Einleitung
Am 25. Januar 1942 saß Adolf Hitler mit dem Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, dem "Reichsführer SS", Heinrich Himmler, und Generaloberst Kurt Zeitzler, Chef des Generalstabs des Heeres, am Mittagstisch in der "Wolfsschanze" in Rastenburg. Der "Führer" dachte laut darüber nach, welche Charaktereigenschaften die europäischen Völker auszeichnen, deren Länder seine Wehrmacht überfallen und besetzt hatte. "Der Tscheche ist von allen Slawen der gefährlichste", warnte er, "weil er fleißig ist. Er hat Disziplin, hat Ordnung, ist mehr mongoloid als slawisch. Hinter einer gewissen Loyalität weiß er seine Pläne zu verbergen. Sie werden jetzt arbeiten, weil sie wissen, daß wir unbarmherzig und brutal sind. Ich verachte sie nicht, es ist ein Schicksalskampf. Ein fremder Rassensplitter ist in unser Volkstum eingedrungen, einer muß weichen, er oder wir."
Gäste, die Hitler sich einlud, kamen nicht zu Wort, und wollten es auch gar nicht. Es genügte ein zustimmendes Nicken beim Löffeln der vegetarischen Suppe, um den Monolog voranzutreiben: "Beim Polen haben wir das Glück, daß er faul ist und dumm, eingebildet." Hitler legte den Löffel aus der Hand. Sofort hörte auch das Klappern der anderen Löffel auf, und in die eingetretene Stille hinein sagte er leise: "Man muß es schnell machen, es ist nicht besser, wenn ich einen Zahn alle drei Monate um ein paar Zentimeter herausziehen lasse - wenn er heraußen ist, ist der Schmerz vorbei. Der Jude muß aus Europa heraus. Wir kriegen sonst keine europäische Verständigung. Ich sage nur, er muß weg. Wenn er dabei kaputtgeht, da kann ich nicht helfen. Ich sehe nur eines: die absolute Ausrottung, wenn sie nicht freiwillig gehen."
Am 20. Juli 1944 erschien der "Führer" pünktlich um 12.30 Uhr in der Wolfsschanze, diesmal nicht zum Mittagessen, sondern zur Lagebesprechung. "Stauffenberg mußte vor allem die Aktentasche so abstellen, daß sie niemandem im Wege war. Trotz aller Bemühung kam er nur an die rechte Ecke des Tisches", beschreibt Peter Hoffmann die entscheidenden Minuten vor der Explosion. "Er nahm also die Tasche und stellte sie dort unter den Tisch. Hätte er versucht, sich zwischen Heusinger und Brandt zu drängen und die Tasche an der Innenseite des Sockels, also Hitler unmittelbar vor die Füße zu stellen, er hätte mit Sicherheit wegen eines solchen Verhaltens große Schwierigkeiten bekommen. Er konnte nicht anders, als sie rechts neben den rechten Tischsockel stellen. Da die Tasche noch etwas unter dem Tischrand hervorragte, ist es wohl möglich, daß sie Oberst i.G. Brandt im Wege war und daß dieser sie mit dem Fuß ein Stück weiter unter den Tisch schob."
War es der blank geputzte Stiefel von Oberst Brandt, der den Anschlag scheitern ließ? Ein geglücktes Attentat hätte Deutschland kaum vor der Verdammnis der Völker retten können. Die Dolchstoßlegende des Ersten Weltkrieges wäre wohl neu aufgeflammt, hätte alle humanistisch-demokratischen Absichten blockiert. Noch heute verstummt der Besucher auf Schloß Liebenberg bei Gransee vor der Schlosskirche, wenn er den nationalen Wahnsinn liest, der auf den beiden Granitsteinen steht, die links und rechts die Treppe zum Kirchenportal rahmen: "1871 bis 1918 Unseren Helden sei Dank - 1919 Frieden macht krank."
Das Attentat, ob es glückte oder nicht, es musste stattfinden. Zwischen der Führung um Hitler und den Männern des 20. Juli 1944 gab es kein Vertrauen mehr. Ob Stauffenberg, von Tresckow, von Kluge, sie alle wurden mehr oder weniger Augenzeugen von Hitlers vernichtender Rassenpolitik, von seiner Kriegführung im Osten, die allen Völkerrechtskonventionen Hohn sprach. Und sie wussten, dass dieser Verlust an Vertrauen Deutschland auf Dauer existenz- und handlungsunfähig machen würde. Hitler verwüstete mit seiner Politik nicht nur Europa, er liquidierte auch grundlegende menschlich-soziale Fähigkeiten. Er belog die Deutschen. Wenn er das Wort "Frieden" in den Mund nahm, meinte er "Krieg". Nur wenige fanden die Kraft, gegen diese Schizophrenie anzugehen.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg hat sich Fragen gestellt, die Golo Mann in seinen "Erinnerungen" reflektierte: "Mit welchem Schritt, wann begann der Sündenfall der deutschen Politik? Wann erschien der letzte Moment, in dem es noch möglich gewesen wäre, Europa vor seinen extremsten Folgen zu bewahren? (...) Wir haben uns vor Gott und unserem Gewissen geprüft, es muß geschehen, denn dieser Mann ist das Böse an sich."
