Die öffentliche Konfrontation mit dem politischen Gegner bezeichnen NPD und ihre Untergruppen als ''Wortergreifung". Sie baut darauf, Gegner insbesondere bei Veranstaltungen über Rechtsextremismus durch eigenes Erscheinen und ''Wortergreifen'' zu verunsichern, verängstigen und aus dem Konzept zu bringen. Nach innen, also in die eigene Anhängerschaft hinein wird zugleich Abenteuergeist und Selbstbewusstsein geschärft (Wortergreifung als Mutprobe) und ein 'Rauswurf' gerne als ''Bankrotterklärung der Demokraten'' verkauft. Meinungsfreiheit gebe es dort folglich nicht. Dass Demokratie aber nicht nur Meinungsfreiheit bedeutet, sondern auch den Respekt vor bestimmten Werten, wie der Würde des Menschen und Gleichberechtigung, wird dabei unterschlagen.
Wichtig ist, schon bei der öffentlichen Ankündigung einer Veranstaltung Ausschlusskriterien mitzuteilen, empfiehl Bianca Klose von der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (www.mbr-berlin.de) im "Netz-gegen-Nazis":
"Denn nach § 6 des Versammlungsgesetzes können bestimmte Personen oder Personenkreise in der Einladung und Ankündigung von der Teilnahme an einer Versammlung ausgeschlossen werden. Dies gilt aber nur für öffentliche Veranstaltungenm in geschlossenen Räumen. Bei Demonstrationen oder Kundgebungen – also bei Versammlungen unter freiem Himmel – gilt diese Vorschrift ebenso wenig wie für Pressevertreter. Wichtig ist, dass schon die Veranstaltungseinladung eine entsprechende Formulierung enthält, die extrem Rechte ausschließt. Beispielsweise den Satz: Ausgeschlossen von der Teilnahme an der Veranstaltung sind extreme Rechte. Dann kann Neonazis der Zutritt verwehrt werden. Wenn sie schon im Raum der Veranstaltung sind, können sie unter Verweis auf die Ankündigung aus dem Raum wieder entfernt und unter Umständen auch wegen Hausfriedensbruch zur Verantwortung gezogen werden".
Lehrreiche Broschüre aus Magdeburg
Ob und wann sich ''Streiten mit Neonazis'' lohnt, unter diesem Titel hat die Magdeburger Initiative ''Miteinander e.V.'' im Sommer 2008 in zweiter Auflage eine Broschüre herausgebracht, aus der folgender Auszug stammt:
"Im Folgenden soll daher die politische Intention öffentlicher Auftritte von Neonazis analysiert werden. Welche Mittel wenden Neonazis an? Auf welche Methoden greifen sie dabei zurück? Wie soll darauf reagiert werden?
Hierzu zunächst zwei Fallbeispiele, welche die unterschiedlichen Vorgehensweisen von Neonazis im Rahmen der ''Wortergreifung'' illustrieren.
Fall 1: Im April 2007 sollte in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Magdeburg über das Thema ''Neonazis an Hochschulen'' diskutiert werden. Neben den deutlich mehr als 100 interessierten Student/innen erschienen zu der Veranstaltung auch ca. 15 bis 20 Neonazis, unter ihnen der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, sowie Mitglieder lokaler Strukturen wie der JN.
Mit dieser Situation konfrontiert, beschlossen die studentischen Organisator/innen, sich unter Verweis auf die "Wortergreifungsstrategie" von der Veranstaltung zurückzuziehen, da ihrer Forderung nach Ausschluss der Neonazis durch die das Hausrecht ausübenden Vertreter/innen der Hochschule nicht nachgegeben wurde.
Die übrigen Podiumsgäste, zwei Professoren und die Moderatorin, entschlossen sich, die Veranstaltung dennoch wie geplant durchzuführen. In deren Verlauf instrumentalisierte Udo Pastörs die Veranstaltung für seine rechtsextremen Inhalte, indem er ohne Intervention der Moderatorin minutenlange Monologe hielt. Hierbei wurde er von seinen Anhängern lautstark unterstützt. Diese Vorgehensweise der Neonazis verfehlte ihre beabsichtigte einschüchternde Wirkung nicht. Durch die Dominanz der Gruppe um Pastörs wurde aus der geplanten Veranstaltung über Rechtsextremismus eine solche mit Rechtsextremist/innen, ohne über das eigentliche Thema diskutieren zu können.
