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Vor 50 Jahren: "Breschnew-Doktrin" von der eingeschränkten Souveränität sozialistischer Bruderstaaten
Redaktion
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Am 12. November 1968 fand die Hoffnung auf Demokratisierung in Osteuropa ein vorläufiges Ende. Knapp drei Monate nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch Truppen des Warschauer Pakts verkündete der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew, dass sich die Sowjetunion generell das Recht vorbehalte, Oppositionsbewegungen in sozialistischen Ländern notfalls mit Gewalt niederzuschlagen.
Die Breschnew-Doktrin war eine Reaktion auf die Ereignisse des Interner Link: Prager Frühlings im Jahr 1968. Der Parteichef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Leonid Breschnew, formulierte darin den Anspruch der UdSSR auf militärische Interventionen in anderen Ländern des Ostblocks, wenn dort aus Sicht der Sowjets der Sozialismus gefährdet sei.
Breschnews Vorgänger als KPdSU-Vorsitzender, Nikita Chruschtschow, hatte sich Mitte der 1950er-Jahre noch für einen anderen Umgang mit abweichenden Ideen vom Sozialismus ausgesprochen. In der "Belgrader Deklaration", die er bei einem Staatsbesuch im Jahr 1955 in Jugoslawien unterzeichnet hatte, erkannte er an, dass es "unterschiedliche Wege zum Sozialismus" gebe. Damit verzichtete Chruschtschow explizit auf die Einmischung in die inneren Angelegenheiten von anderen Staaten. Dies war damals als Versuch der Annäherung an das Tito-Regime in Belgrad gedacht, das mit dem "Titoismus" ein anderes Sozialismus-Modell entwickelt hatte und sich nunmehr als "blockfreier Staat" begriff.
Aber der Geist der Belgrader Deklaration hielt nicht lange. Im Zuge der Entstalinisierung neigten weitere Ostblock-Staaten zu liberaleren Tendenzen, was im Moskauer Kreml zu einer wachsenden Angst vor Kontroll- und Machtverlust führte.
Im Oktober 1956 schlugen russische Panzer-Truppen den Volksaufstand in Ungarn nieder. Weite Teile der Bevölkerung hatten sich gegen Alt-Stalinisten in der kommunistischen Regierung erhoben, der Reformkommunist Imre Nagy strebte als Ministerpräsident eine Demokratisierung Ungarns und politische Neutralität an. Mindestens 2.500 Menschen kamen nach der militärischen Intervention der Roten Armee ums Leben, rund 200.000 Ungarn flüchteten aus ihrem Land. Nach einem Schauprozess wurden Imre Nagy und mindestens 350 weitere Aufständische zum Tode verurteilt.
Machtvolle Ideen des Prager Frühlings
Der Interner Link: Prager Frühling 1968 forderte die Machthaber in Moskau erneut heraus. Der tschechoslowakische Parteiführer Alexander Dubček wollte einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" verwirklichen. Die kommunistische Führung der CSSR gewährte ihren Bürgern nunmehr Reise-, Presse- und Meinungsfreiheit. Die Zensur wurde abgeschafft. Darüber hinaus sollte die Tschechoslowakei eine "sozialistische Demokratie" werden. Dieses Modell wurde weit über die Grenzen der CSSR hinaus populär und gefährdete den Führungsanspruch der KPdSU. Am 15. Juli 1968 forderten führende Vertreter der Sowjetunion, Bulgariens, Ungarns, Polens und der DDR in einem gemeinsamen "Warschauer Brief" die tschechoslowakische Führung zu einer Kurskorrektur auf. Der Tenor: "Konterrevolutionäre" würden die CSSR vom Weg des Sozialismus abbringen und "eine Bresche in das sozialistische System" schlagen. Die sozialistischen Nachbarstaaten der CSSR könnten "nicht damit einverstanden sein, dass feindliche Kräfte Ihr Land vom Weg des Sozialismus stoßen und die Gefahr einer Lostrennung der Tschechoslowakei von der sozialistischen Gemeinschaft heraufbeschwören". Mächtigster Mitunterzeichner war Leonid Breschnew, das Schreiben galt als eine Vorstufe der später so im Westen genannten "Breschnew-Doktrin". Dem Brief folgten eine Reihe Krisentreffen der Führer des Warschauer Pakts, die den Druck auf Dubček erhöhten.
