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Burschenschaften: Geschichte, Politik und Ideologie | Rechtsextremismus | bpb.de

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Burschenschaften: Geschichte, Politik und Ideologie

Alexandra Kurth und Bernd Weidinger

/ 16 Minuten zu lesen

Wenngleich heute eine Randerscheinung an deutschen und österreichischen Universitäten, stehen Burschenschaften immer wieder im Fokus der Medien. Verantwortlich dafür ist ihre betont politische Ausrichtung auf deutschnationaler Grundlage, die sie von anderen Verbindungstypen abhebt. Teile des Burschenschaftsspektrums weisen inhaltliche und personelle Überschneidungen mit der extremen Rechten auf.

Ca. 250 Burschenschafter aus dem ganzen deutschsprachigen Raum versammeln sich zum Burschentag, dem Verbandstreffen der Deutschen Burschenschaft (DB). Eisenach, 13.06.2014 (© picture-alliance, Geisler-Fotopress)

Entstehungsgeschichte

Innerhalb der ideologisch breit gefächerten und überwiegend männerbündischen Studentenverbindungen im deutschsprachigen Raum sind Burschenschaften von anderen Verbindungen zu unterscheiden: zum einen von konfessionsgebundenen, zum anderen von sonstigen deutschnationalen Korporationen wie etwa den Corps. Das heißt: Burschenschaften stellen einen spezifischen Studentenverbindungstypus dar, aber nicht alle Studentenverbindungen sind Burschenschaften.

Die Geschichte der Burschenschaften weist bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. 1815 gründete sich in Jena die sogenannte Urburschenschaft. Analoge Gründungen gab es auch in anderen Universitätsstädten. Von Anfang an schwankte die burschenschaftliche Bewegung zwischen zwei ideengeschichtlichen Traditionslinien, die einander in der politischen Praxis oft in die Quere kommen sollten: Zwischen völkischem Nationalismus und Liberalismus. Trotz der ideologischen Differenzen gelang es den Burschenschaften im Wintersemester 1881/82, den Dachverband Allgemeiner Deputierten-Convent (ADC) zu gründen, der sich 1902 in Deutsche Burschenschaft (DB) umbenannte.

Die liberalen Bestrebungen wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert zunehmend gegenüber dem Streben nach nationaler Einigung in den Hintergrund gedrängt. Mit der Priorisierung des Nationalen und im Wettstreit mit anderen Verbindungen, insbesondere den Vereinen Deutscher Studenten (VDSt), nahm auch der Antisemitismus, der die Bewegung von Beginn an begleitet hatte, immer drastischere Formen an. In der Folge schlossen sich viele Burschenschaften schon früh dem politischen Projekt der Nationalsozialisten an, das sowohl das großdeutsche Reich zu verwirklichen als auch die "Judenfrage" zu "lösen" versprach. Zahlreiche Burschenschafter wurden Mitglieder in der NSDAP, im NS-Studentenbund und anderen NS-Organisationen. Die Namen Heinrich Himmler (Mitglied der Burschenschaft Apollo München, die heute Franco-Bavaria München heißt) und Ernst Kaltenbrunner (Burschenschaft Arminia Graz) stehen stellvertretend für eine große Zahl an Burschenschaftern, die sich, teils an höchster Stelle, an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligten.

Entwicklung nach 1945

In den 1930er Jahren hatten sich fast alle Burschenschaften in NS-Kameradschaften umgewandelt. Nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 durften sie sich nicht mehr betätigen. Die britische Militärregierung verfügte im November 1945, dass "die Bildung von Korporationen oder Corps alten Stils" nicht gestattet sei, und noch im März 1947 hieß es in den "Military Organization Regulations" der Amerikaner: "All National Socialist organizations in universities are abolished and not be permitted to be revived. The revival of other student organizations (especially Verbindungen, Burschenschaften, Korporationen, and their Altherrenbuende) of all nationalistic, reactionary or para-miltary character will not be permitted." Das faktische Verbot wurde allerdings vielerorts von "Alten Herren" unterlaufen, die sich bemühten, behördlich beschlagnahmte Immobilien zurückzuerhalten und eine Wiederzulassung zu erreichen. In der Regel gründeten sie Klubs oder Vereine mit harmlos klingenden Tarnbezeichnungen wie "Kneipgesellschaft", "Freundschaftsbund" oder "akademische Vereinigung". Aus "Germanen" oder "Teutonen" wurden nun "Danuben" oder "Amiciten".