Fall 2: Nach den rassistisch motivierten Misshandlungen eines afrodeutschen zwölfjährigen Schülers in Pömmelte bei Magdeburg – die Täter kamen aus dem Umfeld einer neonazistischen Gruppe – tagte im örtlichen Vereinshaus ein so genannter Runder Tisch, um über die Folgen des Angriffs zu debattieren.
Während der Veranstaltung betraten etwa zehn junge Männer den Raum und stellten sich als ''Jugendinitiative gegen Jugendkriminalität'' vor: Sie hätten Interesse, an der laufenden Diskussion teilzunehmen. Daraufhin wurden sie von der Moderatorin mit dem Hinweis hinausgebeten, auf der Veranstaltung seien nur ortsansässige Personen zugelassen. Nachdem sie von Vertreter/innen zivilgesellschaftlicher Initiativen als Neonazis identifiziert und hinauskomplimentiert wurden, inszenierten sie sich vor dem Vereinshaus unter den Augen der Medien als angebliche Opfer einer Verleumdungskampagne. Ein Transparent wurde entrollt, einzelne Neonazis versuchten sich als »betroffene« Jugendliche den anwesenden Medien als Interviewpartner anzudienen.
Das erste Beispiel demonstriert, wie es Neonazis gelingt, eine öffentliche Veranstaltung durch die Strategie der ''Wortergreifung'' in ihrem Sinne zu instrumentalisieren und zur Selbstinszenierung zu nutzen. Dabei machten sie sich die Tatsache zu Nutze, dass die Vertreter/ innen der Hochschule die Folgen der Teilnahme von Neonazis an einer solchen Veranstaltung unterschätzten. Damit ging die Rechnung der Gruppe um Pastörs auf, durch massive Präsenz die inhaltliche Ausrichtung zu bestimmen. So wurde die Veranstaltung ihres ursprünglichen Themas beraubt.
Das zweite Beispiel hingegen zeigt, dass Neonazis auf eine vorgefundene Situation durchaus flexibel zu reagieren wissen. Auch hier beabsichtigten sie zunächst, eine geschlossene Veranstaltung in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Als dies nicht gelang, wechselten die Neonazis die Aktionsform. Nun stand im Fall Pömmelte nicht mehr die Störung einer Veranstaltung auf der Tagesordnung, sondern der Versuch, sich medial als zu Unrecht diskriminierte Jugendliche darzustellen, denen man die Tat anlaste. Mit der Aktionsform wechselten auch die Adressat/ innen. Ging es im ersten Moment um den Kreis der im Raum versammelten Bürger/innen, die es zu beeindrucken und zu verwirren galt, so handelte es sich anschließend um einen Appell an die mediale Öffentlichkeit, hier werde der demokratische Dialog mit »betroffenen Jugendlichen« zu Unrecht verweigert.
Dies zeigt, dass es Neonazis entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht allein um eine Störung um der Störung willen geht, sondern um einen kalkulierten Versuch, in einem sie betreffenden politischen Konflikt als scheinbar legitime Dialogpartner Gehör zu finden.
Die Interaktionsfalle
In Fällen wie den beschriebenen wird häufig die Frage gestellt, ob es nicht sinnvoller sei, mit den anwesenden Neonazis zu diskutieren, um diese zu demaskieren. Dies ist jedoch mit Blick auf die Gesprächssituation schwerlich umzusetzen. Die Erfahrungen zeigen, dass geschulte Neonazis in Diskussionen mit rhetorischen und inhaltlichen Wiederholungen arbeiten. Dies bedeutet, die immer gleiche Aussage so zu variieren, dass die Gesprächspartner/ innen ihrerseits jedes Mal erneut zu einer eigenen Argumentation ausholen müssen. Dies verschafft den Neonazis einen nicht einholbaren Gesprächsvorteil. Denn während sie ihrem Gegenüber nur einige Schlagworte – beispielsweise ''Volksgemeinschaft statt multikulturelles Chaos'' – vorsetzen, sind die Gesprächspartner/innen gezwungen, diesen ausführlich argumentativ entgegen zu treten.
