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Vor zwanzig Jahren: Einschränkung des Asylrechts 1993 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor zwanzig Jahren: Einschränkung des Asylrechts 1993

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Anfang der 1990er Jahre stiegen die Asylbewerberzahlen in Deutschland auf bis dahin ungekannte Höhen. Eine Welle rassistischer und ausländerfeindlicher Gewalttaten ging durch Deutschland. Die Politik schränkte schließlich das Asylrecht ein.

Neben einem Schild "Asyl-Verteilung" warten afrikanische Asylbewerber in der Ausländerbehörde in Hamburg im Oktober 1992 darauf, daß sie an die Reihe kommen. (© picture-alliance / dpa)

Zu Beginn der 1990er Jahre stieg die Zahl der Asylbewerber in Deutschland massiv an. Viele hofften auf die Anerkennung als politische Verfolgte oder Flüchtlinge. "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Mit diesem Satz hatten die Mütter und Väter des Interner Link: Grundgesetzes 1949 das Asylrecht festgeschrieben (Artikel 16). Sie zogen damit die Konsequenz aus den Menschenrechtsverletzungen der Nationalsozialisten und schufen ein einklagbares Individualrecht auf Asyl.

In der Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 verpflichteten sich die Vertragsstaaten - darunter auch die Bundesrepublik Deutschland - zur Gewährung von Asyl und zur Einhaltung eines so genannten Mindestschutzstandards. 1953 wurde in der Bundesrepublik zum ersten Mal ein gesetzlich geregeltes Asylverfahren eingeführt. Mit dem Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte in den 1970er Jahren begannen die Asylbewerberzahlen zu steigen und damit auch die politischen Auseinandersetzungen um die Asylpolitik.

Immer mehr Asylanträge und rassistische Gewalt

Zu Beginn der 1990er Jahre stiegen die Zahlen massiv an. Knapp 440.000 Asylbewerber zählten deutsche Behörden im Jahr 1992, fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor, eine große Herausforderung für die aufnehmenden Kommunen. Allerdings wurden nur rund 4,3 Prozent der Anträge anerkannt.

Die sich häufenden rassistischen Anschläge – u.a. in Mölln und Rostock-Lichtenhagen – führten einige Medien und Parteien auf Fehler in der deutschen Flüchtlingspolitik und die ungewohnt hohe Zahl von Asylbewerbern zurück. Unter diesem Druck verständigten sich Vertreter von Union, SPD und FDP im Dezember 1992 auf eine Neuregelung des Asylrechts. Das Ziel: Die Verfahren sollten beschleunigt und ein "Asylmissbrauch" verhindert werden. Dazu sollte der ursprünglich schrankenlose Satz in Artikel 16 gestrichen und durch einen Artikel 16a ersetzt werden.

Emotionale Debatte und Bundestagsabstimmung

Die Abstimmung über den so genannten "Asylkompromiss" im Bundestag am 26. Mai 1993 wurde von Protesten begleitet. Rund 10.000 Demonstranten legten das Bonner Regierungsviertel lahm. Am Ende stimmten 521 Bundestagsabgeordnete für die Gesetzesänderung, 132 dagegen. Die zur Grundgesetzänderung nötige Zweidrittelmehrheit war zustande gekommen. Nur drei Tage später, am 29. Mai 1993, starben fünf Menschen türkischer Abstammung bei einem rechtsradikalen Interner Link: Brandanschlag in Solingen. Es waren keine Asylbewerber.

Mit der Neuregelung sollte sichergestellt werden, dass sich nur tatsächlich politisch Verfolgte auf das deutsche Asylrecht berufen können. Daneben bestand weiterhin die Möglichkeit eines "kleinen Asyls". Dieses regelt das Aufenthaltsrecht und den Schutz vor Abschiebung, wenn die Person nach der Definition der Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlingsschutz genießt.

