Einleitung
Seit den 1940er Jahren gilt Brasilien als das "Land der Zukunft" - Stefan Zweig hatte sein Exilland so bezeichnet, unter dem Eindruck seiner Größe, seiner Vielfalt und des weitgehend friedlichen Zusammenlebens von Einwanderern aus vielen verschiedenen Ländern und von ehemaligen afrikanischen Sklaven. In der Nachkriegszeit schien auch die wirtschaftliche Entwicklung diesem Bild zu entsprechen, denn eine rasche Industrialisierung, hohe Wachstumsraten und die Erschließung des Landesinneren für die Landwirtschaft und den Bergbau prägten die Zeit bis in die 1970er Jahre. Darauf folgten 20 Jahre der Instabilität und Stagnation, hoher Inflation, grassierender Korruption, wachsender Umweltverschmutzung und extremer Einkommensunterschiede. Besonders die Zerstörung Amazoniens, die Bedrohung der Lebensräume indigener Völker und die ausbleibende Verbesserung der Lebensbedingungen für die dort lebenden Menschen zogen in den 1980er Jahren internationale Aufmerksamkeit auf sich.
Heute steht Brasilien in der öffentlichen Wahrnehmung anders da: Das Land gehört zu den führenden zehn Volkswirtschaften der Erde; "The Economist" bezeichnete seine wirtschaftliche Entwicklung im November 2009 als "Lateinamerikas große Erfolgsstory". Die jährlichen Wachstumsraten liegen zwar unter fünf Prozent und damit deutlich unter denen von China und Indien, aber Brasilien ist es in den vergangenen fünf Jahren gelungen, seine Schulden beim Internationalen Währungsfonds zu begleichen, hohe Währungsreserven zu bilden, die öffentliche Haushaltsführung zu konsolidieren, die Steuereinnahmen zu steigern und die Armut zu verringern. Kürzlich entdeckte Erdölvorkommen vor der südlichen Küste des Landes - 40 Prozent der weltweit ungenutzten Offshore-Vorkommen - versprechen hohe zukünftige Einnahmen.
Diese ökonomische Erfolgsstory beruht auf dem Wachstum der Exporte und des Agrarsektors, einer Währungsreform Mitte der 1990er Jahre und einer Wirtschaftspolitik, die auf eine aktive Weltmarktintegration setzt, auf Privatisierung der großen Staatsunternehmen und auf Deregulierung des Arbeitsmarktes. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt liegt bei 25 Prozent, wenn man vor- und nachgelagerte Bereiche dazuzählt. Der Sektor wächst schneller als die Wirtschaft insgesamt und stellt 36 Prozent der Exporte.
Ein weiterer negativer Faktor sind die Umweltbelastungen, die mit dem brasilianischen Wachstum verbunden sind: Das Land gehört mit sieben Prozent der globalen Treibhausgasemissionen zu den vier größten Emittenten. Etwa 55 Prozent der brasilianischen Treibhausgasemissionen sind zurückzuführen auf die Entwaldung, die durch die Ausdehnung der Viehwirtschaft vor allem in Amazonien vorangetrieben wird und dort auch zum Biodiversitätsverlust beiträgt. Auf die Landwirtschaft sind etwa 14 Prozent der Emissionen zurückzuführen, vor allem wegen des hohen Viehbestandes. Sind diese Schattenseiten nur Nebenwirkungen, die mit der Fortsetzung des Modernisierungsprozesses der brasilianischen Wirtschaft behoben werden können, oder handelt es sich hier um systemische Fehlentwicklungen? Im September 2009 wurde in der Zeitschrift "Nature" ein Aufsatz mit der These veröffentlicht, dass "heute, vor allem wegen einer schnell wachsenden Verbreitung fossiler Energieträger und industrieller Formen der Landwirtschaft, die menschliche Naturnutzung ein Niveau erreicht hat, das die Systeme schädigen kann, die die Erde für menschliches Leben attraktiv machen. Das Ergebnis kann ein unwiderruflicher (...) Umweltwandel sein, der die Erde in einen Zustand versetzt, der mit menschlicher Entwicklung schwer vereinbar ist".
