Die Rechtsrock-Szene ist gut vernetzt und bietet eine lukrative Einnahmequelle sowohl für Musikverlage als auch für Organisationen wie Blood & Honour oder neonazistische Kameradschaften. Bei keinem anderen Bereich des Rechtsextremismus haben internationale Verbindungen größere Relevanz als bei der Musik. Wie und warum funktioniert diese Zusammenarbeit in einer nationalistischen Szene? Wie weit reichen die Netzwerke? Und welche Ziele haben sie?
„White Power“ als gemeinsamer Nenner
Das transnationale Agieren der extrem rechten Jugend- und Musikkultur hat teilweise ideologische, teilweise auch praktische Gründe. Anders als in weiten Teilen der organisierten und parteiförmigen extremen Rechten dominiert auf ideologischer Ebene nicht der Nationalismus als Bezugspunkt, sondern es dominieren Rassismus und Nationalsozialismus. „I stand watch my country, going down the drain. We are all at fault, we are all to blame. We’re letting them takeover, we just let ‘em come. Once we had an empire, and now we’ve got a slum“ sang Ian Stuart Donoldson, Kopf der britischen Band Skrewdriver Anfang der 1980er Jahre. In dem Lied verbindet er ohne Begründung Einwanderung und Niedergang. Im eingänigem und oft wiederholtem Refrain schreibt er dann die angebliche Lösung „White power, for England. White Power, today. White Power, for Britain, before it gets too late.“
Im englischsprachigen Raum wird rechtsextreme Musik von Bands und Fans folgerichtig oft als „White Power Music“ bezeichnet – dies macht die Orientierung an der angeblichen Überlegenheit einer „weißen Rasse“ als zentrales Ideologie-Moment deutlich. Dadurch verschiebt sich der Fokus vom Nationalismus und dem je eigenen Nationalstaat – und eint die Aktivistinnen und Aktivisten über einen vermeintlich gemeinsamen rassischen Hintergrund und gemeinsamen Kampf. Die Verschiebung des Fokus vom Nationalismus auf den Rassismus und auch den Nationalsozialismus, welcher als konsequente Umsetzung des Rassismus gesehen wird, prägte die extrem rechte Jugendkultur seit Anfang der 1980er. Analog zur internationalen Verbreitung der Musik und der Entstehung erster transnationaler Kontakte und Netzwerke. Der Zweite Weltkrieg wird in dieser Erzählung zu einem von „den Juden“ mittels Zwietracht initiierten
Diese beiden Musiksammlungen sind auch deshalb außergewöhnlich, weil neben deutschen Bands vor allem Bands aus Osteuropa vertreten sind. Der jüngere Sampler etwa enthält neben Liedern der deutschen Band „Strafmass“ Titel von „Indulat“ aus Ungarn und „Legion Twierdzy Wrocław“ und „Odwet 88“ aus Polen. Gerade die Kooperation mit polnischen Rechtsextremen ist etwas Besonderes. Denn bei allem Zusammengehörigkeitsgefühl als „Weiße Rasse“ sind für viele deutsche Neonazis die Anhänger der extremen Rechten in Polen aufgrund der Gebietsabtrennungen von Ostpreußen und Teilen Schlesiens und Pommerns nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch „Landräuber“
Wo Hakenkreuzfahnen legal sind
Jenseits ideologischer Gemeinsamkeiten hat die transnationale Zusammenarbeit oft sehr praktische Gründe. Sei es, dass die Gesetzgebung in einem anderen Land liberaler ist, oder dass die Strafverfolgungsbehörden kaum auf neonazistische Aktivitäten reagieren. In Deutschland ist es im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas verboten, Hakenkreuzfahnen zu schwenken oder den Hitlergruß zu zeigen.
Die unterschiedliche Gesetzgebung und das unterschiedliche Agieren führten dazu, dass neonazistische Rockbands aus Deutschland ihre CDs mit strafrechtlich relevanten Inhalten bei Musikverlagen im Ausland veröffentlichten. So erschienen zum Beispiel Tonträger der Brandenburger Band „Hassgesang“ beim US-amerikanischen Label „Micetrap“. Illegale CDs und LPs deutscher Bands können bis heute recht einfach aus dem Ausland bezogen werden. Das Label und der Versand „Blackshirt Records“ in Italien zum Beispiel vertreibt in Deutschland verbotene CDs von „Hassgesang“ oder der deutschen Band „Hate Society“, gegen die in der BRD ein Beschlagnahmebeschluss vorliegt. Der Mechanismus funktioniert aber auch andersherum: Internationale Größen des Rechtsrock, wie beispielsweise die US-amerikanische Band „Blue Eyed Devils“, veröffentlichten teilweise ihre Platten in Deutschland und fanden in Europa und gerade in Deutschland einen wesentlich größeren Absatzmarkt als in den USA.