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wandelten sich diese Gruppierungen an vielen Orten wieder in Burschenschaften um und schlossen sich 1950 erneut zum Dachverband DB zusammen. Ideologisch war dieser bis in die 1960er Jahre autoritär-konservativ ausgerichtet. Das innerhalb der DB vertretene Geschichtsverständnis berührte die Grenzen zur NS-Apologie oder überschritt sie sogar, etwa wenn führende NS-Propagandisten rehabilitiert, das Soldatentum und die Wehrmacht verherrlicht und völkisch-nationalistische Auffassungen vertreten wurden.

Konflikte zwischen gemäßigten und extrem rechten Burschenschaften

Innerhalb des Verbandes gab es immer wieder heftige Debatten und Konflikte um die Frage, ob die [teils offen am rechten Rand stehenden, Anmerk. d. Red.] österreichischen Burschenschaften als Mitglieder aufgenommen werden sollten oder nicht. Moderate deutsche Burschenschafter befürchteten – auch unter Verweis auf entsprechende Erfahrungen der Zwischenkriegszeit – einen Rechtsruck des Verbandes, sollte dieser für österreichische Bünde geöffnet werden. Auf dem Nürnberger Burschentag der DB von 1961 fand sich dafür keine Mehrheit, weshalb noch im gleichen Jahr die "Burschenschaftliche Gemeinschaft" (BG) als Arbeitsgemeinschaft von deutschen und österreichischen Burschenschaften inner- und außerhalb der DB gegründet wurde. Die BG bekannte sich in ihrem Gründungsprotokoll zum "volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff" und sah es als zentrales Ziel an, diesen in der DB-Satzung zu verankern und damit den Weg für die Aufnahme der Österreicher zu ebnen.

Dieses Vorhaben gelang 1971 – mit Konsequenzen für den gesamten Verband, die bis heute wirken. Der sogenannte historischen Kompromiss zwischen gemäßigteren und extrem rechten Burschenschaften und der darauf folgende Eintritt der meisten österreichischen Burschenschaften in die DB verschoben die innerverbandlichen Kräfteverhältnisse kontinuierlich zugunsten der extremen Rechten und legten damit den Grundstein für den Niedergang des liberal-konservativen DB-Flügels im 21. Jahrhundert. Gefördert wurde diese Entwicklung auch durch die ebenfalls 1971 als Teil des Kompromisses eingeführte Selbstausschlussklausel, auf Basis derer wiederholt liberale Verbindungen wegen Grundsatzverstößen (etwa der Aufnahme von Wehrdienstverweigerern) oder öffentlicher Kritik an rechtsextremen Tendenzen im Verband (selbst)ausgeschlossen wurden, sowie nach 1990 durch die Aufnahme neu gegründeter Burschenschaften in den fünf neuen Bundesländern, von denen viele den rechten Flügel stärkten.

Gemäßigtere Burschenschaften begannen daraufhin, über eine Alternative zur DB nachzudenken, weil sie zu der Auffassung gelangt waren, dass Reformen innerhalb des Verbandes aufgrund der Sperrminorität der BG unmöglich geworden seien. Sie gründeten 1996 die "Neue Deutsche Burschenschaft" (Neue DB), die explizit als die "politischen Grenzen des deutschen Vaterlandes […] die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland" akzeptiert, auch wenn sie ihr "verantwortliche[s] Streben […] jene Deutschen mit ein[schließt], die ihre Heimat außerhalb dieser Grenzen haben." -Die Neue DB steht deshalb den österreichischen Burschenschaften nicht offen.

Die Konflikte innerhalb der DB waren damit aber nicht befriedet. Umstritten blieb unter anderem die Frage, wer im Sinne der Verfassung der Deutschen Burschenschaft (VerfDB) "Deutscher" sei und wer nicht. Rein formal ging es dabei darum, wie der im Zuge des "historischen Kompromisses" von 1971 satzungsrechtlich verankerte "volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff" interpretiert werden solle. Zur Debatte stand, ob (und wenn ja, unter welchen Bedingungen) die DB studierende deutsche und österreichische Staatsbürger mit Migrationshintergrund als "Deutsche" klassifiziert und damit als Mitglieder akzeptiert.

