Bei der Parlamentswahl in Schweden haben die Sozialdemokraten von Regierungsschef Stefan Löfven zwar Stimmenverluste (-2,8 Prozent) erlitten, wurden aber erneut stärkste Kraft. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis liegt Schwedens Sozialdemokratische Arbeiterpartei bei 28,4 Prozent. Zweitstärkste Kraft wurde die Moderate Sammlungspartei mit rund 19,8 Prozent der Stimmen (-3,5), an dritter Stelle landeten die einwanderungskritischen Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna, kurz SD) mit 17,6 Prozent (+4,7). Sie fuhren zwar das beste Ergebnis ihrer Geschichte ein, konnten aber nicht die Resultate erreichen, die kurz vor der Wahl Demoskopen prognostiziert hatten. Dennoch erklärte sich der SD-Vorsitzende Jimmie Åkesson zum Sieger der Wahl. Seine Partei wolle nun "echten Einfluss" in der Politik ausüben.
Parlamentswahl in Schweden
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Am 9. September wurde in Schweden ein neues Parlament gewählt.Trotz Verlusten schnitten die Sozialdemokraten erneut als stärkste Partei ab, die rechtspopulistischen Schwedendemokraten blieben unter ihren Erwartungen und wurden drittstärkste Kraft.
Schwierige Regierungsbildung
Wer Schweden künftig regieren kann, blieb am Wahlabend unklar, denn die beiden großen politischen Lager in Schweden erhielten mit jeweils rund 40 Prozent keine Regierungsmehrheit. Die beiden traditionellen Blöcke hatten schon vor der Wahl eine Koalition mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten abgelehnt. Das Bündnis aus Arbeiterpartei, Linkspartei und Grünen erreichte zusammen rund 40,6 Prozent der Stimmen, die konservativ-liberale "Allianz für Schweden" aus Moderaten, Zentrumspartei, Christdemokraten und Liberalen 40,3 Prozent.
Sozialdemokraten in Schweden seit 1917 stärkste Kraft
Es gibt kaum ein Land in Europa, dessen Geschichte so eng mit der Sozialdemokratie verbunden ist wie Schweden. Seit 1917 ist die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens (Sveriges socialdemokratiska arbetareparti, kurz SAP) ununterbrochen die stärkste Kraft im Externer Link: Reichstag
Damals kamen die Sozialdemokraten auf 31,2 Prozent der Stimmen, jetzt sind es 28,4. Jüngste Erhebungen hatten der SAP deutlich stärkere Verluste vorhergesagt - zwischen sechs und acht Prozent. Ihr Koalitionspartner, die Umweltpartei Die Grünen, musste gar um den Wiedereinzug ins Parlament fürchten. Sie landete mit 4,3 Prozent knapp oberhalb der in Schweden geltenden Vier-Prozent-Hürde.
Wahlsystem in Schweden
Schweden ist seit 1809 eine konstitutionelle Monarchie mit parlamentarischer Regierungsform. Die Regierung ist dem Reichstag (Riksdagen) gegenüber verantwortlich. Der schwedische König ist das repräsentative Staatsoberhaupt, übt aber keine formelle Macht aus. Das schwedische Parlament, der Reichstag, existiert als regelmäßig tagendes Organ seit 1866. Das allgemeine Männerwahlrecht wurde 1907, das Frauenwahlrecht 1919 eingeführt. Das aktive sowie passive Wahlrecht gilt ab dem 18. Lebensjahr. Seit 1971 ist der schwedische Reichstag ein Einkammerparlament.
Seit 1994 finden die Wahlen in Schweden im 4-Jahres-Rhythmus jeweils am zweiten oder dritten Sonntag im September statt. Die Wahlen in Schweden finden nach den Prinzipien der Verhältniswahl statt. D.h. die Kandidaten werden von den Parteien auf Wahllisten gesetzt. Wie viele Sitze eine Partei letztlich im Schwedischen Reichstag erhält, entscheidet dann der Anteil der Stimmen, die sie bekommen hat.