1993: Grundgesetzänderung und Neuregelung des Asylverfahrensrechts

Im Einzelnen ergaben sich folgende Neuerungen:

Wer über ein EU-Land oder ein anderes Nachbarland Deutschlands einreist, hat keinen Anspruch auf Asyl und kann sofort abgewiesen werden. Das besagt die sogenannte "Drittstaatenregelung", die auch in anderen EU-Ländern existiert. Die meisten Flüchtlinge scheitern auf diese Weise bereits an den Grenzen Deutschlands. Oft kommt es zudem zu Kettenabschiebungen, an deren Ende sich der Flüchtling in seinem Herkunftsland wiederfindet.

Auch Flüchtlinge aus "sicheren Herkunftsstaaten", also Ländern, in denen keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht, haben keinen Anspruch auf Asyl.

Zudem können über Flughäfen eingereiste Bewerber bis zu 19 Tage festgehalten werden, um ihren Asylantrag zu prüfen. Dies ist möglich, da die Transitbereiche von Flughäfen als "exterritoriale Gebiete" eingestuft werden. So können Asylverfahren schon vor der Einreise nach Deutschland durchgeführt und die Einreise verweigert werden.

Kritik an dem neuen Verfahren übten das Flüchtlingshilfswerk Interner Link: UNHCR und Organisationen wie Pro Asyl. Die deutsche Regelung sei unmenschlich und führe dazu, dass Menschen, die in anderen EU-Ländern Flüchtlingsstatus erhalten würden, in Deutschland keine Chance auf Asyl hätten.

Wer gilt als "asylberechtigt"?

Recht auf Asyl hat, wer politisch verfolgt ist. Eine Definition dazu findet sich im Grundgesetz nicht. Erst durch höchstrichterliche Urteile und die Definition der Genfer Flüchtlingskonvention wurde der Begriff der "politischen Verfolgung" konkretisiert: Sie muss von einem Staat ausgehen und die Menschenwürde der betroffenen Person schwerwiegend verletzen.

Allgemeine Notsituationen wie Armut, Bürgerkrieg oder Naturkatastrophen und die Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure wie Bürgerkriegsparteien begründen damit ausdrücklich keinen Anspruch auf Asyl.

Seit der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 können jedoch auch nicht-staatlich Verfolgte Flüchtlingsstatus erhalten. Sowohl Asylberechtigte als auch anerkannte Flüchtlinge erhalten eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis.

Wenn weder Asyl oder der Flüchtlingsstatus gewährt werden kann, besteht noch die Möglichkeit des "subsidiären Schutzes". Im Fall einer existentiellen Bedrohungssituation, z.B. bei drohender Todesstrafe oder Folter, ist eine Abschiebung verboten.

Zahlen und Fakten

Mit der Änderung des Asylrechts in Deutschland ging die Zahl der Antragsteller zunächst stark zurück. Gleichzeitig stieg die Zahl der Abschiebungen. 1995 stellten rund 127.000 Menschen Asylerstanträge, 2007 nur noch rund 19.000. Seitdem steigen die Zahlen wieder. 2012 waren es 64.539 Erstanträge und damit 41 Prozent mehr als im Vorjahr. Letzterer Anstieg geht u.a. auf die Fluchtbewegungen aus den vom Krieg zerrütteten Ländern Afghanistan und Syrien zurück.

2012 haben die deutschen Behörden 14,2 Prozent der Antragssteller als Flüchtlinge, aber nur 1,2 Prozent davon als asylberechtigt im Sinne des Grundgesetzes anerkannt. 13,5 Prozent der Asylbewerber erhielten subsidiären Schutz.

Asyl in der EU: Ein gesamteuropäisches Asylsystem?

In den 27 Ländern der EU stellten im Jahr 2012 über 330.000 Menschen einen Antrag auf Asyl. 70.000 dieser Anträge wurden bewilligt. In der Praxis hing eine Anerkennung des Asylantrags bisher vor allem davon ab, in welchem Land der EU ein Antrag auf Asyl gestellt wurde. Ein neues Asylsystem soll ab Juni 2013 das Asylrecht und -verfahren in allen Mitgliedsstaaten der EU vereinheitlichen – mit Ausnahme von Großbritannien und Dänemark.

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