Die Geschichte des Rechtspopulismus in Skandinavien begann mit einem TV-Interview: Es war am 30. Januar 1971, als das dänische Fernsehen ein Gespräch mit dem bis dahin unbekannten Anwalt und Steuerberater Mogens Glistrup ausstrahlte. Eigentlich hatte es um Details der Unternehmensbesteuerung gehen sollen, doch das Interview nahm eine unerwartete Wende: Glistrup sagte, er weigere sich, weiterhin Steuern zu zahlen – und verband dies mit einer radikalen Kritik am dänischen Wohlfahrtstaat. "Ich glaube, es ist unmoralisch, Steuern zu zahlen", sagte Glistrup und erklärte Steuerverweigerung zu einem Widerstandsakt wie die Sabotage von Eisenbahnschienen während der Zeit der Besetzung Dänemarks durch Nazideutschland.
Mehr als 40 Jahre sind seitdem vergangen. Aus dem Fernsehinterview wuchs eine erfolgreiche Partei, die zum Vorbild ähnlicher Parteien in den skandinavischen Nachbarländern wurde. Seit den 1970er Jahren hat der Rechtspopulismus in Nordeuropa einen – von kurzzeitigen Rückschlägen unterbrochenen – steilen Aufstieg erlebt. In Dänemark tolerierten Rechtspopulisten ein Jahrzehnt lang die Regierung, in Norwegen sitzen sie seit Ende 2013 sogar am Kabinettstisch. In Finnland brachten sie bei der letzten Wahl knapp 20 Prozent der Wähler hinter sich und treiben die etablierten Parteien auf einen EU-kritischen Kurs, und auch in Schweden sind die Rechtspopulisten im Aufwind. Mindestens in den drei erstgenannten Ländern gehören sie inzwischen zur Parteienlandschaft.
Dänemark: Vom Steuerprotest zum Kulturrassismus
Mit seinem provokanten Fernsehinterview traf Mogens Glistrup eine Stimmung, die in Dänemark (und anderen Teilen Skandinaviens) in den frühen 1970er Jahren weit verbreitet war: Polemik gegen eine wuchernde Bürokratie, einen ausufernden Sozialstaat und hohe Einkommensteuern. Nachdem er sich vergeblich der Konservativen Partei als Parlamentskandidat angeboten hatte, gründete Glistrup im Sommer 1972 eine eigene Gruppierung, die er "Fortschrittspartei" nannte. Diese wurde bei der Wahl zum dänischen Folketing (Parlament) im Dezember 1973 mit 15,9 Prozent auf Anhieb zweitstärkste Kraft hinter den regierenden Sozialdemokraten.
Auch bei den folgenden Wahlen konnte sich die Fortschrittspartei mit zweistelligen Ergebnissen behaupten. Sie stützte sich stark auf den unteren Mittelstand und auf Kleingewerbetreibende, brachte aber auch zahlreiche Arbeiter und einfache Angestellte hinter sich. Wie für populistische Parteien typisch griff sie eine angeblich vom Volk abgehobene Elite in Politik und Behörden an. Erst Anfang der 1980er Jahre flaute die Erfolgswelle ab, als eine konservative Regierung an die Macht kam, den Sozialstaat stutzte – und außerdem Glistrup wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde und ins Gefängnis ging.
Auf der Suche nach neuen Themen entdeckte die Partei die Migration. In den ersten Programmen hatte die noch keine Rolle gespielt, sie wurde fortan aber ein zentrales Mobilisierungsthema. Mitte der 1980er Jahre war die Zahl der Asylbewerber in Dänemark – wie auch in anderen skandinavischen Staaten – stark gestiegen. Ressentiments der Bevölkerung gegen Migranten wurden von der Fortschrittspartei aufgegriffen und zugespitzt. Die Wahlergebnisse verbesserten sich daraufhin wieder. Doch nach langen internen Auseinandersetzungen kam es zur Spaltung. Die junge Glistrup-Nachfolgerin Pia Kjaersgaard legte den Vorsitz nieder und gründete eine Partei, die Dänische Volkspartei (DVP). Diese wurde in den folgenden Jahren, wie die Populismusforscherin Susi Meret von der Universität Aalborg es formuliert, "eines der erfolgreichsten Beispiele einer Partei der extremen/radikalen Rechten in Westeuropa".
