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Die Konstruktion soldatischer Männlichkeit im faschistischen Weltbild | Rechtsextremismus | bpb.de

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Die Konstruktion soldatischer Männlichkeit im faschistischen Weltbild

Alexander Häusler

/ 9 Minuten zu lesen

Die Inszenierung als soldatischer Männerbund ist zentrales Kennzeichen rechtsextremer Bewegungen. Das galt für den italienischen Faschismus ebenso wie für den deutschen Nationalsozialismus – und es gilt für die Neonazi-Akteure von heute. Beeinflusst wurde die Idealisierung des Männerbunds durch verschiedene völkische Theoretiker.

"Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen! SA marschiert. Mit ruhig festem Schritt.“ Das "Horst-Wessel-Lied“ der SA veranschaulicht die Selbstinszenierung faschistischer Bewegungen als soldatischer Männerbund. Die Auflösung der Individualität in der Masse – "Du bist nichts, dein Volk ist alles“ – ging im Nationalsozialismus einher mit deren Militarisierung. Die Funktion des NSDAP-Parteigängers sollte die eines "politischen Soldaten" sein: "Ich will nichts anderes jetzt sein als der erste Soldat“, erklärte Adolf Hitler in seiner Reichstagsrede zu Beginn des Krieges 1939.

Wissenschaftliche Verklärungen

Die völkisch hergeleitete, soldatische Männerbündelei gipfelte in politischen Bewegungen während Europas faschistischer Epoche und fand im Machtantritt der NSDAP in Deutschland ihren Höhepunkt. Ihr antifeministischer und antiemanzipatorischer Impuls lässt sich nicht zuletzt auch als eine Reaktion auf Veränderungen von Geschlechterrollen und weiblichen Emanzipationsbestrebungen deuten. Denn die Herausbildung demokratischer Massenbewegungen sowie die Auflösung ständischer Hierarchien und überkommener gesellschaftlicher Ordnungen erfasste auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander. In dem Bestreben nach Ausweitung patriarchaler Strukturen auf die öffentliche und staatliche Sphäre kam eine autoritär geprägte Abwehr gegenüber neuen "Anrechtsgruppen“ auf demokratische Mitbestimmung zum Ausdruck.

Der Völkerkundler Heinrich Schurtz verbreitete 1902 in seiner Schrift "Altersklassen und Männerbünde“ das Bild vom Männerbund als Träger der "Kulturschaffung“. Im Unterschied zu den Frauen könnten nur die Männer höherwertige Formen gesellschaftlichen Lebens entwickeln, da "das Weib“ unter dem "Einfluss der Geschlechtsliebe und der aus ihr entspringenden Familiengefühle“ stehe, der Mann dagegen der Vertreter "der höheren sozialen Verbände“ sei. Der Philosoph Hans Blüher hingegen sah in dem neuen Mann seiner Zeit einen "charismatischen Männerheld", der durch die "homoerotische Triebkraft“ im Männerbund geformt werde. Er deutete den Männerbund als "tiefsten menschlichen Belang“ und verknüpfte diese Verherrlichung mit primitiven Herabsetzungen des Weiblichen: "Wehe dem Manne, der einer Frau verfiel! Wehe der Kultur, die sich den Frauen auslieferte!"

Bei dem Staatsrechtler Carl Schmitt kam das Bestreben nach Gleichsetzung von Männerbund und autoritärem Staat zum Ausdruck: Dessen Unterscheidung von Freund und Feind als Kriterium des Politischen beinhaltete zugleich die Errichtung eines "totalen Staates“ nach dem Vorbild von Benito Mussolinis faschistischem Männerbund. In der Völkischen Bewegung wurde die Theorie vom Männerbund mit germanischer Ahnenforschung verknüpft und in Werken wie der von Lily Weiser im Jahr 1927 verfassten Schrift über "Altgermanische Jünglingsweihen und Männerbünde“ oder der von Otto Höfer 1934 verfassten Habilitationsschrift "Kultische Geheimbünde der Germanen“ verbreitet. Beim NS-Chefideologen Alfred Rosenberg fanden jene völkisch-mythischen Verklärungen des Männerbundes Unterstützung, und der SS-Führer Heinrich Himmler errichtete gar mit dem "Ahnenerbe“ ein finanziell gut ausgestattetes Forschungsinstitut. Himmler vollzog zugleich germanisch verklärte Initiationsriten zur Aufnahme in die SS.

