Über Flüchtlinge wird in Deutschland viel geredet. Die Flüchtlinge selbst kommen dabei aber kaum zu Wort. Ihnen will eine Gruppe von Studenten und Schülern aus Mönchengladbach nun eine eigene Stimme geben. An ganz verschiedenen Orten in Deutschland sprachen sie mit Flüchtlingen und zeichneten deren Geschichten auf. Was sie gesehen und gehört haben, zeigen sie in ihrem Dokumentarfilm "Asyland". Ende August kommt er ins Kino. Wir sprachen mit Teamleiter Cagdas Yüksel über den Film.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Film über Flüchtlinge zu drehen?
Es gab nicht den einen Moment, sondern das hat sich über Wochen entwickelt. Da kommt man zum Beispiel beim Joggen an einem Flüchtlingsheim vorbei und fragt sich, was ist da drin eigentlich los, was geschieht dort? Gleichzeitig sieht man die Berichterstattung zu Flüchtlingen in den Medien, und auch an der Uni gab es Veranstaltungen zu dem Thema. Da fängt man an, sich Fragen zu stellen: Wie viele Flüchtlinge kommen denn nun wirklich hierher? Woher kommen sie und warum? Aber auch: Wie können wir sie integrieren? Welche Probleme gibt es – gibt es überhaupt welche? Ist die ganze Situation hier wirklich so schlimm, wie sie dargestellt wird? Da man sehr unterschiedliche Aussagen dazu findet, haben wir uns entschlossen, die Antworten auf diese Fragen selbst zu finden.
Wie finanziert ihr das Projekt?
Nachdem die Filmidee stand, haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Leute haben uns unterstützt, indem sie eine Eintrittskarte für die Premiere oder einen DVD-Gutschein für den fertigen Film gekauft haben. 4.000 Euro haben wir so gesammelt, was natürlich für einen Film eigentlich echt wenig ist. Aber wir haben das ganz große Glück, dass alle, die an dem Film mitarbeiten, das ehrenamtlich machen, einfach aus der Motivation heraus, etwas zu bewegen. Wir haben echte Profis dabei, das wertet den Film sehr auf. Zum Beispiel einen Kameramann, der eigentlich fürs Fernsehen arbeitet und uns monatelang kostenlos begleitet hat. Allein das hätten wir mit 4.000 Euro nicht bezahlen können.
Warum ist es euch so wichtig, die Flüchtlinge selbst zu Wort kommen zu lassen?
Uns ist es wichtig, eine andere Perspektive zu zeigen. Jeder, den ich fragen würde, könnte wahrscheinlich etwas über Flüchtlinge sagen, kennt aber keine persönlich. Wo ich mich dann frage: Ja, aber woher weißt du das dann alles? Deswegen wollten wir Flüchtlinge ihre Geschichte selbst erzählen lassen.
Wie habt ihr eure Protagonisten und Drehorte gefunden?
Das war gar nicht so leicht. Wir mussten ja mit Menschen in Kontakt treten, die zum Teil nicht dieselbe Sprache sprechen, die in ganz anderen Städten wohnen und die uns gegenüber verständlicherweise erstmal ein Misstrauen haben. Dann ist es häufig auch kompliziert, Drehgenehmigungen zu bekommen. Wir hatten sehr viel Glück, dass viele Initiativen uns unterstützt haben, die vor Ort aktiv sind und die Situation und die Flüchtlinge kennen. Die haben uns gute Ratschläge gegeben und für uns den Kontakt zu den jeweiligen Protagonisten hergestellt.
Wie habt ihr die Dreharbeiten erlebt?
Das war eine ganz große Herausforderung. Wir haben zuerst in Mönchengladbach gedreht, in einem Heim, das für seine menschenunwürdigen Verhältnisse mittlerweile bekannt ist. Es war für uns schon hart, nur für ein paar Stunden in dem Heim zu sein. Genau dort aber müssen Menschen zum Teil 18 Monate bleiben, die eigentlich nur übergangsmäßig zwei, drei Wochen dort wohnen sollten. Allerdings hat uns das von Anfang an motiviert, einfach das Beste aus dem Projekt rauszuholen. Wir wollten einfach allen Leuten zeigen, was wir gesehen haben.
Stoßt ihr mit dem Projekt auch auf Kritik und Widerstände?
Gerade zu Anfang, als wir viel Social-Media-Werbung gemacht haben, haben viele Leute feindliche Kommentare losgelassen, zum Teil sehr aggressiv und manche klar rechtsradikal. Das hat uns schon ein bisschen nachdenklich gemacht, wir haben uns gefragt: Ist das vielleicht gefährlich, was wir da machen? Wir haben uns dann aber schnell entschieden, weiter zu machen.
Derzeit wird viel darüber diskutiert, wie Europa seinen Umgang mit Flüchtlingen verbessern kann. Was muss sich aus eurer Sicht politisch verändern?
Politisch muss sich schon einiges verändern, aber man muss auch sagen: Es ist nicht nur Sache der Politik, auch die Gesellschaft muss sehr viel beitragen. Die Distanz zwischen Flüchtlingen und Deutschen ist so unglaublich groß, dabei ist das Flüchtlingsheim vielleicht gerade mal einen Kilometer entfernt. Ich glaube, wir können richtig viel erreichen, wenn wir diese Distanz überwinden und uns nicht nur engagieren für Flüchtlinge – also Klamotten spenden oder so –, sondern uns mit ihnen anfreunden. Bei den Dreharbeiten haben wir gemerkt, dass viele Initiativen sich nicht mehr als Initiativen gesehen haben, sondern als Freunde. Genau in diesen Fällen gelingt die Integration schnell und wie im Bilderbuch.
Wie geht es für euch die nächsten Wochen weiter?
Im Moment sichten und transkribieren wir fleißig, fangen gleichzeitig auch schon mit dem Schneiden an. Wir überlegen, wo wir den Film präsentieren und wie wir ihn präsentieren. Wir wollen den Film ja nicht nur zeigen, sondern Podiumsdiskussionen dazu organisieren mit Initiativen vor Ort. Damit die, die wir mit dem Film erreichen, nicht gleich nach Hause gehen und das Thema wieder vergessen. Sie sollen Möglichkeiten gezeigt bekommen, wie sie sich selber engagieren können.
Und wann können wir den Film sehen?
Die Premiere findet am 30. August im Filmforum NRW in Köln statt. Alle weiteren Termine geben wir demnächst bekannt.
Mehr Infos zum Projekt und zum Film sind Externer Link: hier zu finden.