Kjaersgaard machte von Anfang an klar, dass die DVP mehr als eine Protestpartei sein wolle. Sie strebte Einfluss auf die dänische Regierungspolitik an. Ihre DVP organisierte sie zentralistisch, abweichende Meinungen bei wichtigen Themen duldete sie nicht. Im Ergebnis, so Meret, erwarb sich die DVP bald "das Image einer fest geeinten Partei", die ihre Botschaften "sehr effektiv übermittelt" und ein "zuverlässiger Partner in der dänischen Politiklandschaft" sei. Zudem entwickelte sie den Anti-Migrations-Kurs der Fortschrittspartei ideologisch weiter. Sie bettete die Ablehnung weiterer Zuwanderung in ein umfassendes Weltbild ein und folgte dabei der Linie der europäischen Neuen Rechten: Sie vertrat keinen biologischen Rassismus mehr, sondern einen kulturellen. Sogenannte "kulturfremde" Ausländer wurden als zentrale Bedrohung der dänischen Gesellschaft und des dänischen Sozialstaats dargestellt.
In der Wirtschaftspolitik setzte sich Kjaersgaard deutlich von Glistrups neoliberaler Haltung ab – der Sozialstaat wurde befürwortet, in den Genuss seiner Leistungen sollten aber nur noch ethnische Dänen kommen. Als Wohlfahrtschauvinismus bzw. Wohlfahrtsnationalismus wird diese Position in der Forschung bezeichnet.
Insbesondere Muslime rückten in den Mittelpunkt von Kjaersgaards Propaganda. "Dänemark multiethnisch zu machen würde bedeuten, dass reaktionäre Kulturen … unsere bislang stabile und homogene Gesellschaft zum Zusammenbrechen bringen", hieß es im Parteiprogramm von 2001.
Jens Rydgren, Soziologieprofessor an der Universität Stockholm, führt den Erfolg der Volkspartei maßgeblich auf eine fehlende Abgrenzung durch die anderen Parteien zurück. Über Jahre sei sie von den etablierten Politikern als "als eine ganz normale Partei angesehen" worden.
Bei den folgenden Wahlen schnitt die DVP noch besser ab, bei der Europawahl 2009 erreichte sie gut 15 Prozent und zog mit zwei Abgeordneten ins Straßburger Parlament. Auch die Wahl zum Folketing 2011, bei der die von ihr tolerierte Mitte-Rechts-Regierung scheiterte, überstand die Partei mit 12,3 Prozent bemerkenswert stabil. Die Volkspartei, resümiert der Hamburger Politologe Andreas M. Klein, hatte im zurückliegenden Jahrzehnt "signifikanten Einfluss" auf die dänische Politik.
Finnland: Kometenhafter Aufstieg der EU-Kritiker
Als am Abend des 17. April 2011 in Finnland die Wahllokale schlossen, war die Überraschung groß: Die Partei Perussuomalaiset (PS), zu deutsch etwa: "Die einfachen Finnen", lag mit 19,1 Prozent praktisch gleichauf mit der Sozialdemokratie und nur knapp hinter dem Wahlsieger, der konservativen Sammlungspartei. Mit 39 Abgeordneten zog die PS in das Parlament in Helsinki, das jahrzehntelang von drei Großparteien dominiert worden war (neben den beiden genannten noch die liberale Zentrumspartei). Vorausgegangen war eine Finanzaffäre der bis dahin regierenden Zentrumspartei, außerdem die europäische Finanzkrise mit hohen Kosten auch für den finnischen Staatshaushalt – beides hatte die etablierte Parteien in den Augen vieler Wähler diskreditiert. Gewinner war die nationalpopulistische PS
Die PS war 1995 aus der populistischen Bauernpartei SMP hervorgegangen. Bis heute stützt sie sich stark auf Wähler in ländlichen Regionen. Nachdem sie 1999 mit einem und 2003 mit drei Abgeordneten ins Landesparlament eingezogen war, gelangen ihr bei der Wahl 2007 mit 4,1 Prozent (fünf Mandate) und vor allem bei der Europawahl 2009 mit 9,8 Prozent (ein Sitz in Straßburg) erste Achtungserfolge.
