Mit 365 Sitzen erreichte die Konservative Partei unter Premierminister Boris Johnson eine absolute Mehrheit im britischen Unterhaus, sie kann nun alleine regieren. Damit kommt auch der Brexit-Prozess fast vier Jahre nach dem Referendum, in dem eine Mehrheit für einen Austritt aus der EU stimmte, zu einem Ende. Das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen kann nun, wie von Johnson geplant, zum 31. Januar 2020 beschlossen werden.
Tories gewinnen Wahlen zum britischen Unterhaus
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Aus den Wahlen zum britischen Unterhaus sind die Tories von Boris Johnson als eindeutige Sieger hervorgegangen. Die Konservative Partei erreichte eine absolute Mehrheit der Sitze und kann nun alleine regieren. Die oppositionelle Labour-Partei unter Jeremy Corbyn erlitt eine schwere Niederlage.
Die oppositionelle Labour-Partei kam auf nur 203 Sitze. Parteichef Jeremy Corbyn erklärte, dass er den Parteivorsitz aufgeben wolle. Gestärkt aus den Wahlen ging die Scottish National Party (SNP) hervor. Die schottischen Nationalisten legten deutlich zu und gewannen 48 Mandate. Die SNP-Vorsitzende Nicola Sturgeon sprach sich für ein erneutes schottisches Unabhängigkeitsreferendum aus. Die EU-Befürworter der Liberaldemokraten verloren ein Mandat und kamen auf nur 11 Sitze, sie konnten sich gegen den Trend der Brexit-Befürworter durchsetzen.
Die Wahlbeteiligung lag mit 67,3 % Wahlbeteiligung 1,5 % unter der der letzten Wahlen von 2017. Insgesamt waren 47,6 Millionen Wählerinnen und Wähler für die Unterhauswahlen registriert.
Streit zwischen Parlament und Premier
Boris Johnson hatte im September die Mehrheit im Unterhaus verloren, weil zahlreiche Abgeordnete seiner Partei seinem Kurs in der Brexit-Frage nicht folgen wollten. Einige Abgeordnete der Konservativen traten aus der Partei aus, 21 wurden aus der Fraktion ausgeschlossen, weil sie sich gegen einen ungeregelten EU-Austritt (No-Deal-Brexit) aussprachen. Danach reichten auch die Stimmen der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), mit denen Johnsons Vorgängerin im Amt, Theresa May, ein Abkommen zur Unterstützung der Minderheitenregierung abgeschlossen hatte, nicht mehr für eine Regierungsmehrheit im Parlament aus. Regulär waren die nächsten Unterhauswahlen erst für 2022 geplant.
Nach mehreren gescheiterten Anläufen des Premiers hatte das Unterhaus Ende Oktober für Neuwahlen gestimmt. Die oppositionelle Labour-Partei hatte ihren Widerstand gegen die Neuwahlen erst aufgegeben, nachdem ein ungeregelter EU-Austritt durch die erneute Verschiebung des
QuellentextWas wird gewählt?
Im Vereinigten Königreich wurde am 12. Dezember das Unterhaus neu gewählt, eine der beiden Kammern des britischen Parlaments, welche "House of Commons" oder "Lower House" genannt wird. Die britischen Bürgerinnen und Bürger wählen bei den Unterhauswahlen insgesamt 650 Parlamentsabgeordnete (Members of Parliament, MPs). Die reguläre Dauer einer Legislaturperiode beträgt fünf Jahre – seit der regulären Parlamentswahl 2015 war die Wahl am 12. Dezember 2019 jedoch bereits die zweite vorzeitige Neuwahl.
Wie wird gewählt?
Im Vereinigten Königreich gilt ein relatives Mehrheitswahlrecht. Die Abgeordneten werden in 650 Einzelwahlkreisen gewählt. Wer in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt, zieht in das Unterhaus ein. Alle Stimmen, die für andere Kandidaten abgegeben wurden, verfallen und haben keinen Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus.
Wer darf wählen?
Wahlberechtigt sind alle volljährigen Staatsbürgerinnen und -bürger des Vereinigten Königreichs oder dort lebende Staatsbürger aus der Republik Irland oder dem Commonwealth, die mindestens 18 Jahre alt sind. Jede Wählerin und jeder Wähler hat eine Stimme für eine Kandidatin oder einen Kandidaten im Wahlkreis. Wählerinnen und Wähler müssen sich vorab registrieren.