In der Nacht zum 21. August 1968 drangen schließlich 6.300 Panzer und 550 Flugzeuge in die CSSR ein - aus Richtung DDR, Polen, Ungarn und der Sowjetunion kommend. Rund 400.000 Soldaten des Warschauer Pakts waren an der Okkupation der Tschechoslowakei beteiligt. Als Vorwand galt ein angeblicher Hilferuf aus der Parteispitze der tschechoslowakischen Kommunisten, doch dies entpuppte sich schnell als Propagandabehauptung der Invasoren.
Die Mär von der "Pflicht für die Brüdervölker"
Eine politische Begründung für die militärische Intervention schob der Kreml einen Monat nach, zunächst in einem Aufsatz von Sergej Kowaljow am 25. September 1968 in der "Prawda" über "Souveränität und internationale Pflichten sozialistischer Länder". Darin hieß es:
"Die Schwächung eines Gliedes des Weltsystems des Sozialismus wirkt sich direkt auf alle sozialistischen Länder aus, die sich demgegenüber nicht gleichgültig verhalten können."
Gemäß diesem Grundsatz hätten die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten im Fall der Tschechoslowakei "entschlossen handeln" müssen, "um ihre internationalistische Pflicht gegenüber dem brüderlichen Volk der Tschechoslowakei zu erfüllen". Die von der Regierung in Prag proklamierte Selbstbestimmung habe es ermöglicht, dass NATO-Truppen bis an die Grenze der Sowjetunion vorrücken könnten – eine Behauptung, die aus historischer Sicht fragwürdig ist, denn die Tschechoslowakei wollte unter Alexander Dubček keineswegs Teil des westlichen Verteidigungsbündnisses werden.
Diese Doktrin, mit der er den Einmarsch in der Tschechoslowakei legitimierte, trug Leonid Breschnew am 12. November 1968 offiziell vor. Er war Gastredner in Warschau beim 5. Parteitag der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP). Damit machte er diese Haltung zur Regierungslinie - zur "Breschnew-Doktrin":
"...bekanntlich, Genossen, gibt es auch allgemeine Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Aufbaus, und ein Abweichen von diesen Gesetzmäßigkeiten könnte zu einem Abweichen vom Sozialismus im allgemeinen führen. Und wenn innere und äußere dem Sozialismus feindliche Kräfte die Entwicklung eines sozialistischen Landes zu wenden und auf eine Wiederherstellung der kapitalistischen Zustände zu drängen versuchen, wenn also eine ernste Gefahr für die Sache des Sozialismus in diesem Lande, eine Gefahr für die Sicherheit der ganzen sozialistischen Gemeinschaft entsteht – dann wird dies nicht nur zu einem Problem für das Volk dieses Landes, sondern auch zu einem gemeinsamen Problem, zu einem Gegenstand der Sorge aller sozialistischen Länder".
Mit dem Postulat einer "gegenseitigen Verantwortung" für den Sozialismus rechtfertigte Breschnew auch künftige Interventionen. Er stellte klar, dass die Länder des Ostblocks allenfalls Teilautonomie genießen und machte deutlich, wo die Grenzen eines "eigenen Weges" liegen – nämlich dort, wo die Interessen des Marxismus-Leninismus und der Sowjetunion gefährdet seien. Damit verschärfte er den Interner Link: Kalten Krieg.