Prägende Figur der PS ist Timo Soini, der einst Politikwissenschaft studierte und seine Masterarbeit über Populismus schrieb. Er ist für originelle Sprüche bekannt und inszeniert sich gekonnt als Anwalt des einfachen Volkes, das vom politischen Establishment vergessen und verraten werde. Die Bewahrung des "traditionellen Finnentums" hat die PS zum übergreifenden Ziel ihrer Politik erklärt. Dabei gelingt es ihr, klassisch linke und rechte Positionen zu verbinden: Einerseits verteidigt sie vehement den Sozialstaat, lehnt Privatisierungen ab und spricht von "fetten Kapitalisten". Andererseits ist die PS nationalistisch, kämpft für den Erhalt des Bauernstandes, propagiert das traditionelle Familienbild, lehnt Abtreibungen ab und fordert eine restriktive Einwanderungspolitik. Einen Gutteil ihrer Mitglieder kann man als islamfeindliche Rassisten bezeichnen.
Nach der Wahl 2011 boten die Konservativen der PS Koalitionsgespräche an, die Soini aber aus Protest gegen die Zustimmung der Regierung zum Euro-Rettungspaket für Portugal platzen ließ. Auch ohne Regierungsbeteiligung ist der Einfluss der Partei groß, vor allem, was die Europapolitik angeht. Unter dem Druck der PS hat Ministerpräsident Jyrki Katainen den bis dahin europafreundlichen Kurs Finnlands korrigiert, und auch die Sozialdemokraten sind inzwischen deutlich EU-kritischer.
Norwegen: Vom rechten Rand in die Regierung
Der Rechtspopulismus in Norwegen begann wie in Dänemark. Den Erfolg Mogens Glistrups vor Augen, gründete ein langjähriger nationalkonservativer Aktivist und Journalist, Anders Lange, 1973 eine ähnliche Partei, die nicht nur ihre Hauptziele im Namen dokumentierte, sondern auch die für Rechtspopulisten typische Fixierung auf eine Führungsperson: "Anders Langes Partei für eine starke Reduzierung der Steuern, Gebühren und staatlichen Eingriffe". Der Frust über die etablierten Parteien und hohe Steuern, die auch unter einer konservativen Regierung weiter gestiegen waren, brachte die Partei wie in Dänemark auf Anhieb ins Parlament. Mit fünf Prozent der Stimmen zogen Lange und drei andere Abgeordnete Ende 1973 in den Storting in Oslo ein.
Der Erfolg der Lange-Partei war Teil tiefgreifender Umwälzungen in der politischen Landschaft: Eine hitzige Debatte um den (letztlich abgelehnten) EG-Beitritt Norwegens im Vorjahr, bei der die Meinungsunterschiede quer durch alle Lager gingen, hatte die Bindungen zwischen Wählern und Parteien geschwächt. Die traditionellen Parteien, allen voran die Sozialdemokratie, verloren 1973 stark. Und neben Langes Steuersenkungspartei zog auch ein Bündnis aus Linkssozialisten und Kommunisten ins Parlament ein.
1974 starb Lange unerwartet, die Wahl 1977 endete in einem Desaster für seine Partei. Der damals gerade 34-jährige Carl I. Hagen übernahm den Vorsitz und führte sie 1981 zurück ins Parlament. Drei Jahrzehnte lang prägte er fortan das Gesicht der Partei. Wieder orientierte sie sich an ihrem dänischen Vorbild, als sie den Namen Fortschrittspartei (FP) annahm, eine strikte Parteidisziplin etablierte und sich Mitte der 1980er Jahre auf das Thema Einwanderung konzentrierte. Sie nutzte eine rapide gestiegene Asylbewerberzahl – 1983 verzeichneten die Statistiken lediglich 200, 1987 bereits 8.613 Asylbewerber – als Profilierungsthema. "Bis Mitte der 1980er Jahre gab es keine politischen Differenzen zum Thema Immigration", schreibt der Politologe Tor Bjørklund von der Universität Oslo. "Die norwegischen Wähler/innen unterschieden sich noch 1985 kaum in ihrer Einstellung zur Immigration, egal welche Partei sie wählten, und die Wähler/innen der Fortschrittspartei wichen in diesem Aspekt nicht von der Gesamtbevölkerung ab." Die steigenden Flüchtlingszahlen und die politische Rhetorik der FP änderten dies. "Die Partei präsentierte sich als die einzige politische Kraft gegen Zuwanderung und argumentierte damit, das Geld, das für Asylbewerber ausgegeben werde, solle lieber älteren und kranken Menschen norwegischer Nationalität zugute kommen."
