Die UN-Vollversammlung in New York hat am Donnerstag (29. November) Palästina mit großer Mehrheit zum Beobachterstaat innerhalb der Vereinten Nationen aufgewertet. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einer „Geburtsurkunde des Staates Palästina“. Die israelische Regierung und die USA kritisieren das einseitige Vorgehen: eine Zwei-Staaten-Lösung lasse sich nur durch direkte Verhandlungen erreichen. Knapp ein Jahr ist es her, dass die Palästinenser einen Antrag auf Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen eingereicht haben – allerdings ohne Erfolg. Nun hat der Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Mahmud Abbas, auf der UN-Vollversammlung am Donnerstag (29. November) einen erneuten Versuch unternommen, die Rechte der Palästinenser auf internationaler Ebene zu stärken. "Ich rufe die Vollversammlung auf, heute die Geburtsurkunde eines Staates Palästina auszustellen", sagte Abbas vor der Abstimmung. "Wir werden nicht weniger akzeptieren als die Unabhängigkeit eines Staates Palästina mit Ost-Jerusalem als seiner Hauptstadt - auf dem gesamten Territorium, das 1967 besetzt wurde – um in Frieden und Sicherheit neben Israel zu leben."
Eine überwiegende Mehrheit stimmt für den Antrag
Dieses Mal war Abbas erfolgreich. Anders als beim Antrag auf UN-Mitgliedschaft, die der Empfehlung des UN-Sicherheitsrates bedarf, genügt für eine Aufwertung zum Beobachterstaat eine einfache Mehrheit von 97 Staaten in der UN-Generalversammlung. Diese wurde am Donnerstag weit übertroffen: 138 der 193 Mitgliedsstaaten stimmten für eine Aufwertung des völkerrechtlichen Status der Palästinenser zu einem "Beobachterstaat" in den Grenzen von 1967 - also in den Grenzen vor dem 6-Tage-Krieg. Dies schließt das Westjordanland, den Gazastreifen und den arabischen Ostteil Jerusalems mit ein. Neun UN-Mitglieder stimmten gegen die Resolution. Dazu zählten erwartungsgemäß die USA und Israel. 41 Staaten enthielten sich, darunter auch Deutschland. Die Anerkennung ist allerdings nur innerhalb der UN-Organisation von Bedeutung. Kein UN-Mitglied ist dadurch verpflichtet, einen Staat Palästina diplomatisch anzuerkennen.
Palästinenser künftig mit mehr Rechten
Konkret bedeutet der Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat, den etwa auch der Vatikan inne hat, mehr Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung – sofern sie betroffen sind – an Diskussionen teilnehmen und Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen der UN wie dem Internationalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht, etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der israelischen Regierung vor Gericht zu bringen. Bislang waren die Palästinenser damit gescheitert. Für die Palästinenser bedeutet dies einen weiteren Erfolg auf internationaler Ebene. Bereits 2011 sind die Palästinenser in die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, aufgenommen worden. Als weiteren Schritt streben sie eine Mitgliedschaft in der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO an.
Auswirkungen auf den Friedensprozess
Beobachter befürchten, dass der Vorstoß des Palästinenserpräsidenten Abbas die Fronten zwischen Israel und den Palästinensern weiter verhärten könnte. Die Friedensverhandlungen liegen seit Jahren auf Eis. Experten sehen in dem palästinensischen Vorgehen den Versuch, die Staatlichkeit über Umwege zu erreichen. In Ramallah im Westjordanland und in vielen arabischen Staaten feierten tausende Menschen das Abstimmungsergebnis. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ mitteilen, dass die Anerkennung der Palästinenser als Beobachterstaat bedeutungslos sei und nichts an dem bilateralen Verhältnis ändern werde. Bereits vor der Abstimmung hatte die israelische Regierung deutlich gemacht, dass es einen Palästinenserstaat nicht durch eine UN-Abstimmung geben werde. Jerusalem wertet das palästinensische Vorgehen als Bruch der Osloer Friedensverträge, die Israelis und Palästinenser in den 1990er Jahren ausgehandelt haben. Diese sehen vor, dass alle ungeklärten Themen in direkten Verhandlungen gelöst werden müssen. Abbas hat mit seinem Gang vor die UN einen Kernpunkt der bilateralen Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern berührt: die Grenzziehung eines künftigen palästinensischen Staates. Jerusalem hatte deshalb damit gedroht, Vereinbarungen aus den Osloer-Friedensabkommen aufzukündigen und Gebiete im Westjordanland zu annektieren, sollte Abbas seinen Antrag zur Abstimmung stellen. Auch die USA argumentieren ähnlich. Der einzige Weg, um eine dauerhafte Lösung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern zu erreichen, seien direkte Verhandlungen: „Es gibt keine Abkürzung“, sagte die UN-Botschafterin der USA Susan Rice.
Historisches Datum: Der UN-Teilungsplan vor 65 Jahren
Die Abstimmung in der UN-Vollversammlung fiel auf ein historisches Datum: Am 29. November 1947 hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Resolution 181, den Teilungsplan für Palästina angenommen. Dieser Plan teilte das Land in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Jerusalem sollte unter internationale Kontrolle gestellt werden. Während die meisten jüdischen Interessengruppen den Plan akzeptierten, lehnten ihn die arabischen Führer ab. Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel ins Leben gerufen, einen Tag darauf erklärte die arabische Liga Israel den Krieg. Der Palästinakrieg endete 1949 mit einem von der UN vermittelten Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel, Ägypten, Libanon, Syrien, Irak und Jordanien. Der militärische Konflikt ging auf israelischer und arabischer Seite unterschiedlich in die Geschichtsbücher ein: als Unabhängigkeitskrieg bei den Israelis, als Nakba, arabisch für Katastrophe, bei den Arabern. Millionen Palästinenser flohen im Verlauf dieses Krieges in die arabischen Nachbarstaaten. Das Rückkehrrecht dieser Flüchtlinge und ihrer Nachkommen ist bis heute eine der ungelösten Fragen des Nahostkonfliktes.