"Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen! SA marschiert. Mit ruhig festem Schritt.“ Das "Horst-Wessel-Lied“ der SA veranschaulicht die Selbstinszenierung faschistischer Bewegungen als soldatischer Männerbund. Die Auflösung der Individualität in der Masse – "Du bist nichts, dein Volk ist alles“
Wissenschaftliche Verklärungen
Die völkisch hergeleitete, soldatische Männerbündelei gipfelte in politischen Bewegungen während Europas faschistischer Epoche und fand im Machtantritt der NSDAP in Deutschland ihren Höhepunkt. Ihr antifeministischer und antiemanzipatorischer Impuls lässt sich nicht zuletzt auch als eine Reaktion auf Veränderungen von Geschlechterrollen und weiblichen Emanzipationsbestrebungen deuten. Denn die Herausbildung demokratischer Massenbewegungen sowie die Auflösung ständischer Hierarchien und überkommener gesellschaftlicher Ordnungen erfasste auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander. In dem Bestreben nach Ausweitung patriarchaler Strukturen auf die öffentliche und staatliche Sphäre kam eine autoritär geprägte Abwehr gegenüber neuen "Anrechtsgruppen“ auf demokratische Mitbestimmung zum Ausdruck.
Der Völkerkundler Heinrich Schurtz verbreitete 1902 in seiner Schrift "Altersklassen und Männerbünde“ das Bild vom Männerbund als Träger der "Kulturschaffung“. Im Unterschied zu den Frauen könnten nur die Männer höherwertige Formen gesellschaftlichen Lebens entwickeln, da "das Weib“ unter dem "Einfluss der Geschlechtsliebe und der aus ihr entspringenden Familiengefühle“ stehe, der Mann dagegen der Vertreter "der höheren sozialen Verbände“ sei.
Bei dem Staatsrechtler Carl Schmitt kam das Bestreben nach Gleichsetzung von Männerbund und autoritärem Staat zum Ausdruck: Dessen Unterscheidung von Freund und Feind als Kriterium des Politischen beinhaltete zugleich die Errichtung eines "totalen Staates“ nach dem Vorbild von Benito Mussolinis faschistischem Männerbund.
"Politische Soldaten" und "Herrenmenschen"
Im Nationalsozialismus wurde die Idealisierung des Männerbundes mit einem Gewalt- und Todeskult verknüpft. Propagandistisch kam dies im NS-Totenkult um die "Blutzeugen der Bewegung“ zum Ausdruck: dem Gedenken an die von der Polizei erschossenen Teilnehmer am Hitler-Ludendorff-Putsch am 9. November 1923 in München. Jenen 16 Gefallenen wurden 1935 in München zwei "Ehrentempel" errichtet, und ihnen wurde alljährlich mit einem nächtlichen Aufmarsch im Fackelschein gedacht. Eine besondere Bedeutung im NS-Totenkult hatte die sogenannte Blutfahne, die während jenes Putsches mitgetragen wurde: In Anlehnung an mittelalterliche Traditionen diente diese Fahne ab 1926 auf den NSDAP-Parteitagen durch Berührung der "Weihung“ aller Parteifahnen und SS-Standarten. Hitler selbst stilisierte in quasireligiöser Verklausulierung das "Blut der Gefallenen“ seiner Bewegung zum "Taufwasser für das Reich".
Auch hinsichtlich der Erziehungsaufgaben orientierte sich der NS-Staat an solchen Vorstellungen: "Die Männerbünde des Heeres und der SA, der SS und des Arbeitsdienstes sind allesamt Verlängerungen der HJ in das Mannesalter hinein. Ihre erzieherische Kernaufgabe ist ein und dieselbe. In ihren Ordnungen und durch sie soll der politische deutsche Mann geformt werden“, hieß es in einem 1933 veröffentlichten Werk zur NS-Pädagogik.
Sinnbild einer solchen Lebenshaltung war der "politische Soldat" in der SA. In Selbstdarstellungen von deren Mitgliedern kommt diese Vorstellung zum Ausdruck: "Wir glaubten an den Führer und an den Sieg seiner Bewegung, wir kämpften für sie, wir opferten und arbeiteten für sie und diese vier Dinge: Kampf, Glaube, Arbeit und Opfer machten uns stark und brachten uns den Sieg."
