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Bundesregierung

Horst Pötzsch

/ 7 Minuten zu lesen

Die Bundesregierung besteht aus der Bundeskanzlerin und den Bundesministern. Sie soll den politischen Willen der parlamentarischen Mehrheit in praktische Politik umsetzen.

Bundeskanzleramt in Berlin (© AP)

Die Bundesregierung hat die Aufgabe der politischen Führung. Sie soll den politischen Willen der parlamentarischen Mehrheit in praktische Politik umsetzen und die inneren Verhältnisse sowie die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gestalten. Sie hat außerdem die Verantwortung für die Ausführung der Gesetze durch die Bundesbehörden.

Bildung der Bundesregierung

Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern, die zusammen das Kabinett bilden. Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt. Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt. In der politischen Praxis geht die Regierungsbildung der Wahl des Bundeskanzlers voraus. Der designierte (vorgesehene) Kanzler, bisher immer Führer der stärksten Fraktion, handelt zusammen mit den an der Regierung teilnehmenden Parteien (Koalitionspartnern) das Regierungsprogramm aus und legt Anzahl und Zuständigkeitsbereiche der Bundesminister fest. Er überlässt ihnen bestimmte Kabinettssitze und deren personelle Besetzung. Ebenso muss er darauf achten, dass wichtige Gruppen und Strömungen seiner eigenen Partei, starke Landesverbände und nicht zuletzt Frauen bei der Verteilung der Ministerposten angemessen berücksichtigt werden.

Befugnisse

Verantwortung und Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung legt das Grundgesetz fest:

Artikel 65
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.

Der Artikel enthält die drei Prinzipien, die für die Arbeit der Bundesregierung bestimmend sind:

  • das Kanzlerprinzip,

  • das Ressortprinzip,

  • das Kollegialprinzip.

Bundeskanzler

Der Bundeskanzler hat in der Bundesregierung eine herausragende Stellung (Kanzlerprinzip). Sie zeigt sich darin, dass er

  • als einziges Mitglied der Bundesregierung vom Bundestag gewählt ist und damit über eine besondere demokratische Legitimation verfügt;

  • allein den Antrag stellen kann, der Bundestag möge ihm das Vertrauen aussprechen; bei Ablehnung der Vertrauensfrage Neuwahlen herbeiführen kann;

  • allein durch ein Misstrauensvotum zu stürzen ist, wobei auch alle seine Minister ihr Amt verlieren;

  • das Recht hat, die Bundesminister zur Ernennung und Entlassung vorzuschlagen (Art. 64 GG), während der Bundestag keinen Minister zum Rücktritt zwingen kann;

  • die Richtlinien der Politik bestimmt und für sie die alleinige Verantwortung trägt.

Die Richtlinienkompetenz ist die wichtigste Befugnis des Kanzlers. Sie weist ihm die Führungsrolle im Kabinett zu (Art. 65). Er kann von einer Mehrheit im Kabinett nicht überstimmt werden.

Die Regierungsbank im Deutschen Bundestag (© AP)

Die Verfassung gibt dem Kanzler die Möglichkeit, sein Kabinett straff zu führen. Wie er sie nutzt, hängt ab von seiner Persönlichkeit, von dem Rückhalt in seiner Partei und Fraktion sowie vom Gewicht seiner Koalitionspartner.

Der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer (1949–1963), hatte eine so unangefochtene Machtposition, dass für seine Regierungszeit das Schlagwort von der "Kanzlerdemokratie" geprägt wurde. Im Rückblick zeigt sich, dass Adenauers starke Position sich nicht so sehr aus der Richtlinienkompetenz herleitete, sondern auf seine Persönlichkeit und auf die politische Konstellation zurückzuführen war.

Die nachfolgenden Bundeskanzler haben ihre Richtlinienkompetenz je nach den politischen Gegebenheiten und ihrem persönlichen Führungsstil auf sehr unterschiedliche Weise genutzt.

