch im Jahre 1665 auf lediglich 67 bis 70 Prozent der Erträge aus der Blütezeit um 1300.
"Kleine Eiszeit"
Der Begriff der "Kleinen Eiszeit" wurde in Analogie zu den "Großen Eiszeiten" in vorgeschichtlicher Zeit gebildet und bezeichnet eine sich vom 14. bis zum frühen 19. Jahrhundert erstreckende Klimaphase, die von einer langfristigen Abkühlung der Durchschnittstemperatur von ein bis zwei Grad Celsius bestimmt war.
Die Zeit von 1565 bis 1601 war eine Periode, die in besonderem Maße von einer Klimaverschlechterung geprägt war. Christian Pfister hat diese Klimaphase am Beispiel der Schweiz detailliert untersucht.
Wie aus den Schriftstücken der Berner Obrigkeit hervorgeht, war der Rückgang der Getreideproduktion ursächlich mit einer Schrumpfung der Viehherden verbunden. Schon im Jahre 1591 mussten ausgedehnte Ackerflächen brach gelassen werden, weil es an Zugvieh für die Pflüge und Dünger für die Äcker fehlte. Dies könnte darin begründet sein, dass in den katastrophalen Regensommern zwischen 1585 und 1589 nicht ausreichende Heumengen in die Scheunen gebracht wurden, um die Zugtierbestände zu halten. Auch die Weinmosterträge gingen von der Jahrhundertmitte an in den Weinbaugebieten der Schweiz kontinuierlich zurück; im Jahrzehnt von 1590 bis 1599 wurde nur noch halb so viel Wein pro Flächeneinheit gekeltert wie von 1550 bis 1559. Dies dürfte einerseits mit den ungünstigen Klimaverhältnissen und andererseits mit der schlechteren Düngung zusammenhängen.
Klimawandel der Moderne
Im Unterschied zur Abkühlungsperiode der "Kleinen Eiszeit" brachte der Klimawandel des 20. und 21. Jahrhunderts eine Erderwärmung mit sich, die andere Auswirkungen auf die Landwirtschaft hatte.
Auf der Suche nach den Ursachen der Erderwärmung begnügte man sich nicht mit natürlichen Faktoren wie der verstärkten Sonnenaktivität oder internen Schwankungen in der Atmosphäre, sondern suchte vor allem nach den anthropogenen (vom Menschen verursachten) Gründen des Klimawandels. Dabei stieß man auf die Verschmutzung der Luft als Folge der Industrialisierung, des vermehrten Ausstoßes von Treibhausgasen und der Vermehrung des Individualverkehrs mit Verbrennungsmotoren. Es wurde argumentiert, dass das rapide Bevölkerungswachstum, die Zunahme der Großstädte und urbanen Zentren sowie die Folgen der Industrialisierung genau einen ebenso großen Einfluss auf die Erwärmung hätten wie natürliche Prozesse. In der öffentlichen Diskussion spielt die Frage eine wichtige Rolle, ob die derzeitige Erderwärmung singulär ist oder ob es historisch vergleichbare Phasen gab.
Folgen für die Landwirtschaft
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung sind zweifellos enorm, soweit sich dies heute abschätzen lässt. Welche tatsächlichen oder prognostizierten Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Agrarwirtschaft und den ländlichen Raum? Der Klimawandel bewirkt, dass extreme Naturereignisse, das heißt starke Regenfälle mit nachfolgenden Überschwemmungen, große Hitzewellen und Stürme mit ungewöhnlicher Intensität, weiter zunehmen.
Welche Auswirkungen wird der Klimawandel speziell im deutschen Wirtschaftsraum haben? Die klimatischen Veränderungen berühren die Sektoren der Volkswirtschaft in unterschiedlichem Maße.
Gibt es regionale Unterschiede bei den Klimaveränderungen? Durch extrem heiße Sommer wird in Zukunft besonders die Landwirtschaft in Süddeutschland mit Trockenheit und Wasserknappheit zu rechnen haben, da die Extremlagen zu schweren Ernteeinbußen führen können. Zu den Kosten des Klimawandels kommen Kosten der Anpassung, um die Schäden zu begrenzen. Im Frühjahr und Sommer kann es auf Grund starker Regenfälle insbesondere in flussnahen Gebieten und an den Küsten der Nord- und Ostsee zu Hochwasser und schweren Überschwemmungen kommen.
Schluss
Klimatische Veränderungen haben starke Auswirkungen auf den Agrarsektor und allgemein auf Wirtschaft und Gesellschaft. Hinsichtlich der Ursachen des Klimawandels ist noch immer ungeklärt, welchen Anteil natürliche oder vom Menschen beeinflusste Faktoren haben. Die Erkenntnis, dass das Wärmeoptimum des Hochmittelalters auf natürlichen Ursachen beruhte und nicht anthropogen bedingt war, sollte bei der Diskussion über die Ursachen der gegenwärtigen Erderwärmung zur Vorsicht mahnen.
Will man effektiv handeln, um möglichen Folgen der Erderwärmung entgegenzuwirken, ist ein Wissen darüber erforderlich, was die Zukunft bringen könnte. Kernfrage aller Klimaprognosen ist vor allem die Höhe der Emission von Treibhausgasen. Berechnungen des dadurch zu erwartenden Temperaturanstiegs im 21. Jahrhundert basieren indes auf unterschiedlichen Prämissen im Hinblick auf die Zusammensetzung der Atmosphäre.
Realistische Prognosen beschreiben eine Zukunft mit schnellem Wirtschaftswachstum, der Einführung neuer energiesparender Techniken bei zunehmender Globalisierung und einer Weltbevölkerung, die bis 2050 rund neun Milliarden erreicht. Die Zusammensetzung der Atmosphäre wird sich durch menschliche Einflüsse weiter verändern; die mittlere globale Temperatur wird, je nach Standpunkt und Szenarium, während des 21. Jahrhunderts um zwei bis vier Grad Celsius ansteigen. Während dieser Zeit ist in vielen Weltgegenden verstärkt mit extremen Wetterereignissen in Gestalt von Dürren, Überschwemmungen und Stürmen zu rechnen. Die Folgen der globalen Erwärmung werden enorm sein, wobei die Auswirkungen auf einzelne Länder und Wirtschaftssektoren ganz unterschiedlich sind. Eine vermehrte Sonneneinstrahlung kann sowohl größere Schwierigkeiten in der Landwirtschaft bedeuten als auch neue Vorteile - je nach geographischer Lage und Wirtschaftsstand.
Viele Fragen zum Klimawandel in Vergangenheit und Zukunft sind noch ungelöst und bedürfen der wissenschaftlichen Erforschung. Die politischen und gesellschaftlichen Aufgaben bei der Bewältigung der Klimaprobleme sind gewaltig, doch sollte vor Horrorszenarien gewarnt werden.