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Italien: Casa Pound – Faschismus für das 3. Jahrtausend? | Rechtsextremismus | bpb.de

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Italien: Casa Pound – Faschismus für das 3. Jahrtausend?

Jan-Christoph Kitzler

/ 8 Minuten zu lesen

Eine massenkompatible Bewegung haben die Neofaschisten von Casa Pound in Italien geschaffen. Von ihrer Zentrale in Rom aus wollen sie das Erbe Mussolinis ins "dritte Jahrtausend" führen.

Mitglieder der rechtsextremen Casa Pound bei einer Demonstration in Rom. (© picture-alliance, ROPI)

Deutsche Neonazis und Vertreter der so genannten Neuen Rechten blicken mit Neid in Richtung Italien. Immer wieder pilgern Delegationen nach Rom zur Zentrale der rechtsextremen Bewegung Casa Pound und veröffentlichen anschließend ihre begeisterten Berichte, die man auch im Internet nachlesen kann. Casa Pound hat offensichtlich etwas geschaffen, wovon deutsche Rechtsextreme noch träumen: eine Bewegung, die mit ihren Botschaften und Aktionen massenkompatibel geworden ist, die oszillierend zwischen Popkultur und rechter Subkultur und unter dem Schlagwort Nonkonformismus vor allem junge Menschen erreicht.

Der Aufstieg ist Casa Pound gelungen, obwohl – oder gerade weil – die Vertreter der Organisation kein Problem damit haben, sich als "Faschisten des 3. Jahrtausends" zu bezeichnen. Damit haben sie in den Augen ihrer Anhänger den Spagat geschafft zwischen dem Erbe einer von Mussolini geprägten Vergangenheit und einem Versprechen für die Zukunft.

Casa Pound – der Name ist nicht zufällig gewählt: Ezra Pound (1885-1972), der amerikanische Dichter, war ein glühender Bewunderer des italienischen Faschismus. Von Italien aus veröffentlichte er antisemitische und rassistische Hetze. Vom Faschismus hat er sich auch nach dem 2. Weltkrieg nie distanziert.

Casa Pound hat sich seit seiner Gründung 2003 in ganz Italien ausgebreitet. Gegründet wurde die Organisation auch, um den linken Centri Sociali, den Sozialzentren, etwas entgegenzusetzen und das weite Feld der alternativen Subkultur nicht linken Gruppierungen zu überlassen. Weil Casa Pound den Status einer gemeinnützigen Organisation hat, kann sie Spendengelder akquirieren. Inzwischen gibt es rund 50 Standorte, 17 Regionalorganisationen. Casa Pound unterhält Bars und Buchläden und hat nach eigenen Angaben mehr als 4.000 Mitglieder, die Zahl der Unterstützer dürfte noch deutlich höher sein. Diese Ausbreitung ist, von einigen Anschlägen militanter linker Gruppen abgesehen, weitgehend ungebremst vonstatten gegangen. Eine Gegenöffentlichkeit wie bei vielen deutschen NPD-Aufmärschen gibt es bei den Demonstrationen von Casa Pound in Italien nicht. Der italienische Staat und Italiens Politik hatten Casa Pound bislang wenig entgegenzusetzen. Im Unterschied zu Deutschland ist die rechtsextreme Organisation fest in der Studenten- und Schülerschaft verankert und damit potentiell in der Lage intellektuelle Kreise zu erobern.

Casa Pound profiliert sich als soziales Gewissen

Das Markenzeichen von Casa Pound ist eine futuristisch-stilisierte, schwarz-weiße Schildkröte mit achteckigem Panzer und hohem Wiedererkennungswert. Auf Demonstrationen treten die Anhänger in der Regel blockweise in recht einheitlicher Kleidung auf, oft werden dabei hunderte von Fahnen mit der "Tartaruga" geschwenkt. Martialisch kommen sie daher – wie derartige Auftritte als non-konformistisch verkauft werden können, bleibt ein Geheimnis des Marketings von Casa Pound.

Ihre Themen ziehen. Immer wieder versucht sich die Organisation, mit Aktionen für bezahlbaren Wohnraum, bessere Schulen oder saubere Städte als soziales Gewissen zu profilieren. Man kritisiert populistisch unter anderem die Macht der Banken und die EU-Bürokratie. Das ist in weiten Teilen der italienischen Gesellschaft konsensfähig. Medienwirksam beteiligt sich Casa Pound auch an landesweiten Kundgebungen anderer Organisationen und tritt dabei als soziale Bewegung von rechts auf. 2013 beteiligte sie sich zum Beispiel an den Demonstrationen der "Forchoni", der so genannten Mistgabelbewegung, die der Zorn weiter Teile der Bevölkerung auf die Straße brachte – unter anderem gegen Privilegien von Politikern, die Situation am Arbeitsmarkt und staatliche Liberalisierungsprogramme.

