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Vokabeln im Nationalsozialismus

Cornelia Schmitz-Berning

/ 11 Minuten zu lesen

Einige bis heute verwendete Begriffe gehörten zum festen Wortschatz der NS-Zeit. Aber welchen Ursprung und Bedeutung hatten Ausdrücke wie "betreuen" oder "Kulturschaffende" im "Dritten Reich"?

Abstammungsbescheid

Für die meist auf Antrag einer staatlichen Institution herbeigeführte Entscheidung der Reichsstelle für Sippenforschung über die Frage, welcher Kategorie von Menschen eine Person gemäß den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 zuzurechnen sei.

Worttyp: NS-Neubildung.

In Zweifelsfällen, ob eine Person von fremdrassigen Blutseinschlägen frei sei, konnte von Ämtern und Organisationen, aber auch von der Person selbst, "ein 'Abstammungsbescheid' der Reichsstelle für Sippenforschung, Berlin ... eingeholt werden... Diese 'Abstammungsbescheide' haben dann, je nachdem, ob sie entsprechend den Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes oder nach den Aufnahmebedingungen der NSDAP ausgestellt sind, bei allen staatlichen Stellen und bei allen Dienststellen der NSDAP und ihren Gliederungen volle Beweiskraft."

Die Preußische Akademie der Künste wendete sich zum Beispiel mit folgender Anfrage an die Reichsstelle für Sippenforschung: "Da immer wieder das Gerücht auftaucht, daß das Mitglied unserer Akademie, Bildhauer Ernst Heinrich Barlach, nicht arischer Abkunft sei, würde die Akademie für eine gefällige amtliche Nachprüfung dankbar sein..." Die Antwort: "Abstammungsbescheid. Der Bildhauer Ernst Heinrich Barlach in Güstrow, geboren zu Wedel am 2.1.1870, ist deutschen oder artverwandten Blutes im Sinne der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935. ... Die Abstammung wurde hier nachgeprüft."

Ausrichtung, ausrichten


Personen, Organisationen, Institutionen Disziplinen nach der Richtschnur der NS-Ideologie auf eine Linie bringen.

Worttyp: zusätzliche NS-Bedeutung, hohe Frequenzsteigerung

Das aus der Militärsprache übernommene ausrichten bezeichnete die nie abgeschlossene Aufgabe, dem Denken und Fühlen des Volkes eine total einheitliche nationalsozialistische Richtung zu geben. Es begegnet daher überall in Texten und Reden. "Wir sprechen viel von politischer Ausrichtung des deutschen Menschen, auch von politischer Ausrichtung des wissenschaftlichen Arbeiters. Die Notwendigkeit dieser Ausrichtung wird auf vielen Gebieten aber ungern anerkannt. Und doch ist der gleiche Marschtritt die primitivste Voraussetzung für das Vorwärtskommen einer geschlossenen Truppe. Deshalb ist selbstverständlich, wer nicht den richtigen Tritt des Volksmarsches hat, für den heißt es 'Tritt gewechselt'. Wer das Kommando nicht versteht, der muß nachexerzieren, bis er es gelernt hat. Das ist einfache Tatsache in der Wissenschaft so selbstverständlich wie beim Militär." "Wir wollen in diesem Rahmen dafür arbeiten und kämpfen, daß in dem studentischen Nachwuchs eine einheitlich ausgerichtete, politisch klare, charakterlich harte und geistig mutige Schicht entsteht, welche dereinst in ihren Besten, verbunden mit den Besten der Jungarbeiterschaft, die Führung des Reiches übernehmen kann." "In 1723 Jugendappellen und Jugendbetriebsabenden erhielten unsere Jungen und Mädel die weltanschauliche Ausrichtung zur Erfüllung ihrer Aufgaben als die kommenden Träger der Gemeinschaft."

betreuen


versorgen, pflegen. Offiziell auch: Personen erfassen, beeinflussen, kontrollieren, lenken; SS-sondersprachlich: deportieren und töten. Sachen verwalten, beschlagnahmen; Sachgebiete bearbeiten, überwachen.