Bundeskanzleramt
Der Bundeskanzler verfügt im Bundeskanzleramt über einen personell umfangreichen Apparat, der als Koordinierungsstelle für die Regierungspolitik dient. Das Amt hält Kontakt mit den Ministerien und Bundesbehörden, sodass es den Bundeskanzler jederzeit über deren Arbeit unterrichten und ihn für die Kabinettsberatungen mit der notwendigen Sachkenntnis ausstatten kann. Zugleich hat es die Rolle eines Sekretariats der Bundesregierung. Es bereitet die Sitzungen und Beschlüsse des Kabinetts vor. Der Chef des Bundeskanzleramtes hat den Rang eines Bundesministers.

Bundespresseamt
Dem Bundeskanzler untersteht auch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (kurz: Bundespresseamt). Es wird geleitet von einem Staatssekretär, der zugleich Regierungssprecher ist. Das Bundespresseamt informiert die Öffentlichkeit im In- und Ausland über die Politik der Bundesregierung. Es gibt das Bulletin, Pressemitteilungen und Informationsschriften heraus und hält Verbindung mit den Medien.

Der Regierungssprecher und die Sprecher der Ministerien treten regelmäßig vor der Bundespressekonferenz auf, der Vereinigung der Korrespondenten in der Hauptstadt Berlin, um amtliche Stellungnahmen der Bundesregierung abzugeben und Fragen zu beantworten. Zugleich hat das Amt die Aufgabe, Nachrichten zu sammeln und auszuwerten und die Bundesregierung über die öffentliche Meinung im In- und Ausland zu unterrichten.

Bundesminister

Dem Kabinett gehören derzeit 14 Bundesminister/innen mit eigenem Ressort und ein Bundesminister für besondere Aufgaben/Chef des Bundeskanzleramtes an. In der Zahl und den Zuständigkeiten der Minister spiegelt sich die ständige Ausweitung der Staatsaufgaben.

In früheren Zeiten genügten für die Staatszwecke der Gewährleistung der Sicherheit im Innern und nach außen die "klassischen" Ministerien: Innen-, Außen-, Verteidigungs-, Justiz- und Finanzministerium, die schon 1809 durch die Preußische Verwaltungsreform des Freiherrn vom Stein geschaffen worden waren. Sie zählen auch heute zu den wichtigsten und begehrtesten Ministerien. Der Finanzminister hat vom Grundgesetz her eine herausgehobene Stellung. Er stellt den Haushaltsplan auf und koordiniert die Finanzanforderungen der übrigen Ministerien. In der Praxis können ohne seine Zustimmung keine Ausgaben getätigt werden. Der Justiz- und der Innenminister prüfen jedes Gesetz auf seine Verfassungs- und Rechtsförmlichkeit.

Themengrafik Bundesregierung: Dem Kabinett gehören die Bundesminister und der Bundeskanzler an. Zum Öffnen der PDF-Version (230 KB) klicken Sie bitte auf das Bild. Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Vom Sozialstaat des 21. Jahrhunderts wird erwartet, dass er für das Wohlergehen aller Bürger sorgt, vor allem die wirtschaftliche Stabilität garantiert, die sozialen Unterschiede ausgleicht und alle Einrichtungen und Leistungen bereitstellt, die in der Industriegesellschaft lebensnotwendig sind. Die staatlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge erforderten die Einrichtung entsprechender Ministerien, vor allem für Wirtschaft, für Arbeit und Soziales, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Gesundheit, und für Verkehr.

Neue Staatsaufgaben führten zur Schaffung weiterer Ministerien, etwa für Bildung, Forschung und Technologie und vor allem für Umwelt und Naturschutz.

Manche Ministerien haben lediglich die Aufgabe, Gesetze und die entsprechenden Rechtsverordnungen zu erlassen, anderen unterstehen außerdem Verwaltungsbehörden.