Joseph Goebbels hat in seiner Rundfunkrede am 26. Juli 1944, die er "Rechenschaftsbericht über den 20. Juli" nannte, eine Schlussfolgerung aus dem Geschehen gezogen, die als Antithese zitiert werden muss: "Ich hatte es schon oft - aber noch niemals so sichtbar und eindeutig wie hier - erlebt, daß der Führer sein Werk unter dem Schutz der Vorsehung erfüllt, daß keine Gemeinheit und Niedertracht ihn daran zu hindern oder dabei aufzuhalten vermag, daß damit aber auch ein über allem menschlichen Tun waltendes göttliches Schicksal uns einen Fingerzeig gibt, daß dieses Werk, auch wenn es noch so großen Schwierigkeiten begegnet, vollendet werden muß, vollendet werden kann und vollendet werden wird."
Erste filmische Versuche
In seiner 1944 im Exil in der Schweiz geschriebenen Erzählung "Der Leutnant Yorck von Wartenburg" (durch eine Novelle von Ambrose Bierce inspiriert) lässt der Schriftsteller Stephan Hermlin die zwischen Leben und Tod träumende Titelfigur sagen: "Ich habe diese Diktatur verachtet, Anna, jetzt hasse ich sie." Das ist ein Schlüsselsatz für die Problematik, der sich alle filmischen Versuche in der Bundesrepublik wie in der DDR und im wieder vereinigten Deutschland, dem Thema gerecht zu werden, stellen müssen. Hinter dieser Erkenntnis des Yorck von Wartenburg steht die Frage: Wo verläuft die Linie zwischen Zustimmung und Anpassung? Wann beginnt Verachtung, bis hin zum Hass, gegenüber einem Regime, auf das nicht wenige in Europa bis zum 1. September 1939 mit kaum verhohlener Bewunderung geschaut hatten, obwohl, wenn sie genau hingesehen und hingehört hätten, das Knirschen neuer Panzerketten und der auf dem Asphalt Unter den Linden explodierende Stechschritt einer immer aggressiveren Wehrmacht nicht zu überhören waren.
Es gibt im deutschen Kino, Ost wie West, nur wenige Spielfilme, die sich mit dem deutschen Widerstand auseinander gesetzt haben. Das Wort "Widerstand" taucht im 5. Band des Deutschen Sprichwörterlexikons von 1880, herausgegeben von Karl Friedrich Wilhelm Wander, interessanterweise nur einmal auf und wird so ausgelegt: "Je mehr Widerstand, um so mehr Fortgang." Vor dem "Widerstand" kommt das "Widersprechen", ein Wort oder besser eine Haltung, die Wander aus dem Französischen übersetzt mit dem bemerkenswerten Satz: "Wer nicht widerspricht, stimmt zu."
Der Widerstand des 20. Juli 1944 war der neu gegründeten Bundesrepublik über viele Jahre suspekt, weil vielen nach der totalen Kapitulation der Gedanke "Widerstand gleich Verrat" näher lag. Hitler war nach der Niederlage des "Dritten Reiches" und seinem Selbstmord noch lange nicht tot. Die Langzeitwirkung seiner Worte hatte er genau berechnet, auch die, welche er nach dem missglückten Attentat persönlich ins Mikrofon des Reichsrundfunks sprach: "Es ist ein ganz kleiner Klüngel verbrecherischer Elemente, die jetzt unbarmherzig ausgerottet werden!"
In seiner bereits erwähnten Rede vom 26. Juli 1944 im Großdeutschen Rundfunk, die von 20.15 bis 21 Uhr von allen Sendern übertragen wurde und am 27. Juli, leicht überarbeitet, im "Völkischen Beobachter" abgedruckt wurde, beschwor Goebbels das deutsche Volk, sich hinter den "Führer" zu stellen, denn er wusste wohl, dass der von Hitler denunzierte, "ganz kleine Klüngel verbrecherischer Elemente" etwas ganz anderes war, nämlich die Spitze einer Widerstandsbewegung, in der alle Schichten vertreten waren: Arbeiter, Bauern, Intellektuelle, Künstler, Aristokraten, Vertreter des Großbürgertums, Wissenschaftler, Pfarrer, Bischöfe, Priester, Soldaten, Offiziere, Generäle, Wirtschaftsführer, Geheimdienstler, Kommunisten, Gewerkschaftler und Sozialdemokraten. Sie alle waren bereit, ihr Leben zu geben, um Deutschland und Europa vor einer politischen Verbrecherbande und ihren Welteroberungsplänen zu retten. Claus Schenk Graf von Stauffenberg steht für diese Gruppe: Die Widerspiegelung seiner Tat und seiner Zeit als "Aufstand des Gewissens" im deutschen Film ist deshalb nicht nur von filmpolitischem Interesse.
Das Thema "Widerstand und Antifaschismus" war in der DDR Staatsdoktrin, allerdings auf einem historisch schmalen Grat. Es ging vor allem um den kommunistischen Widerstand, in dem sich die wichtigsten Mitglieder der Partei- und Staatsführung ihre Biographien bestätigen und politisch legitimieren ließen. Der sozialdemokratische Widerstand fand immerhin Erwähnung; das Thema "Graf Stauffenberg und der 20. Juli 1944" stand bis 1981 nicht zur Debatte - jedenfalls nicht im Kino und auch nicht im Fernsehen.