Deutsche Rechtsextreme fasziniert vor allem, dass bei Casa Pound der "Faschismus des dritten Jahrtausends" zumindest in Ansätzen auch gelebt wird. Besichtigen kann man das im römischen Stadtteil Esquilin, in der Nähe des Termini-Bahnhofs. Dort, in der Via Napoleone III., steht das Hauptquartier. Ende 2003 hatten junge Rechtsextreme ein leerstehendes Haus besetzt, offiziell als Protest gegen hohe Mieten. Das Viertel war ursprünglich von Migranten geprägt, von denen immer noch viele in Bahnhofsnähe leben. Inzwischen aber hat Casa Pound der Gegend seinen Stempel aufgedrückt. Davon zeugen die vielen Plakate und Hakenkreuze an den Hauswänden sowie faschistische Parolen, darunter auch immer wieder Solidaritätserklärungen für den 2013 im Hausarrest gestorbenen NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke. Die römische Stadtreinigung kommt mit der Säuberung nicht mehr hinterher.

"CASAPOUND" steht in Großbuchstaben, die an Inschriften auf faschistischen Denkmälern erinnern, über dem Eingang des Hauptquartiers. Das Haus ist nicht nur Zentrum der Aktivitäten, es beherbergt auch diverse Unterorganisationen, außerdem wohnen hier einige Familien. Innen wird Mussolinis Faschismus in Bildern und Symbolen verehrt. Das ist in Italien möglich. Während in Deutschland Symbole der Naziherrschaft aus dem öffentlichen Raum entfernt wurden, wird in Italien an einigen Orten bis heute der Mussolini-Kult inszeniert – wie in der Kleinstadt Predappio in der Region Emilia-Romagna, wo der Diktator geboren und begraben wurde. Mehrmals im Jahr pilgern unbelehrbare Bewunderer zur ihm errichteten Gruft – darunter regelmäßig Abordnungen von Casa Pound.

Auch Rom ist ein günstiges Umfeld für die selbsternannten "Faschisten des dritten Jahrtausends": Die italienische Hauptstadt war schon seit den 1920er Jahren eine faschistische Hochburg. Ganz gewöhnliche Zeitungskioske in der römischen Innenstadt verkaufen Mussolini-Devotionalien, immer wieder sieht man Schüler, die sich Hakenkreuze auf die Rucksäcke gemalt haben. Bis heute steht vor dem Olympiastadion ein gewaltiger weißer und vor ein paar Jahren erst restaurierter Obelisk mit der Inschrift "Mussolini Dux", "Mussolini Führer". Fußballfans kommen auf dem Weg zur Tribüne an Steinblöcken vorbei, auf denen die vermeintlichen Heldentaten des faschistischen Regimes verewigt sind.

Ganz in der Nähe des Stadions ist in einer verlassenen U-Bahnstation ein Kulturzentrum der extremen Rechten entstanden, in dem einschlägige Bands spielen und Kampfsportturniere stattfinden. "Area 19" heißt es, benannt nach dem Gründungsjahr der Faschistischen Kampfbünde (Fasci di Combattimento) im Jahr 1919. Von der Kommunalverwaltung wird das toleriert. Der ehemalige Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, hat selbst eine neofaschistische Vergangenheit und ist mit einer Tochter Pino Rautis verheiratet ist, einem der bekanntesten neofaschistischen Politiker im Nachkriegsitalien. Unter Alemanno konnte sich auch Casa Pound ungehindert ausbreiten. Alemannos Sohn ist Mitglied im und Kandidat für den Blocco Studentesco, die Jugendorganisation von CasaPound, die in Schüler- und Uniparlamenten gut vertreten ist. Immer wieder gab es auch Berichte, dass die Casa Pound regelrecht gefördert worden sei.

Von Rom aus wird die professionelle Öffentlichkeitsarbeit gesteuert

Vom Hauptquartier in der römischen Via Napoleone III. aus läuft die Propagandamaschine von Casa Pound: Die Organisation betreibt ein Webradio und ein Internetfernsehen. Von hier aus werden landesweite Aktionen geplant – wie zum Beispiel ein geschichtsrevisionistisches "Projekt", das den Blick auf italienische Opfer lenkt statt auf faschistische italienische Täter. Mit italienischen Opfern sind allerdings nicht die im Widerstand aktiven Partisanen gemeint, die häufig politisch links verortet werden, sondern zum Beispiel die Opfer der Foibe-Massaker an der istrischen und dalmatischen Küste im und nach dem 2. Weltkrieg, als sich jugoslawische Partisanen an der italienischen Bevölkerung rächten. Ein anderes, immer wieder kehrendes Thema, mit dem Stimmung gemacht wird, ist der Kampf für bezahlbaren Wohnraum und gegen den angeblichen Ausverkauf Italiens durch internationale Konzerne.

Wie bei einer Franchise-Kette stellt die Zentrale das Propagandamaterial für die regionalen und lokalen Unterorganisationen zur Verfügung. Die Öffentlichkeitsarbeit ist professionell, vor allem im Netz und in den sozialen Medien. Es gibt eine Pressestelle, und einfachen Anhängern wird eingeschärft, dass sie nicht mit der Presse sprechen sollen. Dafür geben Vertreter der Führungsriege immer wieder Interviews, wenn auch in der Regel nicht den kritischen Medien.

