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Konzeption und regionale Auswirkungen der universellen Weltausstellung EXPO 2000 | Expo 2000 | bpb.de

Expo 2000 Editorial Die Welt im Dorf Konzeption und regionale Auswirkungen der universellen Weltausstellung EXPO 2000 Revitalisierung eines Industriestandortes

Konzeption und regionale Auswirkungen der universellen Weltausstellung EXPO 2000

Claudia Kaiser

/ 26 Minuten zu lesen

Zum ersten Mal in der Geschichte der Weltausstellungen ist Deutschland mit der EXPO 2000 Gastgeber einer derartigen Großveranstaltung. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert werden neue Herausforderungen thematisiert.

Einleitung

Hannover erwartet vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 2000 ca. 40 Millionen Besucher aus Deutschland, Europa und aller Welt zur ersten EXPO in Deutschland in der bis heute 149 Jahre währenden Geschichte der Weltausstellungen. Deutschland rückt damit erstmals seit den Olympischen Spielen 1972 in München wieder durch ein globales Großereignis in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit.

Fast zwölf Jahre lang wurde die "Expo neuen Typs" am Standort Hannover geplant. Die über die Jahre konkretisierte Zielsetzung der EXPO 2000 lautet, die Herausforderungen, Chancen und Risiken des neuen Jahrtausends im globalen Diskurs zu erörtern, innovative und zukunftsfähige Ideen rund um das Motto "Mensch, Natur, Technik - eine neue Welt entsteht" aufzuzeigen und dabei dem Leitbild der Nachhaltigkeit (sustainable development) zu entsprechen . Damit stellen die Organisatoren der EXPO 2000 außerordentlich hohe Ansprüche an die Aussteller, die Besucher und nicht zuletzt an sich selbst.

Erstmals in der Geschichte der Weltausstellungen wird darauf verzichtet, für die EXPO eine Siedlungsfläche völlig neu zu erschließen; vielmehr entschloss man sich, das bereits bestehende Messegelände Hannovers zu modernisieren und zu erweitern. Inhaltliche Innovationen bilden zum einen der Themenpark und zum anderen die Regionalisierung der EXPO mittels weltweiter Projekte und eines Korrespondenzstandortes, der sachsen-anhaltinischen Region Dessau-Bitterfeld-Wittenberg. Durch die Regionalisierung soll die EXPO 2000 auch über den Standort Hannover und über die Dauer von fünf Monaten hinaus stattfinden und das Motto nicht nur unter Ausstellungsbedingungen, sondern konkret vor Ort umgesetzt werden.

Dieser Beitrag skizziert im Folgenden die Hintergründe der Bewerbung und der Entscheidung für die Durchführung der EXPO 2000 in Hannover, stellt die Organisation und Finanzierung sowie die vier Säulen des inhaltlichen Konzeptes vor (Nationenpavillons, Kultur- und Ereignisprogramm, Themenpark sowie weltweite Projekte). Abschließend werden einige Auswirkungen der Weltausstellung für die Stadt und Region Hannover sowie für den Standort Deutschland erörtert.

I. Entscheidung für Hannover

Im Juni 1990 erhielt Deutschland den Zuschlag für die Ausrichtung der universellen Weltausstellung . Nachdem Miami, Hongkong und Venedig ihre Kandidaturen wieder zurückgezogen hatten, stimmten die 43 Mitgliedsländer des 1928 in Paris gegründeten Bureau International des Expositions (B. I. E.) in einer Kampfabstimmung über die verbliebenen Bewerbungen von Hannover und Toronto ab. Mit nur einer Stimme Mehrheit fiel die Entscheidung zugunsten von Hannover denkbar knapp aus. Die ausschlaggebende Stimme kam dabei wohl - wenige Monate vor ihrer Auflösung - von der DDR .

Die Idee zur Ausrichtung einer Weltausstellung am Standort Hannover war Ende der Achtzigerjahre aufgekommen, als sich der Aufsichtsrat der Deutschen Messe AG zusammen mit der damaligen niedersächsischen Finanzministerin Birgit Breuel und Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg vor dem Hintergrund des zunehmenden Konkurrenzdrucks in der westdeutschen Messelandschaft Gedanken um die Zukunft des fast 50 Jahre alten Messestandortes Hannover machte . Ohne die Unterstützung der Bundesregierung, die den Antrag zur Ausrichtung der Weltausstellung offiziell stellen musste, war das Vorhaben jedoch aussichtslos. Als wichtiger Standortvorteil Hannovers im Gegensatz zu anderen, international bekannteren und sicherlich auch attraktiveren deutschen Großstädten wurde angeführt, dass aufgrund des vorhandenen Messegeländes und ausreichender städtischer Erweiterungsflächen hier nur geringe finanzielle Belastungen für den Bund entstünden und zudem Maßnahmen der Wirtschaftsförderung für den aufgrund des Süd-Nord-Gefälles zunehmend strukturschwachen Norden dringend erforderlich seien .

Der durch die Hannover Messe, die weltweit wichtigste Industriemesse, international bekannte Standort hat in der Tat den Vorteil, dass für die Weltausstellung kein neues Ausstellungsgelände geschaffen werden musste. Mit 26 Hallen auf rund 100 Hektar Fläche werden mehr als die Hälfte der Gesamtfläche (160 ha) des EXPO-Geländes von der Deutschen Messe AG gegen Mietzahlungen zur Verfügung gestellt. Nur 60 Hektar mussten zusätzlich auf städtischem Besitz südöstlich des alten Messegeländes am Kronsberg neu erschlossen werden (vgl. Abbildung 1) .

Die über die Hannover Messe und die CEBIT hinaus allerdings international kaum bekannte und touristisch wenig attraktive niedersächsische Hauptstadt könnte sich gleichwohl schwer tun, als Ausrichter einer solch bedeutenden Weltausstellung die Nachfolge der Metropolen London, Chicago, Paris oder Brüssel anzutreten. Hinzu kommt, dass das Image der EXPO 2000, das lange Zeit in der Öffentlichkeit dominierte, vor allem von Finanzierungsproblemen, Interessenkonflikten, organisatorischen Pannen und von anfänglich großen Ressentiments der Bevölkerung der Region geprägt war.