Worttyp: hochfrequentes NS-Modewort; Tarnwort der SS.


Mit der Bedeutung 'pflegen, wofür sorgen' schon im Mittelhochdeutschen belegt, aber noch im ersten Drittel des 20. Jh.s selten. Erst mit der NS-Zeit explosionsartige Gebrauchssteigerung. Im durchorganisierten NS-Staat ist betreuen vieldeutige Chiffre für die Einwirkung der NSDAP auf die Volksgenossen. Immer ist weltanschauliche Schulung und Ausrichtung mitgemeint. "Die Politischen Leiter führen die praktische Arbeit durch und betreuen das Volk." "Es ist die Absicht der Partei, ... daß [sie] durch eigene Initiative entsprechend dem Willen des Führers laufend alle Volksgenossen erfaßt und betreut." ] "Wie ... bereits ausgeführt will die DAF [Deutsche Arbeitsfront] den schaffenden deutschen Menschen vom frühen Morgen bis in die späte Nacht betreuen." Das breite Bedeutungsspektrum machte es einfach, betreuen auch euphemistisch für alle Arten von Zwangsmaßnahmen zu verwenden: z. B. für Zensur durch die "nationalsozialistische Schrifttumsbetreuung" der PPK, [Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums], für Enteignung: "Verordnung über die Betreuung von Vermögen aus Anlaß der Absiedlung in Lothringen vom 28.1.1943". In der internen Sondersprache der SS stand betreuen für Mord. In einem 'Tätigkeitsbericht' der Waffen-SS vom 3.8.1942 heißt es: "Die Judentransporte trafen in regelmäßigen Abständen in Minsk ein und wurden von uns betreut ... So beschäftigten wir uns ... bereits... wieder mit Ausheben von Gruben im Siedlungsgelände."

Eintopfsonntag



Bezeichnung für je einen Sonntag in den Monaten Oktober bis März, an dem ein schlichtes Eintopfgericht gegessen und der dadurch ersparte Betrag dem Winterhilfswerk gespendet werden sollte.

Worttyp: NS-Neubildung.

"Die Regierung richtet dabei an die gesamte deutsche Öffentlichkeit den Appell, an diesen Sonntagen mittags lediglich ein Eintopfgericht im Preise von höchstens 50 Pf. pro Person zu verzehren." "Der Landesinspekteur des Winterhilfswerks für Lippe sagt in einem Aufruf, daß Volksgenossen, die trotz mehrfacher Aufforderung ihre Spende zur Winterhilfe auch diesmal wieder nicht abführten, von jetzt ab öffentlich unter voller Namensnennung zur Spendenabführung aufgefordert würden. ... Gegen Saboteure des Eintopf-Sonntags, die auf dem Standpunkt ständen, 'wir kochen am Eintopf-Sonntag das, was wir wollen, wenn wir unsere Spende abgeführt haben', werde das Winterhilfswerk mit gleichen Maßnahmen vorgehen." "Der Eintopfsonntag soll nicht nur materiell (durch die Spende), sondern auch ideell dem Gedanken der Volksgemeinschaft dienen. Es genügt nicht, daß jemand zwar eine Eintopfspende gibt, aber seine gewohnte Sonntagsmahlzeit verzehrt. Das ganze deutsche Volk soll bei diesem Eintopfsonntag bewußt opfern, sich einmal in seiner gewohnten Lebenshaltung einschränken, um bedürftigen Volksgenossen zu helfen." Im Krieg wird die Bezeichnung Eintopfsonntag durch Opfersonntag ersetzt. 1942 verbietet eine Presseanweisung den Ausdruck Eintopfsonntag: "Die frühere Bezeichnung 'Eintopfsonntag' ist für die Opfersonntage nicht mehr zu verwenden."

Entjudung


  1. Verdrängung der Juden aus dem Berufs-und Wirtschaftsleben

  2. Beseitigung des jüdischen Einflusses

  3. Zwangsverkauf jüdischer Gewerbebetriebe, Enteignung

  4. Deportation und Ermordung der Juden


Worttyp: Neubedeutung, zum Wortschatz des eliminatorischen Antisemitismus.


