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Voraussetzungen, Rechte und Pflichten von Parteien in Deutschland

Oskar Niedermayer

/ 4 Minuten zu lesen

Die Rolle der Parteien im politischen System ist rechtlich anerkannt und abgesichert. Daraus können die Parteien aber nicht nur Rechte ableiten, sondern müssen auch bestimmten Pflichten nachkommen.

Eine Abstimmung während eines Parteitags: Die innere Ordnung der Parteien muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. (© picture-alliance/dpa)

Deutschland ist eine Parteiendemokratie, d.h. die Parteien spielen im politischen System eine zentrale Rolle und Interner Link: erfüllen eine Reihe wichtiger Aufgaben. Durch Externer Link: Artikel 21 des Grundgesetzes (GG) ist dies auch verfassungsrechtlich anerkannt und abgesichert. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben werden konkretisiert und ergänzt durch Bestimmungen vor allem im Parteiengesetz (PartG), aber auch im Bundeswahlgesetz und im Steuerrecht, sowie durch Regelungen auf der europäischen Ebene. Diese rechtlichen Regeln definieren formale Voraussetzungen sowie Rechte und Pflichten, denen die Parteien von ihrer Gründung bis hin zu ihrer möglichen Auflösung bzw. ihrem Verbot unterworfen sind, die sie in ihrem Binnenleben beachten müssen und die sie bei der Erfüllung ihrer Funktionen unterstützen sollen.

Die Gründung und Anerkennung von Parteien

Die Gründung einer Partei ist frei (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG). Sie stellt eine Vereinigung natürlicher Personen auf der Basis des privaten Rechts dar. Eine Partei ist gegründet, wenn auf einer Veranstaltung die Gründung, das Programm und die Satzung der Partei beschlossen und der Vorstand gewählt wurde. Danach hat der Vorstand die Gründungsunterlagen dem Bundeswahlleiter bekannt zu geben, der sie auf Vollständigkeit prüft und in eine öffentlich zugängliche Unterlagensammlung aufnimmt. Dies bedeutet jedoch nicht die Anerkennung als Partei im Sinne der Definition des PartG (§ 2).

Anerkannt wird eine Partei erst im Rahmen ihrer Zulassung zu einer Wahl und auch nur für die jeweilige Wahl. Solange Parteien noch nicht im Bundestag oder einem Landtag seit deren letzter Wahl aufgrund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, müssen sie dem Bundes- bzw. dem zuständigen Landeswahlausschuss ihre Wahlbeteiligung schriftlich anzeigen. Anhand der Unterlagen prüft der jeweilige Ausschuss daraufhin die Parteieneigenschaft und stellt sie fest, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • die Mitglieder einer Partei müssen mehrheitlich Deutsche sein und ihr Sitz muss sich in Deutschland befinden,

  • der Vorstand muss aus mindestens drei Personen bestehen,

  • der Name muss sich von anderen Parteien unterscheiden,

  • ihre Satzung muss bestimmten Mindestanforderungen insbesondere hinsichtlich der innerparteilichen Demokratie entsprechen und

  • das Programm muss politische Ziele erkennen lassen (welche dies sind, ist unerheblich, d.h. es erfolgt keine inhaltliche Prüfung).

Zudem muss die Partei von ihrer organisatorischen, personellen und finanziellen Ressourcenausstattung her dazu in der Lage sein, ihre Funktionen, insbesondere die Mitwirkung in einem Parlament, wahrzunehmen. Nimmt eine Partei sechs Jahre lang weder an einer Bundes- noch an einer Landtagswahl teil, verliert sie ihre Rechtsstellung als Partei. Bei Europawahlen können auch sonstige politische Vereinigungen, also Wählergruppen die nicht als politische Parteien anerkannt sind, teilnehmen, und die kommunale Ebene wird vom Parteienbegriff des PartG nicht erfasst, sondern von kommunalen Gesetzen oder Verordnungen geregelt.

Die Auflösung und das Verbot von Parteien

Eine Partei kann sich jederzeit mit anderen Parteien vereinigen oder sich auflösen, ohne dass der Staat in diese Prozesse eingreifen oder sie erzwingen kann. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Als Ausdruck einer wehrhaften Demokratie sind Parteien, "die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden", verfassungswidrig (Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat können beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei stellen. Wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit feststellt, wird die Partei aufgelöst und die Gründung einer Ersatzorganisation verboten. Bisher wurden in der Bundesrepublik erst zwei Parteien verboten: 1952 die Interner Link: SRP, eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, und 1956 die Interner Link: KPD.