II. Planung, Organisation und Finanzierung der EXPO 2000

Die ersten Jahre nach der Zusage für die Weltausstellung in Hannover verstrichen ohne verbindliches Engagement der Bundesregierung oder der deutschen Wirtschaft und ohne konkrete Fortschritte in der Vorbereitung der EXPO. Außerdem wurden bald kritische Stimmen in der Hannoveraner Bevölkerung, besonders von Umweltschutzgruppen und den Grünen, laut, die aufgrund ökologischer und sozialer Belastungen die Durchführung einer derartigen Großveranstaltung für unverantwortlich hielten. Mehrere Gutachten zur Bewertung der ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der EXPO wurden von Befürwortern wie Gegnern in Auftrag gegeben . Im Juni 1992 kam es in Hannover auf Initiative der Grünen zu einer Bürgerbefragung. Nur ein Jahr zuvor hatte das Beispiel Österreich gezeigt, dass eine Weltausstellung tatsächlich durch die Bevölkerung verhindert werden kann. Hier war die für das Jahr 1995 in Wien geplante Weltausstellung in einer Volksbefragung gescheitert . In Hannover fiel das Ergebnis der Bürgerbefragung knapp, jedoch positiv aus. Bei einer Beteiligung von 61,7 Prozent der Abstimmungsberechtigten votierten 51,5 Prozent für und 48,5 Prozent gegen die EXPO 2000 .

Nachdem aus der Region Hannover damit grünes Licht für die EXPO gegeben wurde, waren nun der Bund und die deutsche Wirtschaft gefragt, sich zu dem deutschlandweit bedeutenden Ereignis zu bekennen. Hier offenbarten sich jedoch gleich mehrere Konfliktlinien. Zum einen zeigte sich, dass die Hoffnung des Bundes, die EXPO ohne nennenswerte eigene finanzielle Belastungen durchzuführen , Illusion war. Die vom B. I. E. geforderte Mindestzahl von 40 Millionen Besuchern der EXPO 2000 machte erhebliche Infrastrukturinvestitionen in der gesamten Region Hannover notwendig. Bundeskanzler Helmut Kohl sagte die finanzielle Beteiligung des Bundes erst 1993 zu, knüpfte diese Zusage jedoch an die Bedingung, dass sich die deutsche Wirtschaft in gleichem Maße engagiere . Diese wiederum sah sich mit einer ökologischen, auf Nachhaltigkeit zielenden und in manchen Augen technikfeindlichen Weltausstellungskonzeption konfrontiert und hegte Zweifel an einem ökonomischen Erfolg ihres Engagements auf einer derartigen Weltausstellung . Schließlich schlossen sich die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft Ende 1993 doch in der "Expo-Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wirtschaft mbH" zusammen. Alle nun Beteiligten gründeten daraufhin im Mai 1994 die "Gesellschaft zur Vorbereitung und Durchführung der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover" (EXPO 2000 Hannover GmbH) mit einem Kapital von insgesamt 100 Millionen Mark . Gesellschafter sind der Bund (40 Prozent), das Land Niedersachsen (30 Prozent), die Expo-Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wirtschaft (20 Prozent), die Landeshauptstadt Hannover (sechs Prozent), der Kommunalverband Großraum Hannover und der Landkreis Hannover (je zwei Prozent) .

Der mit vielen Kompromissen versehene komplizierte Gesellschaftervertrag sieht vor, dass alle Ausgaben der EXPO durch den Erlös aus Eintrittskarten und durch Sponsorengelder selbst erwirtschaftet werden müssen. Dies jedoch erwies sich als nahezu unmöglich, insbesondere da der Zeitpunkt, zu dem die Kosten (für Planungen, Infrastrukturmaßnahmen, Marketing, Mietzahlungen für das Expo-Gelände an die Deutsche Messe AG und die Expo-Grundstücksgesellschaft etc.) anfielen, z. T. Jahre vor dem Zeitpunkt potentieller Einnahmen lag. Dies führte dazu, dass der Finanzierungsrahmen inzwischen mehrfach mit staatlichen Bürgschaften aufgestockt worden ist.

Bei geschätzten Kosten von knapp 3,5 Milliarden Mark (Stand Juli 1999) wird mit Einnahmen von insgesamt knapp 3,1 Milliarden Mark gerechnet. Die erhofften Einnahmen resultieren zum einen aus dem Ticketverkauf und touristischen Aktivitäten in Höhe von 1,8 Milliarden Mark. Dazu müssen jedoch insgesamt mindestens 40 Millionen Besucher auf das Weltausstellungsgelände kommen , das sind durchschnittlich rund 260 000 Besucher täglich. Im Vorverkauf liegt der Preis für eine Tageskarte bei 69 Mark (ermäßigt 49 Mark). Nur unwesentlich günstiger wird es, wenn eine Mehrtageskarte für aufeinander folgende Tage erworben wird. Sonderkarten für Familien (für 159 bzw. 199 Mark pro Tag) sind ausschließlich im Vorverkauf erhältlich. An der Tageskasse gibt es nur reguläre Einlasskarten von 79 Mark (wochentags) bzw. 89 Mark (an Wochenenden). Auch wenn in allen Tickets der Fahrschein für den öffentlichen Personennahverkehr enthalten ist, wird der Besuch der Weltausstellung zusammen mit Anfahrts- und z. T. Übernachtungskosten und Parkgebühren kostspielig.

Ebenfalls fest eingeplant sind 1,2 Milliarden Mark Einnahmen aus der Vermarktung und aus Sponsorengeldern. Dazu zählen Erlöse aus Lizenz- und Lieferrechten sowie aus speziellen Verträgen mit Unternehmen, die sich damit je nach gezahlter Summe und vereinbarten Rechten, z. B. "Weltpartner" (u. a. Deutsche Bahn, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Sparkassen-Finanzgruppe, Baan, DaimlerChrysler, Preussag, Siemens, Volkswagen) oder "Produktpartner" (u. a. Adecco, Allianz, Coca Cola, Langnese, Sony Deutschland) nennen dürfen. Selbst wenn diese Einnahmen tatsächlich realisiert werden, wird betriebswirtschaftlich insgesamt die Initiative des Bureau International des Expositions wurde in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts erstmals für alle Weltausstellungen die Formulierung eines Leitthemas zur Pflicht. Anfänglich dominierten die Themen "Technik", "Fortschritt" und "Zukunft", und erst Mitte des 20. Jahrhunderts kamen Mottos wie "Menschlichkeit" und "Harmonie" hinzu. Bislang wurden allerdings die von den Organisatoren der Weltausstellungen formulierten Themen von den Teilnehmern als wenig verbindlich angesehen und nur halbherzig aufgegriffen. Auf der EXPO 2000 sollen dagegen alle Exponate auch einen deutlichen Bezug zum gewählten Motto "Mensch, Natur, Technik - eine neue Welt entsteht" erkennen lassen . Dieses steht in engem Zusammenhang mit dem Leitbild des sustainable development, also der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit, dem sich 179 Staats- und Regierungschefs auf der "Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung" von Rio de Janeiro 1992 durch Unterzeichnung der Agenda 21 verpflichtet haben .

Laut B. I. E. sollen universelle Weltausstellungen im Unterschied zu so genannten Fachausstellungen, wie z. B. der EXPO 1998 in Lissabon, nicht nur Interessen von Nationen und Wirtschaftsunternehmen berücksichtigen, sondern auch aktuelle wie zukunftsorientierte wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum vermitteln und ebenso auf spielerische Art unterhalten.