Eugen Dühring, der 1881 den Ausdruck Rassenbewußtsein prägte, gebrauchte Entjudung bereits rassenantisemitisch: "Verjudung der Völker und aller Verhältnisse ist Thatsache, Entjudung die Aufgabe." In der NS-Zeit wird der gleiche Ausdruck nicht für gedachte, sondern für konkrete Ausgrenzungs- und schließlich Vernichtungsmaßnahmen "zur Säuberung des deutschen Volkskörpers" gebraucht: a) Das 'Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' vom 7.4.1933 hatte das Ziel der "Entjudung der Rechtspflege und der Verwaltung". b) "Die gesamte Kunstkritik ist seit 1933 genau so wie die übrige Presse entjudet worden." Der deutschkirchlich beeinflußte Flügel der Thüringer Deutschen Christen forderte "die Entjudung des Gesangbuchs durch Ausmerzung von Begriffen wie Jehova, Israel, Zion, Zebaoth." c) "Die Verordnung zur planmäßigen Entjudung der deutschen Wirtschaft wurde mit Befriedigung aufgenommen." Es folgte ein Erlaß über die Entjudung des jüdischen Grundbesitzes" vom Reichswirtschaftsministerium (6.2.1939), d) "Die Ghettoverwaltung ist im Zuge der Entjudung des Warthegaus im Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei mit der Durchführung einer Sonderaktion [Massenexekution] beauftragt worden. Für die Abwicklung, die etwa bis Ende Oktober 1942 dauern wird, sind 25 Leute der Ghettoverwaltung abgestellt, die durchschnittlich 14-16 Stunden tätig sind."

fanatisch, Fanatismus



"sich unbedingt, rücksichtslos einsetzend" (Duden, 1941).

Worttyp: Schlüsselwort des NS, umgewertet, enorme Frequenzsteigerung.


Fanatisch bezeichnete ursprünglich mit stark negativer Wertung religiöse Schwärmerei. Vgl. den Eintrag in Campes Verdeutschungswörterbuch, 1808: "Fanatism... die Glaubensschwärmerei, die Glaubenswuth. Diese äußert sich durch Vernunftscheu so wie gewöhnliche Tollheit durch Wasserscheu." In den französischen nachrevolutionären Meinungskämpfen warfen die Parteien einander Fanatismus vor; der nach wie vor pejorative Ausdruck verlor so seinen ausschließlich religiösen Bezug. Zu den wenigen, die "Fanatismus" positiv verwendeten, gehörte Rousseau: "In all seiner Blutgier und Grausamkeit ist nämlich der Fanatismus eine große und starke Leidenschaft, die das Herz des Menschen erhebt, die ihn den Tod verachten läßt, die ihm mächtigen Schwung verleiht." Eine breite positive Umwertung von fanatisch begann offensichtlich erst mit Adolf Hitler, von dem auch der NS-charakteristische inflationäre Gebrauch von fanatisch ausging. Hitler schreibt von sich: "In kurzer Zeit war ich zum fanatischen Deutschnationalen geworden." "Ich war vom schwächlichen Weltbürger zum fanatischen Antisemiten geworden." Seine Grundthese ist: "Die Überzeugung vom Recht der Anwendung selbst brutalster Waffen ist stets gebunden an das Vorhandensein eines fanatischen Glaubens an die Notwendigkeit einer umwälzenden neuen Ordnung dieser Erde." Nur Nationalsozialisten sollte Fanatismus als auszeichnendes Attribut zugesprochen werden. Deshalb wurde noch 1941 in 'Mein Kampf' z. B. ein auf die Juden in Rußland bezogenes fanatisch durch "satanisch" ersetzt.

gesundes Volksempfinden


für einen durch Gesetz vom 28.6.1935 neu eingeführten Rechtsgrundsatz.

Worttyp: feste Wendung mit zusätzlicher NS-Bedeutung.


