In den Medien und in der öffentlichen Debatte um die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus dominiert immer noch das Bild des männlichen, jugendlichen, gewaltbereiten Skinheads, möglichst aus den neuen Bundesländern. Dieses Klischee ist in mehrfacher Hinsicht problematisch und verkürzt und wie so häufig wird hier die Existenz rechtsextremer Frauen und Mädchen ausgeblendet.
Auch in der Rechtsextremismus- forschung wurde die Frage nach der Beteiligung von Frauen lange nicht gestellt. Verstärkte Forschungsaktivitäten zur Involviertheit von Frauen in der extremen Rechten sind erst seit den 1990er Jahren zu verzeichnen (vgl. Antifaschistisches Frauennetzwerk/Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus 2005). Im Folgenden stelle ich einige zentrale Ergebnisse dieser Forschungen vor und beginne mit einer quantitativen Bestandsaufnahme der Beteiligung von Frauen in den verschiedenen Dimensionen von Rechtsextremismus. Im Anschluss gebe ich einen Einblick in Aktivitäten von Frauen im rechten Spektrum und komme dann zu den Konsequenzen für die Entwicklung von Gegenstrategien bzw. zu der Frage, ob rechte Frauen und Mädchen aus pädagogischer Perspektive als eine besondere Zielgruppe anzusehen sind.
Quantitative Anteile von Frauen im Rechtsextremismus
Ein quantitativer Überblick über die Involviertheit von Frauen auf den verschiedenen Ebenen von Rechtsextremismus lässt sich am besten in Form einer Pyramide veranschaulichen (vgl. Bitzan 2006, 2002a). An der "Spitze des Eisberges" steht die Beteiligung an rechtsextrem motivierten Gewalttaten mit einem Anteil von 3-5%. Länderspezifische Erhebungen der letzten Jahre verweisen auf einen höheren Frauenanteil im Gewaltbereich. Da die Statistik nur die polizeilich erfassten Gewalttaten von Frauen zeigt und die Tatbeteiligung von Frauen in der Polizeiarbeit und der medialen Berichterstattung häufig ausgeblendet wird, ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer höher liegt.
Ferner ist zu bedenken, dass neben der direkten Ausübung von Gewalt auch weitere, indirekte Beteiligungsformen von Frauen zum Tragen kommen, die zum Gesamtablauf beitragen wie z.B. Anstiften, Anfeuern, Beifall klatschen, Schmiere stehen etc. (vgl. Bitzan/Köttig/Schröder 2003). Die Beteiligungsformen von Frauen an Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund sind dementsprechend vielfältig und reichen von aktiver Anwendung von Gewalt über indirekte Gewaltausübung durch unterstützende Tatbeteiligung bis hin zur geistigen Brandstiftung, d.h. der Lieferung von Begründungen für Gewalttaten, die dann von anderen ausgeübt werden. Der verhältnismäßig geringe Frauenanteil im Bereich rechtsextremer Straf- und Gewalttaten ist sicherlich maßgeblich prägend für das gesellschaftliche Bild, das Frauen selten mit Rechtsextremismus in Verbindung bringt.
Auf der Ebene des organisierten Rechtsextremismus ist der Anteil von Frauen vergleichsweise höher. Unter den Parteimitgliedern finden sich nach Selbstaussage der als rechtsextrem einzustufenden Parteien bis zu 20% weibliche Mitglieder. Auffällig ist, dass der Frauenanteil in kleinen, z.T. nur landesweit agierenden Parteien höher ist als in den größeren Parteien (vgl. Wesenick 2004a). Während die DVU keine Angaben zum Frauenanteil macht, wird der Anteil der weiblichen NPD-Mitglieder von Parteifunktionären mittlerweile höher eingeschätzt. So gab Bundesvorstandsmitglied Peter Marx im Herbst 2006 an, dass der Frauenanteil in der Partei derzeit bei 27% liege, und sich unter den Neuzugängen sogar 50% Frauen befänden, unter ihnen besonders viele junge Mütter (vgl. Röpke o.A.). Der Anteil weiblicher Mitglieder in Landes- und Bundesvorständen rechtsextremer Parteien beträgt nach Erhebungen von 2001 und 2004 zwischen 7 und 20%, wobei der Anteil weiblicher Funktionärinnen in der NPD jeweils am geringsten ist (vgl. Bitzan 2002b und Wesenick 2004b). Anzumerken ist, dass sich die extrem rechter Parteien mit ihrem niedrigen Frauenanteil in Leitungsgremien nicht wesentlich von anderen Parteien unterscheiden. Auch die Tatsache, dass die Vorstandsfrauen häufig zuständig sind für Familie, Soziales oder Senioren ist keine Besonderheit rechtsextremer Parteien.