Aufgrund dieser Kriterien, des gewählten Mottos sowie des Zeitpunkts der Durchführung der EXPO an der Schwelle zum 21. Jahrhundert im symbolträchtigen Jahr 2000 ergab sich die Konzeption der EXPO 2000. Sie ruht auf insgesamt vier Säulen, von denen die erste - dem traditionellen Gedanken des ökonomischen, politischen, ideologischen und soziokulturellen Nationenvergleichs folgend - von den Pavillons der teilnehmenden Staaten gebildet wird. Die zweite Säule, das Ereignis- und Kulturprogramm, steht als Publikumsattraktion ebenfalls in einer langen Tradition der Weltausstellungen. Konzeptionelle Neuerungen bilden dagegen die dritte und vierte Säule: Dies sind der von den Ausrichtern der EXPO 2000 organisierte Themenpark und die Aufnahme so genannter weltweiter Projekte.

1. Nationenpräsentationen

Die erste Weltausstellung in London 1851 fand in einem einzigen Gebäude statt, dem Kristallpalast, der dadurch gleichsam zu deren Wahrzeichen wurde. Die einzelnen nationalen Sektionen befanden sich auch später noch jeweils innerhalb der Universalität suggerierenden, systematisch ausgerichteten Pavillons. Doch schon in Philadelphia 1876 errichteten einige größere Staaten administrative Pavillons, und in Paris 1878 gab es erstmals eine Rue des Nations, eine Straße der Nationen, auf der viele Staaten eigene nationale Pavillons neben anderen, themenbezogenen Hallen errichteten.

Auch auf dem Kronsberg in Hannover wird der größte Teil des Weltausstellungsgeländes von den Pavillons der teilnehmenden Nationen eingenommen. Insgesamt haben 173 Staaten und 18 internationale Organisationen ihre Teilnahme zugesagt. Unter den Organisationen sind u. a. die Europäische Union, die OECD, die UN, die Weltbank, die ASEAN, das Internationale Rote Kreuz, die Arabische Liga und das Internationale Olympische Komitee vertreten. Es stellen sowohl die an Fläche größten als auch die bevölkerungsreichsten Länder der Erde sowie die bedeutendsten Industriestaaten, aber auch fast alle Staaten der arabischen Welt, aus Lateinamerika, der pazifischen Inselwelt und des afrikanischen Kontinents aus. Ein wichtiges Land fehlt jedoch: Die USA ließen im Oktober 1999 über ihren Botschafter in Deutschland, John Kornblum, ankündigen, dass sie erstmals nicht an der Weltausstellung teilnehmen würden. Als Argument wurde angeführt, dass die offizielle Partizipation und der Bau ihres zunächst medien- und öffentlichkeitswirksam als EXPO-Attraktion angekündigten Pavillons ausschließlich privatwirtschaftlich finanziert werden müsste, sich die amerikanische Wirtschaft jedoch nicht in der Lage sähe, die dafür benötigten 40 Millionen Dollar (etwa 80 Millionen Mark) aufzubringen. Die endgültige Absage der Teilnahme der Vereinigten Staaten an der Weltausstellung erfolgte Anfang April 2000. Kornblum kommentierte das mangelnde Interesse der USA an der EXPO 2000 mit der Vermutung, dass eine derartige Weltausstellung anscheinend nicht mehr unbedingt zeitgemäß sei .

Die Nationenpavillons mit einer Größe von 6 000 qm bis zu 16 000 qm sollten dem Anspruch der Nachhaltigkeit genügen, also unter Verwendung von umweltfreundlichen Materialien und mit einem geringen Energieverbrauch errichtet werden sowie einer Nachnutzung des Gebäudes am Standort Hannover oder an anderer Stelle von vornherein gerecht werden. Ziel war es, zu verhindern, dass der Großteil des Weltausstellungsgeländes nach Ende der Veranstaltung weitgehend wieder planiert werden wird, so wie dies in der Vergangenheit zumeist der Fall war.

Der deutsche Pavillon ist mit 16 000 qm der größte der Nationenpavillons. Die Europäische Union will die EXPO 2000 erstmals dafür nutzen, sich als eine wirtschaftliche und ökonomische Einheit in den Augen der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Daher sind die Pavillons der Mitgliedsländer, ausgehend vom deutschen Pavillon, über einen EU-Boulevard miteinander verbunden. In räumlicher Nähe dazu wurden auch die Pavillons der EU-Beitrittskandidaten errichtet.

Ärmere Länder haben sich zu Gemeinschaftspräsentationen zusammengeschlossen, so zum Beispiel die ca. 40 afrikanischen Staaten im Afrika-Pavillon. Damit sich die entwicklungsschwächeren Länder des Südens und Ostens überhaupt auf der Weltausstellung präsentieren und hier ihre Lösungsmöglichkeiten für die brennenden Zukunftsfragen vorstellen können und auf diesem Wege auch das Thema Entwicklungspolitik in das Konzept der EXPO 2000 integriert werden kann, sind für die Unterstützung der ärmeren Länder Bundesmittel in Höhe von 100 Millionen Mark bereitgestellt worden. Dieses Engagement ist von der in der Entwicklungshilfe erfahrenen Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) umgesetzt worden, die die entwicklungsschwächeren Länder bei ihrer inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung zur EXPO 2000 kostenlos beraten und z.T. auch finanziell unterstützt hat .

Neben der Präsentation in eigenen oder gemeinsamen Pavillons besteht die Möglichkeit der nationalen Inszenierung an den bislang bestätigten 142 Nationentagen, an denen die EXPO einen Tag lang von nationentypischen Veranstaltungen geprägt wird. Nach der offiziellen Absage der USA beschränkt sich deren Präsenz nun ausschließlich auf die nur einen Tag währende Präsentation am Nationalfeiertag, dem 4. Juli. Deutschland wird sich am Tag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober, präsentieren.

2. Kultur- und Ereignisprogramm

Bereits in den Jahren vor Eröffnung der Weltausstellung wurde mit bedeutenden Kulturveranstaltungen in der Gastgeberstadt Hannover für die Ereignisse während der EXPO 2000 geworben. Zu diesen Veranstaltungen im Vorfeld gehörten ein Tanz-Theater-Festival, verschiedene Live-Konzerte mit bekannten Größen der Pop- und Rockwelt, ein Filmfestival mit dem Titel "Weltkino - eine Filmreise mit der EXPO 2000" sowie zahlreiche Ausstellungen.

Mit der zentralen Eröffnungsfeier der EXPO 2000 am 1. Juni beginnt dann das eigentliche ambitionierte Kultur- und Ereignisprogramm der Weltausstellung unter dem Motto "Welten treffen aufeinander", mit dem ganz unterschiedliche Zielgruppen zu einem Besuch des EXPO-Geländes angeregt werden sollen. Täglich wird eine Feuer-, Licht- und Lasershow inszeniert. Mit über 450 Konzerten wurde ein abwechslungsreiches Musikprogramm für jeden Geschmack zusammengestellt. Einen Höhepunkt des Theaterprogramms bildet die erstmals ungekürzte Inszenierung von Goethes "Faust I und II" von Peter Stein. Darüber hinaus wird in den Sommermonaten ein Open-Air-Kino angeboten. Straßentheateraktionen und spezielle Veranstaltungen für Kinder ergänzen das breite Angebot.

3. Themenpark

Der Themenpark als eigenständiger Beitrag der EXPO 2000 Hannover GmbH ist eine Innovation in der Geschichte der Weltausstellungen und gilt nach Auffassung der Veranstalter als "Herzstück" des EXPO-Geländes . Nach dem Willen der Organisatoren sollen die Besucher aus aller Welt auf einer Fläche von 100 000 Quadratmetern Ideen und Lösungsvorschläge für die Probleme des 21. Jahrhunderts anschaulich, aktiv und mit allen Sinnen erleben und so Anregungen für das künftige Zusammenleben der Menschen mit nach Hause nehmen. Zu Bereichen wie beispielsweise Umwelt, Ernährung und Gesundheit ebenso wie zu Fragen nach der Zukunft von Energie, Kommunikation und Mobilität sollen Ideen und Ansätze präsentiert werden, die sich am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientieren. An der Konzipierung und Realisierung des Themenparks beteiligt sich die EXPO 2000 Hannover GmbH mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Darüber hinaus erhalten Wirtschaft und Industrie Gelegenheit, die technologischen Lösungen, die sie für gegenwärtige und zukünftige Probleme anbieten können, im Themenpark zu zeigen.

Aus dem im Juni 1996 verabschiedeten Rahmenkonzept wurden insgesamt elf Einzelthemen entwickelt, die in fünf Hallen an zentraler Stelle auf dem EXPO-Gelände präsentiert werden: "Der Mensch", "Menschliche Grundbedürfnisse", "Gesundheit", "Ernährung", "Energie", "Umwelt, Landschaft, Klima", "Zukunft der Arbeit", "Mobilität", "Wissen, Information, Kommunikation", "Zukunft und Vergangenheit" und "21. Jahrhundert". Für die Präsentation jedes Einzelthemas zeichnet eine international zusammengesetzte Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Wissenschaftlern und Künstlern verantwortlich. Es soll dabei auf eine ausgewogene Mischung aus Unterhaltung und Information gesetzt werden. "Infotainment" ist das Schlagwort, das "Spaß, Emotionen und Bildung" miteinander verbinden soll . Auf Show-Effekte wird bei dem multimedialen Spektakel ebenso wenig verzichtet wie auf die Möglichkeit der aktiven Partizipation der Besucher.

Kritiker dieses Konzeptes finden darin jedoch gleich mehrere Angriffspunkte. Zum einen ist die Zielsetzung des Themenparks unmissverständlich auf die Vermittlung von positiven Visionen gerichtet. Nach Worten der EXPO-Veranstalter steht im Mittelpunkt, "Mut zu neuen Wegen zu machen und Zuversicht in die Zukunft zu vermitteln" . Dieser durchweg optimistische Tenor vermittelt den Glauben an die Fähigkeit der Menschen, die brennenden Probleme zu Beginn des neuen Jahrtausends zu lösen und die Risiken der modernen Lebensweise für die Umwelt zu begrenzen. Damit wird jedoch eine technologische "Machbarkeit der Zukunft" suggeriert, die unter vielen Wissenschaftlern gleichermaßen auf Skepsis und Kritik stößt.

Zum anderen äußern vor allem Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, dass die spektakuläre Multimediashow eine vertiefte und damit sachgerechte Beschäftigung der Besucher mit Inhalten, Chancen und Risiken sowie zukunftsfähigen Lösungen ausschließen würde . Zudem zeige das Beispiel des Themas "Mobilität", dass die konkrete Ausgestaltung maßgeblich von denjenigen Unternehmen bestimmt wird, die sich im Themenpark finanziell engagieren. Beim Thema Verkehr sind die Sponsoren zum einen die in Hannover ansässige Reifenfirma Continental und zum anderen ein Zusammenschluss aus Lufthansa, BMW, DaimlerChrysler, VW, Siemens, Thyssen und TUI, die zeigen wollen, dass die verschiedenen Verkehrsträger intelligent zu einem Netzwerk verknüpft werden können. Es geht also nicht darum, die Grenzen der Mobilität aufzuzeigen und damit die Prämisse uneingeschränkter Mobilität in Frage zu stellen, sondern vielmehr darum, eine mit technologischen Mitteln problemlos zu erreichende umweltfreundliche Mobilität zu suggerieren.

Das Thema Mobilität zeigt damit exemplarisch, in welch schwierigem Gewässer die Organisatoren der EXPO schiffen. Auf der einen Seite formulieren sie mit ihrem Motto und der Verbindlichkeit des Nachhaltigkeitsgedankens einen sehr hohen ökologischen und gesellschaftspolitischen Anspruch. Auf der anderen Seite sind sie aber gleichzeitig existentiell auf die Mitwirkung von Industrieunternehmen angewiesen, die der EXPO 2000 Hannover GmbH über Sponsorengelder und Standmieten die fest eingeplanten Einnahmen einbringen sollen. Dies hat unweigerlich erhebliche Kompromisse nötig gemacht .

4. Weltweite Projekte

Während im Themenpark und auf dem EXPO-Gelände die gewählten Einzelthemen mehrheitlich nur in paradigmatischer Weise und damit gleichsam unter Laborbedingungen gezeigt werden können, wurde mit der Idee der weltweiten Projekte ein in der Geschichte der Weltausstellungen einmaliges Konzept beschlossen. Auf diese Weise soll das Motto der EXPO 2000 in denjenigen Regionen und Gesellschaften der Welt umgesetzt werden, in denen die jeweiligen Themen auch tatsächlich relevant sind.

Damit führen die weltweiten Projekte erstens dazu, dass die Weltausstellung erstmals nicht nur an einem einzigen Veranstaltungsort und innerhalb des Ausstellungsgeländes konzentriert, sondern darüber hinaus an unterschiedlichen Orten in Deutschland und der ganzen Welt stattfindet. So wird die EXPO 2000 in gleichem Maße ein lokales, nationales, internationales und globales Ereignis. Zweitens haben die Projekte außerdem eine sehr viel längere Laufzeit als die nur fünfmonatige Weltausstellung in Hannover. Ihre Prozesshaftigkeit garantiert, dass nach den ersten Jahren Vorlaufzeit zum Beginn der EXPO 2000 bereits konkrete Ergebnisse vorliegen. Die weltweiten Projekte sind also dazu angelegt, langfristig Spuren in den Regionen der Welt zu hinterlassen.