Auf Antrag hatte sich 2009/10 auch der Rechtsausschuss der DB mit dieser Frage befasst und war zu der Auffassung gelangt, dass die deutsche bzw. österreichische Staatsangehörigkeit allenfalls ein Indiz dafür sein könne, dass jemand tatsächlich "Deutscher" sei. Maßgeblich sei "die Abstammung von Angehörigen des deutschen Volkes", weshalb nur Bewerber, deren "familiäre Wurzeln schwerpunktmäßig im deutschen Siedlungsgebiet in der Mitte Europas oder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschlossenen deutschen Siedlungsbieten in Ost- und Südosteuropa liegen", aufgenommen werden könnten. Bei Zweifeln müsse der Rechtsausschuss prüfen, nämlich, wenn ein Bewerber "nicht dem deutschen Volk" angehöre, wenn nicht beide Eltern eines Bewerbers "dem deutschen Volk angehören", wenn ein Bewerber zwar "deutsche Volksangehörige" als Eltern habe, "selbst aber einem anderen Volk" angehöre.

Die Berichterstattung auf Spiegel Online und die nachfolgende Veröffentlichung dieses Gutachtens, der Anträge für den Burschentag 2011 und anderer Originaldokumente der DB auf der linken Internetplattform linksunten.indymedia.org riefen öffentliche Empörung hervor, welche die DB in ihren Grundfesten erschütterte. Es folgte eine in ihrem Ausmaß beispiellose Austrittswelle, im Zuge derer der Verband von "über 120" auf aktuell 66 Mitgliedsburschenschaften (43 in Deutschland und 23 in Österreich) schrumpfte. Insgesamt sind in der Folge einer ganzen Reihe von kleineren und größeren Skandalen seit 1980 89 Burschenschaften aus der DB ausgetreten. Die Zahl ihrer Mitglieder in den aktiven Burschenschaften und Altherrenschaften ist von mehr als 25.000 Mitgliedern auf geschätzt weniger als 5.000, offiziell 7.000 gesunken, was einem personellen Rückgang von vier Fünfteln entspricht. Ein Teil der ausgetretenen Bünde ist verbandsfrei, 13 deutsche Burschenschaften (mit nach eigenen Angaben rund 2.500 Mitgliedern) gehören der 1996 gegründeten Neuen DB an, 27 deutsche Burschenschaften (mit nach eigenen Angaben 3.600 Mitgliedern) der 2016 neu gegründeten Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (ADB).

Ideologische Grundpfeiler

Im Zentrum des Mainstreams burschenschaftlicher Weltanschauung, repräsentiert durch die DB als ältester und nach wie vor mit Abstand größter burschenschaftliche Dachverband, steht der völkische Nationalismus. Entgegen einem republikanisch-liberalen Verständnis wird das deutsche Volk dabei als Abstammungsgemeinschaft begriffen: Vaterland sei "das Band, das alle Deutschen in Bezug auf Abstammung, historische Schicksalsgemeinschaft, Sprache und Kultur in ihrem Siedlungsraum in Europa ... umschließt" – "Deutscher" sei, wer diesen Kriterien entspreche. Die Zugehörigkeit zum deutschen Volk setzt demnach die Abstammung von Deutschen voraus und kann nicht durch Einbürgerung, Willensentscheid oder Integration erworben werden.

Noch expliziter wird man am äußersten rechten Rand des burschenschaftlichen Spektrums – im Zusammenschluss Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), der die DB heute dominiert. Diese fasst das deutsche Volk in einer Grundsatzschrift von 2012 nicht nur als "eine biologische und kulturelle Einheit", sondern beharrt darüber hinaus auch auf "Unterschiede[n] in Fähigkeiten und Verhaltensweisen [...] zwischen Männern und Frauen" wie auch "zwischen Angehörigen verschiedener Rassen". Diese Unterschiede seien "zu einem großen Teil erblich bedingt". Der oder die Einzelne habe eigene Interessen dem vermeintlich einheitlichen Interesse der "Volksgemeinschaft" unterzuordnen. Burschenschafter begreifen sich dabei als Elite, die dieses einheitliche Interesse zu erkennen in der Lage und daher berufen seien, das Volk zu führen.