Brasilianische Klimapolitik
Der Ende 2008 vorgelegte nationale Plan zum Klimawandel sieht folgende Ziele und Maßnahmen vor:
Reduzierung der Entwaldungsraten in Amazonien um etwa 70 Prozent bis 2017; auf der Kopenhagener Klimakonferenz wurde angekündigt, diese Maßnahmen bis 2020 auszudehnen und damit eine Reduzierung von etwa 80 Prozent zu erreichen; zur Finanzierung wurde in der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES ein Amazonasfonds eingerichtet, der mit Zuschüssen aus Norwegen und Deutschland finanziert wird;
Erhöhung der Energieeffizienz um zehn Prozent bis 2030;
Erhaltung bzw. Steigerung des hohen Anteils von erneuerbaren Energien in der Stromversorgung: Bis 2030 sollen 11,4 Prozent der Stromproduktion durch Verbrennung von Bagasse, einem Abfallprodukt bei der Alkoholherstellung aus Zuckerrohr, gedeckt werden; die Wasserkraft soll vor allem in Amazonien ausgebaut werden, außerdem sollen die Anteile der Windkraft und der Photovoltaik gesteigert werden;
Ausbau des Verbrauchs von Agrartreibstoffen, vor allem Ethanol und Biodiesel;
Verringerung der Emissionen aus der Landwirtschaft, vor allem durch Veränderung der Anbaumethoden und die Wiederherstellung von Weideland.
Des Weiteren hat Brasilien in Kopenhagen angekündigt, einen Fonds mit fünf Milliarden US-Dollar aufzulegen, um Anpassungsmaßnahmen in klimatisch besonders bedrohten Entwicklungsländern zu unterstützen. Darüber hinaus bot es anderen amazonischen und afrikanischen Ländern die Nutzung seiner Satelliten für das Monitoring der Vegetationsdecke an. Außerdem sollen bis zu 20 Prozent der Mittel des genannten Amazonasfonds in anderen Amazonasstaaten investiert werden, um auch dort die Entwaldung zu reduzieren.
Mit diesem klimapolitischen Paket hat Brasilien auf die Beschlüsse reagiert, die 2007 auf der Klimakonferenz in Bali gefasst worden waren. Hier hatten sich auch die Entwicklungsländer zu emissionsreduzierenden Aktivitäten verpflichtet, was ein erhebliches Umdenken auch in der brasilianischen Außenpolitik signalisierte. Denn seit der ersten UN-Umweltkonferenz 1972 in Stockholm hatte Brasilien stets die nationale Souveränität anstelle einer gemeinsamen Verantwortung für den Schutz und die Bereitstellung globaler öffentlicher Umweltgüter betont. So hatte es zum Beispiel stets abgelehnt, seine Waldpolitik auf internationalen Foren zu thematisieren. Ein weiteres Prinzip war die Forderung nach Vorleistungen der Industrieländer und die Bindung der Leistungen von Entwicklungsländern an eine angemessene internationale finanzielle Unterstützung. Als Verursacher von Umweltschäden wurden - vermittelt über die globalen ökonomischen und politischen Machtungleichgewichte
Hier hat sich inzwischen ein Wandel vollzogen: Durch freiwillige nationale Maßnahmen, zu denen es sich allerdings international verpflichtet, leistet Brasilien nun aktive Beiträge zur Sicherung globaler öffentlicher Güter wie das Klima. Umweltziele sollten jetzt auch in Entwicklungsstrategien berücksichtigt werden, das heißt, Wachstum und Modernisierung werden nicht als vorrangig zu erbringende Leistung angesehen. Insgesamt erwartet die brasilianische Regierung, dass die genannten Maßnahmen bis 2020 zu einer Verringerung der Emissionen um mindestens 36 Prozent und maximal fast 39 Prozent gegenüber business as usual führen werden. Es ginge aber auch mehr: Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt, dass es möglich ist, die brasilianischen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren. Das größte Vermeidungspotenzial wird dabei mit 72 Prozent im Bereich der Entwaldung gesehen.
Klimapolitik vs. Wachstumsstrategie
Ende 2009 wurde in Brasilien eine Studie zur Ökonomie des Klimawandels veröffentlicht, die sich mit den Risiken für die brasilianische Wirtschaft befasst, die durch die Auswirkungen des Klimawandels entstehen. In ihr wurde auch berechnet, welche Auswirkungen die nationale Klimapolitik auf das Wirtschaftswachstum haben würde, und zwar auf Grundlage verschiedener, am Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) orientierter Szenarien. Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, dass eine Wirtschaftspolitik mit klimapolitischen Maßnahmen insgesamt zu einer höheren Wirtschaftsleistung führt als ohne; die Zunahme der Armut hätte in beiden Fällen ein so geringes Ausmaß, dass sie vernachlässigt werden kann.