Hingegen gab es in der Bundesrepublik bereits 1955 eine erste künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema. In "Es geschah am 20. Juli" (Regie: G.W. Pabst) besetzte der 36 Jahre alte Bernhard Wicki die Rolle des Stauffenberg. Im "Lexikon des Internationalen Films" heißt es dazu: "G.W. Pabst rekonstruiert das Geschehen chronologisch und minutiös, bis zur standrechtlichen Erschießung des Obersten, zeigt sich dabei redlich um historische Genauigkeit bemüht, verliert über den vielen äußeren Details aber die vielfältigen Anliegen der Widerstandsbewegung, vor allem die mit dem Attentat verbundenen Gewissenskonflikte, aus den Augen. Die Geschichte des fehlgeschlagenen Attentats wurde zur gleichen Zeit auch von Dr. Falk Harnack, selbst Mitglied des deutschen Widerstandes, filmisch nacherzählt. Der Vergleich beider Filme durch die Kritik fiel überwiegend zugunsten Harnacks aus."
In seiner Biographie "Jenseits der Brücke. Bernhard Wicki - Ein Leben für den Film", schreibt Richard Blank: "Filme, die sich kritisch mit der Nazizeit und dem Krieg auseinander setzten, kamen beim Publikum nicht recht an. Weder Laslo Benedeks "Kinder, Mütter und ein General" (1954) noch Georg Wilhelm Pabsts 'Es geschah am 20. Juli' (1955) hatten ein großes Publikum." Wicki zog daraus seine künstlerische Konsequenz, indem er fortan selbst Regie führte und 1959 mit dem Antikriegsfilm "Die Brücke" ein Werk schuf, das inzwischen zur Filmklassik gehört. "Ein Film ist kein Essay zur Verbesserung der Menschheit und keine moralische Veranstaltung. Der Autor des Films, also der, der den Stoff und die Machart des Films bestimmt, folgt seinem inneren Material, das er möglichst stimmig nach außen bringt, in Bilder und Dialoge umsetzt. Erst im Abstand kann er, wenn nötig, seinen Film von außen betrachten und zu rationalen Erklärungen ansetzen."
Während G.W. Pabst "Es geschah am 20. Juli" drehte, verfilmte Kurt Maetzig in den Babelsberger Studios der DEFA das zweiteilige Epos "Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse" und "Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse." Schon 1949 war bei der DEFA die Idee entstanden, den von den Nationalsozialisten im KZ Buchenwald ermordeten einstigen Vorsitzenden der KPD mit einem biographischen Film zu ehren. Maetzig, ein Schüler von Wolfgang Staudte, wäre heute um ein großes Filmwerk reicher, wenn ihm die DEFA einen Film über Stauffenberg angeboten hätte. Aber merkwürdigerweise spielte diese Problematik, die doch so nahe lag - 1954 hätte die DEFA mit einem solchen Film nach zehn Jahren das Attentat auf Hitler als "einen Aufstand mutiger Männer, die hofften, dass sich ihnen das deutsche Volk anschließen wird", ehren können -, nie eine Rolle.
Rudolf Jürschik, Chefdramaturg der DEFA von 1977 bis 1990, weiß zu berichten, dass das Thema 20. Juli 1944 auch zu seiner Zeit nicht zur Debatte stand. "Es gab Überlegungen", erinnert er sich, "mit einem sowjetischen Autor einen Film über General Paulus zu produzieren. Es gab auch den Vorschlag, im Sinne der Preußen-Welle, einen Film über Friedrich den Großen zu drehen. Über diese Linie wäre sicher das Umfeld 'Ethos des preußischen Offiziers' berührt worden, bis hin zum Nationalkomitee Freies Deutschland, aber das Thema '20. Juli 1944' war kein Schwerpunkt, wohl auch deshalb, weil wir Sorgen hatten, daß wir damit keine Zuschauer erreichen."
Zwischen 1970 und 1990 bestand das Kinopublikum der DDR zu rund 90 Prozent aus Zuschauern zwischen 14 und 24 Jahren - eine Generation, die zu den Jahren 1933 bis 1945 keine Beziehung hatte. 1971 verfilmte Horst Brandt nach einem Buch von Wera und Klaus Küchenmeister "KLK an PTX - Die Rote Kapelle". Der Film nahm eine Verlagerung der Fakten und Emotionen vor und stellte die besondere Rolle der Kommunisten im Widerstand heraus. Er wurde aber auf der Leinwand kein Erfolg, was zu einer Absprache zwischen dem ZK der SED und dem Kulturministerium der DDR führte, die Thematik nicht noch einmal anzugehen.