Die Grenzen Deutschlands wiederum fallen entsprechend dem "volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff" der DB (und analog der ADB) nicht mit jenen der Bundesrepublik in eins, sondern umfassen den gesamten "von Deutschen bewohnten Raum in Mitteleuropa einschließlich der Gebiete, aus denen Deutsche widerrechtlich vertrieben worden sind." So wird etwa auch Österreich als Teil des deutschen Vaterlandes und die österreichische Mehrheitsbevölkerung als Teil des deutschen Volkes angesehen. In einer Grundsatzschrift von 2013 führt die DB aus, dass "(d)as deutsche Volk … heute mehrheitlich in zwei Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich" lebe. Bezeichnenderweise wird im selben Dokument die – nach Ansicht der Verfasser offenbar noch nicht erlangte – "Wiederherstellung der nationalen Einheit des deutschen Volkes in Frieden und Freiheit" als "auch heute noch das zentrale Ziel der Deutschen Burschenschaft" bezeichnet und gefordert, "das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für das deutsche Volk zur Geltung“ zu bringen. Gefordert wird überdies eine systematische Diskriminierung von nach völkischen Kriterien Nicht-Deutschen ungeachtet der Staatsbürgerschaft ("Anreizsysteme, die gezielt und in unterschiedlicher Weise deutsche und zugewanderte Bevölkerungsgruppen ansprechen").

Neben Nationalismus und Elitarismus stellt der Männerbund als Ideologie und Organisationsform ein zentrales Strukturmerkmal der Burschenschaften dar. Zum einen sind Frauen in der Regel von der Mitgliedschaft in Burschenschaften ausgeschlossen, zum anderen wird in den Verbindungen ein Männlichkeitsideal kultiviert, das Attribute wie Härte, Standhaftigkeit, Wehrhaftigkeit und Opferbereitschaft idealisiert. Weitere Merkmale des burschenschaftlichen Denkens wie Autoritarismus, Antiliberalismus, Antifeminismus oder Revanchismus lassen sich aus den genannten Eckpfeilern herleiten. Angesichts dieser ideologischen Ankerpunkte sind personelle und organisatorische Überschneidungen mit dem rechtsextremen, mitunter auch neonazistischen Spektrum zwangsläufig. Einen Eindruck vom Ausmaß dieser Überschneidungen liefern die Austrittserklärungen ehemaliger DB-Bünde. "Führende Mitglieder der Deutschen Burschenschaft vertreten, ohne mit Konsequenzen seitens des Dachverbandes zu rechnen, offensiv politische Standpunkte, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Staates und mit den Prinzipien unserer Marchia unvereinbar sind", erklärte etwa die Bonner Burschenschaft Marchia 2011. Eine "Mehrheit der Mitglieder der Deutschen Burschenschaft" habe "weder ein Interesse an Reformen, noch an einer klaren Abgrenzung zu offen rassistischen, verfassungsfeindlichen und nationalsozialistisch geprägten Handlungen und Positionen", stellten die Stuttgarter Ghibellinen 2013 fest. Die Burschenschaft Hansea Mannheim begründete ihren Austritt Ende 2012 damit, dass "viele Vertreter der in der Deutschen Burschenschaft vereinten Studentenverbindungen ganz offensichtlich eine abweichende Auslegung der Werte des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vertreten, die mit den demokratischen Überzeugungen der Burschenschaft Hansea nicht mehr vereinbar ist." Die Burschenschaft Franco-Bavaria München wiederum erkannte ihren Austritt als alternativlos, da sie sich "dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat verpflichtet" sehe und "Radikalismus und Extremismus strikt (ab)lehnt". Von den vier hier zitierten Burschenschaften ist bislang nur die Burschenschaft Ghibellinia Stuttgart in die ADB eingetreten, die anderen drei sind nach wie vor verbandsfrei.

Angesichts dieser innerburschenschaftlichen Einschätzungen überrascht es nicht, dass jedenfalls einzelne Burschenschaften immer wieder ins Visier der Landesämter für Verfassungsschutz geraten – so etwa die Burschenschaften Danubia München (u. a. 2016), Germania Hamburg (u. a. 2016), Frankonia Erlangen (u. a. 2015) oder Dresdensia-Rugia Gießen (u. a. 2014). Jenseits der in der DB organisierten Bünde wäre auch die Burschenschaft Normannia Jena zu nennen, die angesichts ihrer Nähe zur NPD und zum Interner Link: Thüringer Heimatschutz (und somit zum Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrundes/NSU) von der Thüringer Landesbehörde beobachtet wird, wie eine kleine Anfrage der AfD 2016 ergab.