Es gibt aber auch innerhalb des klimapolitischen Maßnahmenpakets Spannungen mit der bisher dominierenden Wachstumsstrategie, vor allem in Bezug auf die weitere Ausdehnung des Agrarsektors. Die entscheidende Frage der nächsten Jahre wird sein, wie stark der politische Wille zur Bekämpfung der Entwaldung wirklich ist. In den Expansionsstrategien privater und öffentlicher Akteure spielen Amazoniens Ressourcen eine wichtige Rolle, vor allem der Boden, die Bodenschätze und die Wasserkraft. Das Gebiet wurde in den 1960er Jahren durch den Bau von Überlandstraßen erschlossen. Die Erschließung wurde mit öffentlichen Mitteln finanziert und diente ihrer ökonomischen Inwertsetzung.
Seit den 1990er Jahren entwickelt sich die Entwaldungsdynamik unabhängig von öffentlichen Investitionen. Überlandstraßen werden zunehmend von kapitalkräftigen Sägewerksbesitzern, Viehzüchtern und Sojafarmern angelegt. Letztere haben dabei die großen Exportmärkte im Auge, da die brasilianischen Fleisch- und Sojaexporte seit der BSE-Krise in Europa stark zugenommen haben. Gegenwärtig ist Amazonien jedoch kein wichtiger Produktionsstandort für den Export. Nachdem die Savanne im Süden Amazoniens durch Bodenverbesserungen für den Sojaanbau erschlossen wurde, werden nun im Trockengebiet um Santarém in Zentralamazonien große Flächen gerodet. Die massive Ausweitung der Bioethanolproduktion auf Zuckerrohrbasis im Süden und Südosten des Landes trägt zur Verdrängung der Viehzucht in das Amazonasgebiet bei. Aber auch für die Produktion von Agrartreibstoffen wird Amazonien in den Blick genommen.
Die Maßnahmen der brasilianischen Bundesregierung zum Schutz des Amazonasgebietes vor Raubbau haben sich verbessert; zwischen den umweltpolitischen Plänen für Amazonien (Schutzgebiete) und den Plänen in der Energie- und Verkehrspolitik (Bau von Wasserkraftwerken, Gaspipelines, Straßen) gibt es jedoch Unstimmigkeiten. Nachdem die Entwaldungsrate 2002 und 2003 enorm gestiegen war, wurde ein interministerielles Maßnahmenpaket für die Bekämpfung der Entwaldung beschlossen. Umgesetzt werden davon bisher nur die Kontrollmaßnahmen des Umweltministeriums; Verbesserungen bei der Landtitelvergabe und der Umweltverträglichkeitsprüfung sind noch nicht erreicht. Die Reichweite und Effektivität der Maßnahmen der Bundesregierung wird dabei durch allgemeine Governance-Schwächen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung wesentlich beeinträchtigt.
Neuere Entwicklungen verschärfen die Spannungen: 2009 hat Präsident Lula da Silva die Nichtbeachtung der Auflagen für den Waldschutz für private Landeigentümer bis Ende 2011 straffrei gestellt. Anfang 2010 wurde der Bau des Wasserkraftwerks von Belo Monte, das 11000 Megawatt Strom generieren soll, am Fluss Xingu genehmigt. Obwohl die Stauseefläche im Vergleich zur Kapazität sehr gering ist, werden doch erhebliche Auswirkungen auf die flussabwärts gelegenen Ökosysteme erwartet. Hinzu kommt, dass dieser Bau die Anlage weiterer Staudämme nach sich ziehen kann - dies ist in den Originalplänen aus den 1980er Jahren vorgesehen und hat schon damals massiven Widerstand der indigenen Völker ausgelöst. Am Xingu befindet sich eines der größten Indigenenschutzgebiete Brasiliens: Dieses Gebiet wurde eingerichtet, nachdem im Zuge des Straßenbaus durch die Region ein bis dahin völlig zurückgezogen lebendes Indigenenvolk fast vollständig ausgerottet wurde. Die Asphaltierung dieser Straße (BR-163), einer inzwischen für den Sojaanbau und Export wichtigen Nord-Süd-Achse zwischen Santarém und Cuiabá, ist ebenfalls beschlossen.
