Einleitung
In einem gerade heute wieder lesenswerten Beitrag "Der große Wirtschaftssturz von 1930" schrieb John Maynard Keynes (1883-1946): "Die Welt hat nur langsam begriffen, daß wir dieses Jahr im Schatten eines der größten wirtschaftlichen Zusammenbrüche der neueren Geschichte leben. Aber während sich der Mann auf der Straße jetzt dessen bewußt ist, was geschah, ist er, in Unkenntnis über das Warum und Woher, jetzt ebenso voll von vermutlich übertriebenen Ängsten, während ihm ein Maß an vernünftiger Furcht fehlte, als sich die ersten Störungen zeigten."
Keynes blieb Optimist, wenn er festhielt: "Wir sind ge-nauso fähig wie vorher, für jedermann einen höheren Lebensstandard zu sichern - höher, meine ich, verglichen mit etwa zwanzig Jahren vorher - und wir werden bald lernen, uns eine noch höhere Lebenshaltung zu leisten." Doch er merkte auch an: "Aber heute haben wir uns in einen riesigen Wirrwarr verstrickt, haben gefehlt in der Herrschaft über eine feinfühlige Maschine, deren Arbeitsweise wir nicht verstehen. Das Ergebnis ist, daß unsere Wohlfahrtsmöglichkeiten ins Leere laufen, vielleicht für eine lange Zeit."
Keynes und die Keynesianer
Angesichts der Aktualität dieser Aussagen kann es nicht verwundern, dass der Geist des Keynesianismus wieder aus der Flasche gekrochen ist. Der Ruf nach ausladenden Konjunkturprogrammen stößt zunehmend auf offene Ohren. Schon im amerikanischen Wahlkampf überboten sich Republikaner und Demokraten mit Ideen, wie mit staatlichen Nothilfen die Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten sei. Aber nicht nur in den USA, auch in Europa feiert der Keynesianismus eine Wiedergeburt. In Frankreich plädiert Präsident Nicolas Sarkozy ungeniert für eine von den Regierungen gelenkte Geldpolitik, für eine anti-zyklische Fiskalpolitik und eine (national-) staatliche Industriepolitik. Waren in Deutschland die Stimmen lange in der Minderzahl, die nach mehr Keynesianismus in der Wirtschaftspolitik gerufen haben, erhalten sie in jüngster Zeit stetig mehr Unterstützung. Aber je dramatischer die schlechten Konjunkturnachrichten werden, umso lauter werden die Forderungen, die Geldschleusen zu öffnen und mit einer aktiven Finanzpolitik das wirtschaftliche Wachstum zu stützen. Mancher reibt sich angesichts des plötzlichen Keynes-Revivals verwundert die Augen. Denn bis vor Kurzem galt Keynes als derjenige, dessen Staatsgläubigkeit ausufernde öffentliche Verschuldung, die hohen Inflationsraten sowie die steigende Arbeitslosigkeit der späten 1970er Jahre herbeigeführt habe und dessen Irrlehren in der modernen Wirtschaftswissenschaft zum Glück überwunden worden seien. Doch nun meinen viele, die heutige Krise habe die Neoliberalen vom Schlage eines Milton Friedman genau so gründlich widerlegt wie seinerzeit das Phänomen der Stagflation
Den heutigen Neokeynesianern muss man zunächst einmal zugute halten, dass sie im Vergleich zu früheren Ansätzen in ihrem Steuerungsanspruch um einiges zurückhaltender sind. Vordergründig akzeptieren sie für die lange Frist die Überlegenheit einer angebotspolitischen Agenda mit freien, deregulierten und privatisierten Märkten und einer Geldpolitik, die sich an nichts anderem als der Preisniveaustabilität zu orientieren hat. Es wird anerkannt, dass nachfrageorientierte Eingriffe nichts zu einem dauerhaft höheren Beschäftigungsniveau beitragen können. Genauso wird die für Generationen von Studentinnen und Studenten zum harten Pflichtstoff gehörende Phillipskurve (die eine unterstellte Beziehung zwischen Inflation und Beschäftigung beschreibt) modifiziert. Mit einer zu expansiven Geldpolitik werden langfristig nur höhere Inflationsraten und keine nachhaltigen Beschäftigungseffekte verursacht. Hintergründig aber geht es immer noch um big government, wie es mit der Forderung nach staatlicher Investitionslenkung bereits bei Keynes selbst angelegt ist. Im Rahmen einer neokeynesianischen Dreifaltigkeit sollen Notenbank, Regierung und Tarifpartner kooperativ den Konjunkturverlauf steuern. Im Deutschland der 1970er Jahre wurde mit dieser Politik einer "Globalsteuerung" von "Superminister" Karl Schiller experimentiert.