Im Bereich der Cliquen und Organisationen, der sich durch lockerere und netzwerkartige Strukturen auszeichnet, liegt der Frauenanteil bei geschätzten 25-33%. Diese Spannbreite ergibt sich aus dem unterschiedlichen Charakter der Gruppierungen. Zudem beruhen diese Zahlen auf Beobachtungen und Schätzungen von Szenekenner/innen´, da der geringere Organisierungsgrad in diesem Segment eine systematische Bestandsaufnahme erschwert. Bezüglich des Wahlverhaltens ist es eine kontinuierliche Größe, dass extrem rechte Parteien durchschnittlich zu einem Drittel von Frauen gewählt werden – eine Zahl, die auch bei den Landtagswahlen in Sachsen 2004 und Mecklenburg-Vorpommern 2006 bestätigt wurde.
Der höchste Anteil von Frauen ist auf der Einstellungsebene zu verzeichnen, wo das Verhältnis von Männern und Frauen ausgewogen ist. Einstellungserhebungen kommen zwar aufgrund unterschiedlicher Rechtsextremismusbegriffe und daraus abgeleiteter Forschungsdesigns zu abweichenden Ergebnissen. Doch während einige Studien einen geringeren Anteil von Frauen mit rechtsextremem Gedankengut konstatieren (vgl. u.a. Brähler/Decker 2006), liegt der Frauenanteil in anderen Untersuchungen dagegen deutlich über 50%. So stellt beispielsweise die Forsa-Studie von 2003 fest, dass rechtsextreme Ansichten besonders unter Frauen in den neuen Bundesländern weiter verbreitet sind. Auch die Langzeitstudie von Wilhelm Heitmeyer zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen deutlich fremdenfeindlicher, rassistischer und islamfeindlicher eingestellt sind als Männer (vgl. Heit-meyer 2005).
Einzelne länderspezifische Erhebungen wie z.B. der Thüringen-Monitor aus dem Jahr 2005 verweisen auf einen besonders hohen Anteil rechtsextremer Einstellungen bei Frauen, der fast doppelt so hoch liegt wie bei den befragten Männern. Während 16% der Männer rechtsextreme Einstellungen aufweisen, werden mit 28% der befragten Frauen sogar fast ein Drittel der Thüringerinnen als rechtsextrem eingestuft. Trotz der Unterschiedlichkeit der Einstellungsuntersuchungen lässt der Vergleich darauf schließen, dass rechtsextremes Gedankengut im Mittel zwischen den Geschlechtern ungefähr gleich verteilt ist und Frauen entsprechend in ihren politischen Einstellungen genauso rassistisch und rechtsextrem sind wie Männer.
Aktivitäten und Beteiligungsformen
Der quantitative Überblick zeigt auch, dass rechtsextrem denkende Frauen ihre Einstellungen vergleichsweise weniger in politische Aktivität umsetzen. Nichtsdestotrotz ist das Spektrum der Aktivitäten von Frauen in der rechtsextremen Szene sehr breit. Frauen beteiligen sich nicht nur an der Organisation im Hintergrund und Aufrechthaltung der Infrastruktur. Sie betreiben Gaststätten und Szenetreffpunkte , stellen als Gönnerinnen größere Spenden und Immobilien zur Verfügung, fungieren als Netzmeisterinnen´ und treiben Handel im Internet.