Ressortprinzip
Jeder Bundesminister leitet innerhalb der vom Bundeskanzler bestimmten Richtlinien für die gesamte Regierungspolitik seinen Geschäftsbereich selbstständig und in eigener Verantwortung. Die Verantwortlichkeit der Minister erfordert eine genaue Abgrenzung der Ressorts. Das ist nicht immer möglich. So ist beispielsweise für die Entwicklungshilfe in erster Linie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig, sie berührt aber auch Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes und des Wirtschaftsministeriums.

Kollegialprinzip
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Ministern entscheidet durch Mehrheitsbeschluss die Bundesregierung. Damit ist gesagt, dass das Kabinett ein Kollegium gleichberechtigter Minister ist. Das Kabinett berät auch alle wichtigen politischen Fragen, es kann aber den Bundeskanzler nicht überstimmen. Ein Minister ist verpflichtet, Entscheidungen des Kabinetts auch dann zu vertreten, wenn er ihnen nicht zugestimmt hat (Kabinettsdisziplin).

In der Praxis sind von den drei Prinzipien des Art. 65 GG das Kanzlerprinzip und das Ressortprinzip politisch wirksam geworden. Bei allen Unterschieden in der Amtsführung hat der Kanzler immer die allgemeine Politik bestimmt, und die konkreten Initiativen sind von den Ministern ausgegangen.

Das Kabinett hingegen spielt keine bedeutende Rolle als politisches Entscheidungsgremium. In ihm gibt es einflussreiche und einflusslose Minister. Noch wichtiger ist, dass Persönlichkeiten mit großem politischen Gewicht dem Kabinett nicht angehören, etwa die Fraktionsvorsitzenden.

Organisation eines Ministeriums
Die politische Leitung eines Bundesministeriums besteht aus dem Minister und einem oder mehreren Parlamentarischen Staatssekretären (im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt tragen sie den Titel Staatsminister). Dieses Amt wurde 1967 geschaffen, zunächst für sieben Ressorts. In der seit 2009 amtierenden Bundesregierung gibt es fünf Staatsminister und 25 Parlamentarische Staatssekretäre. Sie sind gleichzeitig Abgeordnete und sollen vor allem die Verbindung zwischen ihrem Ministerium und dem Bundestag halten. Sie vertreten den Minister in den Ausschüssen und in der Fragestunde, aber auch bei Kabinettssitzungen und in der Öffentlichkeit.

An der Spitze der Ministerialbürokratie steht ein "beamteter" Staatssekretär, in der Regel ein Verwaltungsfachmann. In größeren Ministerien gibt es zwei oder drei Staatssekretäre. Jedes Ministerium ist in mehrere Abteilungen gegliedert, diese wiederum in Unterabteilungen mit mehreren Referaten. Arbeitseinheit ist das Referat, das jeweils für ein bestimmtes Fachgebiet zuständig ist. Große Ministerien haben bis zu 100 Referate.

Staatssekretäre und Abteilungsleiter sind politische Beamte. Sie können jederzeit in den "einstweiligen Ruhestand" versetzt werden. Das geschieht gelegentlich bei einem Ministerwechsel und häufig bei einem Wechsel der Regierung. Der neue Minister soll sich Spitzenbeamte aussuchen können, die mit ihm auch politisch übereinstimmen.

Koalitionsrunde

Die wichtigen Entscheidungen werden seit Langem in informellen Gremien getroffen. Schon die Regierungserklärung, die ausführliche Darlegung des Programms einer neuen Regierung zu Beginn der Legislaturperiode, wird in einer Koalitionsvereinbarung ausgehandelt. Danach tritt bei politischem Entscheidungsbedarf die Koalitionsrunde zusammen. Ihr gehören neben dem Kanzler, einigen Ministern, den Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsparteien weitere einflussreiche Abgeordnete und einige Spitzenbeamte an. Dieses Gremium berät anstehende Gesetzesvorhaben, wichtige politische Weichenstellungen und die dabei anzuwendende Strategie und schlichtet Konflikte zwischen den Koalitionspartnern.

Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 105-109.

Fussnoten

Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.