Bei aller mehr oder minder ausgeprägten Zurückhaltung bleiben auch noch die heutigen Neokeynesianer einer Spielart des Keynesianismus treu, die wenig damit zu tun hat, um was es Keynes eigentlich ging. So halten sie Rezepten die Treue, welche die Krise gerade wesentlich mit verschuldet haben. Soviel man heute von Keynes lernen kann, so skeptisch sollte man jenen Lehren begegnen, für die Keynes' Cambridger Kollegin Joan Robinson nur eine einzige Bezeichnung übrig hatte: Bastard Keynesianism. Angesichts der heutigen unkritischen Rückbesinnung auf keynesianische Rezepte sei mit aller Entschiedenheit festgestellt, dass es den Keynesianismus genau so wenig gibt bzw. je gegeben hat wie den Neoliberalismus, der von der öffentlichen Meinung heute so einhellig verteufelt wird.
Im Sinne einer fundierten Diskussion muss vielmehr innerhalb beider Lager zwischen unterschiedlichen Subströmungen differenziert werden. Im vorliegenden Beitrag wollen wir zunächst verschiedene Interpretationen eines Keynesianismus unterscheiden, von denen unserer Auffassung nach einige durchaus ein Comeback verdienen. Es erleben derzeit aber auch solche Spielarten ein Revival, die nach unserer Interpretation die Krise sogar mit verursacht haben. Um besser beurteilen zu können, inwieweit heute eine der Großen Depression der 1930er Jahre vergleichbare "keynesianische Situation" besteht, wollen wir uns anschließend näher mit dem "Warum und Woher" der aktuellen Krise beschäftigen. Dabei versuchen wir zu zeigen, dass auch und gerade die in den USA verfolgte vulgärkeynesianische Politik des (Staats- und Privat-)Konsums auf Pump das "riesige Wirrwarr" erst hat entstehen lassen. Und schließlich werden wir argumentieren, dass ausgerechnet einige der heute als "neoliberal" gebrandmarkten Grundprinzipien die aktuelle Krise hätten vermeiden oder mildern können und auch zur Vermeidung oder Milderung der unter gegenwärtigen Rahmenbedingungen schier unvermeidlichen künftigen Krisen einen wichtigen Beitrag leisten sollten.
Keynes ist tot, es lebe der Keynesianismus?
Der Umstand, dass seit John Maynard Keynes' Tod sehr unterschiedliche Interpretationen seiner Lehren kursieren, hat durchaus auch etwas damit zu tun, dass sich der Meister nicht sonderlich darum bemühte, seine Gedanken in unmissverständlicher Klarheit zu äußern. So schrieb Paul Samuelson, einer seiner berühmtesten "Schüler", über die 1936 erschienene General Theory of Employment, Interest and Money:
Innerhalb der Keynes-Interpretation lassen sich eine neokeynesianische und eine postkeynesianische Strömung voneinander unterscheiden, die sich jeweils in weitere Unterströmungen aufteilen. "Keynesianismus" bezeichnet eine Annäherung an den neoklassischen Mainstream in Form der "neoklassischen Synthese", die John Richard Hicks schon früh in Form des berühmten IS/LM-Schemas formuliert hat.
"Postkeynesianer" wiederum sind ein bunter Haufen dem Mainstream heftig widersprechender Ökonomen. Neben Marxisten und Anarchisten befinden sich hierunter auch radikale Subjektivisten wie der Hayek-Schüler George L. S. Shackle. Gerade im Werk des vom Mainstream ignorierten Shackle
In dieser Betonung der Rolle, welche die Unsicherheit für das Entstehen von Wirtschaftskrisen spielt, sehen wir den Kern dessen, was heute an der Keynes'schen Theorie wichtig ist. Aufgrund ihrer Unsicherheit orientieren sich die wirtschaftlichen Akteure häufig an den Handlungen ihrer Mitmenschen. Daraus resultiert regelmäßig ein Herdentrieb, der im Boom zu überzogenem Optimismus und in der Krise zu übertriebenem Pessimismus führt. Nicht zufällig setzt Keynes Krisentherapie in einer Situation an, in der eine pessimistische "Schockstarre" vorherrscht, so dass die wirtschaftliche Aktivität mehr oder weniger zum Erliegen kommt. Der Begriff, den Keynes für eine solche Situation prägte, zählte man für Jahrzehnte zur verstaubten Lehrbuchweisheit, während er heute wieder in aller Munde ist: "Liquiditätsfalle".
Eine Liquiditätsfalle ist dadurch gekennzeichnet, dass die Geldpolitik als Instrument zur Konjunkturbelebung ausfällt. Obwohl die Notenbank mit einem Zinssatz von nahe oder gleich Null (wie heute in den USA) Kredite nahezu kostenlos vergibt, will sich niemand zusätzlich verschulden. Konsum und Investitionen verfallen nicht mehr der süßen Verlockung "billigen Geldes". Verbraucher und Unternehmer wollen nicht heute kaufen oder investieren, wenn es morgen noch billiger werden könnte. Das lässt die Umsätze zurückgehen. Es wird auf Halde produziert. Als Folge wird die Produktion gedrosselt, und es entstehen neue Überkapazitäten. Die Arbeitslosigkeit beginnt zu steigen. Das wiederum dämpft noch einmal den privaten Konsum. Damit fällt der wichtigste Pfeiler der Konjunktur als Stütze der Binnennachfrage aus. Es kommt zu einer Depressionsspirale nach unten.
In der Liquiditätsfalle wird Geld gehortet statt ausgegeben. Es fließt in die Spekulationskassen statt in Transaktionen. Anleger wollen heute nicht einsteigen, weil mit Blick auf die derzeitige Nullzinsenpolitik die Notenbankzinsen in Zukunft nur noch in eine Richtung gehen können: nach oben. Wer also heute sein Geld in Zinspapiere anlegt, vergibt die Chance, später einzusteigen, wenn die Zinsen wieder steigen werden. Also wandert das Geld unters Kopfkissen statt in den Wirtschaftskreislauf. In der Liquiditätsfalle trifft zu, was John Maynard Keynes zu Zeiten der Großen Depression formulierte und in der Formulierung von Karl Schiller zum geflügelten Wort wurde: "Man kann die Pferde zum Brunnen führen, aber saufen müssen sie selber."
Zu Recht wird in diesem Umfeld die Geldpolitik mit einem Strick verglichen: Man kann mit einem Seil einen Ball zurückbinden. Hingegen lässt sich kein Ball von einem Strick anschieben. Genauso kann eine Notenbank durch Zinserhöhungen einen Konjunkturaufschwung bremsen, sie kann ihn aber nicht durch Zinssenkungen auslösen. Da braucht es mehr: zumindest die Erwartung, dass Preise und damit auch die Zinsen steigen. Erreichen kann er dies nur, so lehrte Keynes, indem er durch staatliche Ausgabenprogramme selbst für Nachfrage und damit indirekt auch für neues Vertrauen in die Zukunft sorgt.
Es ist vor allem dieses Szenario, das die Aktualität der Keynes'schen Analyse bedingt. Insoweit Keynes hier unstreitig Erkenntnisse lieferte, die helfen können, schwere Wirtschaftskrisen schneller zu überwinden, ist das heutige Keynes-Revival zumindest zum Teil berechtigt. Würde es sich auf diesen Aspekt seiner Lehren konzentrieren, gäbe es wenig dagegen einzuwenden. Doch es deutet immer mehr darauf hin, dass wir gerade Zeuge eines wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsels werden, das nicht nur auf ein partielles Keynes-Revival, sondern auf eine allgemeine Rückkehr des big government hinausläuft, wie wir es aus den 1960er und 1970er Jahren kennen. Gegen diesen "Vulgärkeynesianismus", dessen Anhänger im Zeitgeist des Machbarkeitswahns der 1960er und 1970er Jahre Keynes darauf reduzieren wollten, eine Anleitung für eine nach allen Regeln der Ingenieurskunst zu betreibende Globalsteuerung zu liefern, richtet sich unsere ordnungspolitische Kritik.