"Operation Walküre"
Am 18. und 20. Juli 1971 sendete die ARD das zweiteilige dokumentarische Fernsehspiel "Operation Walküre" von Autor Helmut Pigge und Regisseur Franz Peter Wirth. "Heute noch erscheint es mir wie ein Wunder", schrieb Pigge im ARD-Pressedienst, "daß ich diesen schwierigen, komplexen Stoff überhaupt in den Griff bekam - die Entwicklung zog sich über etwa drei Jahre hin. Wir haben den authentischen Ablauf des 20. Juli 1944 an den Originalschauplätzen verfolgt, auf verschiedenen Ebenen mit gegenläufiger Bewegung sozusagen, den aktenkundigen Berliner Stätten, im ehemaligen Führerhauptquartier Wolfsschanze (heute Polen), im Hotel Majestic in Paris (jetzt Tagungsort der Vietnam-Konferenz), im Schloß La Roche Guyon (ehemaliges Hauptquartier General Rommels) und im damaligen Wehrkreiskommando XVII am Stubenring in Wien (heute Ministerium für Industrie, Handel und Gewerbe)."
"Operation Walküre", ursprünglich als legaler Alarmplan für das Heimatheer konzipiert, wurde von den Männern des 20. Juli bekanntlich später "umgearbeitet". Im Gegensatz zu Pseudodokumentationen der vergangenen Jahre, die vor allem die Figur Stauffenbergs in einseitiger wie freizügiger Kinomanier interpretierten, wird hier erstmals der dokumentarische Versuch unternommen, die Geschehnisse jenes Tages minuziös zu rekonstruieren. Dazu bedurfte es detektivischer Methoden. Franz Peter Wirth: "In jenem Haus in Berlin-Lichterfelde, in dem einst Generaloberst Beck, das geistige Haupt des Widerstandes, wohnte - damals Goethestraße 9, heute Goethestraße 24 -, befindet sich inzwischen das Schlafzimmer einer Berliner Familie. Und in Stauffenbergs ehemaligem Haus in Wannsee lebt jetzt ein junges Architektenehepaar. Eine Gedenktafel befindet sich an keinem der Häuser - es war eine ungeheure Begegnung mit der Vergänglichkeit." Helmut Pigge steuerte ein weiteres melancholisches Detail bei: "Als wir im Pariser Hotel Majestic drehten (wir brauchten eine Sondergenehmigung des französischen Außenministeriums dazu), war eine weitere wichtige Zeugin zugegen, die wir als Interview-Partnerin vor die Kamera holen konnten: Freifrau von Pöllnitz, geb. Komtesse Podewills, damals Sekretärin des deutschen Militärbefehlshabers in Frankreich, General Stülpnagel, die bei der Wiederbegegnung der alten Arbeitsstelle feststellte: 'Die Tür quietscht noch immer - wie vor 25 Jahren.'"
"Dieser Tag war ein ganz entscheidendes Ereignis in unserer jüngsten Geschichte", so Wirth, "und wir hoffen, mit unserer Dokumentation ein für allemal das Odium der 'Verräter' von den Männern des 20. Juli zu nehmen, das ihnen in den Augen mancher Zeitgenossen offenbar noch immer anhaftet. Schließlich war fast der ganze preußische Adel in die 'Operation Walküre' verwickelt - hier gab er seine letzte große Vorstellung, bevor er von der Bühne der Geschichte abtrat."
Die zweiteilige Dokumentation "Operation Walküre" beginnt mit einer Wochenschau, die den Erfolg der Operation und die Ablösung Hitlers verkündet. Dieser fiktive Ausgang wird verknüpft mit einer Straßenbefragung, bei der Joachim Fest Passanten um Auskunft darüber bittet, was sie, gut 25 Jahre danach, über den 20. Juli 1944 wissen. Das Ergebnis erschüttert, weil es zu belegen scheint: Die Deutschen sind Meister im Auswechseln ihrer Fahnen, Parteiabzeichen und Lieder, im Abreißen geschichtsträchtiger Gebäude, im Verdrängen ihrer eigenen Geschichte.
Pigge und Wirth haben sich mit "Operation Walküre" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit ihrem unverstellten Zugriff auf historische Wahrheit verdient gemacht. Sie haben mit der künstlerischen Form des Dialogs zwischen Dokumentation und Spielhandlung den Weg geebnet für solche außergewöhnlichen Arbeiten wie etwa die im Jahre 2001 in der ARD gesendete dreiteilige Spielfilm-Dokumentation "Die Manns" von Heinrich Breloer. Dieser wird bei dem derzeit in Produktion befindlichen Film "Speer" u.a. sicher auf das Interview von Pigge und Wirth mit Albert Speer zurückgreifen, in dem Hitlers ehemaliger Rüstungsminister im ersten Teil von "Operation Walküre" darüber Auskunft gibt, dass er nach einem erfolgreichem Attentat an der neuen Reichsregierung hätte mitwirken sollen.
"Der Leutnant Yorck von Wartenburg"
Wahrscheinlich wäre in der DDR nie ein Film über den 20. Juli 1944 entstanden, wenn nicht innen- wie außenpolitische Zwänge geholfen hätten. Mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann im November 1976 entstand ein ungeheurer Druck auf die Staats- und Parteiführung. Die Intellektuellen, vor allem die Künstler, die sich fast alle dem antifaschistischen Verfassungsprogramm der DDR nahe wussten, konnten nicht begreifen, dass sich das Politbüro der SED mit dem Mittel der Ausbürgerung eines Instrumentariums bediente, das im "Dritten Reich" gang und gäbe war. Auch Stephan Hermlin geriet an den Rand seiner Loyalität zu Erich Honecker. Die Mitarbeiter der Staatssicherheit mussten hinter den Scheibenwischern von Hermlins Volvo Zettel "sichern", auf denen stand: "Bleiben Sie im Land" oder "Warum gehen Sie nicht?" Die Leitungsgremien der DEFA und des DDR-Fernsehens erhielten von Honecker persönlich den Auftrag, Hermlin im Land zu halten.