Auch bei Konzerten greifen die unterschiedlichen Rechtsnormen verschiedener Länder. Um ihre neonazistische Einstellung ungestraft und in entspannter Atmosphäre zeigen zu können, reisen deutsche Rechtsextremisten und rechtsextreme Bands gern ins Ausland, wo Veranstaltungssäle unbehelligt mit Hakenkreuz- oder auch SS-Fahnen dekoriert werden können.
Mit Auftritten im Ausland vermeiden Veranstalter und Mitwirkende an Konzerten auch Repressionsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden. Für den 20. Februar 2016 war beispielsweise ein Konzert mit der neonazistischen Band „Kategorie C“ aus Bremen und dem neonazistischen Rapper Makss Damage aus Ostwestfalen im Raum Aachen angekündigt.
Auch Tourneen sind mit internationalen Netzwerken leichter zu organisieren. Bands etwa aus den USA für nur ein Konzert nach Europa zu holen, ist teuer und risikoreich - mit Hilfe internationaler Netzwerke jedoch ist es leicht möglich, aufeinanderfolgende Konzerte in verschiedenen Ländern zu organisieren. So trat der Sänger der australischen Band „Fortress“ im März 2017 nicht nur in Frankreich auf
Grenzübergreifende Zusammenarbeit
Bei mindestens 61 im Jahr 2016 international stattgefundenen Konzerten und Liederabenden der extremen Rechten standen deutsche Musikerinnen und Musiker auf der Bühne. Das ist häufiger als je zuvor. Die meisten Auftritte der letzten Jahre (2005-2016)
Die Schweiz hat nur eine kleine rechtsextreme Szene und einige wenige Bands, welche kaum international bekannt sind. Am 15. Oktober 2016 fand trotzdem in dem kleinen Ort Alt St. Johann das „Rocktoberfest“ statt. Im Laufe des Konzerts, zu dem laut Behördenangaben 5000 Besucherinnen und Besucher erschienen, traten die deutschen Bands „Stahlgewitter“, „Confident of Victory“, „Exzess“ und der Rapper „Makss Damage“ auf, ebenso wie die Schweizer Band „Amok“.
Von den ca. 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen knapp 70 Prozent aus Deutschland angereist sein
Mit seiner hohen Besucherzahl stellt das Konzert ein Novum dar, aber es finden in Europa jährlich wiederkehrende, mehrtägige Festivals der Neonazi-Szene mit teilweise mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer statt. In Norditalien gibt es seit 1990 das „Return to Camelot“, auf dem 2016 die sächsische Band „Sachsonia“ auftrat
„Blood & Honour”
„Comrades, the voices of the dead battalions, of those who fell, that Europe might be great. Join in our song, for they still march in spirit with us and urge us on that we gain the national state“
Ideologisch bezieht sich Ian Stuart hier auf den in neonazistischen Kreisen beschworenen „Kampf der Weißen Rasse“ und nimmt Rekurs auf den Nationalsozialismus und Europa. Mit diesen Aussagen formulierte er schon vor mehr als dreißig Jahren die programmatische Basis des von ihm und seinen „Kameraden“ 1987 gegründeten Musiknetzwerkes „Blood & Honour“
Im Dezember 2016 veröffentlichte „Blood & Honour Hungary“ auf ihrer Website eine Liste mit bisher 27 für das Jahr 2017 von den nationalen Divisionen des „Blood & Honour“-Netzwerkes geplanten Konzerten.
„Blood & Honour“ ist der international wichtigste Konzertveranstalter für rechtsextreme Bands, auch für jene aus Deutschland. Von den 61 Auftritten deutscher Bands oder Liedermacher im Jahr 2016 im Ausland wurden mindestens 20 von „Blood & Honour“ (mit)organisiert. Darunter waren Konzerte in Frankreich
„Hammerskins“
Der zweite Akteur von internationaler Bedeutung sind die
Hauptakteure intensivieren ihre Zusammenarbeit
Unter dem Motto „Europe Awake“ fand am 19. November 2016 ein Konzert in Mailand statt, welches gemeinsam von den „Hammerskins“ und „Blood & Honour“ organisiert wurde.
Die alten Kader, die teilweise schon seit mehr als zwanzig Jahren im Rechtsrock aktiv sind, haben längst erkannt, dass grenzüberschreitendes Agieren in vielen Bereichen Vorteile bietet. Das transnationale Agieren aber auf die Ebene der Praxis zu reduzieren greift zu kurz. Der ideologische Überbau eines gemeinsamen Kampfes für die „weiße Rasse“, das „Abendland“ oder eben schlicht eines ebenfalls transnationalen Faschismus schafft die Grundlage für diese Praxis.