Einleitung
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar und Saudi-Arabien scheinen von den jüngsten Aufständen und Unruhen in ihrer unmittelbaren wie mittelbaren arabischen Nachbarschaft bisher weitestgehend verschont geblieben zu sein. Die von ihnen ergriffenen politischen Maßnahmen weisen aber darauf hin, dass sie sich durch regionale Entwicklungen in erheblichem Maße betroffen sehen. Sie sorgen sich um die Zukunft der Monarchien in ihren nahöstlichen autoritären Ausprägungen, welche den jeweiligen Bevölkerungen keine oder nur geringe politische Mitsprache ermöglichen. Dies zeigt unter anderem die militärische Intervention Katars und der VAE an der Seite der Saudis zur Stabilisierung des sunnitischen Herrscherhauses in Bahrain. Hinzu kommt die Ankündigung der im Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC) zusammengeschlossenen Staaten Saudi-Arabien, Kuwait, VAE, Katar, Bahrain und Oman im Mai 2011, die beiden anderen Monarchien in der arabischen Welt, Jordanien und Marokko, aufnehmen zu wollen. Innen- wie außenpolitischen Forderungen nach der Einführung einer konstitutionellen Monarchie soll dadurch Einhalt geboten werden.
Ein Ende März 2011 annoncierter Fonds in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar, den der GCC in den kommenden zehn Jahren für die soziale Entwicklung in Oman und Bahrain ausschütten will, weist darauf hin, dass vor allem sozioökonomische Unzufriedenheit als Ursache für die Forderungen der Bevölkerungen nach politischer Mitbestimmung gesehen wird.
Am nachhaltigen Nutzen solcher ökonomischer Interventionen bestehen allerdings Zweifel, da sie die strukturelle Abhängigkeit der ärmeren Golfstaaten von ihren Nachbarn perpetuieren. Gerade die Subventionierung von höheren Löhnen im staatlichen Sektor mit Geldern des Fonds wird kritisiert; stattdessen solle man den Privatsektor stärken und das Bildungswesen modernisieren.
Entwicklungszusammenarbeit als außenpolitisches Instrument
Die finanzstarken Golfstaaten sind seit Jahrzehnten in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) präsent. Kuwait fördert bereits seit 1961 über den Kuwait Fund for Arab Economic Development Projekte, Saudi-Arabien und die VAE folgten Anfang der 1970er Jahre mit ähnlichen Institutionen. Während sie zunächst nur arabische Länder unterstützten, haben alle nationalen Fonds sowie später eingerichtete multinationale Fonds wie der Arab Fund for Economic and Social Development oder die Islamic Development Bank, zu deren einflussreichsten Teilhabern die Golfstaaten gehören, ihre Förderpraxis auf den gesamten Globus ausgeweitet. Bis 2008 flossen auf diese Weise über 270 Milliarden US-Dollar, wobei allein der saudische Anteil 63,6 Prozent beträgt. Kuwait und die VAE folgen mit 16,3 Prozent und 11,5 Prozent.
Katar engagierte sich in der Vergangenheit vor allem durch Beiträge an multinationale Fonds, bemüht sich jedoch seit einigen Jahren um den Aufbau einer eigenen nationalen Entwicklungspolitik mit entsprechenden Organisationen. Diese Zahlen sind jedoch aufgrund mangelhafter Berichterstattung und Transparenz der arabischen Geberstaaten gerade über ihre bilateralen EZ-Vereinbarungen nur begrenzt belastbar. Obwohl die arabischen Entwicklungsgelder in einigen Staaten der arabischen Welt bis zu 40 Prozent der Gesamtentwicklungshilfe ausmachen (und im Falle des Jemen sogar darüber hinaus gehen), sind die Koordinierungsmechanismen zwischen den arabischen und den OECD-Staaten nicht zuletzt aufgrund der geringen Einbindung der Golfstaaten in den Development Assistance Commitee (DAC) unterentwickelt. Trotz diverser Bemühungen in den 1980er Jahren gibt es erst seit 2009 wieder jährliche Koordinierungstreffen zwischen dem DAC und dem Arab Fund.