Die EXPO 2000 dient ihrerseits dazu, die verschiedenen Projekte ideell zu fördern, ihre zukunftsweisenden Ideen während der Weltausstellung in Hannover vorzustellen, die Projektträger untereinander in einen Dialog zu führen und somit Synergieeffekte zu erzielen sowie ihnen zu einer größtmöglichen Öffentlichkeit zu verhelfen. Die endgültig anerkannten Projekte können während der Weltausstellung unter anderem in den Nationenpavillons, im Themenpark, im Haus der weltweiten Projekte oder im Rahmen der Konferenz des Global Dialogue präsentiert werden. Außerdem wird jedes Projekt in einer gemeinsamen Veröffentlichung und einer CD-Rom vorgestellt.

Die Auswahl der weltweiten Projekte erfolgte in einem mehrjährigen, mehrstufigen Prozess unter Federführung des International Advisory Board (IAB), dessen Vorsitzender der Präsident des Club of Rome, Ricardo Díez-Hochleitner, ist. Die übrigen zwölf Mitglieder sind zum überwiegenden Teil Vertreter von internationalen Umweltschutz- und Entwicklungshilfekomitees. Um als weltweites Projekt anerkannt zu werden, mussten die Projekte in ihrem jeweiligen Themenkomplex innovative und praktische Lösungen aufzeigen, die nachhaltig, zukunftsorientiert und auf andere Regionen und Gesellschaften übertragbar sind. In Deutschland sind insgesamt 278 Projekte offiziell registriert worden. Dabei beteiligen sich die Bundesländer unterschiedlich intensiv an den EXPO-Aktivitäten (vgl. Tabelle 1), allen voran Niedersachsen, in dem aufgrund der Nähe zu Hannover erwartungsgemäß die meisten Projektvorschläge eingereicht und mit 68 auch die meisten anerkannt wurden.

In Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen finden jeweils mehr als 20 EXPO-Projekte statt. Das Schlusslicht bilden die Bundesländer Rheinland-Pfalz und das Saarland. Außerhalb Deutschlands hatten sich insgesamt über 1000 Antragsteller aus der ganzen Welt darum bemüht, ihr Konzept als weltweites Projekt der EXPO 2000 registrieren zu lassen. Von diesen kamen bis Oktober 1998 387 Projekte in die engere Auswahl, die von Mitte 1998 bis Ende 1999 in mehreren Schritten und nach Abgabe halbjährlicher Arbeitsberichte weiter begutachtet wurden. Die Verteilung der weltweiten Projekte, die außerhalb Deutschlands durchgeführt werden, ist in Tabelle 2 dargestellt. Unter den Ländern mit mehr als fünf Projekten dominieren vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer. In Europa gehören lediglich die Schweiz, Österreich, Dänemark sowie Großbritannien, Spanien und Italien zu den bedeutenderen Trägerländern.

Die in den Projekten aufgegriffenen Inhalte entsprechen den elf für den Themenpark ausgewählten Leitthemen. Die internationalen und nationalen weltweiten Projekte unterscheiden sich in ihrer Schwerpunktsetzung z. T. erheblich voneinander (vgl. Abbildung 2). Während die Themen Umwelt, menschliche Grundbedürfnisse, Gesundheit und Ernährung vor allem von den ausländischen weltweiten Projekten aufgegriffen werden, konzentrieren sich die Projekte in Deutschland in erster Linie auf die Themen Wissen, Energie, Mobilität, Umwelt, das 21. Jahrhundert und den "Planet of Visions". Die Inhalte aller weltweiten Projekte reichen dabei von der Revitalisierung von Tagebauen, ökologischer Stadtentwicklung, umweltfreundlicher und nachhaltiger Landwirtschaft, medizinischen Forschungsprojekten, Begleitung von Existenzgründungszentren, Entwicklung von Systemen des öffentlichen Personennahverkehrs, verschiedenen Schulprojekten, Frauennetzwerken, Jugendhilfeprojekten, der Wiederaufforstung des tropischen Regenwaldes, Wasserschutzprogrammen, der Nutzung erneuerbarer Energien, Projekten des fairen Welthandels bis hin zum Schutz einheimischer Bevölkerungsgruppen. Diese Auswahl zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus der enormen Bandbreite der Projekte, von denen allerdings einige - insbesondere unter den deutschlandweiten - eher beliebig ausgewählt erscheinen.

5. Korrespondenzregion Dessau - Bitterfeld-Wolfen - Wittenberg

Eine Sonderrolle unter den weltweiten Projekten spielt Sachsen-Anhalt, das sich im Gegensatz zu den anderen Bundesländern nicht mit verschiedenen Einzelprojekten, sondern mit einem einzigen, dafür aber umso exponierteren Vorhaben beteiligt (34 Projekte). Das Städtedreieck Dessau - Bitterfeld-Wolfen - Wittenberg wurde 1998 offiziell zur so genannten Korrespondenzregion zum Standort Hannover ernannt. Die Idee dafür entstand bereits Anfang der neunziger Jahre, als sich Mitarbeiter des Bauhauses in Dessau Gedanken über die Zukunft der durch Braunkohlebergbau, Energiewirtschaft und Chemieindustrie ökologisch stark belasteten und durch den Strukturwandel von der Plan- zur Marktwirtschaft auch wirtschaftlich und sozial gebeutelten Region machten . Gleichzeitig liefert die Geschichte der Region mit dem Wirken Martin Luthers in Wittenberg, dem in der Zeit der Aufklärung geschaffenen Wörlitzer Gartenreich und dem Bauhaus in Dessau auch positive Beispiele von zukunftsfähigen Ideen. Diese Traditionen aufgreifend, werden in der 1 500 Quadratkilometer großen Korrespondenzregion mit fast 500 000 Einwohnern für die EXPO insgesamt 34 Projekte realisiert, die die Kriterien der weltweiten Projekte erfüllen. Durch sie werden die ökonomische, ökologische, städtebauliche und kulturelle Erneuerung der neuen Bundesländer in anschaulichen Projekten beispielhaft demonstriert. Die sachsen-anhaltinische Region bringt damit Ostdeutschland in einen besonderen Fokus der Weltausstellung. Diese Sonderstellung ist damit zu erklären, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des EXPO-Komitees für das Gastgeberland Deutschland im Sommer 1990 die dramatischen Entwicklungen in der DDR in der Weltöffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt wurden und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten bereits beschlossen worden war. Allen Beteiligten war klar, dass die EXPO im Jahr 2000 auch auf eine zehnjährige deutsch-deutsche Vereinigungsgeschichte zurückblicken können würde und daher dieses Thema eine zentrale Bedeutung erlangen sollte.