Von diesen hektischen Aktivitäten hinter den Kulissen der Macht wusste der Autor dieser Zeilen nichts, als er in der Akademie der Künste (AdK), dank Vermittlung durch den Leiter des Literaturarchivs der AdK, Ulrich Dietzel, auf Hermlin zuging, um ihm das Szenarium "Der Leutnant Yorck von Wartenburg" vorzulegen, mit der Bitte um Beurteilung. Hermlin war verstimmt: "Warum haben Sie mich nicht vorher gefragt, ob Sie meine Erzählung überhaupt bearbeiten dürfen?" Meine Antwort war naiv, aber ehrlich: "Daran habe ich nicht gedacht. Das Einzige, woran ich gedacht habe, war die Überzeugung, dass ich aus Ihrer Geschichte einen Film machen muß." Nach Lektüre meiner filmischen Adaption kam relativ rasch seine Zustimmung für eine Verfilmung. Die Leitung des Bereiches Dramatische Kunst unter Erich Selbmann im DDR-Fernsehen war elektrisiert. Frank Beyer, der mit dem DDR-Fernsehen wegen seiner Kritik an der Biermann-Ausweisung über Kreuz lag, wurde als Regisseur verpflichtet. Wir besichtigten gemeinsam die Hinrichtungsstätte in Berlin-Plötzensee, und wir nahmen in Berlin-Dahlem Kontakt auf zu Marion Gräfin Yorck von Wartenburg, die das Projekt unterstützte und uns an Rosemarie Reichwein und Freya von Moltke weiter vermittelte.
In seiner Autobiographie "Wenn der Wind sich dreht" schreibt Frank Beyer unter dem Kapitel "Die trüben Achtziger": "Ein nächstes Projekt, ein Film nach Anna Seghers Roman 'Transit', kam nicht zustande, weil Anna Seghers die Verfilmungsrechte dem französischen Regisseur René Allio versprochen hatte. Aus dem Fernsehen der DDR, bei dem ich ja weiterhin fest angestellt war, kam in fünf Jahren ein einziges Stoffangebot, nämlich 'Der Leutnant Yorck von Wartenburg'. Ich schätzte diese Erzählung von Stephan Hermlin, wusste aber nicht, wie ich sie in den Film übertragen sollte. So mußte ich den Stoff zurückgeben."
Der Film entstand trotzdem. Unter der Regie von Peter Vogel spielte Alexander Lang vom Deutschen Theater Berlin die Hauptrolle. Außerdem wirkte Günter Haubold mit, einer der renommiertesten Kameramänner der DEFA. Der Film wurde in den Niederlanden, in Moskau und in den Babelsberger Studios der DEFA gedreht. Nach seiner TV-Premiere am 22. November 1981 öffnete sich plötzlich eine Tür. Zum ersten Mal wurde in der DDR der Widerstand der deutschen Aristokratie gegen Hitler - wenn auch fiktional, auf der Basis von Literatur - filmisch gewürdigt. Stephan Hermlin identifizierte sich mit der künstlerischen Sicht der Filmemacher. Auch Marion Gräfin Yorck von Wartenburg signalisierte ihre Zustimmung. In einem Interview für die AdK-Zeitschrift "Sinn und Form" betonte sie: "Für mich ist natürlich alles sehr aufregend. Wenn überhaupt jemand erscheint, der seinen Namen hat und auch dieses Schicksal - das hat mich doch sehr aufgeregt. Ich fand den Film überhaupt gut gemacht. Auch den Anfang und auch die dramatische Spannung." Auf die Frage von Ulrich Dietzel: "Was würde man sich an Wirkung durch diesen Film wünschen müssen?" antwortete sie: "Das ist der Einsatz, die Opferbereitschaft, bis zur letzten Konsequenz für seine Überzeugung einzutreten. Es war immerhin das Leben, das er gab."
Im April 1984 fuhr ein Filmteam unter der Leitung von Hans Bentzien mit Freya von Moltke und Rosemarie Reichwein zu Dreharbeiten für den Dokumentarfilm "Wir haben nichts zu bereuen" nach Krzyzowa/Polen, dem ehemaligen Kreisau, auf das Schloss von Helmuth von Moltke. Der Film bediente sich, wie "Operation Walküre", fiktionaler und non-fiktionaler Mittel und gestaltete das Geschehen um den "Kreisauer Kreis" nach, der eine der wichtigsten Widerstandsgruppen im Vorfeld des 20. Juli 1944 war. Krzyzowa glich einer Ruine. Die mächtigen Dachbalken lagen zerbrochen auf der Schlosstreppe. Im Foyer gackerten die Hühner. Die Wirtschaftsgebäude waren halb verfallen. Das Berghaus, historischer Ort des Widerstandes, war von Brettern vernagelt. Trotzdem lag während der gesamten Zeit der Dreharbeiten eine große Hoffnung über dem Ort.