Dadurch gelingt es den Neonazis, nicht nur die thematische Agenda des Gesprächs, sondern auch die Rollenverteilung zu bestimmen. Während sich die rechtsextremen Aktivist/innen in rhetorisch gedrechselten Parolen ergehen, finden sich die Gesprächspartner/ innen in der Rolle derer wieder, die sich zu rechtfertigen haben. In dieser Situation kommt es nicht zu einem Austausch der Argumente.
Diese Diskussionsstrategie der Neonazis verfolgt vielmehr das Ziel, den politischen Gegner vorzuführen. Daher sollte man die Diskussion mit organisierten und rhetorisch geschulten Neonazis auch nicht zum Beweis eigener demokratischer Dialogfähigkeit nutzen. Neonazis sind weder zu überzeugen noch sind sie dialogbereit. Anders sieht dies im Falle von rechtsorientierten Jugendlichen aus. Hier sollte man das Gespräch suchen.
Die von dieser Gruppe häufig vorgetragenen plakativen Parolen sind zumeist noch nicht Ausdruck eines geschlossenen rechtsextremen Weltbilds. Daher sind sie Argumenten, die in einem partnerschaftlichen Gesprächsstil erläutert werden, noch eher zugänglich. Die Messlatte für den Erfolg einer solchen Debatte ist jedoch nicht, ob diese Jugendlichen am Ende überzeugt werden, sondern ob es gelungen ist, sie mit anderen Auffassungen zu konfrontieren. Ehemals extrem rechts eingestellte junge Männer und Frauen berichten, es habe sie nachhaltig beeindruckt, wenn sie mit fundierten Gegenargumenten zu ihrer Weltanschauung konfrontiert wurden.
Darauf sollten sie achten. Im Vorfeld der Veranstaltung
Veranstalten Sie keine Podien und Diskussionsveranstaltungen gemeinsam mit Vertreter/innen der NPD/JN oder anderer rechtsextremer Organisationen. Koordinieren Sie sich als Teilnehmende im Vorfeld von Veranstaltungen mit den anderen demokratischen Parteien und Podiumsteilnehmer/innen:
- Versuchen Sie im Vorfeld darauf hinzuwirken, dass Veranstalter/innen und Schulen rechtsextreme Vertreter/innen nicht einladen.
- Machen Sie deutlich, dass Sie eine Teilnahme an Podien und Veranstaltungen, zu denen auch Vertreter/ innen rechtsextremer Organisationen eingeladen sind, ablehnen werden.
- Sorgen Sie dafür, dass die Ablehnung im Schulterschluss mit allen anderen demokratischen Parteien und Teilnehmer/innen geschieht.
Was tun bei Veranstaltungen?
- Verständigen Sie sich vor der Veranstaltung mit allen anderen demokratischen Parteien und Teilnehmer/innen über eine gemeinsame inhaltliche Begründung für ihre Ablehnung und geben Sie diese entweder gemeinsam oder jeweils individuell zur Kenntnis.
- Wirken Sie in der Vorbereitung gegenüber den Veranstalter/innen darauf hin, dass es sich insbesondere an Schulen um eine geschlossene Veranstaltung handeln sollte, die sich auf einen beschränkten Teilnehmer/innenkreis, bestehend aus Schüler/innen, Lehrer/innen und eigens geladenen Gästen, bezieht.
- Bieten Sie gegebenenfalls an, über die NPD/JN oder andere rechtsextreme Organisationen und ihre Ideologie auf einer Veranstaltung, nicht aber mit ihnen selbst zu diskutieren. Dies ist insbesondere bei Veranstaltungen an Schulen zu empfehlen.
Während der Veranstaltung
Sollten Sie dennoch bei Veranstaltungen und Podien mit Rechtsextremen und ihren Positionen konfrontiert sein:
- Seien Sie inhaltlich vorbereitet auf die zentralen rechtsextremen Argumentationsmuster und politischen Themenfelder.
