Entlang der beiden Ufer des Enguri gehen Sie bitte zwei Kilometer von Murqmeli über Tschaschaschi und Tschwibiani bis nach Schibiani, die eine Uschguli-Dorfgemeinschaft bilden. Zweifellos eine Wegbeschreibung, die man sich gut einprägen sollte, um sein Ziel zu finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
für viele Ohren klingen die Namen des UNESCO-Weltkulturerbes im nördlichen Georgien fremd.
Eröffnung: Externer Link: #Georgien buchstäblich in Externer Link: #Berlin - Thomas Krüger erzählt von seinen Reisen als Externer Link: #Transitnik - Mehr zur Tagung: Externer Link: https://t.co/lf2Ud12pTg - Mehr über „unerkannte Reisen durch Freundesland“ Externer Link: https://t.co/MD2OvdNkiu Externer Link: @AkademiederKnst Externer Link: pic.twitter.com/RiQcbd8pDr
— bpb.de (@bpb_de) Externer Link: 19. Mai 2018
Als „Transitnik“ durfte ich in den 1980er Jahren – „unerkannt durch Freundesland“ - die atemberaubende Natur, das faszinierende kaukasische Gebirge und die alten Kulturen Georgiens kennenlernen. Für DDR-Bürger waren Reisen in der ehemaligen Sowjetunion meist nur in einer begleiteten Reisegruppe möglich. Doch wo der Wille ist, ist auch der Weg – jenseits der vorbestimmen Routen. Ich nutzte mein dreitägiges Transitvisum für die Sowjetunion als Schlupfloch und bereiste sechs Wochen lang Georgien, mit gemischten Gefühlen und getrieben von einer Reise- und Abenteuerlust. Denn die Welt, die ich dort entdeckte, war eine beeindruckend andere: Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt, die in kleinen Gruppen in den Bergen lebten und Traditionen pflegten, die noch jedes politische System überstanden haben.
Nach diesem sechswöchigen Aufenthalt wurden Reisen nach Georgien zu einem Kontinuum und davon zeugt nicht nur mein swanetischer Filzhut. In den kargen Tälern zwischen dem Elbrus – einem der Seven Summits – und der Dorfgemeinschaft Ushguli war ich oft auf Einheimische angewiesen: die Bergbewohner begegneten mir meistens mit Offenheit und Hilfsbereitschaft, manchmal auch mit Vorsicht, aber stets mit Neugier. Nun kehre ich nach über dreißig Jahren – zumindest Kraft meiner Phantasie und Erinnerungen – nach Georgien zurück, dieses Mal im Rahmen der bpb:Metro Tagung „Georgien, buchstäblich!“, zu der ich Sie herzlich begrüße.
In diesen letzten drei Dekaden erlebte Georgien grundlegende Veränderungen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde es 1991 unabhängig. Nach der friedlichen Rosenrevolution 2003 schaffte Georgien als erstes Land auf dem postsowjetischen Territorium einen Regierungs- und Elitewechsel und entschied sich für einen europäischen Kurs. Ein Kurs, der Stück für Stück zum Bruch mit Russland führte. Die Abspaltung Abchasiens und Südossetiens und der neuntägige Kaukasuskrieg 2008 belasten das georgisch-russische Verhältnis bis heute.
Der Umbruch in Georgien und eine Neukonstituierung der georgischen Nation nach 1991 dauern weiter an.
In unserer Tagung „Georgien, buchstäblich!“ möchten wir diesen Wandel näher betrachten. Wir fragen, welche historischen Legitimationen heute in Georgien vorherrschen. Wie wirkt sich das sowjetische Erbe auf Geschichtsinterpretationen aus?
Wir fokussieren dabei nicht nur die georgische Geschichte, sondern werfen einen Blick auf die Gesellschaft. Dabei stehen Fragen im Fokus nach sozialen und kulturellen Herausforderungen des Wandels, nach Rolle der Orthodoxie, dem Verhältnis zwischen der urbanen und sich dynamisch entwickelnden Hauptstadt Tbilissi und ruralen Peripherien, aber auch nach der Position von Frauen in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Aber, ein tiefergehendes Verständnis von einem anderen Land wird nicht nur durch kognitive Wissensvermittlung erzielt. Zu politischen Fragen führten mich damals vor allem Begegnungen mit Land, Menschen und Kultur. Nicht zuletzt auch die georgische Küche, der Geschmack von Chinkali oder Khachapuri.
Liebe Georgieninteressierte, in unserer Tagung haben wir uns deshalb zum Ziel gesetzt, durch Annäherung an kulturelle Vielfalt durch Musik, Film, Literatur und auch kulinarische Beiträge einen Transfer hin zur politischen Bildung zu leisten. Denn politische Bildung ist auch eine Herzenssache, die durch Offenheit, Neugier und Interesse am Neuen und Unbekannten gelingen kann. Gestatten Sie mir bitte noch - und vor allen Dingen - unsere zahlreichen Gäste aus Georgien herzlich zu begrüßen! Allen voran ein herzliches willkommen auch an die Schriftstellerinnen Nino Haratischwili und Wiebke Porombka, die gemeinsam diese Tagung mit literarischen Reflexionen eröffnen werden.
Wiebke Porombka stelle ich Ihnen kurz vor. Sie ist Literaturwissenschaftlerin, Kritikerin und Autorin in Berlin. Sie arbeitete an verschiedenen deutschsprachigen Theatern als Dramaturgie- und Regieassistentin und promovierte 2013 über „Literatur und Technik in der Weimarer Republik“.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und übergebe das Wort an Frau Porombka, die Ihnen die preisgekrönte georgische Schriftstellerin Nino Haratischwili näher bringen wird!
In diesem Sinne schon einmal: „Madlobis! Vielen Dank!“ Und uns allen eine interessante Tagung!
- Es gilt das gesprochene Wort -