Die Auftaktveranstaltung in der Korrespondenzregion fand bereits am 15. Mai im Kulturpalast von Bitterfeld statt. Die Kosten für die Umsetzung aller EXPO-Vorhaben im Städtedreieck werden für die Zeit von 1997 bis 2001 auf rund 1,3 Milliarden Mark beziffert. Die Vorhaben werden je zur Hälfte aus privaten und öffentlichen Kassen finanziert . Das wohl spektakulärste Projekt der Region ist die Baggerstadt "Ferropolis", die im ehemaligen Tagebau Golpa-Nord entstanden ist. Hier wurden von 1960 bis 1990 über 340 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt und 70 Millionen Kubikmeter Braunkohle für die Großkraftwerke der Region, Zschornewitz und Vockerode, gefördert, die wiederum die regionale Chemieindustrie sowie Berlin und Sachsen mit Energie versorgten . Auf einer Halbinsel inmitten des z. Zt. gefluteten Tagebaus befindet sich nun eine Großarena für Kulturveranstaltungen, die von vier als technische Denkmale konservierten Großbaggern eingerahmt wird. Ferropolis dokumentiert das Ergebnis der Technikfaszination und Fortschrittsgläubigkeit des Industriezeitalters. Als Mahnmal und Symbol für den gewaltigen Landschaftsverbrauch und die ökologischen Folgen steht die Stadt aus Eisen zugleich für einen Neubeginn im Umgang mit Natur und Landschaft.

IV. Auswirkungen der EXPO 2000 auf die Stadt und Region Hannover

Die anfänglich große Skepsis der Hannoveraner Bevölkerung gegenüber der EXPO 2000 rührte vor allem daher, dass zu wenig verlässliche Aussagen über die ökologischen, ökonomischen und sozialen Konsequenzen einer fünfmonatigen Veranstaltung mit derart globalem Ausmaß vorlagen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es in der Region bisher ebenso wenig wie an einem anderen Ort in Deutschland - mit Ausnahme von München - ein vergleichbares Großereignis gegeben hat. Aber letztlich sind auch die Erfahrungen mit den Olympischen Spielen 1972 nicht mit einer Weltausstellung vergleichbar, da derartige Sportveranstaltungen ihr Milliardenpublikum vor allem über die Fernsehkanäle in aller Welt finden, Weltausstellungen jedoch neben medial vermittelten Kontakten vor allem auch direkte Begegnungen mit einem Millionenpublikum ermöglichen .

In der Tat wurde bald deutlich, dass zur Vorbereitung der Region auf die EXPO erheblich mehr infrastrukturelle Maßnahmen notwendig wurden, als ursprünglich von den EXPO-Bewerbern angenommen. Mit diesen Maßnahmen, insbesondere im Bereich des Verkehrswesens und Städtebaus, sind über Jahre hinweg Einschränkungen und Belastungen für die Bevölkerung verbunden gewesen. Wie Beispiele früherer Weltausstellungen zeigen, wird die Region jedoch von vielen dieser Maßnahmen gerade nach Ende der Weltausstellung stark profitieren . Die Konzentration der Fördermittel auf den Großraum Hannover bedeutet aber gleichzeitig, dass in anderen niedersächsischen Regionen ebenfalls dringend benötigter Investitionen auf unbestimmte Zeit verschoben werden mussten.

In die Verkehrsinfrastruktur des Raumes Hannover sind gut vier Milliarden Mark Bundes- und Landesmittel geflossen. Die Straßenbahn ist mit neuen Zügen ausgestattet und erweitert worden. Das S-Bahn-Netz der Region Hannover wurde modernisiert und erweitert. Die Deutsche Bahn AG baute den Hauptbahnhof um, errichtete einen eigenen EXPO-Fernbahnhof in Laatzen und einen nur 600 Meter nördlich gelegenen Behelfsbahnhof für die EXPO-Reisenden aus Berlin, Leipzig und Dresden. Der Flughafen eröffnete 1998 ein zusätzliches drittes Terminal. Mehrere Innenstadtstraßen sowie die Autobahnen A2 und A7 wurden sechsspurig ausgebaut . Ziel der EXPO 2000 Hannover GmbH ist es, möglichst viele der täglich etwa 260 000 Besucher zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen. Nach ihrer Einschätzung werden etwa die Hälfte der Besucher das EXPO-Gelände per Deutsche Bahn, S-Bahn oder Stadtbahn erreichen, ein Viertel wird per Bus und ein weiteres Viertel per PKW anreisen . Die Begrenzung der Zahl derjenigen, die mit dem Auto anreisen, soll durch die Kapazitätsgrenze von 25 000 unmittelbar am Ausstellungsgelände gelegenen Parkplätzen garantiert werden. Diese Parkplätze dürfen nur von gut ausgelasteten Pkws angesteuert werden, das heißt, dass nur derjenige eine Parkberechtigung erhält, der im Vorverkauf mindestens drei Tickets mit derselben Gültigkeit erworben und 20 Mark für den Stellplatz ausgegeben hat. Des Weiteren stehen 35 000 Park-and-Ride-Plätze zur Verfügung, von denen Shuttle-Busse und -Bahnen kostenfrei zum EXPO-Gelände fahren. Um die Besuchermassen zu lenken und die stark frequentierten Wochenenden zu entlasten, wird im Vorverkauf nur jeweils eine limitierte Anzahl von datierten Tickets vergeben. Außerdem wurden moderne Verkehrsleitsysteme entwickelt, die den Verkehr bereits aus umliegenden Regionen gezielt zu den P + R-Plätzen leiten sollen .

Ob die Verkehrsplanungen der EXPO-Veranstalter aufgehen werden, wird sich erst im Laufe der Sommermonate zeigen. Eine gewisse Skepsis bezüglich des eher gering angesetzten Anteils der Individualreisenden scheint jedoch angebracht. Wenige Monate vor Eröffnung der Weltausstellung hat der official carrier der EXPO, die Deutsche Bahn AG, verkündet, dass sie nach der Entfernung gestaffelte Sondertarife zur EXPO anbieten wird, die nur in Verbindung mit einer EXPO-Eintrittskarte Gültigkeit haben. Im Gegenzug ist geplant, für alle regulären Fernbahn-Fahrscheine mit Ziel Hannover erhöhte Zuschläge zu berechnen. Diese Maßnahme scheint zwar mit dem Ziel der Besucherlenkung sinnvoll zu sein, benachteiligt jedoch die Bewohner der Region, Besucher und Geschäftsreisende, die ganz unabhängig von der EXPO das Ziel Hannover in den Sommermonaten mit der Bahn ansteuern wollen.