Schon 1933 wird in einer 'Denkschrift des Preußischen Justizministers über das künftige nationalsozialistische Strafrecht' das gesunde Volksempfinden als Grundlage für richterliche Entscheidungen beansprucht. Am 24.1.1935 erläutert ein Jurist im 'Berliner Tageblatt' die neue Rechtsmaxime: "Im Mittelpunkt des nationalsozialistischen Strafrechts steht ...das freie richterliche Ermessen und das gesunde Volksempfinden. Dieses wird höher bewertet als das formale Recht." Durch das 'Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches' vom 28.6.1935 findet gesundes Volksempfinden Aufnahme in die offizielle Gesetzessprache: "§ 2 Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient." Der spätere Präsident des Volksgerichtshofs Freisler gibt dem schwammigen Rechtsbegriff die maßgebliche nationalsozialistische Interpretation: "Hier muß der Richter zunächst sich hüten vor der Verwechslung eines tatsächlichen Volksempfindens mit dem gesunden Volksempfinden ... Ob das Empfinden gesund ist, das muß an Hand der Maßstäbe und Leitsätze geprüft werden, die der Führer selbst in wichtigen Lebensfragen des Volkes vielfach dem Volke gegeben hat." "Denn den Charakter des Reiches bestimmt allein der Führer." Damit wird die Teilung der Gewalten auch im Strafrecht aufgehoben und der Richter legitimiert, nach eigenem Ermessen den üblichen Strafrahmen bis hin zur Todesstrafe zu überschreiten.

Hitlerjugend


Bezeichnung für:

  1. die Jugendorganisation der NSDAP

  2. eine Untergliederung der Hitlerjugend, meist abgekürzt HJ, für Jungen von 14 bis 18 Jahren

Worttyp: neugebildeter Organisationsname


Die erste Gruppe, die den Namen Hitlerjugend führte, war eine der NS-Jugendgruppierungen, die in der sog. Verbotszeit entstanden waren – also der Zeit nach dem Verbot der NSDAP infolge des gescheiterten Hitlerputsches. Nach Hitlers Neugründung der NSDAP im Jahr 1925 wurde aber eine andere dieser Gruppierungen, die "Großdeutsche Jugendbewegung", als Jugendorganisation der Partei anerkannt. Auf Antrag des Gauleiters Streicher erhielt sie 1926 auf dem ersten Reichsparteitag nach der Neugründung der NSDAP den Namen Hitler-Jugend. 1936 verkündete der Reichsjugendführer Baldur v. Schirach aus Anlass des "Gesetzes über die Hitlerjugend": "Der Führer, dessen Namen wir mit Stolz und Ehrfurcht tragen, hat soeben ein Gesetz unterschrieben, das uns für alle Zukunft mit seiner Person verbindet und mit seinem nationalsozialistischen Staat verknüpft." Die obersten Erziehungsziele der HJ entsprachen Hitlers pädagogischen Prinzipien: körperliche Ertüchtigung als vormilitärische Ausbildung und weltanschauliche Schulung als Einweisung in die nationalsozialistische Volksgemeinschaft. Durch die Jugenddienstverordnung vom 25.3.1939 wurde die Zugehörigkeit zur Hitlerjugend endgültig verpflichtend. "Der Dienst in der Hitler-Jugend ist Ehrendienst am Deutschen Volke. Alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind verpflichtet, in der Hitlerjugend Dienst zu tun, und zwar die Jungen im Alter von 10 bis 14 Jahren im 'Deutschen Jungvolk' (DJ) Die Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren in der 'Hitler-Jugend' (HJ). Die Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren im 'Jungmädelbund' (JM). Die Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren im 'Bund Deutscher Mädel' (BDM)."

Kulturschaffende (Pl.)


Sammelbezeichnung für alle im Bereich der Kunst Tätigen, die in der Reichskulturkammer organisiert waren.

Worttyp: NS-Neubildung.