"Politische Soldaten" und "Herrenmenschen"

Im Nationalsozialismus wurde die Idealisierung des Männerbundes mit einem Gewalt- und Todeskult verknüpft. Propagandistisch kam dies im NS-Totenkult um die "Blutzeugen der Bewegung“ zum Ausdruck: dem Gedenken an die von der Polizei erschossenen Teilnehmer am Hitler-Ludendorff-Putsch am 9. November 1923 in München. Jenen 16 Gefallenen wurden 1935 in München zwei "Ehrentempel" errichtet, und ihnen wurde alljährlich mit einem nächtlichen Aufmarsch im Fackelschein gedacht. Eine besondere Bedeutung im NS-Totenkult hatte die sogenannte Blutfahne, die während jenes Putsches mitgetragen wurde: In Anlehnung an mittelalterliche Traditionen diente diese Fahne ab 1926 auf den NSDAP-Parteitagen durch Berührung der "Weihung“ aller Parteifahnen und SS-Standarten. Hitler selbst stilisierte in quasireligiöser Verklausulierung das "Blut der Gefallenen“ seiner Bewegung zum "Taufwasser für das Reich".

Auch hinsichtlich der Erziehungsaufgaben orientierte sich der NS-Staat an solchen Vorstellungen: "Die Männerbünde des Heeres und der SA, der SS und des Arbeitsdienstes sind allesamt Verlängerungen der HJ in das Mannesalter hinein. Ihre erzieherische Kernaufgabe ist ein und dieselbe. In ihren Ordnungen und durch sie soll der politische deutsche Mann geformt werden“, hieß es in einem 1933 veröffentlichten Werk zur NS-Pädagogik. Der NS-Pädagoge Alfred Baeumler verknüpfte zugleich freundschaftliche Liebe mit der Liebe zum Vaterland: "Freundschaft ist etwas anderes als eine persönliche Liebhaberei. Die Freundschaft als Lebensform gedeiht nur mit Bezug auf den Bund und den Staat. Es gibt keine Freundschaft ohne Vaterland, aber auch kein Vaterland ohne Freundschaft." Der von Friedrich Nietzsche entlehnte Begriff des "Herrenmenschen" wurde vom NS-Psychologen Philipp Lersch für die Deutung benutzt, es gebe "geborene Herrenmenschen", die vom Staat zu solchen erzogen werden müssten: "Es dringt immer mehr in das Kulturbewußtsein der deutschen Gegenwart ein, daß der Prozeß der inneren Umgestaltung unseres Volkes in erster Linie eine Aufgabe der Jugenderziehung bedeutet. Als Leitbild dieser pädagogischen Neuorientierung läßt sich eine Auffassung vom deutschen Menschen erkennen, die - neben den inhaltlichen Merkmalen einer soldatisch-politischen Lebenshaltung - den allgemeinen Grundzug organischer Ganzheitlichkeit an sich trägt."

Sinnbild einer solchen Lebenshaltung war der "politische Soldat" in der SA. In Selbstdarstellungen von deren Mitgliedern kommt diese Vorstellung zum Ausdruck: "Wir glaubten an den Führer und an den Sieg seiner Bewegung, wir kämpften für sie, wir opferten und arbeiteten für sie und diese vier Dinge: Kampf, Glaube, Arbeit und Opfer machten uns stark und brachten uns den Sieg."

Die Liebe dieses "politischen Soldaten" galt der Kameradschaft und der Nation, wie es in dem Nazi-Propagandafilm "Kolberg“ populär zum Ausdruck gebracht worden ist. Dessen Hauptfigur verschmäht Frau und Familie, um vollends im soldatischen Männerbund im Dienst für das Vaterland stehen zu können. Einher mit dem faschistischen Ideal eines soldatischen Männerbundes ging die Verherrlichung von Gewalt: So betonte etwa der spätere SS-Ideologe Werner Best in dem im Jahr 1930 erschienenen und von Ernst Jünger herausgegebenen Band "Krieg und Krieger“: "Die Sittlichkeit der neuen Haltung kann kein 'was' vorschreiben, weil sie kein solches kennt. Sie ist nicht auf ein Ziel eingestellt. […] Kein Wert, für den jeweils gekämpft wird, hat Anspruch und Aussicht auf Sicherheit und Dauer. So bleibt als Maß der Sittlichkeit nicht ein Inhalt, nicht ein Was, sondern ein Wie, die Form […] auf den guten Kampf kommt es an, nicht auf die "gute Sache" und den Erfolg."

"Rasse", Körper und Homophobie im "Männerstaat"

Die Verherrlichung von Gewalt ging einher mit einer Frauenverachtung, wobei weibliche Sexualität und Lust oftmals als Bedrohung für die "faschistische Männlichkeit" gedeutet wurden. In seiner vergleichenden Untersuchung faschistischer Kampfbünde in Italien und Deutschland zitiert der Historiker Sven Reichardt eine faschistische Chronik über den ersten "Märtyrer" der italienischen Squadristen, Arturo Breviglieri, die diesem drei Lieben zusprach: "Italien, seine Mutter und die faschistischen Kameraden." In den Eigendarstellungen kamen in Bezug auf das weibliche Geschlecht zumeist gewaltstrotzendes Potenzgehabe und Schilderungen schlichter Triebentladung an "Flittchen" und "Huren" zum Ausdruck.

