Gemessen an Wahlerfolgen und Regierungsbeteiligungen ist es den Grünen schon in den 1990er-Jahren gelungen, der FDP die Position als dritte Kraft im deutschen Parteiensystem streitig zu machen. Diese Stellung konnten sie auch in der Konkurrenz mit der 2007 entstandenen gesamtdeutschen Linken behaupten. Die Hochburgen der Partei befinden sich in den urbanen Zentren der alten Bundesrepublik und hier vor allem in den Universitätsstädten. In Stuttgart, Hannover, Wuppertal, Bonn, Darmstadt, Freiburg und anderen Städten stellen sie oder stellten sie zwischenzeitlich die Oberbürgermeister. Bei der Bundestagswahl 2021 errangen die Grünen erstmals eine größere Zahl (16) von Direktmandaten. In den Ländern verfügten sie Ende 2022 über mehr Regierungsbeteiligungen (12) als SPD (11) oder Union (8).
Wahlergebnisse
In Ostdeutschland schneidet die Partei deutlich schlechter ab als im Westen. Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte sie dort nur zwischen 6,5 und 10,8 Prozent der Stimmen, was im Vergleich zu 2017 allerdings eine Verdoppelung bedeutete und den seit Mitte der 2000er Jahre einsetzenden Aufwärtstrend bestätigte. Landtags- und Bundestagswahlergebnisse liegen im Osten wie im Westen in etwa gleichauf, nur im Saarland ist die Partei nicht im Parlament vertreten. Wegen ihrer Schwäche im Osten ergeben sich daraus für die Position der Grünen im Parteiensystem unterschiedliche Konsequenzen. Lagen sie auf der Länderebene 2022 in fünf bzw. (zählt man Berlin dazu) sechs Ländern auf Platz zwei und in Baden-Württemberg sogar auf Platz eins, reichte es bei der Bundestagswahl nur in den drei Stadtstaaten für den zweiten Platz. Bei der Europawahl 2019 hatten die Grünen die SPD von diesem mit ihrem bis dahin besten Ergebnis in einer nationalen Wahl (20,5 Prozent) erstmals verdrängt, bevor sich die Verhältnisse bei der Bundestagswahl wieder umkehrten.
Sozialwissenschaftler haben die Entstehung der Grünen auf die Herausbildung einer neuen Konfliktlinie in den westlichen Gesellschaften zurückgeführt, die durch den Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie und einen Bedeutungsanstieg nicht-materieller ("post-materialistischer") Werthaltungen bestimmt sei. Im Unterschied zu ihren später entstandenen und weniger erfolgreichen Schwesterparteien in anderen Ländern konnten die deutschen Grünen dabei auf dem Fundament eines durch die Studenten- und Alternativbewegungen formierten Milieus aufbauen, dessen Kern die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation bildeten (Walter 2010: 73 ff.).
Wählerschaft
Vergleicht man die heutige Wählerschaft der Grünen mit ihrer Wählerschaft in der Entstehungs- und Etablierungsphase, so fällt zuerst der Altersanstieg ins Auge. Waren im Jahre 1980 fast 80 Prozent der Grünen-Wähler jünger als 35, so liegt deren Anteil heute bei nur noch etwas über 30 Prozent. Wahlforscher sprechen mit Blick auf diese Entwicklung vom "Ergrauen" der Grünen. Viele Wähler, die die Partei in ihrer Entstehungsphase unterstützten, hielten ihr auch später die Treue (Klein 2022). Dieser Generationeneffekt wird allerdings durch ein lebenszyklisches Muster überlagert, das den Grünen in den nachwachsenden Alterskohorten der Jungwähler bis heute überdurchschnittliche Ergebnisse sichert. Hatte die Partei bereits bei der Bundestagswahl 2017 die prozentual größte Unterstützung mit knapp 15 Prozent von den 18- bis 24-jährigen Wählern erfahren und dort gegenüber 2013 am stärksten zugelegt, verbuchte sie nach einem erneut überproportionalen Zuwachs 2021 in dieser Gruppe mit 24 Prozent mehr Stimmen als Union und SPD zusammengenommen. In der nächstälteren Gruppe der 25- bis 34-Jährigen landete sie ebenfalls auf dem ersten Platz und konnte ihren Stimmenanteil gegenüber 2017 auf 22,9 Prozent verdoppeln. Am schwächsten bleibt der Wählerspruch mit neun Prozent bei den über 60-Jährigen (Zahlen der repräsentativen Wahlstatistik).
Die Grünen werden häufiger von Frauen gewählt als von Männern. Bei der Bundestagswahl 2021 betrug das Verhältnis 16 zu 13,5 Prozent. Die Geschlechterlücke, die sich im Osten genauso zeigt wie im Westen, ist bei allen Bundestagswahlen seit 2002 feststellbar. In ihr spiegelt sich die feministische Ausrichtung der Partei, die den Kampf für die Gleichberechtigung von Anfang an auf ihre Fahnen geschrieben hatte.
Infolge des Generationeneffekts haben sich die Wähler der Grünen in ihrer sozialen Zusammensetzung stark verändert (Klein 2022). Die Jungwähler aus den 1980er-Jahren sind heute beruflich, familiär und gesellschaftlich arriviert. Die "Verbürgerlichung" der Grünen ist daran ablesbar, dass ihre Wähler nicht nur über die höchsten Bildungsabschlüsse verfügen, sondern auch überdurchschnittlich verdienen. Viele von ihnen stehen deshalb nur noch in gesellschaftspolitischen Fragen klar links, nicht mehr dagegen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Die im Wahlprogramm 2013 geforderten Steuererhöhungen lehnten sie mehrheitlich ab. Ein überraschend hoher Anteil der Wähler versteht sich sogar als unpolitisch und präferiert die Partei vor allem aus Lifestyle-Gründen - etwa beim Kauf von Bio-Lebensmitteln (Walter 2010: 80 ff.). Vornehmlich im Dienstleistungs- und Bildungsbereich beschäftigt, lässt sich die Grünen-Wählerschaft sozialstrukturell überwiegend den neuen Mittelschichten zuordnen. Unter Arbeitern und gering Qualifizierten konnte die Partei bisher nur wenig Unterstützung verbuchen. Bei den Arbeitslosen erreichte sie 2021 allerdings einen deutlichen Zuwachs, der auf die wieder stärker links ausgerichteten Forderungen im Wahlprogramm zurückzuführen sein dürfte und sich zugleich in der Wählerwanderung widerspiegelt. Laut dieser haben die Grünen bei der Bundestagswahl in etwa gleich viel Stimmen von früheren Linken-, SPD- und Nichtwählern gewonnen wie von Unions- und FDP-Wählern (Zahlen von Infratest dimap).