Die Investitionen auf dem Ausstellungsgelände der EXPO bedeuten einen erheblichen Modernisierungsvorteil für den Standort Hannover im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten und insbesondere anderen Messestandorten. Zum einen wird das bei der Deutschen Messe AG angemietete Areal der Hannover Messe geordnet, teilweise neu gestaltet und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Zum anderen wurde die 60 Hektar große städtische Erweiterungsfläche am Kronsberg erschlossen und für eine Nachnutzung u. a. als Gewerbepark und als Standort für die Fachhochschule Hannover und die Hochschule für Musik und Theater vorbereitet . In der Stadt- und Regionalentwicklung wird damit versucht, dem Leitgedanken der nachhaltigen Entwicklung Genüge zu tun. Im Hinblick auf die ökologischen Auswirkungen der Weltausstellung ist eine Nachhaltigkeit jedoch nicht zu erreichen. Umweltverträglichkeitsprüfungen und andere Umweltgutachten zeigen deutlich, dass die Ökobilanz der EXPO für die Region negativ ausfällt. Zu hoch sind die Belastungen durch den Verkehr, durch Lärm und Abgase, durch Abfallproduktion und den enormen Wasserverbrauch, der nicht durch die regionseigenen Speicher gedeckt werden kann .

Betrachtet man die finanziellen Auswirkungen der EXPO, so wird trotz des betriebswirtschaftlichen Negativsaldos der EXPO 2000 Hannover GmbH einer Studie der Norddeutschen Landesbank zufolge volkswirtschaftlich mit Steuermehreinnahmen von insgesamt ca. 4,5 Milliarden Mark gerechnet . Der gesamte Wirtschaftseffekt, der aus den EXPO-Investitionen, den Löhnen und Gehältern für neue EXPO-Stellen und den Ausgaben der EXPO-Besucher entsteht, beträgt der Studie zufolge 17,6 Milliarden Mark. Diese kommen in erster Linie durch Multiplikatorwirkungen der Investitionen im Baugewerbe und im Tourismus zusammen . Die EXPO 2000 wird außerdem für 100 000 Menschen zumindest zeitweise eine Arbeitsstelle bringen, schätzt die Nord/LB. Auf das Baugewerbe entfallen davon 17,7 Prozent, auf das Verarbeitende Gewerbe 21,9 Prozent, auf die sonstigen privaten Dienstleistungen 15,7 Prozent, auf den Handel 12,4 Prozent und auf das Hotel- und Gaststättengewerbe 14,2 Prozent. Die EXPO 2000 Hannover GmbH beschäftigte bereits 1999 in der Vorbereitungsphase 350 Mitarbeiter.

Nach einer Untersuchung des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung werden außerdem bundesweit mehr als 10 Milliarden Mark in die Realisierung der weltweiten Projekte investiert. Damit verbunden ist ein Beschäftigungszuwachs von gut 12 000 Personenjahren . In der Korrespondenzregion Dessau - Bitterfeld-Wolfen - Wittenberg schafft die EXPO 2000 insgesamt für 1 700 Männer und Frauen Stellen, von denen etwa 800 Personen auch nach Ende der Weltausstellung ihre Arbeit behalten werden .

Die EXPO 2000 ist auch touristisch gesehen eine einmalige Chance für Hannover, aber auch für andere Regionen Deutschlands - insbesondere für diejenigen, die weltweite Projekte ausrichten. Sie können sowohl ihre touristischen Stärken als auch ihr Innovationspotential Gästen aus Deutschland und der Welt demonstrieren. Zahlreiche regionale Tourismusverbände bieten individuelle Reisepakete an, um die EXPO-Gäste sowohl zu den weltweiten Projekten vor Ort als auch zu den touristischen Höhepunkten in der Region zu führen. Umfragen bei Reiseveranstaltern in Europa belegen, dass etwa zwei Drittel der Besucher der EXPO 2000 Interesse haben, auch dezentrale Projekte zu besuchen. Für ausländische Gäste hat die Deutsche Zentrale für Tourismus mit Sitz in Frankfurt am Main im Jahr 1999 einen Sales Guide entwickelt, über den die Buchung von Reiseangeboten und Pauschalen aus dem Ausland erleichtert wird.

Inwiefern sich jedoch die angestrebte Zahl von 40 Millionen Besuchern und die damit eingeplanten Einnahmen tatsächlich realisieren lassen, bleibt abzuwarten. Zurückhaltung erscheint bei dieser Prognose angebracht, da lange Jahre eine erfolgreiche Inszenierung der EXPO-Idee aufgrund fehlender politischer Entschlossenheit, mangelnden Engagements der Wirtschaft, zu geringer Professionalität der EXPO-Organisatoren und eines fehlenden breiten Konsenses in der Bevölkerung ausblieb. Die Vorlaufzeit der gezielten Vermarktung fiel durch diese Unstimmigkeiten jedenfalls sehr knapp aus. Die Frage, ob die durch die Formulierung des Mottos "Mensch, Natur, Technik - eine neue Welt entsteht" und dessen Ausgestaltung im Themenpark und den weltweiten Projekten sehr hoch gesteckten ökologischen, sozialen, gesellschafts- und bildungspolitischen Ziele von der EXPO 2000 auch erfüllt werden können oder eine multimediale und von Technik dominierte Supershow der Wirtschaft und der Nationen vorherrschen wird, wird man erst nach Ende der Weltausstellung beantworten können.

Internetverweise der Autorin:

www.expo2000.deEXPO

www.stadt-land-de/expo2000/Deutsche

www.germany-tourism.de

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hans May/Henning Schierholz (Hrsg.), Eine Weltausstellung neuen Typs? Hannovers EXPO 2000: Planungshorizonte und Bürger/innen-Beteiligung, Loccumer Protokolle 66/90.

  2. Vgl. Douglas Mulhall, Die Weltausstellung der Ökologie. Wie der UN-Gipfel in Rio 1992 und die Expo 2000 in Hannover voneinander profitieren können, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 19. Dezember 1991.

  3. Vgl. Dieter Eisfeld, Commedia dell'Expo: die Anfänge der universalen Weltausstellung "EXPO 2000" in Hannover mit dem Thema "Mensch, Natur, Technik", Hannover 1992.

  4. Vgl. Winfried Kretschmar, Geschichte der Weltausstellungen, Frankfurt am Main 1999, S. 266.

  5. Vgl. o. V., Auf der Suche nach einer neuen Identität, in: Süddeutsche Zeitung vom 9. Dezember 1989.

  6. Vgl. Gerhard Schröder, Die Expo 2000: eine Gestaltungsherausforderung für Hannover und Niedersachsen, in: Stephan Löhr (Hrsg.), Kulturlandschaft Stadt 2000, Hannover 1991, S. 9-16.

  7. Vgl. Landeshauptstadt Hannover, Weltausstellung und Stadtteil Kronsberg: der städtebauliche Rahmen für die EXPO 2000 Hannover, Hannover 1999, S. 12.