Die Gespräche in unserem kleinen Hotel in Walbrzych mit Freya von Moltke und Rosemarie Reichwein gingen bis tief in die Nacht. Auf die Frage nach den politischen Zielen des Kreisauer Kreises antwortete Freya von Moltke: "Zunächst muß ich von seinem Ursprung sprechen. Der Ursprung war sozusagen eine Nottat von Menschen, die im Dritten Reich leben mußten, die nicht absehen konnten, wie das enden würde, und wünschten, daß es enden solle, aber nichts dazu tun konnten, unmittelbar, daß es ende, und doch weiterleben mußten, bis es dann soweit war. Diese Menschen haben sich zusammengefunden und darüber gesprochen, wie es aussehen könnte und müßte und sollte, wenn es einmal vorüber war. Das ist der Ursprung. Das kommt nun von meinem Mann: Wenn man einen gemeinsamen Gegner hat, dann kann man sich eher zusammentun und besser zusammentun, auch wenn man verschiedener Ansichten ist, als wenn man sich gegenübersteht. Und so hatte mein Mann von vornherein den Gedanken, daß man, wenn man sich über diese Zeit später Gedanken macht, Menschen zusammenbringen muß, gemeinsame Gegner, die aber an sich ganz verschiedener Ansicht sein können. Also, er hat die verschiedenen Meinungen derer, die miteinander sprachen, ganz bewußt eingesetzt, weil er sich sagte, wenn sie miteinander sprechen, dann überwinden sie manche ihrer Vorurteile und vielleicht kommen wir dann weiter. So fanden sich im Kreisauer Kreis nicht ganz und gar verschiedene, aber doch sehr anders denkende Menschen, die jedenfalls von anderen Voraussetzungen ausgingen, auch andere Vergangenheiten hatten. Es waren im Grunde alles Männer, die für die Weimarer Republik gewesen waren. Sie hatten sie bejaht. Aber sie sahen die Fehler der Weimarer Republik. Sie fragten sich, warum ist es denn so schief gegangen? Wenn Sie die Verfassung von Weimar lesen, sie ist fast ideal. Sie müßten denken, daraus kommt eine wunderbare Demokratie. Aber so war es doch nicht gelaufen. Und darum fragten sie sich, was müssen wir denn tun, daß so etwas nicht wieder passiert? Und sie sagten sich: man muß etwas schaffen, was die Deutschen zu Demokraten macht."
"Die Erste Reihe - Bilder aus dem Berliner Widerstand" nach den biographischen Skizzen von Stephan Hermlin lautete der Titel einer großen DEFA-Produktion, die 1987 im Auftrag des Fernsehens der DDR in Potsdam-Babelsberg, Berlin und Prag unter der Regie von Peter Vogel entstand, in der auch die Thematik des 20. Juli 1944 gestaltet wurde. Die Hauptrollen übernahmen Johanna Schall, Enkeltochter von Bertolt Brecht, Ulrich Mühe, Roman Kaminski und Dagmar Manzel. Im West-Berliner "Tagesspiegel" hieß es dazu: "Im November vorigen Jahres erfolgte die Erstsendung 'Die Erste Reihe', ein Fernsehfilm nach Stephan Hermlin von Eberhard Görner, ausgezeichnet mit dem 'Goldenen Bildschirm 1987' und seit Jahren eine der besten Produktionen aus Adlershof, wert, von ARD und ZDF eingekauft zu werden. Anlaß, die Lebensläufe von sechs Berliner Widerstandskämpfern nach kurzer Zeit erneut zu senden, war das Datum: Der zweite Sonntag im September ist der 'Internationale Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors' - und kein anderes Programm wäre dieses Tages würdig gewesen."
Aus einem Mosaikstein wie dem Film "Der Leutnant Yorck von Wartenburg" entstand ein die DDR-Gesellschaft erfassender politischer Wandel, der zu einer radikalen Erweiterung des Themas "20. Juli 1944" führte und eine Diskussion über Zivilcourage, Macht und Geist, Diktatur und Individuum beförderte. In evangelischen und katholischen Zeitschriften wurde über den Widerstand der Kirchen zwischen 1933 und 1945 reflektiert und nachgewiesen, dass bei vielen wichtigen Protagonisten des Kreisauer Kreises die Kraft zum Widerstehen aus ihrem christlichen Glauben kam, wie es Clarita von Trott zu Solz in einem Gespräch für den "Standpunkt" bestätigte.
Bestandsaufnahme und Defizite
Am 19. Juli 1990 strahlte der Deutsche Fernsehfunk (DFF) der untergehenden DDR die Sendung "Briefe an Freya" aus. Auf Einladung des DFF las Gräfin von Moltke in den Kammerspielen des Deutschen Theaters die Briefe ihres Mannes Helmuth James von Moltke, die er vor seiner Hinrichtung als antifaschistischer Widerstandskämpfer, "als Verschwörer im Geist, als aristokratischer Citoyen und religiöser Weltbürger" an sie geschrieben hatte. Die Aufzeichnung des DFF stellt ein einmaliges Dokument dar, denn Freya von Moltke hatte diese Briefe niemals zuvor vor Publikum gelesen und kommentiert. Es war eine Ausnahme, zu der sie sich auf Grund der Veränderungen in Deutschland gegenüber den Menschen in der DDR verpflichtet fühlte, ein Ausdruck ihrer Verbundenheit, aber auch ein Ausblick auf eine Zukunft, in der die deutschen und europäischen Visionen ihres Mannes Realität werden könnten.