Der schwedische Reichstag hat insgesamt 349 Sitze. Davon entfallen 310 auf feste Mandate, die nach dem Proporz des Ergebnisses in den 29 Wahlkreisen vergeben werden. Wie viele Sitze in einem Wahlkreis vergeben werden, hängt von der Bevölkerungsgröße ab. Darüber hinaus gibt es 39 Ausgleichsmandate.
Es gilt eine Sperrklausel von vier Prozent - ausgenommen sind davon jene Sitze, die eine Partei in jenen Wahlkreisen erhält, wo sie mehr als zwölf Prozent der Stimmen bekommen hat.
Seit der Wahl von 1991 waren im Schwedischen Reichstag sieben Parteien vertreten, seit 2014 sind es acht. Diese für europäische Verhältnisse relativ große Parteienvielfalt macht die Bildung einer Mehrheitsregierung schwierig. Zuletzt hatte es der Mitte-Rechts-Block im Jahr 2006 geschafft, eine parlamentarische Mehrheit zu erlangen. Ansonsten sind sämtliche Ministerpräsidenten Schwedens seit 1981 aus Minderheitsregierungen hervorgegangen, die mit den verschiedenen Oppositionsparteien in einzelnen Sachfragen kooperierten.
Gegenwärtig sind 152 der 349 Sitze von Frauen besetzt. Damit hat der schwedische Reichstag mit 43,6 Prozent den höchsten Frauenanteil in der Europäischen Union. Schweden trat der EU 1995 bei.
Migration zentrales Thema
Der Beginn des Abwärtstrends für beide Regierungsparteien lässt sich recht genau datieren: Er fällt zusammen mit dem Höhepunkt der
Schwedendemokraten: Gegen Einwanderung und gegen die EU
Als nunmehr drittstärkste Kraft im Land haben sich die
Seit der Flüchtlingsdebatte kamen die Rechtspopulisten in Umfragen auf Zustimmungswerte von bis zu 20 Prozent. Einzelne Meinungsforscher sahen die Schwedendemokraten sogar als stärkste politische Kraft im Land.
Die Schwedendemokraten treten für einen Austritt Schwedens aus der Europäischen Union ein. Darüber hinaus plante der SD-Vorsitzende Jimmie Åkesson im Falle einer Regierungsbeteiligung die Mittel für die Klimaforschung zu kürzen.
Das Thema Migration dominierte den Wahlkampf. Mit den verheerenden Waldbränden im Sommer rückte auch das Thema Klimapolitik in den Vordergrund. Hier punktete vor allem die bürgerlich-grüne Zentrumspartei (Centerpartiet), die sich um 2,5 auf 8,6 Prozent steigerte - zu Schwedens nunmehr viertstärkster politischer Kraft vor der Linkspartei mit 7,9, den Christdemokraten mit 6,4 und den Liberalen mit 5,5 Prozent. Sie entstammt dem Bauernmilieu und verbindet ökologische Standpunkte mit einer wirtschaftsliberalen Politik. Besonders in den Großstädten macht sie der links-grünen Miljöpartiet Konkurrenz.
Hohe Wahlbeteiligung
Zur neuen Sitzverteilung in Schwedens Parlament: Die Arbeiterpartei erhält 101 Mandate (-12), die Moderaten 70 (-14), die Schwedendemokraten 62 (+13), die Zentrumspartei 31 (+9), die Linkspartei 28 (+7), die Christdemokraten 23 (+7), die Liberalen unverändert 19, die Grünen 15 (-10). Damit hat der rot-grüne Block mit 144 Sitzen genau ein Mandat mehr als die Allianz.
Die Wahlbeteiligung lag mit 84,4 Prozent rund einen Prozentpunkt höher als vor vier Jahren.
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