  8. Vgl. z. B. Rolf Bräuer/Rainer Lucas, Regional- und strukturpolitische Bewertung der EXPO 2000 - Expertise im Auftrag der Arbeitsgruppe Anwaltsplanung (Hannover) (Schriftenreihe des IÖW 50), 1992.

  9. Vgl. o. V., Volkes Stimme, in: Die Presse vom 17. Mai 1991; o. V., Wiener lehnen Volksabstimmung ab, in: FAZ vom 18. Mai 1991.

  10. Vgl. W. Kretschmar (Anm. 4).

  11. Vgl. "Die Weltausstellung im engeren Sinne trägt sich selbst. Die Ausgaben von etwa 4 Mrd. M für Infrastruktur, Hochbau, Veranstaltungen und Betrieb auf dem zentralen Gelände sowie die Finanzierung können aus den zu erwartenden Einnahmen aus Eintrittskarten, Vermarktung und Gelände-/Gebäudeverwertung gedeckt werden", in: o. V., Konzeption EXPO 2000 in Hannover - Zur Vorlage für den Lenkungsausschuss EXPO 2000, Hannover, März 1992.

  12. Vgl. W. Kretschmar (Anm. 4), S. 267.

  13. Vgl. Reymer Klüver, Expo 2000 - Optimisten kennen keine Gnade, in: Süddeutsche Zeitung vom 10. Januar 2000.

  14. Vgl. Dietrich Menkens, Bonn gibt Expo 2000 seinen Segen, in: Die Welt vom 20. April 1994, S. 13.

  15. Vgl. Irmhild Plaetrich, EXPO 2000 - First cross-border world exhibition in Germany, in: InterNationes, Special Topic, Nr. 3 1998, S. 4.

  16. Bei den großen Weltausstellungen der Vergangenheit erreichten Paris 1900, New York 1939, Brüssel 1958, Montreal 1967, Osaka 1970 und zuletzt Sevilla 1992 Besucherzahlen, die über die veranschlagten 40 Millionen hinausgingen (vgl. W. Kretschmar [Anm. 4] und Veröffentlichung der Expo 2000 Hannover GmbH).

  17. Vgl. Jobst Fiedler, Zur Konzeption einer Weltausstellung neuen Typs, in: H. May/H.Schierholz (Anm. 1), S. 68-84.

  18. Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltpolitik. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente - Agenda 21, Bonn 1993.

  19. Vgl. o. V., Expo 2000: Absage der USA, in: Wirtschaftswoche, (1999) 44, S. 96.

  20. Vgl. I. Plaetrich (Anm. 15), S. 13 f.

  21. Vgl. Pressemeldung der EXPO 2000 Hannover GmbH, Der Themenpark der EXPO 2000 - die Entdeckung einer neuen Welt, Juli 1999.

  22. Vgl. I. Plaetrich (Anm. 15), S. 7.

  23. Vgl. Pressemeldung der EXPO 2000 Hannover GmbH, Der Themenpark der EXPO 2000 - ausgewogene Mischung aus Unterhaltung und Information, Juli 1999.

  24. Vgl. A. Jensen, Expo 2000 - Mensch? Natur? Technik!, in: fairkehr, 14 (2000) 1, S. 15.

  25. Vgl. Enno Hagenah, EXPO 2000: Öko-Mäntelchen für Betonorgie und Profitstreben, in: Zeitschrift für Alternative Kommunale Politik, (1996) 2, S. 23.

  26. Vgl. EXPO 2000 Sachsen-Anhalt GmbH, Die Region Bitterfeld, Dessau, Wittenberg als Reformlandschaft des 21. Jahrhunderts: Empfehlungen des Kuratoriums zum Expo-Beitrag des Landes Sachsen-Anhalt, Dessau 1995. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beitrag von Christian Nieters, Tobias Faupel und Holger Derlien in diesem Heft.

  27. Vgl. Bernd Lähne, Städtedreieck Dessau-Wittenberg-Bitterfeld im Expo-Fieber, in: Leipziger Volkszeitung vom 27. Januar 2000, S. 5.

  28. Vgl. Claudia Kaiser, Altindustrialisierte Gemeinden Ostdeutschlands im Transformationsprozess - das Beispiel Zschornewitz, in: Hallesches Jahrbuch für Geowissenschaften R. A., Bd. 19, Halle 1997, S. 125-136.

  29. Vgl. Volker Klenk, Langfristige Imagewirkungen von Weltausstellungen, in: PR-Magazin, 30 (1999) 1, S. 43.

  30. Vgl. Christiane Kalb, Weltausstellungen im Wandel der Zeit und ihre infrastrukturellen Auswirkungen auf Stadt und Region, Frankfurt am Main u. a. 1994, S. 173.

  31. Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, EXPO 2000 - Verkehrsprojekte: Die EXPO kann kommen, Hannover 1999.

  32. Vgl. Landeshauptstadt Hannover (Anm. 7), S. 9, sowie Fabian Schütte, Verkehrsmodellrechnungen für die Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover, in: Straßenverkehrstechnik, (1999) 2, S. 53-60.

  33. Vgl. Robert Schnüll, Zielorientierte Verkehrsplanung und Verkehrslenkung für die Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover, in: Straßenverkehrstechnik, (1998) 6, S. 273-281.

  34. Vgl. Hubertus von Bothmer, Die Vorbereitung des Weltausstellungsgeländes, in: Deutsches Architektenblatt, (1999) 4, S. 470.

  35. Vgl. Landeshauptstadt Hannover, EXPO und Umwelt (Beiträge zur Diskussion der Weltausstellung EXPO 2000; 3), Hannover 1990.

  36. Vgl. Arno Brandt/Sonning Bredemeier/Heinrich Jagau, Ökonomische Wirkungen der Expo 2000, in: Neues Archiv für Niedersachsen 1, 1993, S. 39.

  37. Vgl. Rolf Sternberg/Jens Kramer, Gesamt- und regionalwirtschaftliche Wirkungen der Weltausstellung 2000 in Hannover, in: Geographische Rundschau, 43 (1991) 11, S. 658-663.

  38. Dies entspricht einer Beschäftigung von 12 000 Personen im Zeitraum eines Jahres. Vgl. Pressemeldung der EXPO 2000 Hannover GmbH, EXPO 2000 erhält Sonderpreis als "Job Maschine", Pressearchiv der EXPO.

  39. Vgl. B. Lähne (Anm. 27).

Dipl.-Geogr., geb. 1969; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geographie, Abtl. Sozialgeographie, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Anschrift: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - Institut für Geographie, August-Bebel-Straße 13c, 06099 Halle (Saale).

Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Klaus Friedrich) Chancen und Probleme ostdeutscher Stadtzentren in Konkurrenz zu peripheren Einzelhandelsstandorten, in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, (2000)2.