Zweikammersystem
Das britische Parlament besteht aus zwei unabhängigen Kammern: dem "House of Commons" (Unterhaus) und dem "House of Lords" (Oberhaus). Im Gegensatz zum Unterhaus wird das Oberhaus nicht durch eine allgemeine Wahl bestimmt.
Seine Mitglieder werden vom Premierminister vorgeschlagen und durch die Königin ernannt. Das Oberhaus besteht aus über 800 Mitgliedern, die meisten davon Adlige auf Lebenszeit ("Life Peers"). Ihre Hauptaufgabe ist es, die im Unterhaus verabschiedeten Gesetze zu kontrollieren.
Rechtswidrige Sitzungspause für das Parlament
Zuletzt war das Verhältnis zwischen Premierminister und den Abgeordneten im Unterhaus äußerst angespannt, nachdem Johnson das Parlament in eine verlängerte Sitzungspause geschickt hatte. Die Opposition warf Johnson vor, er habe durch die Pause das Parlament davon abhalten wollen, den für Ende Oktober geplanten Brexit zu verhindern. Das Oberste Gericht erklärte die Pause für unzulässig und hob sie vorzeitig auf. Vor der Sitzungspause war Johnson mit einem Vorstoß für Neuwahlen gescheitert. Außerdem hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern.
Wer stand zur Wahl?
Seit Jahrzehnten dominieren die Conservative Party (Tories) und die sozialdemokratische Labour Party das politische System des Vereinigten Königreichs.
Die regierenden Tories hatten ihren Fokus im Wahlkampf auf die Themen Gesundheitsversorgung, Bildung, Wirtschaft und innere Sicherheit gelegt. Zentral war aber die Umsetzung des Brexits: Boris Johnson, Premierminister und Vorsitzender der Partei, versprach im Wahlkampf unter dem Motto "Get Brexit done", dass der EU-Austritt bis Ende Januar kommenden Jahres umgesetzt werde.
Außerdem wollen die Konservativen die Migration in das Vereinigte Königreich stärker begrenzen und Einwanderung von Qualifikationen abhängig machen.
Labour-Chef Jeremy Corbyn hat die mit Abstand stärkste Oppositionspartei in den vergangenen Jahren politisch nach links geführt. Im Wahlprogramm forderte Labour, das Eisenbahnnetz, die Wasserversorgung, Energieunternehmen sowie die Post wieder zu verstaatlichen. Mietsteigerungen sollten auf das Maß der Inflationsrate gedeckelt, der Mindestlohn angehoben werden. Im Falle eines Wahlsiegs sollte zudem ein neues Austrittsabkommen mit der EU ausgehandelt werden. Anschließend sollten die Briten in einer zweiten Volksabstimmung zwischen einem Brexit mit enger Anbindung an die EU und einem Verbleib in der Staatengemeinschaft wählen können.
Die Liberaldemokraten wollten unter ihrer Vorsitzenden Jo Swinson den EU-Austritt verhindern. Die Zahl ihrer Mandatsträger war zuletzt nach Übertritten aus anderen Parteien, vor allem den Tories, deutlich gewachsen. Sie setzen sich für den Ausbau erneuerbarer Energien ein. Innen- und wirtschaftspolitisch vertritt die Partei liberale Positionen und steht für eine offenere Asylpolitik.
Auch die Scottish National Party (SNP), die ein von Großbritannien unabhängiges Schottland anstrebt, ist wieder im Parlament vertreten – bislang stellte sie 35 der 650 Mitglieder des Unterhauses. Auch andere Regionalparteien, wie die nordirisch-protestantische Democratic Unionist Party (DUP), schicken wieder eine kleine Zahl von Abgeordneten ins Parlament.
Die Grünen konnten nicht an ihren Erfolg bei der Europawahl Ende Mai anknüpfen können, bei der sie zwölf Prozent der Stimmen erhielten. Im britischen Mehrheitswahlrecht haben sie allein kaum Chancen auf ein Mandat. Gemeinsam mit den Liberalen und der walisischen Plaid Cymru hatten sie ein Bündnis für den Verbleib in der EU abgeschlossen. Statt um Stimmen zu konkurrieren, wollten die drei Parteien die Wahl der jeweils chancenreichsten Kandidatinnen und Kandidaten in den einzelnen Wahlkreisen unterstützen.
Die "Brexit Party", die bei der Europawahl vor einem halben Jahr noch 32 Prozent der Stimmen bekam, verzichtete in vielen Wahlkreisen aus taktischen Gründen zu Gunsten der Tories auf eine Kandidatur.
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