"Bastard-" und "Vulgärkeynesianismus"
Warum die Ingenieursphantasie der Globalsteuerung nie hat aufgehen können, haben Generationen von überwiegend neoklassischen Ökonomen seit den 1980er Jahren überzeugend begründet. In der akademischen Diskussion dürfte die "Revolution"
Inflation und Verschuldung statt Wachstum und Beschäftigung: Das waren auch die empirisch demonstrierten Ergebnisse vulgärkeynesianischer Wirtschaftspolitik der 1960er und 1970er Jahre. Dies bedeutet aber nicht, dass Keynes' Theorie der Krisenerklärung hieran Schuld trägt. Umgekehrt kann man "keynesianisch" fragen, wie mithilfe einer Theorie rationaler Erwartungen die aktuelle Krise erklärt werden könnte - zumal sehr ähnliche Überinvestitionsblasen erst vor kurzer Zeit (Japan 1991, New Economy 2001) schmerzhaft geplatzt sind, so dass selbst eine Theorie adaptiver Erwartungen (Lernen aus Erfahrung), eine schwächere Form "rationaler Erwartungen", einiges zu erklären hätte. Eine neoklassische Theorie, die davon ausgeht, dass die Wirtschaftsakteure künftige Ereignisse (zumindest im Durchschnitt, und effizient kontrolliert durch scheinbar enorm informations-effiziente Kapitalmärkte) korrekt vorhersehen, mag das Versagen vulgärkeynesianischer Politiken theoretisch erklären können. Als Theorie rationaler Erwartungen wird sie aber durch die wiederkehrende Entstehung von Spekulationsblasen selbst empirisch widerlegt.
Deshalb verdienen einige wichtige Erkenntnisse von Keynes selbst wieder Beachtung, der darauf hinweist, dass eine reine Logik rationaler Wahl bei perfekt geräumten Märkten eine letztlich ebenso kühne Phantasie ist, wie die Vorstellung, man könne die Gesetze des Marktes und der "Leidenschaft des Gelderwerbs"
Eine "keynesianische Situation"?
Die verschiedenen Kritiker von Keynes haben darauf hingewiesen, dass seine General Theory alles andere als "allgemein", sondern recht speziell sei.
Der klassische Gelehrtenstreit über die Gründe der Großen Depression kann hier nicht rekapituliert und noch weniger entschieden werden. Interessant bleibt aber die Frage: Ist die damalige Weltwirtschaftskrise mit der heutigen vergleichbar? Diese Frage hat vielerlei Aspekte. Zum einen stellt sich die Frage der Dimension der Krise. Aus heutiger Sicht kann man den Vergleich zur Großen Depression nur als alarmistisch bezeichnen. Damals ging in den USA oder in Deutschland das Sozialprodukt um über 30 Prozent zurück, und von Arbeitslosigkeit waren jeweils mehr als 30 Prozent der Arbeitsbevölkerung betroffen. Ungeachtet dieser wohl heute kaum zu gewärtigenden Dimensionen könnten immer noch (a) die Auslöser, (b) die aktuellen Symptome und (c) die notwendigen Rettungsmaßnahmen der aktuellen Krise keynesianisch gedeutet werden.
Die Auslöser der Krise weisen zur "keynesianischen Situation" freilich am allerwenigsten Vergleichbarkeiten auf. Bekanntlich ging Keynes von einer Krisensituation aus, die in den frühen 1930er Jahren durch das Zusammentreffen von ängstlicher Unsicherheit sowohl der Konsumenten als auch der Investoren erklärt werden kann - und die nach der Börsenkrise durch den gewählten Policy-Mix aus kontraktiver Geld- und Fiskalpolitik und grassierendem Protektionismus zur Weltwirtschaftskrise geriet.
