Sie kamen vor einen Monat und nahmen ihn mit: Polizisten verhafteten Anfang Mai dieses Jahres den chinesischen Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang. Mit anderen Aktivisten wollte Pu des Massakers gedenken, das die chinesische Volksbefreiungsarmee in der Nacht zum 4. Juni 1989 auf dem Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens beging. Pu war als Student an den Protesten beteiligt gewesen. Bis heute ist nicht geklärt, ob mehrere Hundert oder einige Tausend Menschen damals ums Leben kamen. Chinas Kommunistische Partei (KP) und deren Machthaber im Ein-Parteien-Staat versuchen, das Gedenken an die Geschehnisse vor 25 Jahren zu verhindern.
Hoffnung auf politischen Wandel
Die blutige Nacht am Platz des Himmlischen Friedens war dabei sowohl Eskalation als auch Ende einer breiten Protest- und Demokratiebewegung. In China wuchs in den 1980er Jahren die Hoffnung, dass der damals beginnenden wirtschaftlichen Modernisierung und Liberalisierung politische und gesellschaftliche Freiheiten folgen würden. Viele dieser Hoffnungen ruhten dabei auf Hu Yaobang, damals Generalsekretär der KP in China und ein Gefährte des "großen Reformers" und Mao-Nachfolgers
Eine demokratische und soziale Bewegung
Hu wurde 1987 abgesetzt und starb zwei Jahre später am 15. April 1989. Öffentliche Trauerbekundungen nach seinem Tod waren der Ausgangspunkt der nun folgenden Proteste. Die Regierung konnte die öffentliche Trauer um ein respektiertes Parteimitglied schlecht unterbinden. Die Teilnehmer der Trauerkundgebungen nutzten die Gelegenheit, um Kritik am Regime zu üben und mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fordern. Allerdings ging es auch um soziale Fragen. Die wirtschaftliche Modernisierung hatte zwar viele aus der Armut geholt, zugleich aber vor allem in den Städten neue Ungleichheiten und Einkommensunterschiede geschaffen. Viele Staatsbedienstete hatten ihre Arbeit verloren, außerdem zogen die Preise für Lebensmittel stark an. Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten schlossen sich der von Studenten initiierten Bewegung an, um für eine gerechtere Verteilung des neuen wirtschaftlichen Reichtums zu demonstrieren.
Am 22. April 1989 besetzten zehntausende Studenten im Zuge der offiziellen Trauerfeier für Hu den Tiananmen-Platz. Im Mai traten Tausende von ihnen in den Hungerstreik. Beeinflusst wurden die Protestierenden auch durch
Die Gewalt eskaliert
Was die blutigen Ereignisse am 3. und 4. Juni auf dem Platz des Himmlischen Friedens für viele Chinesen so unbegreiflich machte, war das Verhalten der
Gedenken verboten
Angehörige der Opfer setzen sich seit 25 Jahren für eine Aufarbeitung des Massakers von 1989 ein, zuletzt im März mit einem Brief an die Delegierten des Nationalen Volkskongresses. Ihre Forderungen wurden jedoch abgelehnt. Die Chinesische Führung geht stattdessen gegen jedes öffentliche Gedenken vor: Menschenrechtsorganisationen und Journalisten berichten von Aktivisten, Opferangehörigen und Überlebenden der Proteste, die von der Polizei drangsaliert und beispielsweise am Betreten von Friedhöfen gehindert werden, auf denen Opfer begraben sind; Versammlungen oder Kundgebungen auf dem Tiananmen-Platz werden im Keim erstickt, Filmaufnahmen verboten. Auch
Der Tiananmen-Protest
Das Massaker: Vor 25 Jahren, in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989, lässt Chinas Regierung das Militär brutal gegen Demonstranten rund um den Tiananmen-Platz in Peking vorgehen. Bis heute ist nicht sicher, wie viele Menschen dabei ums Leben kamen. Chinas Regierung spricht von etwa 300 getöteten Demonstranten und Soldaten, Menschenrechtsorganisationen dagegen von bis zu 3.000 Opfern.
Die Bewegung: Unter den Protestierenden waren zahlreiche Studenten, die darauf hofften, dass der wirtschaftlichen Erneuerung Chinas eine politische Öffnung folgen würde. Weil die Bewegung neben Demokratie, Freiheit und Mitbestimmung auch für mehr soziale Gerechtigkeit eintrat, schlossen sich viele Menschen aus unterschiedlichsten Schichten den Demonstrationen an.
Das Gedenken: Die bekannteste Gruppe, die sich für eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Massaker und ein Gedenken an seine Opfer einsetzt, sind die "Mütter von Tiananmen". Deren Sprecherin Ding Zilin, Mutter eines 1989 erschossenen Studenten, wird derzeit von der Polizei an einer Rückkehr nach Peking vor dem 4. Juni gehindert. Die chinesische Regierung verschweigt bis heute, was vor 25 Jahren geschah. Diejenigen, die sich dem Schweigen widersetzen, droht Verfolgung, Haft, Zensur und Hausarrest.
Interner Link: Kristin Kupfer: Konfliktporträt: China - Xinjiang Hintergrund aktuell (11.10.2011): China unterdrückt Solidaritätsbekundungen
Interner Link: Kristin Kupfer: Menschenrechte in der Volksrepublik China