Dies war eine deutliche Abkehr von der Kritik am ausufernden Staat. Doch dieser Wohlfahrtschauvinismus trug – verbunden mit einer Anti-Establishment-Haltung, einer Verteufelung des Islam, zunehmender EU-Kritik und autoritären Forderungen, etwa nach mehr Polizei – die Partei im Laufe der folgenden Jahrzehnte auf mehr als 20 Prozent der Wählerzustimmung und 2013 gar in die Regierung. Schon bei der Storting-Wahl 2005 überholte die Fortschrittspartei die Konservativen und wurde mit 22,1 Prozent der Stimmen bzw. 38 Mandaten zweitstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs übergab Carl I. Hagen den Vorsitz an seine Nachfolgerin Siv Jensen. Sie konzentrierte sich in den folgenden Jahren darauf, der Partei ein respektables Image zu verleihen. Mit einer in Teilen gemäßigten Rhetorik konnte Jensen für die FP 2009 mit 22,9 Prozent 41 Sitze erreichen.
Für einen Rückschlag in der Wählergunst sorgte der Rechtsterrorist Anders Behring Breivik, der im Juli 2011 mehr als 70 Menschen tötete und dies mit antimuslimischen Tiraden begründete. Jensen distanzierte sich sofort, doch weil Breivik einige Jahre zuvor Mitglied der FP-Jugend war, wandten sich gut ein Drittel der Wähler von der Partei ab. Bei der Wahl 2013 fiel sie mit 16,3 Prozent wieder auf den dritten Platz hinter die Konservativen (und die erstplatzierte Arbeiterpartei) zurück, die FP zog als Juniorpartnerin unter konservativer Führung in eine Rechtsregierung ein.
Sieben Ministerposten besetzt die FP seit Ende 2013, Parteichefin Siv Jensen übernahm das Finanzministerium. Den Regierungseintritt bezeichnet der Osloer Politologe Anders Ravik Jupskås als "letzte Phase der Integration" der Fortschrittspartei in das politische System Norwegens. Nach der Wahl habe sie eine Reihe populistischer Forderungen fallengelassen, etwa die Nutzung der Öleinnahmen für den regulären Staatshaushalt. Der Regierungskurs, so Jupskås, sei kaum von dem einer konservativen Alleinregierung zu unterscheiden. "Bei einem Thema nach dem anderen hat sich die FP in die Mitte bewegt", die FP-Arbeitsministerin habe sogar schon den Rassismus als Problem bezeichnet, obwohl sie doch selbst einer islamfeindlichen Partei entstammt. Lediglich einige Verschärfungen bei den Zuwanderungsgesetzen – etwa höhere Hürden beim Nachholen von Familienangehörigen – habe Jensens Partei durchsetzen können, allerdings deutlich weniger als die Dänische Volkspartei ein Jahrzehnt früher.
Schweden: Nationalisten mit Blümchen am Revers
Schweden ist das einzige skandinavische Land, in dem sich noch keine rechtspopulistische Partei hat etablieren können. Einen ersten Versuch gab es Anfang der 1990er Jahre. Damals gründeten zwei prominente Unternehmer, Bert Karlsson und Jan Wachtmeister, der eine Direktor eines Vergnügungsparks, der andere Autor satirischer Bücher und Spross einer bekannten aristokratischen Industriellenfamilie, eine Partei namens Neue Demokratie (Ny Demokrati). Ihr Programm kombinierte den Protest gegen Bürokratie und hohe (Alkohol-)Steuern mit Forderungen nach freiem Unternehmertum, Recht und Ordnung sowie schärferen Einwanderungsgesetzen. Nach einem, wie der Politologe Frank Decker es nannte, "kuriosen wie furiosen Wahlkampf"
Die militante Neonazi-Szene in Schweden ist jedoch vergleichsweise stark.