Das Neuwort, überwiegend in der Pluralform vorkommend, entstand wohl infolge der Errichtung der Reichskulturkammer aufgrund des Gesetzes vom 22.9.1933, das aber selbst den Ausdruck nicht enthält. Meyers Lexikon erläutert später: "Die Reichskulturkammer ... ist die berufsständische Zusammenfassung und Gliederung der Kunstschaffenden im Großdeutschen Reich...Mitglied der zuständigen Einzelkammer muß jeder sein, der bei der Erzeugung, der Wiedergabe, der geistigen oder technischen Verarbeitung, der Erhaltung, dem Absatz oder der Vermittlung des Absatzes von Kulturgut mitwirkt." Nach dem Tod Hindenburgs unterstützte 1934 ein "Aufruf der Kulturschaffenden" die Volksabstimmung zur Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten in der Person Hitlers. Darunter war auch der Künstler Ernst Barlach. Er schrieb darüber in einem Brief: "Ich habe den Aufruf der 'Kulturschaffenden' mitunterschrieben" , Kulturschaffende in Anführungsstrichen, der nationalsozialistische Funktionärsausdruck war ihm wohl (noch) nicht geläufig. 1937 schreibt der Abteilungsleiter im Propagandaministerium H. Hinkel: "Im Schmelztiegel des nationalsozialistischen Gedankengutes wurde durch die Reichskulturkammer und in ihr die lang ersehnte Gemeinschaft aller Kunst- und Kulturschaffenden geboren. Diese Gemeinschaft steht mitten im Volk und das Volk um sie! Daß dies alles so werden konnte, verdankt das ganze deutsche Volk seinem Führer Adolf Hitler, dem Schöpfer des Nationalsozialismus, dem ersten Künstler unserer Nation." Nach 1945 blieb der Ausdruck - im Ganzen eher selten - im Westen als Synonym für 'Künstler' vor allem in der Presse und in Festreden im Gebrauch. In der ehemaligen DDR war 'Kulturschaffende' ein Element des offiziellen Sprachgebrauchs und gehörte in die Reihe der "inflationär" auf "-schaffende" gebildeten Berufsgruppenbezeichnungen wie: "Bau-, Buch-, Beat-, Fernseh-, Film-, Geistes-, Kultur-, Kunst-, Theaterschaffende", die sich wie 'Bauschaffende' nicht immer nur auf kreative Berufe bezogen.

Verdunkelungsverbrechen


Straftat unter Ausnutzung der Verdunkelung.

Worttyp: NS-Neubildung.


Paragraph 2 der Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5. September 1939 bedrohte Verbrechen oder Vergehen gegen Leib, Leben oder Eigentum unter Ausnutzung der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Maßnahmen mit Zuchthaus und in besonders schweren Fällen mit der Todesstrafe. In der Wortgeschichte von Maurer/Stroh (1943) hält W. Linden in dem Kapitel 'Aufstieg des Volkes' fest: " ... zu verdunkeln und Verdunkelung entstehen Verdunkelungssünder (wer die Vorschriften der Verdunkelung nicht erfüllt) und Verdunkelungsverbrecher (wer die V. zu Straftaten ausnützt)." "In den Prozeßberichten waren irgendwelche Erklärungen über die näheren Umstände der Straftaten und darüber, daß die eine Tat als Verdunkelungsverbrechen besonders schwer bestraft werden mußte, nicht enthalten. Mit Verwunderung wurde daher in der Bevölkerung die Frage aufgeworfen, warum der eine wegen 25 Pfg. 12 Jahre Zuchthaus erhielt, während der andere wegen Tötung eines Menschen nur mit 8 Jahren Zuchthaus bestraft worden ist." "Aber auch jeder andere Täter, der seine Verbrechen unter Ausnutzug der Kriegsverhältnisse begeht, tritt damit zum Feinde über. Seine treulose Gesinnung und seine Kampfansage verdienen daher strengste Strafen. Ganz besonders gilt dies jedoch für den feigen Verdunkelungsverbrecher."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Ahnenpaß. Hg. v. Reichsverband d. Standesbeamten e. V. Berlin, o. J., S. 45