Die aktuelle Krise weist weitgehend ganz andere Vorzeichen auf. In den USA, wo die Krise ihren klar bestimmbaren Ursprung nahm, herrschte genau das Gegenteil: eine vor allem durch eine expansive Politik des billigen Geldes ermöglichte und von ausländischem (vor allem chinesischen) Kredit beförderte Konsum- und Investitionsneigung, die seitens der Privaten und des Staates zu Ausgaben reizte, die durch eigene Ersparnisse schon lange nicht mehr gedeckt waren. Die Verschuldungsquote der Privathaushalte der USA stieg von 1980 bis 2006 von 50 Prozent des Bruttosozialprodukts auf etwa 100 Prozent. Von einer mangelhaften Konsumneigung oder keynesianischem "Angstsparen" kann sicherlich keine Rede sein. Auch für die Staatsausgaben in den USA (und anderswo) galt schon lange das Motto: buy now, pay later. Beides bildete sich im enormen Leistungsbilanzdefizit der USA ab, in einem Verbrauch "auf Pump", der von ausländischen Krediten, also Kapitalimporten, finanziert wurde.
Im Ergebnis kann man - grob - festhalten, dass genau die Mittel und Wege, die nach (vulgär-) keynesianischer Rezeptur den Weg aus der Krise der 1930er Jahre führen sollten, diesmal den Weg in die derzeitige Krise geführt haben. Tatsächlich kann man zeigen, dass nicht nur und vielleicht nicht einmal vor allem "Marktversagen" den Weg in die aktuelle Krise gebahnt hat, sondern (ausgerechnet in den scheinbar "neoliberal" geprägten USA) eine überexpansive Politik nach (vulgär-) keynesianischem Muster. So unbestritten das Versagen vieler Marktteilnehmer besonders auf den Finanzmärkten auch ist, so wenig darf der Anteil des Staates an der Krise übersehen werden.
Politikversagen als Auslöser der aktuellen Krise
Expansive Geldpolitik ist für Keynesianer des einfachen Makro-Lehrbuchs (noch einmal: mit Keynes selbst hat das nicht viel zu tun) ein probates Mittel, um die Volkswirtschaft wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Für neoklassische Protagonisten der "rationalen Erwartungen" ist dies bestenfalls nutzlos. Für "Österreicher" (z.B. Mises, Hayek
Die aktuelle Krise scheint genau diese, monetäre Auslöser der Krise in den Mittelpunkt stellende, Theorie eindrucksvoll zu bestätigen. Das hat viel mit Politik, aber wenig mit Ideologie zu tun. Im Stile eines - gleichzeitig marktliberale Rhetorik vertretenden - "Bastardkeynesianers" (und in krassem Gegensatz zu den Empfehlungen eines Milton Friedman) flutete der amerikanische Notenbankpräsident Alan Greenspan die Märkte immer dann mit Liquidität, wenn ein Abschwung zu befürchten war. Dabei war es spätestens nach der New Economy-Blase offenkundig, dass die überhitzte und überschuldete US-amerikanische Volkswirtschaft eine "Reinigungskrise" (im Sinne Schumpeters
Aber zusätzliche Liquidität versickert in einer Volkswirtschaft nicht einfach. Und es war kein Zufall, dass sie vor allem in den US-amerikanischen Immobilienmarkt floss, von dem die Krise dann auch ihren Ausgang nahm. Es gehörte zum sozialpolitischen Traum des Roosevelt'schen New Deal, auch jenen Amerikanern zu einem eigenen Heim zu verhelfen, die sich das eigentlich gar nicht leisten konnten. Dafür wurden die halbstaatlichen Banken Fannie Mae (1938) und Freddie Mac (1968) geschaffen; und dafür wurden Risikokredite auf vielfältige Weise staatlich gefördert. Beides, der Versuch, notwendige Strukturanpassungskrisen durch eine expansive Geldpolitik zu verhindern und ein staatliches Sozialbeglückungsprogramm gegen die Logik der Märkte zu verwirklichen, schuf erst jenes Umfeld, in dem private Akteure gehörig dazu beitragen konnten, dass Keynes' Depressionstheorie sich heute wieder steigender Beliebtheit erfreuen darf. Festzuhalten aber ist: Ausgelöst wurde diese Krise zu einem beträchtlichen Teil durch politische animal spirits, durch Konzepte, die wohl kaum im Sinne des pragmatischen Ökonomen John Maynard Keynes waren, durchaus aber im Sinne vieler Vulgärkeynesianer.