Für ein Parteienverbot bestehen hohe Hürden. Es genügt nicht, dass eine Partei z.B. in ihrem Programm die grundlegenden Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablehnt. Hinzukommen muss, dass sie diese durch konkrete Handlungen aktiv bekämpft, wobei das Problem darin besteht, welche Handlungen welcher Personen der Partei als ganzer zugerechnet werden können. Zudem ist die Interner Link: Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beachten, nach der ein Parteienverbot nur gerechtfertigt ist, wenn eine Partei durch ihren Wahlerfolg eine realistische Chance hat, ihre Ziele zu verwirklichen, und damit eine unmittelbare Gefahr für die Demokratie darstellt.

Das Binnenleben der Parteien

Die innere Ordnung der Parteien muss demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG). Damit soll insbesondere ein transparenter und kontrollierbarer Willensbildungsprozess von unten nach oben gewährleistet werden. Das PartG liefert dazu eine Reihe von Vorgaben für die Organisationsgliederung und die innerparteilichen Verfahrens- und Entscheidungsregeln: Die Organisationsgliederung muss soweit ausgebaut sein, dass die einzelnen Mitglieder eine angemessene Mitwirkungsmöglichkeit haben, für die Durchsetzung von Mitgliederrechten muss eine eigene Schiedsgerichtbarkeit vorhanden sein, ein Parteiausschluss darf nur aus schwerwiegenden Gründen erfolgen, oberstes Beschlussorgan für die wesentlichen personellen und inhaltlichen Entscheidungen ist die Mitgliederversammlung oder auf höherer Stufe eine Vertreterversammlung (Parteitag), der Vorstand muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen und mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr geheim gewählt werden. Zudem schreiben die Wahlgesetze eine demokratische Gestaltung der Kandidatenaufstellung vor staatlichen Wahlen vor.

Die Funktionserfüllung von Parteien

Der Staat ist gegenüber den Parteien zur Neutralität verpflichtet und muss ihre Chancengleichheit in einem offenen und fairen Wettbewerb sicherstellen. Die Wettbewerbsergebnisse dürfen durch staatliche Maßnahmen nicht verfälscht werden. Interner Link: Bei der Vergabe staatlicher finanzieller Mittel zur Unterstützung der Parteien bei ihrer Funktionserfüllung wird daher an die Wahlergebnisse und die Höhe der Zuwendungen durch die Bürger angeknüpft. Um den politischen Willensbildungsprozess für die Bürger durchschaubar zu machen, müssen die Parteien über die Herkunft und Verwendung ihrer gesamten Finanzmittel öffentlich Rechenschaft ablegen.

Quellen / Literatur

  • Bukow, Sebastian/Jun, Uwe/Niedermayer, Oskar (Hrsg.) (2016): Parteien in Staat und Gesellschaft. Wiesbaden: Springer VS.

  • Merten, Heike (2018): Rechtliche Grundlagen der Parteiendemokratie, in: Decker, Frank/Neu, Viola (Hrsg.): Handbuch der deutschen Parteien. Wiesbaden: Springer VS (3. Aufl.), S. 57-96.

  • Morlok, Martin/Merten, Heike (2018): Parteienrecht. Tübingen: Mohr Siebeck.

  • Morlok, Martin/Poguntke, Thomas/Sokolov, Ewgenij (Hrsg.) (2018): Parteienstaat – Parteiendemokratie. Baden-Baden. Nomos.

  • Morlok, Martin (2013): Rechtliche Grundlagen, in: Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung. Wiesbaden: Springer VS, S. 241-260.

  • Schönberger, Sophie (2021, korr. Publ. 2022): Parteiorganisation zwischen Soziologie und Recht: Zur Bedeutung des Rechts für Entstehung und Funktionsweise von Parteien in Deutschland, in: Brichzin, Jenni/Siri, Jasmin (Hrsg.): Soziologie der Parteien, S. 165-181.

  • Wiesendahl, Elmar (2022): Parteienforschung, S. 431-458.

Fussnoten

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Oskar Niedermayer für bpb.de

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Prof. Dr. Oskar Niedermayer ist emeritierter Professor und ehemaliger Leiter des Otto-Stammer-Zentrums an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Parteien und Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland.