Mit der 2013 gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) hat sich zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Partei am rechten Rand des Parteiensystems flächendeckend etablieren können. Entsprechende Versuche hatte es schon vorher gegeben. Nach dem Abebben der ersten Rechtsextremismus-Welle zu Beginn der 1950er- und der zweiten Welle Ende der 1960er-Jahre setzte zu Beginn der 1980er-Jahre eine dritte Welle ein, die bis heute nicht abgerissen ist. Keiner der Akteure gelangte auf dieser Welle jedoch über kommunale und regionale Wahlerfolge hinaus. Das beste Ergebnis einer Rechtsaußenpartei bei Bundestagswahlen erreichte die NPD im Jahre 1969 mit 4,3 Prozent. Es wurde erst 2013 von der AfD übertroffen.
Geschichte
Die AfD konnte bei ihrer Gründung an diverse Vorgängerorganisationen anschließen, stellte ansonsten aber eine Neuschöpfung dar. Treibende Kraft im Gründungsprozess und als einer ihrer drei Sprecher zugleich das wichtigste Aushängeschild der neuen Partei war der Hamburger VWL-Professor Bernd Lucke, der ebenso wie der spätere Vorsitzende Alexander Gauland vorher CDU-Mitglied gewesen war. Unter Lucke bildete die Partei ein gemäßigtes ideologisches Profil heraus, das markwirtschaftlich liberale mit gesellschaftspolitisch konservativen Positionen verband und sich im Übrigen weitgehend auf das Euro-Thema konzentrierte. Der Keim des Rechtspopulismus war in der AfD zu dieser Zeit aber längst angelegt. Nachdem die Partei bei der Bundestagswahl 2013 und der gleichzeitig stattfindenden Landtagswahl in Hessen noch knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert war, führten die triumphalen Ergebnisse bei der Europawahl und den drei ostdeutschen Landtagswahlen im Früh- bzw. Spätsommer 2014 zu einem Rechtsruck in der AfD, dem sich Lucke vergeblich entgegenstemmte.
Luckes Niederlage gegen Frauke Petry bei der Wahl zum Vorsitzenden auf dem Essener Parteitag im Juli 2015 führte zur Spaltung der AfD, schadete dieser aber am Ende nicht weiter. Dazu trug nicht zuletzt die im September 2015 einsetzende Flüchtlingskrise bei, die die Partei in den Umfragen massiv nach oben trieb und ihr bei den Landtagswahlen im Frühjahr und Herbst 2016 Rekordergebnisse einbrachte. Bei der Bundestagswahl 2017 konnte sie die Zahl ihrer Wähler gegenüber 2013 fast verdreifachen und mit einem zweistelligen Resultat als drittstärkste Kraft in den Bundestag einziehen.
Die innerparteilichen Querelen rissen unterdessen nicht ab. Sie resultierten insbesondere aus der Unterwanderungsgefahr durch rechtsextreme Kräfte sowie inhaltlichen Richtungsstreitigkeiten, die sich wiederum mit personellen Machtkonflikten verquickten. Auch Petry sollte ihren Rückhalt in der AfD-Spitze 2017 verlieren. Als Parteivorsitzende auf Abruf erklärte sie nach der Bundestagswahl ihren Austritt aus der Bundestagsfraktion und der Partei. Letztere wurde darauf von Jörg Meuthen und Alexander Gauland als gleichberechtigten Vorsitzenden geführt.
Von 2018 an geriet die AfD trotz ihrer bis zum Beginn der Corona-Krise stabilen Wahl- und Umfrageergebnisse erneut in heftige Turbulenzen. Das Erstarken der rechtsextremen Kräfte um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke und die vom Verfassungsschutz im März 2020 veröffentlichte Einstufung von Teilen der Partei als ""gesichert rechtsextremistisch"" führte zu einer offenen Machtprobe mit Meuthen, die dieser trotz kurzfristig erfolgreicher Gegenwehr am Ende verlor. Seit Meuthens Austritt aus der Partei halten die extremen Vertreter im Vorstand und auf den Parteitagen die Mehrheit, was die AfD vor allem in den westdeutschen Ländern Unterstützung kostete.
Wahlergebnisse und Wählerschaft
Die AfD verfügt in den ostdeutschen Ländern über ein mehr als doppelt so hohes Wählerpotenzial wie im Westen. In der alten Bundesrepublik schneidet sie wiederum im Süden besser ab als im Norden. Fast zwei Drittel der AfD-Wähler sind männlich, bei den Altersgruppen dominieren die mittleren Jahrgänge. Bei den Berufsgruppen lässt sich kein klares Muster herauslesen, hier scheint die AfD vor allem bei den abstiegsgefährdeten Wählern erfolgreich zu sein. Deutliche Unterschiede zu den anderen Parteien zeigen sich hingegen mit Blick auf die Einstellungsmerkmale. Die AfD-Wähler weisen hier sehr viel höhere Unzufriedenheitswerte und eine größere Nähe zu rechtsextremen Überzeugungen auf.
Programm
Ideologisch und programmatisch reiht sich die AfD in die Parteienfamilie des europäischen Rechtspopulismus ein. Dessen Hauptmerkmal sind die Anti-Establishment-Orientierung und der Anspruch, den "wahren" Volkswillen zu vertreten"". Das anfänglich dominierende Eurothema und die marktliberale Ausrichtung haben in der Programmatik an Bedeutung eingebüßt. Seit der Flüchtlingskrise prägen vor allem ihre Anti-Positionen in der Asyl- und Zuwanderungspolitik das öffentliche Bild der AfD, was sich zugleich in der parlamentarischen Arbeit widerspiegelt. Auch in der Familien- und Gesellschaftspolitik vertritt sie stark konservative Positionen. In der Sozial- und Wirtschaftspolitik bestehen dagegen Divergenzen zwischen den Befürwortern einer eher marktliberalen oder sozialpopulistischen Linie. In der Außen- und Verteidigungspolitik hält die AfD an ihrer russlandfreundlichen Linie auch nach Putins Überfall auf die Ukraine fest.
Organisation
Organisatorisch verbindet die AfD Elemente einer klassischen mitglieder- und funktionärsbasierten und einer bewegungsorientierten Partei. Erstere sind durch das Parteienrecht vorgeben, was zugleich die geringe Bedeutung des "charismatischen" Faktors in der AfD erklärt. Die innerparteilichen Strukturen und Prozesse sind hochgradig konfliktbelastet. Neben der fehlenden Professionalität der Neulinge liegt das vor allem am sukzessiven Erstarken der rechtsextremen Akteure und Tendenzen. Das zwischen den wirtschaftsliberalen, konservativen und nationalistischen Strömungen lange Zeit bestehende Kräftegleichgewicht ist inzwischen einer Übermacht der radikalen Vertreter gewichen. Trotz einer vergleichsweise schwachen Mitgliederbasis hat die AfD eine beträchtliche Organisationsstärke erreicht. die sich zum einen ihrer Finanzkraft, zum anderen der Nutzung der Sozialen Medien bei der Wähleransprache verdankt.