Freya von Moltke ergänzte die Lesung der Briefe durch sehr persönliche, zeitgenössische Kommentierungen. Sie wurde musikalisch begleitet durch ihre Schwägerin, die amerikanische Pianistin Veronica Jochum von Moltke. Mit dieser Fernsehsendung machte eine Zeugin unseres Jahrhunderts die Erinnerungen an den 20. Juli 1944 zur lebendigen Hoffnung auf eine europäisch geprägte Erneuerung in ganz Deutschland, getragen von adliger Gesinnung, christlicher Ethik und demokratischer Verantwortung.
Der Umgang mit dem 20. Juli 1944 ist für das politische Ethos des wieder vereinten Deutschlands und für sein Geschichtsverständnis von kaum zu überschätzender Bedeutung. Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten wurden die Defizite deutlich, die das Thema widerspiegelt. Noch in der alten Bundesrepublik war zwar der erschütternde Spielfilm "Die Weiße Rose" (1982) von Michael Verhoeven und Mario Krebs entstanden, aber es gab keine filmische Bearbeitung des Lebens von Helmuth James Graf von Moltke, den geistigen Kopf des Kreisauer Kreises. Immerhin entstand 1999 der von der Berliner Neue Filmproduktion in Co-Produktion mit dem kanadischen Fernsehen hergestellte, beeindruckende Kinofilm "Bonhoeffer" mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle. Aber es gibt nach wie vor keinen Film über Bernhard Lichtenberg, den Domprobst an der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Es wurde auch noch kein Spielfilm gedreht über den Heldenmut der Frauen, die an der Seite ihrer Männer entscheidend dazu beitrugen, dass diese die Kraft zu ihrer Tat fanden, ich denke an Freya von Moltke, Barbara von Haeften, Clarita von Trott zu Solz, Charlotte von der Schulenburg, Marion Gräfin Yorck von Wartenburg, Annedore Leber, Rosemarie Reichwein, um nur einige zu nennen.
Ohne das unermüdliche Wirken Freya von Moltkes gäbe es die Internationale Jugendbegegnungsstätte Krzyzowa/Kreisau in Polen nicht. Der Wert filmischer Dokumentationen wie "Kreisau - Krzyzowa: vom Widerstand zum Dialog", 1996 im Auftrag des ORB entstanden, der den gemeinsamen Aufbau von Schloss Kreisau durch Polen und Deutsche festhält, zeigt sich heute. Anlässlich der Einweihung der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Krzyzowa durch Bundeskanzler Helmut Kohl und Polens Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki im Jahre 1997 produzierte der Bayerische Rundfunk den Dokumentarfilm "Freya von Moltke - Von Kreisau nach Krzyzowa". Beide Dokumentationen erreichten in der ARD Tausende von Zuschauern und halfen mit, das Thema "20. Juli 1944" im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten.
In diesem Film geben Rosemarie Reichwein, Barbara von Haeften und Clarita von Trott zu Solz Auskunft über ihren Beistand für ihre Männer, die zum großen, geistig entscheidenden Kreis des Widerstandes gegen Hitler gehörten. Clarita von Trott zu Solz, die nach dem Attentat in Berlin inhaftiert wurde, beschreibt in ihren "Erinnerungen an Harald Poelchau" eine andere mutige Frau, Reinhild von Hardenberg. Ihr Verlobter war Werner von Haeften. "Auf dem Gefängnishof ging vor mir", erinnert sich Clarita von Trott zu Solz, "Reinhild von Hardenberg, deren Vater, Graf von Hardenberg, sich zu erschießen versuchte, als er abgeholt wurde. Er hat den Krieg im Krankenhaus überstanden. Reinhild war ein junges, zwanzigjähriges Mädchen, die die Zelle neben mir bewohnte und mit der ich große Freundschaft schloß."
Der DFF strahlte am 18. Juli 1990 den 55-minütigen Dokumentarfilm von Kurt Seehafer über Carl Hans Graf von Hardenberg aus: "Auch er wollte Hitler stürzen." Bis zu jenem Zeitpunkt gab es in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin (West) kein Porträt dieses Mannes, dessen zukünftiger Schwiegersohn, Werner von Haeften, zusammen mit Stauffenberg die Bombe im Führerhauptquartier Rastenburg zündete. Seehafer beschreibt, wie es zu diesem Film kam: "Seit langem ist es Ehrgeiz der Fernsehpublizistik, die mutigen Männer und Frauen des deutschen Widerstandes, insbesondere des 20. Juli 1944, ins rechte Licht zu setzen. Persönlichkeiten wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Friedrich Olbricht, Henning von Tresckow, Helmuth James Graf von Moltke, Peter Graf Yorck von Wartenburg und Adolf Reichwein wurden inzwischen filmisch gewürdigt. Wenigstens zwei Jahre lang trage ich mich mit dem Gedanken, einen Dokumentarfilm über Carl Hans Graf von Hardenberg zu machen. (...)