Aus diesem Spektrum stammen die Schwedendemokraten (Sverige Demokraterna, SD), die sich 1988 gründeten und nach zunehmenden Erfolgen bei Kommunalwahlen vor allem in Südschweden 2010 erstmals der Sprung in den Reichstag schafften: Mit 5,7 Prozent der Stimmen erreichten sie 20 Mandate. Vorausgegangen war eine radikale Neupositionierung. Bereits ab Mitte der 1990er Jahre, vor allem aber nach der Wahl des jungen, alert auftretenden Vorsitzenden Per Jimmie Åkesson distanzierten sich die Schwedendemokraten von der Neonazi-Szene. Sie kopierten Programm und Auftreten der Rechtspopulisten in den Nachbarländern. Typisch für diesen Wandel war der Wechsel des Parteilogos: Die Fackel in den Nationalfarben Blau-Gelb wurde ersetzt durch ein entsprechend eingefärbtes, liebliches Blümchen.
Die Schwedendemokraten bezeichnen sich heute als "sozialkonservative Partei mit einem nationalistischen Kernethos". Sie propagiert eine ethnisch homogene Gesellschaft, die durch Globalisierung, Amerikanisierung, die EU und vor allem den Islam bedroht sei. Sie ist gegen die Homo-Ehe und für bessere Altenpflege. Die SD instrumentalisiere den schwedischen Mythos vom "Volksheim" (volkshemmet), erklärt die Historikerin Helene Lööw von der Universität Uppsala. Sie blicken "auf das Schweden der 1950er und 1960er Jahre wie auf das ‚Traumland’ mit sozialem Wohlstand, hohen Beschäftigungsraten, Fortschritt und kaum Immigranten aus nichteuropäischen Ländern zurück." In der Nachkriegszeit sei der treusorgende Wohlfahrtstaat Teil der schwedischen Identität geworden. "Die Kürzung von Sozialleistungen [während] der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre war Öl ins Feuer für die Argumente der SD, die etablierten Parteien hätten den Wohlfahrtsstaat zugunsten von Multikulturalismus verkauft und ‚ohne Migranten und das Establishment wäre der Wohlfahrtstaat das geblieben, was er einst war’."
Die eindeutig rechtsextremen Wurzeln der Schwedendemokraten zeigen sich immer wieder. So enthüllte die Boulevardzeitung Expressen Ende 2013 Wortmeldungen von SD-Mitgliedern in Internetforen. Einen Hungerstreik von Flüchtlingskindern hatte jemand mit den Worten kommentiert: "Hoffentlich hungern sie sich zu Tode". Andere verharmlosten das Vernichtungslager Auschwitz als "Entlausungsstation". Ein Jahr zuvor waren zwei Führungskader in die Schlagzeilen geraten, die mitten in Oslo mit Eisenstangen auf Menschen losgingen und einen Migranten als "Pavian" beschimpft hatten.
"Gekommen, um zu bleiben"
Wie sind die Erfolge der skandinavischen Rechtspopulisten zu erklären? In allen Ländern gelang es ihnen – unterschiedlich stark –, in traditionell sozialdemokratische Wählerschichten einzubrechen. Der durchschnittliche Wähler der Dänischen Volkspartei ist männlich, Arbeiter und hat ein niedriges Bildungsniveau. Das gilt auch für die Wähler der Schwedendemokraten. Susi Meret nennt die DVP die "heute am eindeutigsten definierte Arbeiterpartei in Dänemark".