Tätigkeiten, die besonders häufig von Frauen übernommen werden, sind z.B. die Anmietung von Räumen für Veranstaltungen, das Betreiben von Infoständen und die Verteilung von Flugblättern. Neben unauffälligen Spitzeltätigkeiten zur Ausforschung der politischen Gegner/innen in der so genannten Anti-Antifa´ sind Frauen besonders aktiv in der Unterstützungsarbeit für Inhaftierte – z.B. in der "Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene" (HNG) Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die "Kameraden" im Gefängnis, sondern auch ihre Angehörigen während der Haftzeit zu betreuen.
Zum anderen sind Frauen auch an stärker öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der extremen Rechten beteiligt. Am augenscheinlichsten ist hier die Teilnahme an Demonstrationen und Aufmärschen, wo die Präsenz und die Frauen selbst sehr unterschiedlich sind: Neben Frauen, deren Auftreten der Ästhetik des Nationalsozialismus entspricht sind "ganz normale" Frauen, Skingirls mit dem typischen Haarkranz (Renees), Frauen im Girlie-Outfit und zunehmend auch autonome Nationalistinnen vertreten, deren äußeres Erscheinungsbild sich kaum von Aktivistinnen aus dem linken autonomen Spektrum unterscheidet. Immer häufiger tragen Frauen auf Demonstrationen die Fronttransparente, betätigen sich beim "nationalen Sanitätsdienst," dem so genannten "Braunen Kreuz" , fungieren als Ordnerinnen und melden Demonstrationen an, auf denen sie teilweise auch als Rednerinnen auftreten. Im musikalischen Bereich gibt es derzeit zwar keine reinen Frauenbands, allerdings haben einige Musikgruppen weibliche Sängerinnen und Musikerinnen (vgl. Döhring/Feldmann 2005 und 2002). Besonders bekannt ist die Liedermacherin Anett Müller – ehemals Moeck – , die seit vielen Jahren bei Kundgebungen und auf Parteitagen der NPD ihr Liedgut zum Besten gibt. Darüber hinaus leisten viele Frauen als Anwaltsgehilfinnen oder Anwältinnen Rechtsbestandoder betätigen sich als Autorinnen für einschlägige Zeitschriften und Publika-tionen (vgl. Bitzan 2000). Zudem wurden auch verschiedene Zeitschriften und Fanzines von Frauen gegründet und gestaltet, von denen die meisten jedoch nur einige Male erschienen sind. Zeitschriften wie ''Das treue Mädel''; ''Aryan Sisterhood'' und ''Triskele'' behandeln keineswegs nur ''Frauenthemen'', sondern decken ein breites inhaltliches Spektrum ab (vgl. Döhring/Feldmann 2002 und 2005).
Generell ist seit einigen Jahren eine zunehmende Selbstorganisation von Frauen im rechten Spektrum zu beobachten, die auf die Stärkung des politischen Engagements abzielt und sich auch in der Gründung eigenständiger Frauenorganisationen niederschlägt. Seit Ende der 1990er Jahre ist zeitweise ein regelrechter Boom von Frauengruppen zu verzeichnen, deren Lebensdauer und Bedeutung und in der rechten Szene jedoch sehr unterschiedlich ist. Auch die Aktivitäten und inhaltlichen Schwerpunkte der Frauenorganisationen sind vielfältig. (vgl. Bitzan 2002a, Döhring/Feldmann 2005). Als bedeutendere Gruppierung gilt seit einigen Jahren z.B. der "Mädelring Thüringen", der sich selbst als "Mädelkameradschaft" und Teil des 'Nationalen Widerstandes' bezeichnet und rechte Frauen u.a. motivieren und darin unterstützen will, sich politisch zu engagieren. Interessant ist im Hinblick auf das Frauenbild, dass hier besonders 'fortschrittliche' Positionen diskutiert werden. So findet sich auf der Homepage ein Leitartikel mit dem Titel ''Nationaler Feminismus – ein Paradoxon?'' (vgl. www.maedelring.tk).