Die Liebe dieses "politischen Soldaten" galt der Kameradschaft und der Nation, wie es in dem Nazi-Propagandafilm "Kolberg“ populär zum Ausdruck gebracht worden ist. Dessen Hauptfigur verschmäht Frau und Familie, um vollends im soldatischen Männerbund im Dienst für das Vaterland stehen zu können. Einher mit dem faschistischen Ideal eines soldatischen Männerbundes ging die Verherrlichung von Gewalt: So betonte etwa der spätere SS-Ideologe Werner Best in dem im Jahr 1930 erschienenen und von Ernst Jünger herausgegebenen Band "Krieg und Krieger“: "Die Sittlichkeit der neuen Haltung kann kein 'was' vorschreiben, weil sie kein solches kennt. Sie ist nicht auf ein Ziel eingestellt. […] Kein Wert, für den jeweils gekämpft wird, hat Anspruch und Aussicht auf Sicherheit und Dauer. So bleibt als Maß der Sittlichkeit nicht ein Inhalt, nicht ein Was, sondern ein Wie, die Form […] auf den guten Kampf kommt es an, nicht auf die "gute Sache" und den Erfolg."
"Rasse", Körper und Homophobie im "Männerstaat"
Die Verherrlichung von Gewalt ging einher mit einer Frauenverachtung, wobei weibliche Sexualität und Lust oftmals als Bedrohung für die "faschistische Männlichkeit" gedeutet wurden. In seiner vergleichenden Untersuchung faschistischer Kampfbünde in Italien und Deutschland zitiert der Historiker Sven Reichardt eine faschistische Chronik über den ersten "Märtyrer" der italienischen Squadristen, Arturo Breviglieri, die diesem drei Lieben zusprach: "Italien, seine Mutter und die faschistischen Kameraden." In den Eigendarstellungen kamen in Bezug auf das weibliche Geschlecht zumeist gewaltstrotzendes Potenzgehabe und Schilderungen schlichter Triebentladung an "Flittchen" und "Huren" zum Ausdruck.
Die rassistische Verherrlichung der "arischen Rasse" durch Ästhetisierung des Körpers kam in den Werken der von Hitler verehrten Filmemacherin Leni Riefenstahl zum Ausdruck: Riefenstahl visualisierte mit ihrem Film "Triumph des Willens" die Inszenierung der NSDAP als soldatischem Männerbund. Mit ihrem Film "Olympia“ lieferte sie die Bilder zur Verherrlichung des "arischen Körpers". Für Hitler galten zwei der Männer-Skulpturen des NS-Bildhauers Arno Breker als die "schönsten Beispiele künstlerischen Schaffens in Deutschland". Jene zwei Skulpturen nackter, muskulöser Männer sollten "die Partei" und "die Armee" symbolisieren.
Zugleich wurden den zu Feinden stilisierten Gruppen wie den Juden oder Anhängern linker Parteien "unmännliche" Attribute zugeschrieben: Sie galten als Anti-Typen soldatischer Maskulinität und "Gesundheit": So vertrat Hitler in seiner Propagandaschrift die These, dass ein "gesunder Geist nur im gesunden Körper“ entfaltet werden könne, und der "jüdische Bolschewismus" besonders in Gegenden zur Entfaltung komme, wo "eine durch Hunger und dauernde Unterernährung degenerierte Bevölkerung haust."
NS-Adaptionen zur Jahrtausendwende
Neonationalsozialistische Bewegungen sind heutzutage mit dem Stigma des "Ewiggestrigen" behaftet. Sie referieren mit dem Bekenntnis zum Nationalsozialismus auf einen vergangenen gesellschaftlichen Zustand und sind so immer mit dem Vorwurf der Reaktion konfrontiert, den der Nationalsozialismus in seiner Selbstinszenierung als moderne politische Massenbewegung rhetorisch strikt zurückwies. War der Faschismus in der Zwischenkriegszeit eine "neue" Antwort auf die verhasste "Dekadenz der westlichen Moderne", so ist er heute in seiner NS-Nostalgie ein Rückgriff auf Altes. Die Anlehnung an das faschistische Selbstverständnis vom "politischen Soldaten" kommt beispielhaft in dem sogenannten Vier-Säulen-Konzept der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zum Ausdruck: "Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente, Kampf um die Köpfe, Kampf um den organisierten Willen."
Um auch für die junge Generation Attraktivität entfalten zu können, hat sich die neonazistische Szene seit den 1980er-Jahren jugendkulturell geöffnet. Hierbei muss das Phänomen der rechtsextremen "Modernisierung"
In diesem Zusammenhang ist der Wandlungsprozess der extremen Rechten maßgeblich als Reaktion auf veränderte hegemoniale Wertemuster und kulturelle Ausdrucksformen zu deuten. Die ursprünglich völkisch-faschistische Umdeutung der sozialen Frage wird nun auch auf dem Feld der modernen Jugendkultur fortgesetzt, wobei dort die Musikkultur vielfältige Anknüpfungspunkte im Ringen um polit-kulturelle Deutungshoheit enthält. So stellen beispielsweise die "Autonomen Nationalisten"