An diesen Bauvorhaben wird sich zeigen, wie ernst es der brasilianischen Regierung mit dem Waldschutz ist - hier muss es ihr gelingen, die spontanen Zuwanderungs- und Entwaldungsprozesse zu verhindern, die bisher immer derartige Großprojekte in Amazonien begleitet haben. Dies erfordert zweierlei: Zum einen muss die Kontrolle von Schutzgebieten durch die Umweltbehörden und der Forstkonzessionen durch die Forstbehörde erheblich verstärkt und mit Kontrollen der Katasterämter integriert werden, um illegale Landnahme bzw. -nutzung zu verhindern. Gleichzeitig sind erhebliche Investitionen in die lokale Entwicklung nötig, also in den Ausbau und die Erhaltung lokaler Straßennetze in den Altsiedelgebieten, in deren Schulen und Gesundheitsversorgung, in lokale Stromnetze und in die Rechtssicherheit. Es geht darum, eine relativ kleine Anzahl von Menschen auf einer relativ großen Fläche besser bzw. angemessen zu versorgen. Eine Verbesserung der Lebens- und Wirtschaftsbedingungen in den bereits entwaldeten und besiedelten Gebieten Amazoniens könnte zum Schutz der restlichen Flächen beitragen.
2003 hatte sich Lula da Silva mit den Gouverneuren der amazonischen Bundesstaaten auf ein Programm zur nachhaltigen Entwicklung Amazoniens verständigt. In der mehrjährigen Investitions- und Budgetplanung der Bundesregierung (Plano Plurianual, PPA) und im Programm zur Wachstumsbeschleunigung (Programa de Aceleração do Crescimento, PAC) wurden vor allem Mittel für die Stromversorgung, Straßenbau, Wasserver- und Abwasserentsorgung in Amazonien vorgesehen. Die Mittel für die sozialen und umweltpolitischen Begleitmaßnahmen und die Entwicklung anderer amazonischer Regionen sind in den Budgets verschiedener Ministerien enthalten. Wesentlich für die Einhegung der negativen Umweltwirkungen des Ausbaus großer (nicht lokaler) Infrastrukturnetze wäre die sofortige Stärkung der Umweltverwaltung und des lokalen Rechtswesens. Das Umweltministerium hat jedoch zwischen 2005 und 2008 jährlich nur knapp 20 Prozent seiner Mittel für Amazonien auch wirklich ausgegeben, die Mittel für den Nordosten hingegen durchschnittlich zu etwa 44 Prozent.
Der Befund zu Amazonien ist nicht positiv. Wie steht es um die Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien? Bisher war die Verminderung von Treibhausgasemissionen eher ein sekundärer Nebeneffekt von anders motivierten Politiken:
Bei der Förderung von Ethanol (als Reaktion auf die Erdölpreisschocks von 1973 und 1979) und von Erdgas stand die Verbesserung der Energiesicherheit im Vordergrund (2000/2001 konnte das Energieangebot nicht mit der Dynamik des Wirtschaftswachstums mithalten und erforderte ein Rationierungsprogramm);
der Schutz und die Förderung einheimischer Industrien war ebenfalls ein starker Anstoß für die Förderung von Ethanol;
die Förderung der Landwirtschaft und der Regionalentwicklung im Nordosten steht hinter dem Programm zur Förderung von Biodiesel und
innovationspolitische Ziele sowie das Ziel der Effizienzsteigerung haben die Kraft-Wärme-Kopplung bei der Ethanolherstellung (Verbrennung von Bagasse) gefördert.
Im PAC sind 65 Prozent der Ausgaben für den Ausbau der Infrastruktur im Bereich des Erdgases und des Erdöls vorgesehen, die Beträge für Wind- und Sonnenenergie und Energieeffizienz sind weitaus geringer. Fraglich ist auch, ob es gelingen wird, die sekundären Effekte der Ausweitung der Ethanolproduktion zu begrenzen. Der Zuckerrohranbau verdrängt schon heute die Rinderzucht aus dem Süden nach Amazonien. Dieser Risiken sind sich zumindest Teile der brasilianischen Politik und Verwaltung bewusst. So wurde 2008 im brasilianischen Finanzministerium eine permanente Arbeitsgruppe zum Thema "Wirtschaftspolitik im Zeichen der brasilianischen Klimapolitik" eingerichtet, die umwelt- und marktwirtschaftliche Instrumente zur Umsetzung der brasilianischen Klimapolitik entwickeln soll. Zudem gibt es ein interministerielles Komitee zu Fragen des Klimawandels, dessen Spielraum jedoch sehr begrenzt zu sein scheint - diesen Schluss legt zumindest die Rücksichtslosigkeit nahe, mit der 2008/2009 die umweltpolitische Genehmigungsbehörde umgestaltet wurde, um die Umweltlizenzen für die Wasserkraftwerke in Amazonien durchzusetzen.