Die bislang größte und aktivste rechtsextreme Frauenorganisation ist die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF), die durch eine neonazistische Ausrichtung gekennzeichnet ist und die Verbindung von Mutterschaft und politischem Engagement ins Zentrum ihrer Aktivitäten stellt(vgl. www.g-d-f.de). Die GDF, die 2001 als Nachfolgeorganisation des Skingirlfreundeskreis Deutschland (SFD) gegründet wurde, weist viele Verbindungen zu anderen Gruppierungen im rechten Spektrum, z.B. zur Heimattreuen deutschen Jugend (HdJ) auf, die sich in der Tradition der – seit 1994 verbotenen – Wiking Jugend der 'nationalen Erziehung' verschrieben hat und vor allem Kinder- und Jugendlager ausrichtet (vgl. www.heimattreue-jugend.de). Doppelmitgliedschaften gibt es auch mit dem Ring nationaler Frauen (RNF), der 2006 gegründeten Frauenorganisation der NPD.
Als parteiübergreifender 'Dachverband' für 'nationale Frauen' will der RNF Ansprechpartner für politisch interessierte Frauen sein und mögliche Hemmschwellen gegenüber der Partei abbauen helfen. Ziel ist es außerdem, Frauen zu politischem Engagement zu ermutigen und sie diesbezüglich gezielt zu schulen (vgl. www.ring-nationaler-frauen.de). Der RNF betreibt eine intensive Öffentlichkeitsarbeit nimmt Stellung zu aktuellen Themen, so z.B. zum Elterngeld.
Darüber hinaus versucht der RNF über die Gründung von Landesverbänden und Regionalgruppen insbesondere im kommunalpolitischen Bereich Einfluss zu nehmen. Ob es dem RNF langfristig gelingt, sich als eigenständige Parteiorganisation zu etablieren, bleibt abzuwarten. Fest steht schon jetzt, dass der RNF bei Frauen aus dem NPD-Spektrum auf Resonanz trifft und somit zu einer Imageverbesserung und Stabilisierung der Partei und ihres Umfeldes beiträgt. Abschließend ist festzuhalten, dass die hier gezeigte Vielfalt aktiver Frauen und lebbarer Frauenbilder zahlreiche Möglichkeiten für Frauen und Mädchen bietet, sich in der rechten Szene zu engagieren. Rechtsextrem orientierte Frauen und Mädchen sind dabei häufig nicht nur Mitläuferinnen und "Freundin von", sie übernehmen vielmehr ganz unterschiedliche Funktionen und tragen damit wesentlich zur Veränderung der Außenwirkung und Modernisierung der rechten Szene bei. Auch wenn sich Frauen zum Teil stärker im Hintergrund betätigen, haben sie damit eine stabilisierende Wirkung und sind dabei vor allem nicht weniger rassistisch und fremdenfeindlich. Im Gegenteil ist ihr politisches Engagement – egal in welcher Form – von der übergeordneten Idee getragen, an der Seite der Männer für die "nationale Volksgemeinschaft" zu kämpfen.
Konsequenzen für die Entwicklung von Gegenstrategien
Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme geht es nun um die Frage, welche Bedeutung die hier gezeigte Einbindung von Frauen in der extremen Rechten für die Entwicklung von Gegenstrategien hat. Ein zentrales Problem besteht darin, dass rechte Frauen in Medien, Forschung, politischer und pädagogischer Praxis häufig aus dem Blickfeld geraten. Da die Voraussetzung für adäquates Handeln im Umgang mit Rechtsextremismus in einer entsprechenden Problemwahrnehmung liegt, besteht ein erster Schritt für einen geschlechtsbewussten Umgang in der Sensibilisierung und Schärfung der Wahrnehmung für die Aktivitäten und das Selbstbewusstsein rechtsextrem orientierter Mädchen und Frauen (vgl. Elverich/Köttig 2007; Köttig 2006).
Wahrnehmungsproblem: ''Frauen sind friedfertig''
Im Hinblick auf rechtsextrem motivierte Gewalt von Frauen haben wir es mit einer doppelten Unsichtbarkeit zu tun: Häufig wird nicht nur der politische Hintergrund von Gewalttaten ausgeblendet, sondern auch die Tatsache, dass sich Frauen aktiv und indirekt an der Ausübung rechter Gewalt beteiligen.