Allerdings gibt es von arabischer Seite starke Kritik an den wirtschaftlichen und teils auch politischen Konditionen, mit denen DAC-Länder ihre EZ häufig versehen. In diesem Punkt stimmen die arabischen Geberländer mit den emerging donors (Länder wie Brasilien, Südafrika oder Indien) überein, die sich von ihrer früheren Empfängerrolle emanzipiert haben und die Frage der EZ-Konditionalisierung aus eigener Erfahrung problematisieren.
In den vergangenen Jahren sind jedoch von Seiten der arabischen Geber verstärkt Bemühungen um eine regelmäßige und umfassendere Berichterstattung an den DAC sowie das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (VN) zu beobachten. Besonders die VAE stechen hier hervor.
Philanthropisches Engagement
Das verbesserte Berichtswesen ermöglicht nun eine detaillierte Übersicht über inhaltliche und geografische Förderschwerpunkte der arabischen EZ. Die Übersicht zeigt, dass einige Länder neben der Förderung von Infrastrukturprojekten und bilateralen Krediten auch neue Wege einschlagen. So wurden in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von philanthropischen Organisationen durch die Herrscherhäuser Katars, Saudi-Arabiens und der VAE gegründet. Sie greifen damit den internationalen Trend von EZ-orientierter Philanthropie auf, der durch prominente Vertreter wie die Melinda and Bill Gates Foundation, die sich in der globalen Gesundheitspolitik engagiert, ein großes Medienecho erfährt und sich zunehmend auf Praktiken internationaler EZ auswirkt.
Philanthropie als Trend wird in der Region auch akademisch begleitet, wie die Gründung des Gerhart Center for Philanthropy and Civic Engagement an der Amerikanischen Universität in Kairo zeigt. Darüber hinaus vernetzen sich die Philanthropen regional und global wie etwa im World Congress of Muslim Philanthropists (WCMP), der 2011 schon zum vierten Mal stattfand. Während sich einige arabische Philanthropen auf diese Weise Zugang zu den wirtschaftlichen Netzwerken anderer internationaler Philanthropen erhoffen, steht für andere als leitendes Motiv das religiöse Gebot des wohltätigen Gebens in Form von sadaqa oder von religiösen Stiftungen (waqf) im Vordergrund. Gerade nach der pauschalen Verurteilung islamischer Wohlfahrtsorganisationen nach dem 11. September 2001 in Bezug auf Terrorismusfinanzierung wollen viele Muslime den Einsatz ihrer Spendengelder nun lieber selbst kontrollieren. Zahlreiche Studien zeigen aber, dass die Förderung politischer Interessen über religiöse Stiftungen bereits in der Geschichte keine Seltenheit war.
Beispielhaft für diesen Trend am Golf sind Silatech in Katar sowie Dubai Cares und die Muhammad bin Rashid Al Maktoum Foundation in den VAE. Diese drei Organisationen fallen durch für die Golfregion innovative Instrumente des Fundraising, der Einbindung der eigenen Bevölkerungen, der Projektarbeit im Empfängerland sowie der Rolle von Forschung zur Grundierung ihrer Arbeit auf.
Dubai Cares:
Das Stiftungsvermögen von Dubai Cares in Höhe von einer Milliarde US-Dollar stammt zu 50 Prozent von Sheikh Muhammad bin Rashid Al Maktoum, dem Emir von Dubai. Der Schwerpunkt der Stiftung liegt in der Förderung der Grundschuldbildung, um ausgewählte Entwicklungsländer bei der Erreichung der Millenium-Entwicklungsziele zu unterstützen. In Partnerschaft mit international anerkannten Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Organisationen der VN fördert sie Projekte, die neben der Modernisierung von Lerninhalten und der Schulausstattung besonders die Aspekte Ernährung und Hygiene betonen. Die Projekte sollen wissenschaftlich ausgewertet werden, wobei die Erkenntnisse nicht nur der Verbesserung internationaler EZ-Projekte zugute kommen, sondern auch den Ruf Dubais als Akteur der Entwicklungspolitik festigen sollen.