Wachstumsgefährdungen durch den Klimawandel
Mit der Veröffentlichung des IPCC-Berichts im Januar 2007 sind die Folgen des Klimawandels auch in Brasilien zum innenpolitischen Thema geworden. 2009 wurde mit finanzieller Unterstützung durch das britische Außenministerium von den führenden brasilianischen Forschungseinrichtungen eine Studie erstellt, in der die Risiken und Kosten der Auswirkungen des Klimawandels für verschiedene Sektoren berechnet wurden, insbesondere in den Bereichen Energie, Wasser und Landwirtschaft.
Die Auswirkungen des Klimawandels können die brasilianische Wirtschaftsleistung bis 2050 um 0,5 bis 2,3 Prozent verringern;
am stärksten werden die Amazonasregion und der Nordosten betroffen sein, also diejenigen Regionen, die bereits heute durch überdurchschnittlich hohe Armut geprägt sind;
in Amazonien kann es bis 2100 sieben bis acht Grad Celsius wärmer werden, 40 Prozent der gegenwärtigen Waldfläche würde dann zu Savanne, vor allem im Süden und Südosten des Amazonasgebietes;
im Nordosten werden die Niederschläge abnehmen und damit die landwirtschaftlichen Erträge sowie der Viehbestand; die Wassermenge der Flüsse kann zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 90 Prozent abnehmen;
wegen der steigenden Temperaturen werden die landwirtschaftlichen Erträge in ganz Brasilien beträchtlich sinken, eine Ausnahme bilden die kälteren Regionen im Süden und Südosten;
die Bereitstellung von Elektrizität wird schwieriger: Knapp 30 Prozent des Stromangebots wird nicht mehr sicher sein, vor allem wegen der Veränderung der Niederschläge im Norden und Nordosten; die positiven Veränderungen im Süden und Südosten werden diese Verluste nicht kompensieren können.
Fazit
Das Umdenken, das in den bisherigen klimapolitischen Zielen Brasiliens sichtbar wird, ist vor dem Hintergrund kumulativer negativer Umwelttrends auch in anderen Bereichen nicht ausreichend, weil die energiepolitische Planung bis 2030 von einer Verdoppelung der energiebedingten Emissionen gegenüber 2006 ausgeht. Die energiebedingten Pro-Kopf-Emissionen Brasiliens entsprechen heute bereits 7,5 Tonnen CO2 - nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ist erforderlich, dass in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Pro-Kopf-Werte unter zwei Tonnen erreicht werden, soll der Klimawandel auf zwei Grad Celsius begrenzt werden.
Der Ausbau der Wasserkraft in Amazonien ist mit großen Risiken behaftet - für die indigenen Völker, die Kleinbauern, die lokalen Ökosysteme, die Artenvielfalt und den Waldschutz. Dies sollte daher nicht das Mittel der Wahl sein, um die Energieversorgung zu verbessern. Die Steigerung der Energieeffizienz und die Reduzierung des Verbrauchs bergen noch viele Möglichkeiten, insbesondere im Bereich der Gebäude. Energieeffizientes Bauen findet sich weder in der nationalen Klimapolitik noch in der Studie zur Ökonomie des Klimawandels in Brasilien. Agrartreibstoffe als Lösung im Transportbereich sind sicher teilweise notwendig - aber auch hier sollten stärker als bisher kollektive Transportsysteme und der Ausbau des Bahnverkehrs angestrebt werden. Schließlich wird es in Brasilien (und stärker noch in Deutschland) notwendig sein, über Lebensstile, Produktions- und Konsummuster nachzudenken, um Erwartungen an ein Leben im Wohlstand an die eingangs benannten Grenzen der Erdökosysteme anzupassen.