Wahrnehmungsproblem: ''Frauen sind unpolitisch''
Frauen werden als politische Akteurinnen häufig weniger wahr- und vor allem ernst genommen, ihre Art des politischen Engagements, dass sich stärker auf den sozialen Nahbereich bezieht, wird nicht als genuin politisch angesehen (vgl. Meyer 1991). Auch bezüglich der rechten Szene wird die Bedeutung "weicher" Politikformen tendenziell unterschätzt, vor allem im Hinblick auf die Einbindung und Mobilisierung von Frauen.
Wahrnehmungsproblem: "Rechtsextremismus bei Mädchen ist eine 'Phase'"
Die fälschliche Annahme, die Affinität von Mädchen zum Rechtsextremismus ist ein vorübergehendes Phänomen im Sinne einer jugendlichen Lebensphase hat verschiedene Facetten. Zum einen verweisen Forschungsergebnisse von Michaela Köttig darauf, dass das "Zur-Schau-Tragen" von rechten Symbolen und der offensive Umgang mit rechtsextremen Einstellungsmustern oftmals Kennzeichen des Übergangs in die rechtsextreme Szene ist. Das Nachlassen von Provokationen und ein weniger eindeutiges Erscheinungsbild ist deshalb häufig kein Zeichen von Abkehr, sondern vielmehr von Festigung und stärkerer Szene-Anbindung (vgl. Köttig 2004: 353f). Hinzu kommt, dass junge Mädchen in der extremen Rechten immer frühzeitiger geschult und gezielt an die Szene angebunden werden, damit sie nicht in der Familiengründungsphase zum "Ausstiegsgrund" für Männer werden. Ferner werden zunehmend Angebote für Familien gemacht (Kinderfeste, Kinderbetreuung bei Veranstaltungen etc.), damit das politische Engagement mit dem Familienleben vereinbart und langfristig aufrechterhalten werden kann.
Wahrnehmungsproblem: "Frauen sind weniger sichtbar und weniger 'gefährlich'"
Auch die politischen Tätigkeiten von Frauen in der extremen Rechten, die z.T. weniger spektakulär und stärker sozial orientiert sind, stärken den Zusammenhalt und stabilisieren die Szene im Sinne einer generationenübergreifenden Fürsorge "treusorgender Mütter" als "Retterinnen des weißen deutschen Volkes." Darüber hinaus befördern diejenigen Frauen, die öffentlich präsent und aktiv sind, eine akzeptablere Außenwirkung und damit auch die Anschlussfähigkeit an die bürgerliche Mitte. Damit ist die geringere Gewaltbereitschaft und das 'sanftere' Auftreten von Frauen nicht weniger bedenklich, sondern u.U. sogar gefährlicher im Hinblick auf die Durchsetzung rechtsextremer Deutungsmuster.
Folgerungen: Mädchen und Frauen als besondere Zielgruppe?
Abschließend komme ich zu der Frage inwiefern Mädchen und Frauen eine besondere Zielgruppe für pädagogische Maßnahmen gegen Rechtsextremismus darstellen. Zunächst ist festzuhalten, dass Jugendliche – genau so wenig wie Erwachsene – unabhängig vom Geschlecht kaum mehr von pädagogischen Interventionen zu erreichen sind, sobald sie fest in der Szene verankert sind und über ein ideologisch gefestigtes Weltbild verfügen (vgl. Scherr 2001). Hier liegen vielversprechende pädagogische Ansätze vor allem in der Einzellfallarbeit und – soweit die Bereitschaft der Betreffenden vorhanden ist – in der Begleitung längerfristiger Ausstiegsprozesse (vgl. Köttig 2002 und 2004: 372f.), wobei eine professionelle Ausstiegshilfe die Kooperation von Expert/innen, Eltern, Sozialer Arbeit und Schule umfassen sollte (vgl. Bölting 2003).