Muhammad bin Rashid Al Maktoum Foundation (MBRF):
MBRF soll mit einem Stiftungsvermögen von 10 Milliarden US-Dollar die arabische Wissensproduktion ankurbeln. Gefördert werden zum einen Übersetzungen ins Arabische und Kulturaustausch, zum anderen die Ausarbeitung sogenannter home grown solutions für die Herausforderungen, mit denen die arabische Welt konfrontiert ist. Für den Bereich der EZ ist MBRF nennenswert, da es das Problem der Ausbildung für den privaten Arbeitsmarkt angeht. Zu diesem Zweck kooperiert MBRF mit Organisationen und Regierungen zur Reformierung des Berufsbildungswesens in verschiedenen arabischen Staaten.
Silatech:
Angesichts der Tatsache, dass Menschen unter 25 Jahren einen Anteil von knapp 60 Prozent an der arabischen Gesamtbevölkerung stellen, hat die katarische Organisation Silatech das Thema Jugendarbeitslosigkeit zum Hauptanliegen ihres Engagements gemacht. Im "Silatech Index", der auf knapp 18000 Interviews des Gallup-Instituts in 19 arabischen Ländern basiert, werden Länderanalysen für die Lage von jungen Menschen in der arabischen Welt erstellt, welche die Grundlage für die Projekte in diesen Ländern darstellen.
Entwicklungszusammenarbeit im Jemen
Im Jemen sind die GCC-Staaten seit Jahrzehnten entwicklungspolitisch aktiv. Zwischen 1990 und 2004 sollen der Arab Fund, der Saudi Fund for Development, die IDB und der OPEC Fund über eine Milliarde US-Dollar in EZ-Projekte im Jemen investiert haben.
Was die EZ-Großprojekte der GCC-Staaten im Jemen betrifft, konzentriert sich Saudi-Arabien auf den Ausbau des Energiesektors, den Neubau und in bedingtem Umfang die Ausstattung von Krankenhäusern, den Neubau von Schulen sowie Anbauten an Universitäten und technischen Fachhochschulen, den Ausbau von zentralen Versorgungsstraßen im Land sowie Modernisierungen im Gesundheitswesen. Einige dieser Investitionen werden durch rückzuzahlende Kredite, andere durch Schenkungen des Herrscherhauses finanziert. Auch die VAE engagieren sich im Energiesektor, in der Wasserversorgung, im Gesundheitssektor, im Ausbau von Straßen und Häfen und im Neubau von Universitätsgebäuden. Hinzu kommt ein Projekt in Höhe von 60 Millionen US-Dollar in Kooperation mit dem Innenministerium der VAE zur Einführung von elektronischen Smart Cards anstelle der bisherigen Identitätsdokumente. Katar wiederum konzentriert ein Drittel seiner Zusagen auf den Ausbau von Straßen, während zwei Drittel in die Al-Saleh Medical City investiert werden sollen. Da alle diese Projekte mit dem jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih vereinbart wurden, bleibt abzusehen, ob und in welchem Umfang sie kurz- und mittelfristig fortgesetzt werden.
Humanitäre Projekte im Jemen
Vor allem die VAE und Katar sind über ihre nationalen Organisationen des Roten Halbmonds auch in verschiedene humanitäre Projekte im Jemen involviert. So kümmert man sich um die innerjemenitischen Flüchtlinge aus der Grenzregion mit Saudi-Arabien, die von den militärischen Auseinandersetzungen zwischen der jemenitischen Regierung und den Huthi-Rebellen betroffen sind. In Kooperation mit regierungsnahen jemenitischen Organisationen wurden neue Flüchtlingslager eingerichtet, deren Ausstattung teils weit über das Niveau der von den VN unterhaltenen Flüchtlingslager hinausgeht. Entsprechend wurde Kritik von den VN an diesen Lagern laut.