Und mehr noch: Als hätte man aus den Fehlern keynesianischer Politik nichts gelernt, lässt man in den USA heute wieder die alten Geister aus der Flasche. Mit der Politik des billigen Geldes, welche die massiven Ausgabenprogramme der US-Regierung begleitet, werden genau jene Rezepte erneut als Therapie angewendet, die ursprünglich Auslöser der Krise waren. So ist die nächste Blase nur eine Frage der Zeit. Das Leben auf Pump geht weiter. Der Kaufrausch findet neues, billiges Geld. Die Inflationserwartungen steigen. Irgendwann müssen die Zinsen erhöht werden, um den Inflationsdruck zu senken. Die nächste Krise ist damit vorprogrammiert.
Gegen diesen Vulgärkeynesianismus ließe sich somit zum Teil mit Keynes selbst sowie mit Teilen des Postkeynesianismus argumentieren. Aus den anderen Lagern könnten schließlich die Theorie rationaler Erwartungen
"Neoliberale" Alternativen
Wie für den Keynesianismus, so gilt auch für den Neoliberalismus: "Ismen" sind oft vereinfachende und nicht selten bösartige Zuschreibungen der anderen Seite. Innerhalb des Neoliberalismus muss vor allem zwischen den Lehren der Chicago School um Milton Friedman und dem deutschen Neoliberalismus eines Walter Eucken oder Wilhelm Röpke unterschieden werden. Während die "Chicago boys" als Reaktion auf Keynes tatsächlich einen weitgehenden Rückzug des Staates aus der Wirtschaft befürworteten, verstanden die deutschen Neoliberalen ihr Gesellschaftskonzept ausdrücklich als eine Art "dritten Weg" jenseits von Laisser-faire-Kapitalismus und Sozialismus. Auch ihre Ideen entstanden unter dem Eindruck der Großen Depression. Und Röpke demonstrierte in seinen konjunkturtheoretischen Schriften der frühen 1930er Jahre,
Anders als Keynes hüteten sich die deutschsprachigen Neoliberalen aber, aus einem Ausnahmeszenario gleich eine General Theory ableiten zu wollen. In einem waren sie sich mit Keynes indes einig: dass sich selbst überlassene Märkte durchaus nicht unter allen Umständen zu Stabilität und Selbstregulierung neigen. Das bedeutete für sie aber nicht, dass der Wirtschaftsprozess der permanenten wirtschaftspolitischen Lenkung oder gar einer "ziemlich umfassenden Verstaatlichung der Investition"
Mehr noch als Keynes
Nicht die viel kritisierte "Gier" der Bankmanager an sich war der entscheidende Grund für die Krise; sondern die Möglichkeit, Risiken zu verschleiern und zu verschieben. So wurde das Prinzip "Haftung" in den USA durch eine verhängnisvolle Mischung aus geldpolitischer Expansion, sozialpolitischem Dirigismus und laxer Regulierung der Kapitalmärkte außer Kraft gesetzt. Solche Krisen können künftig nur verhindert werden, indem der Staat der Wirtschaft eine Ordnung gibt, die für Transparenz sorgt und Fehlanreize minimiert, und sich ansonsten Eingriffen in den Wirtschaftsprozess so weit wie möglich enthält. Dazu gehört auch, die Geldmenge am Produktionspotential auszurichten und keine Sozialpolitik gegen die Gesetze des Marktes zu betreiben.
Die Lehren des John Maynard Keynes werden uns vielleicht kurzfristig helfen können, die derzeitige Krise zu mildern. Ihre Ursache aber ist weit eher in vulgärkeynesianischen Verwerfungen zu suchen als in neoliberalen Vorgaben. Es ist dringend erforderlich, dass sich alle beteiligten Akteure auf ordnungspolitische Grundsätze rückbesinnen, um solchen konstituierenden Prinzipien der Marktwirtschaft wie persönliche Haftung, stabiles Geld und verlässliche Politik wieder zu jener Geltung zu verhelfen, ohne die eine freie Marktwirtschaft langfristig nicht lebensfähig ist.