Oft sind es Beziehungen, die Frauen in die rechtsextreme Szene hinein binden. Neonazikonzertbesucher in Jena 2007. (© H.Kulick)
Oft sind es Beziehungen, die Frauen in die rechtsextreme Szene hinein binden. Neonazikonzertbesucher in Jena 2007. (© H.Kulick)
In Anbetracht eines provokanten und offensiven Auftretens ist auch zu bedenken, dass Jugendliche u.U. schon als gefestigte Rechtsextreme wahrgenommen werden, wenn sie in einer Phase des Ausprobierens und der Festigung (s.o.) durchaus noch ambivalent und ansprechbar sind – vorausgesetzt es findet eine ernsthafte persönliche und inhaltliche Auseinandersetzung statt. Angesichts der oben genannten Wahrnehmungsprobleme ist auch bei diesem prinzipiell geschlechtsübergreifenden Aspekt zu berücksichtigen, dass bei den betreffenden Professionellen eine Sensibilisierung für rechtsextreme Ausdrucks- und Erscheinungsformen bei Mädchen vorhanden sein muss, um frühzeitig intervenieren zu können.
Wer die Frage nach einem geschlechtbewussten Umgang mit Rechtsextremismus stellt, stößt in der Fachdebatte immer wieder auf die Forderung nach geschlechtsspezifischen Zugängen (vgl. Pingel/Rieker 2002, Möller 2004). Die Tatsache, dass in der pädagogischen Diskussion vor allem eine verstärkte Jungenarbeit als Ansatzpunkt für Gegenstrategien genannt wird, hängt sicherlich auch mit der vorherrschenden Wahrnehmung von Rechtsextremismus als "Jungenphänomen" zusammen (vgl. z.B. Schubarth 004: 187). Jungenarbeit, die auf eine kritische Auseinandersetzung mit Männlichkeitsvorstellungen und Gewalt im Zuge von Identitätsbildungsprozessen abzielt, soll mit der Entwicklung von "Alternativen für Selbstwert-, Zugehörigkeits-, Teilhabe- und Anerkennungsgewinn" (Möller 2004: 14) der Übersteigerung traditioneller Männerbilder, wie sie im Rechtsextremismus vorkommen, etwas entgegen setzen. Neben einer "spezifischen Jungenarbeit" wird auch eine "entsprechende Mädchenarbeit" (Schubarth 2004: 187) gefordert, ohne dies jedoch näher auszuführen.
Generell hat Mädchenarbeit sicherlich das Potenzial, spannende Angebote zu machen, die Alternativen zu rechten Erlebniswelten bieten können. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass mit der alleinigen Zielsetzung, das Selbstbewusstsein von Mädchen zu stärken und diese zu eigenständigem Engagement zu ermutigen, auch rechte Mädchen erreicht und in ihren politischen Aktivitäten bestärkt werden können, so dass damit u.U. das Gegenteil von dem bewirkt wird, was sie in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Tendenzen bezwecken sollte. Um dieses zu vermeiden, ist die übergeordnete Menschenrechtsorientierung parteilicher Mädchenarbeit unerlässlich. Unter diesem Dach kann es u.a. sinnvoll sein, z.B. gezielt mit nicht-rechten Mädchen zu arbeiten und Angebote zu machen, die im Hinblick auf die Stärkung demokratisch orientierter Gegenkräfte eine explizite Auseinandersetzung mit Rassismus und Rechtsextremismus beinhalten und auf die Entwicklung von Gegenstrategien abzielen.
Generell müssen sich pädagogische Angebote und Maßnahmen – unabhängig davon, ob sie geschlechtsspezifisch oder geschlechtsübergreifend arbeiten – der Anforderung stellen, eine konsequente antirassistische und antidiskriminierende Perspektive einzunehmen, wenn sie einen adäquaten Beitrag zur Bekämpfung von Rechtsextremismus leisten sollen (Hormel/Scherr 2004). Die oben skizzierte Spannbreite ideologischer Positionen zum Geschlechterverhältnis und die Vielfalt und Widersprüchlichkeit gelebter Frauen- und Geschlechterbilder in der rechten Szene zeigen, dass die Verschränkung von Rassismus und Sexismus nicht automatisch gegeben ist (vgl. Bitzan 2005, Elverich 2005). Folglich sollten sich auch pädagogische Gegenstrategien auf den Kernpunkt des Rechtsextremismus, den rassistischen Konsens der ethnisch definierten "Nationalen Volksgemeinschaft" konzentrieren und dabei der Tatsache Rechnung tragen, dass Frauen und Mädchen unter diesem ideologischen Dach genauso radikal denken und vehement agieren wie ihre männlichen 'Kameraden'.
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