Burschenschaften und politische Parteien

Im Unterschied zu Deutschland sind Burschenschafter in der österreichischen politischen Debatte dauerpräsent und prägewirksam. Diese ungleich höhere gesamtgesellschaftliche Relevanz verdanken sie fast ausschließlich ihrer engen personellen und inhaltlichen Verzahnung mit einer erfolgreichen Parlamentspartei: der bis heute programmatisch am Deutschnationalismus festhaltenden Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Seit ihrem ersten bundesweiten Wahlantritt 1953 ist diese durchgehend drittstärkste Partei in Österreich. Seit 1990 erzielte sie bei sechs von acht Nationalratswahlen über 15 Prozent Stimmanteil. 2016 konnte der von der FPÖ nominierte Burschenschafter Norbert Hofer (pennale Burschenschaft Marko-Germania Pinkafeld) den ersten Wahlgang zur österreichischen Bundespräsidentschaft überlegen gewinnen, um in der folgenden Stichwahl um das höchste Amt im Staat knapp zu unterliegen (46,2 Prozent).

Unter dem derzeitigen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, dem ersten Burschenschafter in dieser Position seit Jörg Haider, haben Angehörige völkischer Verbindungen den wahrscheinlich größten Einfluss in der gesamten Parteigeschichte erworben. Eine absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundesparteivorstandes (22 von 37) gehört Burschenschaften, Corps, Mädelschaften oder anderen deutschnationalen Verbindungen an. Dass die völkischen Korporationen gleichzeitig seit jeher auch dem außerparlamentarischen Rechtsextremismus in Österreich als Personalreservoir dienen, verleiht ihnen eine Scharnierfunktion zwischen diesem und der parteiförmigen extremen Rechten.

Auch in Deutschland waren und sind Burschenschaften ein Sammelbecken für die politische Rechte, die demokratische wie die antidemokratische. Burschenschaftliches Engagement fand und findet sich ebenso im national-liberalen Flügel der FDP, in der CDU und CSU sowie bei den Republikanern, in der ehemaligen Schill-Partei oder im Bund Freier Bürger, aber auch in den so genannten Pro-Parteien, der NPD (besonders prominent das Parteivorstandsmitglied Arne Schimmer oder der sächsische Pressereferent Jürgen Werner Gansel, beide Dresdensia-Rugia Gießen) und in den 1994 als rechtsextreme Vereinigungen verbotenen Parteien FAP und Nationalistische Front (NF). Darüber hinaus bemühen sich DB-Burschenschafter, Anschluss an unterschiedliche rechtspopulistische und rechtsextreme Organisationen in Deutschland, Österreich und Europa zu finden, wobei sich zurzeit die so genannte Identitäre Bewegung besonderer Beliebtheit erfreut.

Im Unterschied zu Österreich erwiesen sich Versuche von Burschenschaftern in Deutschland, über die Verankerung in Parteien politischen Einfluss zu erhalten, als vergleichsweise erfolglos. Auch wenn zu jedem Zeitpunkt einzelne Burschenschafter in den Reihen von CDU/CSU, FDP und selbst der SPD zu finden waren – was wiederum die größere ideologische Heterogenität des deutschen Burschenschaftswesens gegenüber der nahezu geschlossen rechtsextremen Ausrichtung österreichischer Bünde widerspiegelt –, blieb ihnen dort eine mit österreichischen Zuständen vergleichbare innerparteiliche Stellung bislang versagt. Keine Partei, in der Burschenschafter über einen längeren Zeitraum einen dem Beispiel der FPÖ nahekommenden Einfluss erlangen konnten, vermochte sich bis dato auf Dauer bundesweit in Parlamenten zu etablieren. Aktuell richten die politischen Hoffnungen vieler deutscher Burschenschafter wie auch einer Reihe anderer Korporierter, an bundespolitischem Einfluss und damit auch an gesellschaftlicher Prägekraft zu gewinnen, sich vorrangig auf der Alternative für Deutschland (AfD). Nicht wenigen gelang es bereits, in der AfD Fuß zu fassen. Ob sie sich längerfristig als wichtige Kaderschmiede der Partei zu etablieren vermögen und ob letztere sich als taugliches Instrument erweist, nachhaltig burschenschaftlichen Anliegen in Parlamenten und medialer Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, bleibt einstweilen abzuwarten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Gerhard Schäfer (1997): Die frühe Burschenschaftsbewegung, in: Dietrich Heither/ Michael Gehler/ Alexandra Kurth/ Gerhard Schäfer: Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1997, 14–53.

  2. Vgl. die entsprechenden Beiträge von Alexandra Kurth (113–130) und Michael Gehler (131–158) in: ebd.

  3. Zitiert nach: Dietrich Heither (1997): Nicht nur unter den Talaren... Von der Restauration zur Studentenbewegung. In: Ebd., 159.

  4. Auf Deutsch etwa: "Alle nationalsozialistischen Organisationen an den Universitäten werden abgeschafft und dürfen nicht wieder zugelassen werden. Die Wiederzulassung anderer studentischer Organisationen (insbesondere Verbindungen, Burschenschaften, Korporationen und ihre Altherrenbünde) mit nationalistischem, reaktionärem oder para-militärischem Charakter wird nicht gestattet."

  5. Burschenschaften sind Lebensbünde: wer eintritt, verspricht, lebenslang Mitglied zu bleiben. Nach dem abgeschlossenen Studium gehören ihre Mitglieder als "Alte Herren" den Altherrenschaften und den Hausvereinen an und finanzieren mit ihren Beiträgen die Burschenschaft. Vgl. Alexandra Kurth (2004): Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800, Frankfurt am Main – New York: Campus Verlag, 39f.

  6. Vgl. Heither 1997, 159 ff.

  7. Vgl. Dietrich Heither (2000): Verbündete Männer. Die Deutsche Burschenschaft – Weltanschauung, Politik und Brauchtum, Köln: Papyrossa, 332ff. Zum völkischen Fundamentalismus der Burschenschaften in Österreich vgl. Bernhard Weidinger (2015): "Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen". Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945, Wien: Böhlau, hier besonders: 292–296.

  8. Nach der im Verband umstrittenen "Selbstausschlussklausel" konnte eine Burschenschaft aus der DB ausgeschlossen werden, wenn der Hauptausschuss der DB in einem Untersuchungsverfahren feststellte, dass die Burschenschaft einen der Grundsätze der DB aufgegeben hatte. Gegen diese Entscheidung konnte die Burschenschaft Berufung einlegen, über die der Burschentag mit einfacher Mehrheit entschied. Vgl. Heither/Gehler/Kurth/Schäfer (1997): 281ff.

  9. Art. 4 der Grundsätze der Neuen DB (1996), http://www.neuedb.de/home/satzung/con_satzung.hm (6.10.1999)

  10. Vgl. Alexandra Kurth (2000): "Burschenschaftliche Spaltpilze". Die Neue Deutsche Burschenschaft, in: Projekt "Konservatismus und Wissenschaft" e. V. (Hrsg.): Verbindende Verbände. Ein Lesebuch zu den politischen und sozialen Funktionen von Studentenverbindungen, Marburg, 116f.

  11. Vgl. Alexandra Kurth (2016): Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Hessischen Landtages zum Thema "Rechtsextremismus" am 7. September 2016, https://hessischer-landtag.de/sites/default/files/scald/files/INA-AV-19-39-T3.pdf (Zugriff: 10.05.2017), 16; Dies. (2014): Das Männerbild der Burschenschafter, http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/197057/das-maennerbild-der-burschenschafter (15.04.2017).

  12. Rechtsausschuss der Deutschen Burschenschaft (2010): Rechtsgutachten vom 21. November. DB-Nachrichtenblatt 311 vom 7. Februar, 15–18, hier: 16f.

  13. Vgl. Florian Diekmann, Florian (2011): "Rechtsruck im Dachverband. Burschenschafter streiten über Ariernachweis", in: Spiegel Online vom 15.6.2011, http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/rechtsruck-im-dachverband-burschenschafter-streiten-ueber-ariernachweis-a-767788.html (Zugriff: 11.05.2016); Florian Diekmann (2011): Expertin für Burschenschaften: "Das ist blanker Rassismus". Interview mit Alexandra Kurth, http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/expertin-fuer-burschenschaften-das-ist-blanker-rassismus-a-767787.html (11.5.2016).