  2. H. Brenner: Ende einer bürgerlichen Kunst-Institution, 1972. Dok. Nr. 132, S. 142.

  3. Ebd. Dok. Nr. 133, S. 142

  4. M. Pechau: Nationalsozialismus u. Deutsche Sprache. In: NS-Monatshefte, 8/1937, S. 1058

  5. A. Feickert: Der völkische Weg d. Deutschen Studentenschaft. In: Der Deutsche Student, 4/Febr. 1936, S. 76.

  6. Jahres- u. Leistungsbericht d. Gauwaltung Düsseldorf 1938, S. 34

  7. Organisationsbuch d. NSDAP, 1943, S. 70.

  8. Ebd. S. 98 a.

  9. Jahres- und Leistungsbericht d. Gauwaltung Düsseldorf o. J. (1938), S. 29.

  10. In: H. G. Adler: Der verwaltete Mensch. Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland, 1974, S. 196

  11. Goebbels: Das deutsche Volk im Kampf gegen Hunger u. Kälte, 13. 9.1934. In: Signale d. neuen Zeit, 1934, S. 225. die Zeit

  12. Westfälische Zeitung, 12. 2. 1934. Zit. in Blick in die Zeit, 2/8. 3. 1934, S. 9.

  13. Meyers Lexikon, Bd. 3, 1937, S. 528.

  14. E. Dühring: Die Judenfrage als Racen-, Sitten- u. Culturfrage, 1881, S. 117.

  15. Völkischer Beobachter, 7. 4. 1933, S. 1

  16. Münchener Neueste Nachrichten, 30.11. 1936. In: E. Piper: Ernst Barlach und die "entartete Kunst", 1987, Dok. 140, S. 182.

  17. Die Religion in Geschichte u. Gegenwart, Bd. 2, 3. Aufl., 1986, S. 105.

  18. Monatsbericht d. Regierungspräsidenten v. Oberbayern, 9. 1. 1989. In: Bayern in d. NS-Zeit, 1977, S. 477.

  19. In: J. Wulf: Aus dem Lexikon der Mörder, 1963, S. 72.

  20. Wörterbuch zur Erklärung u. Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremdem Ausdrücke, 2. verb. Aufl., Graetz 1808 (zuerst 1801), S. 6 f.

  21. J. J. Rousseau (1712-1778): Emile oder über die Erziehung. Hg. M. Rang. Reclam 1964, 4. Buch, S. 636.

  22. Mein Kampf, S. 10 f.

  23. Mein Kampf, S. 69

  24. Mein Kampf, S. 597.

  25. Mein Kampf, 820. Aufl. 1943, S. 358.

  26. Prof. Dahm, zitiert in: Blick in die Zeit, 3/17. 5. 1935, S. 5.

  27. RGBl. 1, 1935, S. 839.

  28. Volk, Richter, Recht. In: Deutsche Justiz, 97/1935, S.1168.

  29. Deutsche Justiz, 100/11. 3. 1938, A, S. 365.

  30. Zit. in: NS-Monatshefte, 8/1937, S. 59.

  31. RGBl. 1, 6. 1939, S. 710.

  32. Meyers Lexikon, Bd. 9, 1942, S. 221 f.

  33. Zitiert in: E. Piper: Nationalsozialistische Kulturpolitik, 1987, S. 113.

  34. Handbuch d. Reichskulturkammer, Geleitwort, 1937, S. 11.

  35. B. Wolf: Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch. Berlin, New York 2000, S. 134, S. 195.

  36. Maurer/Stroh: Aufstieg des Volkes, 1943, Bd. 2, S. 400.

  37. Meldungen aus dem Reich, Nr.58, 26. 2. 1940, Bd.3, S. 812 f.

  38. Richterbriefe - Mitteilungen d. Reichsministers d. Justiz - Nr. 2, 1.10. 1942. In: Richterbriefe, hg. v. H. Boberach, 1975, S. 9 f.

1931 in Berlin geboren, studierte in Bonn und Freiburg Germanistik und lateinische Philologie. Sie war Akademische Oberrätin an der RWTH Aachen, arbeitete im Schuldienst und hatte bis 1994 einen Lehrauftrag am Lehrstuhl für Deutsche Philologie und Linguistik der Universität Düsseldorf. 1998 erschien das Nachschlagewerk "Vokabular des Nationalssozialismus".