- Geben Sie vor Ihrer eigentlichen Rede eine Erklärung ab, dass es nicht Ihrem Wunsch entspricht, hier gemeinsam mit rechtsextremen Organisationen zu sitzen, da sie außerhalb des demokratischen Grundkonsenses stehen.
- Gehen Sie als Moderator/in nicht auf deren Parolen ein. Weisen Sie diese gegenüber dem Publikum offensiv zurück, ohne sich von rechtsextremen Akteuren in eine Diskussion verwickeln zu lassen.
- Achten Sie darauf, dass rassistische, antisemitische, sexistische, menschenverachtende und den Nationalsozialismus leugnende oder verharmlosende Äußerungen nicht unhinterfragt stehen bleiben. Widersprechen Sie aktiv!
Hausrecht durchsetzen:
Juristische Möglichkeiten für den Ausschluss Rechtsextremer von Veranstaltungen nutzen für einen möglichst reibungslosen Ablauf von (Wahlkampf-)Veranstaltungen ohne rechtsextreme Besucher/innen oder Störer/innen können Sie vor allem durch eine sorgfältige Vorbereitung sorgen. Aus rechtlicher Sicht bietet Ihnen das Hausrecht Möglichkeiten, unerwünschte Personen von Veranstaltungen auszuschließen. Ein Vorabhinweis auf den Einladungen, Plakaten und als Aushang an den Eingangstüren ist dafür wichtig.
Für den Ausschluss von Personen auf Veranstaltungen bzw. Versammlungen gibt es nach dem Versammlungsgesetz (VersG), das auch für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen gilt, grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
1. In der Einladung des/der Veranstalters/in können nach § 6 VersG bestimmte Personen oder Personenkreise von der Teilnahme ausgeschlossen werden.
2. Während der Veranstaltung können nach § 11 VersG Teilnehmer/innen, welche die Veranstaltung "gröblich stören", von der Veranstaltungsleitung ausgeschlossen werden.
In beiden Fällen wird der Ausschluss über das Hausrecht, das die Veranstaltungsleitung hat, umgesetzt. Der/die Veranstalter/in kann die Leitung und damit das Hausrecht auch einer anderen Person übertragen.
Mehr dazu in der Broschüre:
Miteinander e.V./ Arbeitsstelle Rechtsextremismus (Hg.) Streiten mit Neonazis? Zum Umgang mit öffentlichen Auftritten von Rechtsextremisten 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Magdeburg/Halle 2008 DOWNLOAD unter Externer Link: www.miteinander-ev.de
Darüber hinaus hilfreiche Lektüre:
Nützlich ist auch eine Neuerscheinung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (www.mbr-berlin.de). Die Broschüre "Handlungs-Räume. Umgang mit rechtsextremen Anmietungsversuchen von öffentlich-rechtlichen Veranstaltungsräumen" fasst praxisnah den derzeitigen Stand der bundesweiten Rechtssprechung zur Abwehr rechtsextremer Nutzungsansprüche im öffentlich-rechtlichen Bereich zusammen. Im Jahr 2007 wurde, wie in kaum einem Jahr zuvor, eine Vielzahl von relevanten Urteilen gesprochen, die hier erstmals zusammengestellt wurden. DOWNLOAD unter Externer Link: www.mbr-berlin.de
Über den Umgang mit Rechtsextremen in Vereinen und über die Möglichkeit sie auszuschließen, informiert eine weitere neue Broschüre aus dem August 2008. Herausgeber ist die RAA Mecklenburg, ihr Titel lautet: ''Im Verein - gegen Vereinnahmung. Eine Handreichung zum Umgang mit rechtsextremen Mitgliedern", sie kann kostenlos bezogen werden über: Externer Link: www.raa-mv.de.
Ein gewitztes Videobeispiel, wie man Neonazis auf Veranstaltungen entwaffnen kann, zeigt der MDR, gedreht auf einer Kabarettveranstaltung mit Serdar Somuncu im Harz: Externer Link: www.mut-gegen-rechte-gewalt.de