  14. Vgl. https://linksunten.indymedia.org/node/42899 (25. Mai 2017) und https://linksunten.indymedia.org/node/41598 (Zugriff: 25.05.2017). Das Bundesministerium des Innern erließ am 14. August 2017 eine Vereinsverbotsverfügung gegen "linksunten.indymedia". Vgl. Bundesministerium des Innern (2017): Bekanntmachung eines Vereinsverbots gegen "linksunten.indymedia", http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2017/08/verbotsverfuegung-linksunten.html; Die "als vermeintliche Betreiber verorteten Betroffenen der polizeilichen Maßnahmen" haben dagegen "rechtliche Schritte eingeleitet". Vgl. RA Sven Adam/RAin Angela Furmaniak/Rain Kristin Pietrzyk/Rain Waltraud Verleih (2017): Nach Verbot von linksunten.indymedia.org. Pressemitteilung vom 30.8.2017, https://rdl.de/sites/default/files/PM%20vom%2030.08.2017%20-%20Rechtliche%20Schritte%20im%20Zusammenhang%20mit%20 linksunten.indymedia.org_.pdf Zur Zeit (9/2017) ist deshalb kein Zugriff auf die Dokumente möglich. Geleakt worden waren unter anderem neben dem kontrovers diskutierten rassistischen Rechtsgutachten die Protokolle der Burschentage 2005 bis 2009 sowie die Tagungsunterlagen für die Burschen- und Altherrentage 2010 und 2011, wodurch die oben genannte Austrittswelle in Gang gesetzt worden war.

  15. Diese Angabe wurde auf der Startseite der DB-Website über die Dauer der Austrittswelle hinweg beibehalten, bis sie im Zuge eines Seiten-Relaunchs Mitte 2015 korrigiert wurde. Laut der letzten offiziellen Statistik von 2009 hatte die DB nach eigenen Angaben 130 Mitgliedsburschenschaften, wovon 21 vertagt waren, nach Angaben des Convents Deutscher Akademikerverbände (CDA), der die Statistik erhoben hatte, 123 aktive Burschenschaften. Vgl. o. V. (2009): Rund 150.000 Korporierte. CDA veröffentlicht neues Zahlenmaterial – In zehn Jahren 70 aktive Bünde verloren, in: SK Studenten-Kurier. Zeitschrift für Studentengeschichte, Hochschule und Korporationen, H. 3, S. 27

  16. Schätzung auf Basis einer Extrapolation bekannter Mitgliedszahlen verschiedener Einzelbünde.

  17. Vgl. Kurth 2016, 18.

  18. Auch die ADB als zweitgrößter Verband hält am volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff fest. So bekennt sie sich in Artikel 6 ihrer Grundsätze zum "Eintreten für die Belange des deutschen Volkes unabhängig von staatlichen Grenzen" und definiert das "deutsche Volk" in Abgrenzung zum etatistischen Verständnis der Neuen DB als "Gemeinschaft derjenigen, die durch deutsche Sprache, Kultur und Wertvorstellungen verbunden sind und sich zur deutschen Geschichte und Tradition bekennen." (https://allgemeine-burschenschaft.de/informationen/grundsaetze/, Zugriff: 20.8.2017). Anders als die DB verzichtet sie ihrem Grundsatzdokument zufolge allerdings auf das Kriterium der Abstammung, um die Zugehörigkeit von Personen zum "deutschen Volk" zu bestimmen.

  19. Deutsche Burschenschaft (2013): Grundsätzlich überlegen. Leitmotive der Deutschen Burschenschaft, ohne Ort: Eigenverlag, abrufbar unter http://www.burschenschaft.de/burschenschaft-was-ist-das/leitmotive-der-db/standpunkte-und-prinzipien.html#book/ (Zugriff: 20.8.2017),

  20. Burschenschaftliche Gemeinschaft in DB und DBÖ (Hg.in) (2012). Denkschrift aus den Reihen der Burschenschaftlichen Gemeinschaft in DB und DBÖ, Wien, 15.

  21. Ebd., 13.

  22. Deutsche Burschenschaft (2005): Handbuch der Deutschen Burschenschaft, Traunstein: BurschenDruck, 244.

  23. Deutsche Burschenschaft 2013, 31.

  24. Ebd., 13 bzw. 20.

  25. Ebd., 27.

  26. Vgl. zum männerbündischen Charakter der Burschenschaften Alexandra Kurth (2004): Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800, Frankfurt: Campus; Dietrich Heither (2000): Verbündete Männer. Die Deutsche Burschenschaft – Weltanschauung, Politik und Brauchtum, Köln: Papyrossa. .