Die VAE haben zudem im Juni 2011 dazu aufgerufen, jemenitische Familien, die durch die Unruhen betroffen sind, durch Geldspenden an internationale Organisationen und an im Jemen aktive VAE-Organisationen zu unterstützen. Stets bedacht darauf, diese Spenden auch für die internationale Berechnung der EZ-Leistungen zu nutzen, wurde im selben Kontext auch um die Benachrichtigung über eventuelle Spenden an die entsprechende Institution in den VAE gebeten. Zu ähnlichen Spendenaktionen riefen die VAE in den vergangenen Monaten auch für Tunesien und Libyen auf.
Soziale Projekte im Jemen
Jenseits dieser entwicklungspolitischen Großprojekte und der humanitären Hilfe sind Katar, die VAE und Saudi-Arabien jedoch auch sozial- und arbeitsmarktpolitisch im Jemen engagiert. So loben sie in erheblichem Umfang Stipendien für jemenitische Schülerinnen und Schüler sowie Studierende für Universitäten in der gesamten arabischen Welt aus. Dubai Cares investierte allein 2009 1,5 Millionen US-Dollar in die Projekte von UNICEF zur Verbesserung der jemenitischen Grundschulbildung. Darüber hinaus investieren die GCC-Staaten über 200 Millionen US-Dollar in den staatlichen jementischen Social Fund for Development, der unter anderem Mikrokredite vergibt. Besonders Silatech aus Katar, das im Jemen einen eigenen Koordinator für seine Projekte beschäftigt, fördert die Kooperation mit der lokalen Mikrokreditbank Bank Al-Amal. Gemeinsam arbeiten Silatech und MBRF zudem an der Übersetzung von Dokumenten und Studien zum Thema Jugendarbeitslosigkeit, die im Jemen, aber auch in anderen arabischen Ländern zum Einsatz kommen sollen.
Hinzu kommen Projekte, in deren Rahmen Silatech in Kooperation mit mehreren regional aktiven Unternehmen aus der Baubranche Jugendliche für den Bausektor ausbildet. Bereits 1000 Jugendliche konnten so als Trainer qualifiziert werden und sollen nun weitere Jugendliche ausbilden, die sowohl im Jemen als auch in den benachbarten arabischen Ländern Arbeit finden sollen. Im GCC wird derzeit über Möglichkeiten der Arbeitsfreizügigkeit von Jemeniten diskutiert, um die ausgebildeten jungen Menschen aufzunehmen und dadurch die Heimatüberweisungen in den Jemen zu steigern.
Ausblick
Auch wenn die bisher engen Beziehungen des GCC zum jemenitischen Präsidenten Salih aufgrund seiner Weigerung, auf die GCC-Vermittlungsbemühungen einzugehen, derzeit strapaziert sind, wird der Jemen wegen seiner geografischen Lage auch weiterhin im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit des GCC stehen. Die Unruhen unter der Bevölkerung bestätigen Staaten wie Katar und die VAE in ihrer Problemanalyse und damit in ihrem philanthropischen Fokus auf Themen wie Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildung, die sie als Stiefkinder westlicher EZ und deren Betonung auf politischen Reformen betrachten. Ob die Philanthropen ihre Strategie, in enger, vielleicht allzu enger Umarmung mit den arabischen Regierungen vorzugehen, beibehalten werden, bleibt jedoch abzuwarten. Muslimische Philanthropen warnen vor überstürztem Handeln: "Grassroots activism and civic engagement must mature in order to deliver such change, and that maturation process needs time and thoughtful investment from the public, private and philanthropic sector."