Die skandinavischen Länder gelten als besonders links, sozial und tolerant. Die gesellschaftliche Modernisierung und Liberalisierung begann dort früher und ist weiter fortgeschritten als in anderen Teilen Europas. Seit langem weisen Parteienforscher darauf hin, dass in westlichen Demokratien zwei politische Hauptkonfliktlinien bestehen, eine sozioökonomische (wo es um Reichtum und Wohlstand geht) und eine soziokulturelle (wo es um Werte und Freiheiten geht). Wenn ein starker Sozialstaat die ökonomischen Verteilungskonflikte entschärft, wird der Streit um Werte wichtiger. Gesellschaftliche Liberalisierungen, wie etwa die Gleichberechtigung von Frauen oder stärkere Rechte für Homosexuelle, wurden meist von sozialdemokratischen Regierungen durchgesetzt. Damit haben sie einen Teil ihrer Wähler bedient, vor allem Akademiker, sich von einem anderen Teil ihres traditionellen Milieus aber entfernt: eher niedrig gebildeten Arbeitern, die wertkonservativ eingestellt sind, aber aus ökonomischen Gründen einst stabil sozialdemokratisch wählten. Auf den ersten Blick mag es überraschend wirken, dass ausgerechnet in den liberalen nordischen Gesellschaften die Rechtspopulisten so stark sind, sagt der Osloer Politologe Anders Ravik Jupskås; auf den zweiten Blick aber hänge beides womöglich sehr eng zusammen: "Wo eine Entwicklung besonders weit ist, melden sich auch jene Leute stärker zu Wort, die damit nicht einverstanden sind." Dass ein Teil der Arbeitervoten neuerdings von Rechtspopulisten gebunden wird, habe die politischen Verhältnisse drastisch verändert: Diese seien natürliche Koalitions- oder Tolerierungspartner der liberalen und rechten Parteien, und Regierungen jenseits der jahrzehntelang dominierenden Sozialdemokratie nun viel wahrscheinlicher geworden.
Einen weiteren Grund für den Erfolg der Rechtspopulisten sehen Experten im politischen Selbstverständnis. Die skandinavischen Gesellschaften seien – historisch nur teilweise zutreffend – geprägt von der Erinnerung, während des Zweiten Weltkriegs in Opposition zu Nazi-Deutschland gestanden zu haben. Man hält sich, so die Buchautoren Tobias Alm und Cordelia Hess, für grundsätzlich progressiv und antifaschistisch.
Rassismus wird deshalb häufig nicht als solcher erkannt und benannt und zudem als Ausdruck von Meinungsfreiheit toleriert. Die "hartnäckige Verteidigung der Meinungsfreiheit wäre einschränkungslos zu befürworten, wenn es gleichzeitig einen lebendigen Diskurs in diesen Gesellschaften über die politische Ordnung und Unordnung gäbe. Das ist aber nicht der Fall", meint Bernd Henningsen, Skandinavist an der Berliner Humboldt-Universität. Stattdessen flöße "das Dogma der absoluten Meinungsfreiheit den politischen und intellektuellen Eliten so viel Respekt ein, dass sie die Auseinandersetzung scheuen, ja gelegentlich einfach die Augen geschlossen halten gegenüber der politischen Realität."
Bleibt die Frage, warum die Rechtspopulisten in den einzelnen Staaten unterschiedlich stark sind, warum sie also in Schweden so deutlich schwächer sind als im Rest Skandinaviens. Sowohl die Dänische Volkspartei als auch die Fortschrittspartei in Norwegen profitierten davon, dass sie aus eher wirtschaftspopulistischen Steuersenkungsparteien hervorgegangen sind und nicht, wie die Schwedendemokraten, rechtsextreme Wurzeln haben. In Dänemark und Norwegen gab es keine prinzipielle Ausgrenzung der Parteien, Konservative und Liberale kooperierten teils bereitwillig mit ihnen. Zudem nahmen dort die etablierten Parteien das von den Rechtspopulisten gesetzte Thema Migration früh auf und bedienten es mit eigenen Vorschlägen, etwa zur Verschärfung der Zuwanderungsregeln. Dies verlieh, wie es Jens Rydgren formuliert, den anfangs marginalen rechtspopulistischen Parteien Legitimität. Mit dem Ergebnis, "dass die Rechtspopulisten ihre politischen Vorstellungen aktiv betreiben und in zentralen Bereichen der Innen- und Gesellschaftspolitik die Meinungsführerschaft an sich reißen konnten".