Die Breschnew-Doktrin und ihre Folgen in Polen und Afghanistan
Anfang der 1980er-Jahre spielte die Breschnew-Doktrin erneut eine Rolle in Europa - während der Solidarność-Proteste in Polen, wenn auch eher indirekt. Im Zuge der Streiks auf der Danziger Lenin-Werft im Jahr 1980 war eine freie Gewerkschaftsbewegung entstanden, in der sich bis Herbst 1981 insgesamt zehn Millionen Polen organisierten. "Wenn die Situation schwieriger wird, dann werden wir einmarschieren", drohte Breschnew dem polnischen Machthaber Stanisław Kania im Dezember 1980. Ob allerdings ein gewaltsamer Einmarsch auch in Polen denkbar gewesen wäre, ist offen, denn Solidarność fand bis weit in die kommunistische Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP) Unterstützung. Womöglich hätte sich die polnische Armee den Anweisungen aus Moskau widersetzt. Letztlich diente die Drohung eines Einmarsches jedoch dem polnische Armeegeneral und späteren Ministerpräsidenten Wojciech Jaruzelski dazu, die Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 zu rechtfertigen.
Direkte Konsequenzen hatte die Breschnew-Doktrin dagegen in Afghanistan. In Nachbarschaft zum Südrand der Sowjetunion hatte die Demokratische Volkspartei Afghanistans im Jahr 1978 eine kommunistische Regierung unter der Führung von Muhammad Taraki gebildet. Doch Taraki wurde im folgenden Jahr umgebracht. Zu dieser Zeit herrschten bürgerkriegsartige Zustände in Afghanistan, und die Führung in Moskau hatte Sorge, dass Tarakis Nachfolger Hafizullah Amin zur Befriedung des Landes NATO-Truppen um Hilfe bitten könnte.
Daher rückten am 25. Dezember 1979 sowjetische Truppen in Afghanistan ein, obwohl das Land nur als "Staat sozialistischer Orientierung" galt. Umgehend wurde Amin von Spezialeinheiten ermordet. Doch dem "begrenzten sowjetischen Kontingent" gelang es zu keinem Zeitpunkt, das Land vollständig unter Kontrolle zu bringen. Im Sowjetisch-Afghanischen Krieg starben etwa 15.000 Sowjetsoldaten und mehr als eine Millionen Zivilisten.
Die Breschnew-Doktrin gilt heute, auch wegen der Intervention in Afghanistan, als wesentlicher Auslöser für die politische "Eiszeit" zwischen Ost und West, die Anfang der 1980er-Jahre zu einer gefährlichen Konfrontation zwischen den Blöcken führte. Beide Seiten rüsteten massiv mit atomaren Mittelstreckenraketen auf.
Der Weg zur "Sinatra-Doktrin"
Erst mit dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow als Generalsekretär der KPdSU im Jahr 1985 fand die Breschnew-Doktrin ein Ende. Die sowjetischen Truppen zogen aus Afghanistan ab. Und am 25. Oktober 1989 erklärte Gorbatschow bei einem Staatsbesuch in Finnland den Verzicht auf den Einsatz von Gewalt gegen Staaten des eigenen Bündnisses.
Der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, fasste die neue Linie bei einem Auftritt beim amerikanischen Fernsehsender ABC am gleichen Tag wie folgt zusammen: "Wir haben jetzt die Frank-Sinatra-Doktrin. Er hat ein Lied, 'I Did It My Way'. So entscheidet nun jedes Land selbst, welchen Weg es gehen will." In einem weiteren Journalistengespräch sagte Gerassimow: "Ungarn und Polen gehen ihren eigenen Weg. Ich denke, die Breschnew-Doktrin ist tot."
Zum Nutznießer dieses Grundsatz-Wandels wurde wenig später auch die DDR. Die Interner Link: Friedliche Revolution im Herbst 89 und den Mauersturz am 9.11.1989 ließen die Sowjetunion gewähren.
Heute nur noch ein Stück Mauerkunst an der Berliner Eastsidegalerie: Leonid Breschnews sozialistischer Bruderkuss mit dem ehemaligen DDR-Staatschef Erich Honecker. Ein Gemälde von Dmitri Wladimirowitsch Wrubel, aufgenommen im August 2018. Das Motiv entstand 1990 und wurde 2009 erneuert.
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