Carl Hans Graf von Hardenberg war ein Preuße reinen Blutes, seit 1921 als Standesherr in Neuhardenberg (jetzt Marxwalde, Kreis Seelow) mit über 7000 ha einer der mächtigsten Großgrundbesitzer des Landes Brandenburg (...). Wir haben viel gesucht und manches Einmalige gefunden: neben bisher unveröffentlichten Fotos und anderen Dokumenten in Privatbesitz das Original autobiographischer Notizen des Grafen im Zusammenhang mit dem 20. Juli, geschrieben Sylvester 1945. (...) Zu einer Verhandlung vor dem so genannten Volksgerichtshof ist es wegen des Vormarschs der Roten Armee nicht mehr gekommen. Carl Hans Graf von Hardenberg wurde zweimal enteignet: im September 1944 durch die Gestapo, im September 1945 durch die Bodenreform in der Provinz Mark Brandenburg. Aber: Er war ein Mann des 20. Juli."
Kurt Seehafer und der Regisseur Jürgen Eike erlebten am 20. Juli 2003 gemeinsam mit Reinhild von Hardenberg und anderen Zeitzeugen und Gästen im Großen Saal der Stiftung Schloss Neuhardenberg die Premiere des 60-minütigen Dokumentarfilms "Der Junker und der Kommunist" von Ilona Ziok, in dem anhand der Biografie von Carl Hans Graf von Hardenberg das Drama deutscher Geschichte zwischen 1933 und 1945 beleuchtet wird. Namen erzählen viel: Marxwalde heißt heute wieder Neuhardenberg.
Es gereicht der ARD zur Ehre, dass sie am 25. Februar 2004 den mit großem Aufwand von Autor und Regisseur Jo Baier gedrehten Fernsehfilm "Stauffenberg", in der Hauptrolle der kraftvoll spielende Sebastian Koch, gesendet hat. Der Intendant des SWR, Peter Voß, fasste zusammen, warum die ARD sich dieses Themas angenommen hat: "Das Besondere des Fernsehfilms 'Stauffenberg' liegt darin, dass er Geschehnisse nacherzählt, die dramatischer und tragischer nicht erfunden werden könnten. Für uns, die wir mehrheitlich in verlässlichen demokratischen Zusammenhängen leben, ist der Konflikt, in dem die Männer des Aufstands vom 20. Juli unentrinnbar steckten, schier unvorstellbar: sich selbst aufgeben, um der Gemeinschaft eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Heldenmut und Opferbereitschaft sind keine pathetischen Vokabeln - auch daran erinnert der Film 'Stauffenberg'. Im Geschichtenerzählen Werte vermitteln, im Nachbilden das Vergangene in die Zukunft retten: Es gibt historische Ereignisse, die nicht vergessen werden dürfen, weil sich in ihnen Momente unseres ethischen Selbstverständnisses erhalten. Dass es gelingt, solche Momente für eine breite Öffentlichkeit im Fernsehen erfahrbar zu machen, zeichnet 'Stauffenberg' aus und kann alle, die an der Herstellung des Filmes beteiligt waren, mit Stolz erfüllen."
Filme, das weiß jeder, ob Autor oder Regisseur, der sich diesem künstlerischen Medium verschrieben hat, brauchen einen langen Atem. Es ist schwer zu verstehen, dass sowohl der WDR wie auch der BR, ORB und SFB 2004 dem Vorschlag, anlässlich des 60. Jahrestages des 20. Juli 1944 einen Film über "Die Enkel des 20. Juli 1944" zu produzieren, eine Absage erteilten. Die Begründung lautete, dass die ARD sich für den Schwerpunkt "Militärischer Widerstand" entschieden habe. Dagegen ist nichts zu sagen, aber von Interesse wäre es schon, in einer Dokumentation zu erfahren, dass die wenigsten "Enkel" noch in Deutschland leben: eine Elite, die ihr Wissen und Können den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Hongkong, Lateinamerika und Afrika zur Verfügung stellt. Ihre Eltern hatten Deutschland bald nach 1945 den Rücken gekehrt, weil sie seiner Fähigkeit, sich demokratisch zu erneuern, misstrauten.
Auf einer Tagung der "Stiftung 20. Juli 1944" in Kreisau/Krzyzowa 2003 zum Thema "Peter Yorck von Wartenburg" war ich mit meinem Film "Der Leutnant Yorck von Wartenburg" in Anwesenheit von Freya von Moltke eingeladen. Ich traf Felicitas von Aretin, eine Enkelin von Henning von Tresckow, und erzählte ihr von meinem "Enkel-Film-Projekt". Sie schlug vor, ihr Buchprojekt zur Grundlage zu nehmen; es finde sich aber kein Verlag, der Interesse zeige. Da konnte ich helfen. Nach der Wende gründete Elmar Faber, bis 1990 Direktor des Aufbau-Verlages und des Verlages Rütten & Loening, in Leipzig den Verlag Faber & Faber. In der DDR wurden auch die Erzählungen von Stephan Hermlin bei Aufbau verlegt. Wir fuhren nach Leipzig, und das Gespräch verlief positiv.
Wie kommentierte Willy Brandt am 10. November 1989 den Mauerfall? "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört." Leicht verändert lautet seine These: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen wachsen will." Das trifft im Besonderen auf die Auseinandersetzung mit dem 20. Juli 1944 zu.