Die rassistische Verherrlichung der "arischen Rasse" durch Ästhetisierung des Körpers kam in den Werken der von Hitler verehrten Filmemacherin Leni Riefenstahl zum Ausdruck: Riefenstahl visualisierte mit ihrem Film "Triumph des Willens" die Inszenierung der NSDAP als soldatischem Männerbund. Mit ihrem Film "Olympia“ lieferte sie die Bilder zur Verherrlichung des "arischen Körpers". Für Hitler galten zwei der Männer-Skulpturen des NS-Bildhauers Arno Breker als die "schönsten Beispiele künstlerischen Schaffens in Deutschland". Jene zwei Skulpturen nackter, muskulöser Männer sollten "die Partei" und "die Armee" symbolisieren. Der SS-Führer Heinrich Himmler bekundete gar: "Seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden, waren die Deutschen ein Männerstaat." Ebenso offenbarte Himmler eine extreme Homophobie: So drohte Homosexuellen in der SS die Hinrichtung, und Himmler ermunterte seine SS-Männer geradezu zum Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht, um dadurch homosexuellen Neigungen zu begegnen. Zudem schwärmte er von der angeblichen germanischen Praxis, Homosexuelle in den Sümpfen zu ertränken und damit "die Fehler der Natur aus[zu]merzen".

Zugleich wurden den zu Feinden stilisierten Gruppen wie den Juden oder Anhängern linker Parteien "unmännliche" Attribute zugeschrieben: Sie galten als Anti-Typen soldatischer Maskulinität und "Gesundheit": So vertrat Hitler in seiner Propagandaschrift die These, dass ein "gesunder Geist nur im gesunden Körper“ entfaltet werden könne, und der "jüdische Bolschewismus" besonders in Gegenden zur Entfaltung komme, wo "eine durch Hunger und dauernde Unterernährung degenerierte Bevölkerung haust." Mit der antisemitischen Zuschreibung der Juden als "Gegenrasse" rechtfertigte Hitler seine rassistischen Vernichtungsvorstellungen: "Was nicht gute Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu. Alles weltgeschichtliche Geschehen aber ist nur die Äußerung des Selbsterhaltungstriebes der Rassen im guten oder schlechten Sinne."

NS-Adaptionen zur Jahrtausendwende

Neonationalsozialistische Bewegungen sind heutzutage mit dem Stigma des "Ewiggestrigen" behaftet. Sie referieren mit dem Bekenntnis zum Nationalsozialismus auf einen vergangenen gesellschaftlichen Zustand und sind so immer mit dem Vorwurf der Reaktion konfrontiert, den der Nationalsozialismus in seiner Selbstinszenierung als moderne politische Massenbewegung rhetorisch strikt zurückwies. War der Faschismus in der Zwischenkriegszeit eine "neue" Antwort auf die verhasste "Dekadenz der westlichen Moderne", so ist er heute in seiner NS-Nostalgie ein Rückgriff auf Altes. Die Anlehnung an das faschistische Selbstverständnis vom "politischen Soldaten" kommt beispielhaft in dem sogenannten Vier-Säulen-Konzept der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zum Ausdruck: "Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente, Kampf um die Köpfe, Kampf um den organisierten Willen." Das Männerbild in der NPD steht in Kontrast zu den Veränderungen der Geschlechterrollen in der Gesamtgesellschaft: Laut NPD soll der Mann die Rolle des heterosexuellen Familienoberhauptes und des opferbereiten Kämpfers für die "Interessen des deutschen Volkes“ einnehmen.

Um auch für die junge Generation Attraktivität entfalten zu können, hat sich die neonazistische Szene seit den 1980er-Jahren jugendkulturell geöffnet. Hierbei muss das Phänomen der rechtsextremen "Modernisierung" als partielle und identitätsstrukturierende Anpassungsleistung des neonazistischen Milieus an vorherrschende kulturelle Entwicklungsprozesse gedeutet werden. Das neonazistische Selbstbild als ebenfalls "politischem Soldaten" wird dabei verknüpft mit flexiblen Identitäts- und Erlebnisangeboten der pluralistischen Gesellschaft. Die jugendkulturell aufgeladene "Revolte“ für einen "Nationalen Sozialismus" erscheint als Ausdruck völkisch-reaktionärer Vergemeinschaftung gegen die flexible, von sozialen und kulturellen Brüchen geprägte Lebenswelt des postmodernen Kapitalismus.