  27. Vgl. dazu anhand der Burschenschaften in Österreich Weidinger 2015, Kapitel 3.

  28. http://www.marchia-bonn.de/ (Zugriff: 9.2.2014). In einem Interview mit der Zeit gab ein Vertreter der Verbindung an, man habe "einfach nicht mehr Mitglied in einem Verband sein" wollen, "in dem die freiheitlich-demokratische Grundordnung angezweifelt wird" (Faksimile auf https://burschenschaft.jimdo.com/begründungen/, Zugriff: 20.8.2017).

  29. Screenshot auf https://burschenschaft.jimdo.com/begründungen/ (Zugriff: 20.8.2017). In der Tat waren Anträge auf Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber rechtsextremen Parteien und Gruppierungen auf Burschentagen immer wieder gescheitert. 1976 etwa fand ein Antrag auf Abgrenzung von der NPD keine Mehrheit – stattdessen wurden jene Bünde, die öffentlich ihr Missfallen über diesen Distanzierungsunwillen artikulieren wollten, mit einjähriger Suspendierung aus dem Verband belegt (vgl. Sonja Kuhn [2002]: Die Deutsche Burschenschaft – eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung. Stuttgart: Eigenverlag des Altherrenverbandes der Burschenschaft Hilaritas, hier: 143f.). Ein Antrag, zumindest vom Verfassungsschutz beobachteten Bünden das Stimmrecht zu entziehen, scheiterte 2012.

  30. http://www.burschenschaft-hansea.de/fileadmin/gallery/Pressemitteilungen/Hansea_Pressemitteilung_2012-12-17.pdf (Zugriff: 20.8.2017).

  31. http://www.franco-bavaria.de/node/1370 (Zugriff: 20.8.2017).

  32. Vgl. zu den Vorfällen, die zur erstmaligen Aufnahme der Burschenschaft Danubia München führten: Alexandra Kurth (2001), Paukboden und Widerstand, in: Blätter für deutsche und internationale Politik H. 8, S. 916-919. Der damalige bayerische Innenminister, Günther Beckstein warne in diesem Zusammenhang auch davor, dass sich Rechtsextremisten außerdem bemühten in der Burschenschaft Teutonia Prag zu Regensburg (heute Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg) und der Burschenschaft Frankonia Erlangen Einfluss zu gewinnen.

  33. http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/57474/burschenschaften-in-th%C3%BCringen.pdf (Zugriff: 30.6.2017).

  34. Vgl. zum Verhältnis von Burschenschaften und FPÖ Weidinger 2015 (Kapitel 5) oder gerafft derselbe (2017): Traditionsreiche Symbiose mit Konfliktpotenzial. Völkische Studentenverbindungen und die FPÖ, in: Stephan Grigat (Hg.): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Baden-Baden: Nomos, 121–136.

  35. Ausführlich zum burschenschaftlichen Rechtsextremismus vgl. Andreas Peham (2014): "Durch Reinheit zur Einheit". Zur Kritik des deutschnationalen Korporationswesens in Österreich unter besonderer Berücksichtigung antisemitischer Traditionslinien und nationalsozialistischer Bezüge, http://www.doew.at/cms/download/6or5r/peham_burschenschaften.pdf (Zugriff: 13.04.2017).

  36. Vgl. Kurth 2016, 19ff.

  37. Der Parteivorstand der SPD fasste 2014 einen Beschluss, der eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der Partei und einer in der DB organisierten Burschenschaft ausschließt (vgl. http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/spd-schliesst-mitgliedschaft-in-partei-und-deutscher-burschenschaft-aus-a-976945.html, Zugriff: 20.8.2017).

  38. Für eine Auflistung korporierter AfD-Funktionäre (und etwaiger früherer parteipolitischer Engagements derselben, etwa im Rahmen der Republikaner) vgl. andivendo (2017). Alter Wein in neuen Schläuchen – Burschenschaftler in der AfD. Internet: https://andivendo.wordpress.com/2017/04/01/330/ (Zugriff: 13.04.2017).

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Dr. Alexandra Kurth ist Politologin und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Gender Studies und Rechtsextremismus.

Dr. Bernhard Weidinger ist Politikwissenschaftler und Mitarbeiter des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes in Wien. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf den Studentenverbindungen.