Das bekannteste Gesicht ist Gianluca Iannone (Jahrgang 1973). Er war 2003 bei der Besetzung von Casa Pound dabei, inzwischen ist er Präsident der Bewegung. Davor hatte er bereits Erfahrungen in verschiedenen neofaschistischen Parteien gesammelt und war als Skinhead in Gewaltakte verwickelt. Außerdem ist Iannone Sänger der Hausband ZetaZeroAlfa. Deren von rechtem Pathos triefende Musik wird über die einschlägigen Rechtsrock-Foren verbreitet, gleich neben Haterock-Bands, die regelmäßig "Sieg Heil"-Rufe in ihre Liedtexte einstreuen. Nach außen hin gibt Iannone mal den Vordenker, mal den Kümmerer, er gibt den Einpeitscher oder den verantwortungsbewussten Familienvater. In letzter Zeit entwickelt sich um ihn ein regelrechter Führerkult. Iannone ist vor allem Sprachrohr: So erklärte er dem Online-Magazin "Alternative Right", einem Forum der internationalen Neuen Rechten, vor einigen Jahren die Methoden von Casa Pound: "CPI (Casa Pound Italia, d.R.) arbeitet an Dutzenden Projekten und mit verschiedenen Methoden: von Konferenzen bis hin zu Demonstrationen, Verbreitung von Informationen, Plakaten. Das Wichtigste ist, Gegeninformation zu schaffen und den Raum zu besetzen." Dazu werden in letzter Zeit auch gezielt Frauen angesprochen: Zum Beispiel mit einer Kampagne, die die Verringerung der Arbeitszeit von Frauen mit kleinen Kindern bei vollem Lohnausgleich fordert. Auch scheut sich Casa Pound nicht, Ikonen der Popkultur wie Che Guevara, für die eigenen Zwecke einzuspannen. Plakate mit seinem Konterfei sollen ein Publikum ansprechen, das vor strammen rechtsradikalen Parolen zurückschrecken würde. Gleichzeitig kaschiert man so nach außen das wirkliche Programm von Casa Pound.

Casa Pound ist auf dem Weg in die Politik

Das ist nichts anderes als ein Kulturkampf von rechts. Wie der funktioniert, kann man gleich um die Ecke des Hauptquartiers von Casa Pound besichtigen. Hier liegt der Buchladen "Testa di Ferro", ein wichtiges Element in diesem Kampf. "Testa di Ferro", "Der Eisenkopf", hieß die Zeitung der Freischärler, die nach Ende des 1. Weltkrieges die kroatische Hafenstadt Rijeka (ital. Fiume) besetzten. Damals war um den Schriftsteller Gabriele D’Annunzio eine Bewegung entstanden, die als Vorläufer des Faschismus gilt.

In der Casa-Pound-Buchhandlung bekommt man Texte der Vordenker der Neuen Rechten bis hin zu dumpfen Glorifizierungsschriften über die SS und natürlich auch Pamphlete, die den Faschismus verherrlichen und Geschichtsrevisionismus betreiben. Entsprechende Kleidung und sonstige neofaschistische Accessoires fehlen nicht im Sortiment, das auch online vertrieben wird.

In dem Buchladen liegt auch der Roman aus, mit dem Autor Domenico Di Tullio am Mythos Casa Pound strickt: "Nessun Dolore" soll offenbar auch in Deutschland begeistern. Unter dem Titel "Wer gegen uns" erscheint eine deutsche Version in der "edition nordost" im Antaios-Verlag, inzwischen eine Institution unter den intellektuellen Vertretern der deutschsprachigen Neuen Rechten. Recht schwülstig liest sich der Werbetext zum Buch auf den Webseiten des Verlages: "Es geht darin um die Geschichte junger Männer und Frauen, die vor der Wahl stehen, entweder einen bürgerlichen Weg einzuschlagen oder die Chance ihres Lebens zu ergreifen und Teil einer ebenso kompromißlosen wie faszinierenden Bewegung zu werden – Teil des Projekts Casa Pound Italia."

Teil dieses Projektes ist es offenbar inzwischen auch, sich an Wahlen zu beteiligen. Bei der italienischen Parlamentswahl im Februar 2013 war man erstmals mit einer eigenen Liste vertreten. Und auch, wenn Casa Pound landesweit deutlich unter einem Prozent blieb und keinen Sitz im Parlament erobern konnte: Fast 90.000 Stimmen gab es für die Organisation. Da für beide Kammern gewählt wurde, liegt die Zahl der Wähler wohl in etwa bei der Hälfte. Auch bei der Europawahl will man wieder antreten: Mit "Europa si, schiavi no" – "Europa ja, Sklaven nein" - gibt es bereits einen plakativen Wahlslogan. Ziel sind aber vermutlich nicht die parlamentarischen Debatten mit anderen gewählten Volksvertretern, sondern vor allem die Segnungen der italienischen Parteienfinanzierung.

Jan-Christoph Kitzler ist Journalist und arbeitet derzeit als Korrespondent im ARD-Hörfunkstudio in Rom. Von dort berichtet er über politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen aus Italien und dem Vatikan.