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Der deutsche Sozialstaat

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Wohngeld, Sozialhilfe, Renten: die Grundlage für das Prinzip des Sozialstaates schafft Artikel 20 des Grundgesetzes: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."

Der deutsche Sozialstaat: Beispiele des Leistungsspektrums Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Artikel 20 bildet - zusammen mit dem Auftrag an die Länder, in ihrer Ordnung dem Prinzip des "sozialen Rechtsstaates" zu folgen (Art. 28 Abs. 1 GG) - die verfassungsmäßige Grundlage für das Sozialstaatsprinzip. Dieses Prinzip genießt wie die Grund- und Menschenrechte den Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG und kann nicht abgeschafft werden. Allerdings besteht ein gewisser Interpretationsspielraum.

Im Grundgesetz der Bundesrepublik sind nur wenige soziale Grundrechte direkt verankert. Art. 6 Abs. 4 GG garantiert zum Beispiel Müttern den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Andere Grundgesetzartikel können dagegen so interpretiert werden, dass sich aus ihnen die Aufforderung zum staatlichen Handeln ablesen lässt. So kann man zum Beispiel aus der Garantie der Menschenwürde (Art. 1 GG) und dem Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) eine Aufgabe des Staates ableiten, durch eine aktive Rolle in der Steuerung wirtschaftlicher Abläufe den Menschen in Deutschland Chancengleichheit und ein Existenzminimum zuzusichern.

Das Sozialstaatsprinzip der Bundesrepublik hat sich geschichtlich insbesondere aus der Sozialgesetzgebung des Kaiserreiches unter dem Reichskanzler Otto von Bismarck entwickelt. Dieser plante, mit einer positiven staatlichen Sozialpolitik die Lage der Arbeiterschaft zu verbessern und so den Einfluss der Sozialdemokratie zurückzudrängen. So wurden in den 1880er Jahren unter Bismarcks Führung eine erste Krankenversicherung, eine Unfallversicherung und eine Alters- und Invalidenrente eingeführt. Zur gleichen Zeit wurden auch in anderen Ländern Sozialgesetze eingeführt. Das Kaiserreich war geprägt durch ein Versicherungssystem, in dem den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern jeweils annähernd gleich große Beiträge abverlangt wurden. Auf diesem Prinzip ruht der deutsche Sozialstaat noch heute.

Das hauptsächliche Ziel des modernen Sozialstaates ist es, Menschen in Notlagen zu helfen und diesen Notlagen, wenn möglich, aktiv vorzubeugen. Dessen Verwirklichung vollzieht sich in vielen einzelnen Politikfeldern und umfasst die eigentliche Sozialpolitik genauso wie die Steuerpolitik, die Arbeitsmarktpolitik oder die Bildungspolitik.

Das Leistungsspektrum des deutschen Sozialstaates lässt sich in drei Kategorien einteilen: die Fürsorgeleistungen, die Versorgungsleistungen und die Versicherungsleistungen. Das Fürsorgeprinzip umfasst staatliche Hilfe für bedürftige Bürger, wie z.B. Wohngeld, Arbeitslosengeld II oder auch Sozialhilfe. Unter Versorgungsleistungen fallen die staatlichen Leistungen für Bürger, die entweder Opfer oder besondere Leistungen für die Gemeinschaft erbracht haben. Dazu gehören sowohl Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene von Kriegsopfern wie auch das Kindergeld oder die Beamtenversorgung. Die Versicherungsleistungen dienen der Vorsorge von Einkommensausfall durch z. B. Alter, Arbeitslosigkeit, Invalidität, Krankheit, Mutterschaft, Pflegeabhängigkeit oder durch den Tod des Ernährers.

Darüber hinaus sind noch weitere grundlegende Prinzipien kennzeichnend für den deutschen Sozialstaat. So unterliegen heute große Teile der Bevölkerung einer Versicherungspflicht, d.h. sie müssen gegen bestimmte Risiken versichert sein. Für nicht Pflichtversicherte existiert die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung. Die Pflichtversicherung basiert auf dem Prinzip der Solidarität. Unabhängig von der Inanspruchnahme der Leistungen zahlen alle Versicherten in die Versicherung ein. So werden diejenigen, die mehr Leistungen in Anspruch nehmen müssen, durch die anderen Mitglieder abgesichert.

Die Beiträge richten sich nach dem Einkommen des Versicherten. Nur im Falle der Rentenversicherung gilt das sogenannte Äquivalenzprinzip, welches besagt, dass die Leistungen von den eingezahlten Beiträgen abhängig sind. In den anderen Sozialversicherungssystemen werden die Leistungen durch einen solidarischen Ausgleich verteilt und die Risiken abgesichert.