In diesem Zusammenhang ist der Wandlungsprozess der extremen Rechten maßgeblich als Reaktion auf veränderte hegemoniale Wertemuster und kulturelle Ausdrucksformen zu deuten. Die ursprünglich völkisch-faschistische Umdeutung der sozialen Frage wird nun auch auf dem Feld der modernen Jugendkultur fortgesetzt, wobei dort die Musikkultur vielfältige Anknüpfungspunkte im Ringen um polit-kulturelle Deutungshoheit enthält. So stellen beispielsweise die "Autonomen Nationalisten" als Erscheinungsform eines jugendkulturell "aufgepeppten“ Neonazismus in wesentlichen Zügen ein Folgeprodukt einer "kulturelle(n) Vorfeldarbeit“ rechter Einflussnahmen im Bereich der "Hardcore“-Musikszenen dar. Soldatisch inszenierte Maskulinität wird in diesen Kreisen sowohl als ein jugendkulturell verpacktes Identifikationsangebot über Musikgruppen und Modeartikel vermittelt, wie auch durch Demonstrationsaufmärsche öffentlich zur Schau getragen. So sehr sich das äußere Erscheinungsbild der heutigen Neonazis von deren historischen Vorbildern auch unterscheiden mag – in ihren Bezugnahmen auf die faschistische Verklärung von Volk, "Rasse" und Maskulinität erscheinen die Neonazi-Akteure als jugendkulturell modernisierte Nachahmer ihrer verehrten NS-Vorgänger.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Leitspruch der NS-Volksgemeinschaft, der die Schulungsheime der Hitler-Jugend zierte.

  2. Adolf Hitler in: Verhandlungen des Reichstags. 4. Wahlperiode. Band 460. Stenographische Berichte 1939-1942. 3. Sitzung, Freitag, 1. September 1939

  3. Heinrich Schurtz: Altersklassen und Männerbünde: Eine Darstellung der Grundformen der Gesellschaft, 1902, S. 4.

  4. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft – Eine Theorie der Staatsbildung nach Wissen und Wert, 19917, S. 221.

  5. Vgl. Nicolaus Sombart: Die deutschen Männer und ihre Feinde. Carl Schmitt – ein deutsches Schicksal zwischen Männerbund und Matriarchatsmythos, 1991.

  6. Zit.nach: Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus, 1996, S. 221.

  7. Karl Friedrich Sturm: Deutsche Erziehung im Werden. Von der pädagogischen Reformbewegung zur völkischen und politischen Erziehung, 1938, S. 141 f.

  8. Alfred Baeumler: Männerbund und Wissenschaft, 1934, S. 38

  9. Philipp Lersch: Grundriß einer Charakterologie des Selbstes, in: Zeitschrift für angewandte Psychologie, 46/1934, S. 150

  10. Philipp Lersch: Das Problem einer charakterologischen Auslese für das Höhere Lehramt, in: Die Höhere Schule 1934, S. 298.

  11. Zit. nach: Lara Hensch: Selbstdarstellungen früherer SA-Männer, in: Yves Müller/Reiner Zilkenat (Hrsg.): Bürgerkriegsarmee. Forschungen zur nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA), 2013, S. 352.

  12. Werner Best: Der Krieg und das Recht, in: Jünger, Ernst (Hg.): Krieg und Krieger, 1930, S. 151 f.

  13. Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA, 2002, S. 678 f.

  14. George Mosse: Das Bild des Mannes. Zur Konstruktion der modernen Männlichkeit, 1996, S. 225

  15. Heinrich Himmler: Rede anlässlich der Gruppenführerbesprechung in Tölz am 18.11.1937, Institut für Zeitgeschichte, München, Archiv MA 311 BL 818, S. 45

  16. Ebd. S. 53.

  17. Adolf Hitler: Mein Kampf, 1933, S. 277

  18. Ebd. S 324.

  19. Christoph Schulze: Was ist das Vier-Säulen-Konzept?, in: Fabian Virchow/Christian Dornbusch (Hrsg.): 88 Fragen und Antworten zur NPD. Weltanschauung, Strategie und Auftreten einer Rechtspartei – und was Demokraten dgegen tun können, 2008, S. 74-76

  20. Rena Kenzo/Fabian Virchow: Welches Männerbild vertritt die NPD?, in: Fabian Virchow/Christian Dornbusch (Hrsg.): 88 Fragen und Antworten zur NPD. Weltanschauung, Strategie und Auftreten einer Rechtspartei – und was Demokraten dagegen tun können, 2008, S. 204

  21. Andreas Klärner/Michael Kohlstruck (Hg.): Moderner Rechtsextremismus in Deutschland, 2006.

  22. Jan Schedler/Alexander Häusler: Autonome Nationalisten. Neonazismus in Bewegung, 2011.

  23. Ingo Taler: Out of Step. Hardcore-Punk zwischen Rollback und neonazistischer Adaption, 2012, S. 305.

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ist Diplom-Sozialwissenschaftler. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf.