Angeblich unabhängige Bürgerinitiativen wollen den Bau von Moscheen verhindern. Bedeutende Teile der Bevölkerung befürworten in Meinungsumfragen eine Einschränkung der Religionsfreiheit von Muslimen. Buchautoren führen einen rückständigen Islam als Ursache für "Ehrenmorde" und Zwangsverheiratungen an. Feministinnen sehen im Kopftuch ein Symbol für Frauenunterdrückung und Islamismus. Internetseiten sprechen über den Islam als "grüne Pest" und über die Muslime als "Hinternhochbeter". Islamische Organisationen bezeichnen jegliche Kritik am Islam und den Muslimen als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Rechtsextremisten behaupten eine existenzielle Gefährdung Deutschlands durch die von Muslimen ausgehende Islamisierung und Überfremdung.
Diese Schlaglichter stehen exemplarisch für Positionen in einer oft emotional geführten Debatte über Islam und Muslime. Sowohl im politischen Diskurs als auch in der wissenschaftlichen Analyse des Phänomens herrscht eine schier unüberschaubare Begriffsvielfalt. In der Fachliteratur werden verschiedenste Bezeichnungen verwendet, häufig ohne präzise Definition. Angesichts dieser Konfusion versucht der folgende Beitrag, die kursierenden Begriffe zu Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen inhaltlich zu klären.
Dies geschieht aus einer menschenrechtlichen Perspektive, das heißt: Es wird danach gefragt, wie die jeweils genannten Begriffe und deren Inhalte zu einer Grundauffassung stehen, welche allen Menschen durch ihr Menschsein Rechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit zugesteht. Letztlich trifft man mit diesem Kriterium auch eine Aussage darüber, inwieweit es sich hier um eine demokratiefeindliche, also extremistische Position im Sinne der politikwissenschaftlichen Extremismusforschung handelt (vgl. Backes 1989, Pfahl-Traughber 2008).
"Islamophobie"
Der wohl etablierteste Begriff im Themenfeld ist "Islamophobie". Der erste Teil des Wortes meint die Religion der Muslime, der zweite Teil steht im Altgriechischen für "Angst". Demnach meint "Islamophobie" ein auf den Islam oder die Muslime bezogenes stark ausgeprägtes Gefühl von Furcht, das über ein als angemessen oder normal geltendes Maß hinausgeht. Für feindliche Einstellungen gegen Muslime scheint der Begriff "Islamophobie" allerdings nicht angemessen. Denn er legt irreführend nahe, dass es sich bei den Einstellungen nur um übertriebene Angstgefühle handele und nicht um folgenreiche Ressentiments.
Für eine breite Rezeption des Begriffs sorgte die britische Anti-Rassismus-Stiftung Runnymede Trust. Sie veröffentlichte 1997 einen Bericht mit dem Titel "Islamophobia – A Challenge for Us All", der für großes Aufsehen sorgte und eine einflussreich wirkende Definition formulierte. Demnach gehören zu den Kriterien für "Islamophobie": die Deutung des Islam als monolithisch und statisch, gesondert und fremd, aggressiv und minderwertig. Außerdem zählten eine pauschale Zurückweisung der Kritik von Muslimen am "Westen" und die Rechtfertigung eines diskriminierenden Verhaltens gegenüber Muslimen zu den Merkmalen (vgl. Runnymede Trust 1997, S. 4-12).
Dieser Ansatz erhebt den Anspruch, legitime Kritik von unbegründeten Vorurteilen zu unterscheiden, löst ihn allerdings nicht ein. Denn einzelne Gesichtspunkte, die hier als Kriterien der "Islamophobie" – also unbegründeter Vorurteile - genannt werden, können reale Bezugspunkte haben: Dies gilt beispielsweise für die Auffassung von einem Anders- und Fremdsein des Islam hinsichtlich der Integrationsbereitschaft oder der Kleidung mancher Muslime. Die Behauptung, der Islam sei statisch, kann auf sozialwissenschaftliche Erkenntnisse über eine geringe Dynamik in islamisch geprägten Gesellschaften verweisen (vgl. z.B. Merkel 2003). Zweifellos handelt es sich auch in diesen Fällen um Pauschalisierungen, aber wohl nicht um Schemata, die als "Phobie" bezeichnet werden sollten.
In Deutschland fand die Bezeichnung "Islamophobie" besonders starke Verbreitung durch Forschungen zu "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" (GMF), die das Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltforschung seit dem Jahr 2002 durchführt. In den ersten acht, jeweils jährlich erschienenen Folgen dieser Untersuchungen stand "Islamophobie" für generell ablehnende Einstellungen gegenüber muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islam (vgl. Leibold/Kühnel 2003, S. 101-103). Seit der 2010 erschienenen neunten Folge ist in den GMF-Studien auch von "Islamfeindlichkeit" die Rede. In dieser Definition geraten allerdings Ebenen durcheinander: Während eine Ablehnung von Muslimen als Muslime für eine Art Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit steht, gilt dies nicht notwendigerweise für die Ablehnung der Praktiken und Symbole des Islam. Eine solche Position könnte beispielsweise auch ein Atheist einnehmen, ohne sie mit einer Diskriminierungsabsicht gegenüber Muslimen zu verbinden (vgl. zur ausführlichen Kritik: Kahlweiß/Salzborn 2011; Pfahl-Traughber 2010a).
"Islamfeindlichkeit"
Während sich bezüglich der "Islamophobie" in der öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch Definitionen und Kriterien finden, gilt dies meist nicht mehr für die nun folgenden Begriffe. Allgemein wird formuliert, "Islamfeindlichkeit" stehe für rigoros ablehnende Auffassungen zum Islam. Wer islamfeindlich argumentiere, zeichne ein durchgängig negatives Bild vom Islam und bringe seine eigenen Auffassungen in eine konfrontative Gegenposition. Als typisch dafür könne eine allgemeine und undifferenzierte Auffassung vom Islam als Bedrohung gelten, welche um der Wahrung des wie auch immer beschriebenen eigenen Willen bekämpft werden müsse.
Die bedeutendsten politischen Propagandisten und Träger dieser Einstellung dürften gegenwärtig die rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien in Europa sein. Da bei derartigen Parteien die Agitation mit Feindbildern seit langem bekannt ist, lässt sich als eigentliche Auffassung eine als Islamfeindlichkeit verkleidete Fremdenfeindlichkeit recht gut belegen (vgl. Hafez 2009; Pfeiffer 2011). Ähnliche politische Auffassungen in Verbindung mit Negativ-Bildern über den Islam findet man - mal mehr, mal weniger deutlich formuliert - auf Internet-Seiten mit offenbar hohen Besucherzahlen wie "Die grüne Pest", "Islamkritik.at", "Politically Incorrect", "Stop Islam" oder "Akte Islam. Für Europa - gegen Eurabien" (vgl. Lohlker 2010; Shooman 2008).
Prinzipiell muss aber nicht jede rigorose Abwertung des Islam, die etwa totalitäre oder vernunftfeindliche Züge dieser Religion behauptet (wie es von atheistischer oder ex-muslimischer Seite vorkommt – vgl. Gopal 2004; Warraq 2004), extremistisch oder muslimenfeindlich motiviert sein. Ein Atheist im Sinne eines säkularen Humanismus etwa lehnt auch das Christentum grundlegend ab, wird aber aus dieser Auffassung heraus nicht für die Abschaffung von Grundrechten für die Anhänger dieses Glaubens plädieren.
Islamkritik
Als weiterer Begriff, um bestimmte Einstellungen gegenüber Islam und Muslimen zu bezeichnen, kursiert "Islamkritik", wobei dafür die unterschiedlichsten Anwendungen zu finden sind: Einerseits bezeichnen sich Islamfeinde im oben genannten Sinne selbst als "Islamkritiker", da diese Bezeichnung im öffentlichen Diskurs weniger negativ belegt ist. Andererseits unterstellen mitunter Repräsentanten islamischer Organisationen oder Vorurteilsforscher einigen Kritikern des Islam, hinter ihren Einwänden stehe tatsächlich eine "Islamfeindlichkeit". Um angesichts der damit einhergehenden Emotionalisierung und Politisierung der Kontroverse eine möglichst trennscharfe Begriffsbestimmung zu entwickeln, wird folgende Arbeitsdefinition vorgeschlagen: "Islamkritik" richtet sich mit Einwänden gegen bestimmte Erscheinungsformen der Religion, verwirft die Religion aber nicht im Sinne eines pauschalen Feindbildes.
Dies bedeutet dann auch, dass Islamkritik nicht differenziert und sachlich in einem sozialwissenschaftlichen Sinne daherkommen muss. Demnach sollten - entgegen anderslautenden Einschätzungen (vgl. Bühl 2010, S. 183-198; Rommelspacher 2009) - Publikationen von Autorinnen wie Seyran Ates oder Necla Kelek (vgl. Ates 2007; Kelek 2006) nicht als islamfeindlich, sondern als islamkritisch eingeschätzt werden. Beide türkischstämmigen Autorinnen wuchsen in einem muslimisch geprägten Umfeld auf, machten ebendort häufig die Erfahrung frauenfeindlichen Verhaltens und schrieben darüber Bücher mit islamkritischer Ausrichtung. Sie kam in der Auffassung zum Ausdruck, wonach in den Inhalten und Vorgaben der Religion die Ursachen für die beklagten Gegebenheiten zu sehen seien. Im engeren Sinne verstanden, handelte es sich dabei um keine Bücher mit wissenschaftlichem Anspruch, sondern um Erfahrungsberichte mit persönlichen Reflexionen. Inhaltlich und methodisch kritikwürdig ist daran, dass es sich um monokausale Analysen handelt: Soziale Phänomene wie Frauenfeindlichkeit und Männlichkeitskult werden nur oder primär aus dem Islam heraus erklärt. Gleichwohl macht diese Einseitigkeit aus der Kritik noch keine Feindschaft, plädieren doch beide Autorinnen für eine Modernisierung und nicht für eine Verdammung des Islam. In jedem Einzelfall, in dem sich eine Autorin oder ein Autor als "Islamkritiker(in)" bezeichnet, wäre zu prüfen, ob die Argumentation Grundrechte der Muslime bestreitet und insofern möglicherweise in Wahrheit als muslimenfeindlich einzustufen ist (vgl. z.B. Brumlik 2009; Widmann 2008).
Genau über die jeweilige Grundposition besteht denn auch die Möglichkeit einer Unterscheidung von "Islamfeindlichkeit" und "Islamkritik" im hier erörterten Kontext. Diesen bedeutsamen Gesichtspunkt zu ignorieren, wie es mitunter in der Literatur geschieht (vgl. Bühl 2010; Schneiders 2009), könnte zu einer bedenklichen Grenzverwischung führen: Demnach käme es zu einer Gleichsetzung der Kritik an Frauenunterdrückung mit einem Hinweis auf den Islam mit einer pauschalen Verdammung der Religion als Ausdruck von Gewalt und Verderbnis. Indessen bestehen sehr wohl Unterschiede zwischen einer frauenrechtlichen und einer fremdenfeindlichen Position. Eine Auffassung, die diese Differenzen verkennt, behindert die Erfassung tatsachlicher Feindlichkeit gegenüber dem Islam und diffamiert alle Einwände in Richtung des Islam als Ausdruck von Vorurteilen.
"Muslimenfeindlichkeit"
Die bislang behandelten Begriffe bezogen sich alle auf den Islam als Religion, nicht auf die Muslime als deren Anhänger. Für eine Analyse und Bewertung von Einstellungen und Positionen aus menschenrechtlicher Sicht ist dieser Bezug äußerst wichtig, sind doch die Muslime als Menschen und nicht der Islam als Religion Träger dieser Rechte. Außerdem darf auf einen grundlegenden Unterschied verwiesen werden: Selbst wer den Islam rigoros ablehnt und ihn für aufklärungsfeindlich und rückwärtsgewandt hält, muss dies nicht mit der Diskriminierung der Muslime bezüglich ihrer Bürger- und Menschenrechte verbinden. Dies zeigen auch empirische Studien. Der erwähnten GMF-Studie von 2003 zufolge lehnten beispielsweise 69,9 Prozent der Befragten die Aussage ab "Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt". Doch ebenso lehnte die Mehrheit der Befragten mit 65,6 Prozent das Statement "Bei Personen muslimischen Glaubens bin ich misstrauischer" ab. Nach diesen Ergebnissen (vgl. Leibold/Kühnel 2003, S. 103) gibt es empirische wie theoretische Gründe dafür, zwischen der Abneigung gegenüber dem Islam und der Feindschaft gegen Muslime deutlich zu unterscheiden.
"Muslimenfeindlichkeit" meint demnach, dass es sich um allgemeine und rigorose Negativ-Bilder von den Anhängern dieser Religion handelt und ihnen als Individuen mit Benachteiligung und Herabwürdigung begegnet wird. Das für diese Einstellung typische Statement "Für Muslime in Deutschland sollte die Religionsausübung erheblich eingeschränkt werden" erhielt bei einer Untersuchung 2010 eine Zustimmung von 58,4 Prozent der Befragten (vgl. Decker u.a. 2010, S. 134). Eine solche Auffassung steht aber primär weder für einen Ausdruck von Islamfeindlichkeit noch von Islamophobie, sollen hier doch Menschen und nicht einer Religion Grundrechte abgesprochen werden. Daher bedarf es auch einer darauf bezogenen Begriffsverwendung, wofür sich die Bezeichnungen "Antimuslimismus" oder "Muslimenfeindlichkeit" anbieten (vgl. Pfahl-Traughber 2010, S. 612f.).
"Muslimenkritik"
Von einer "Muslimenfeindlichkeit" in einem solchen politischen Sinne wäre eine "Muslimenkritik" abzugrenzen. Auch hierbei geht es um die Hervorhebung von negativ eingeschätzten angeblichen oder tatsächlichen Eigenschaften der Anhänger des Islam. Worin können dann aber die Kriterien für eine zumindest idealtypische Abgrenzung von beiden Einstellungen gesehen werden? Hier bieten sich die Gesichtspunkte "Realitätsgehalt" und "Reichweite" an. Im erstgenannten Sinne geht es um die Frage, inwiefern die formulierten Auffassungen empirisch belegbar sind: Die Angehörigen der unterschiedlichsten sozialen Gruppen, die sich über Kriterien wie Alter, Berufstätigkeit, Bildung, Meinungen, Religion, Sozialstatus oder Wahlverhalten unterscheiden lassen, weisen bestimmte Besonderheiten auf. Wenn auf solche mit einem kritischen Unterton hingewiesen wird, steht dies nicht notwendigerweise für eine pauschal feindliche Einstellung gegenüber den Angehörigen der gemeinten Gruppe.
So belegt etwa eine Reihe von sozialwissenschaftlichen Studien bestimmte Besonderheiten der in Deutschland lebenden Muslime, wozu etwa ein relativ geringes Bildungsinteresse, ein relativ traditionelles Frauenbild, eine relativ ausgeprägte Religionsorientierung oder eine relativ starke Segregationsneigung zählen (vgl. u.a. Brettfeld/Wetzels 2007; Haug/Müssig/Stichs 2009). Ob diese Tendenzen mit dem Islam zusammenhängen oder mit dem Status von Muslimen als Minderheit, spielt für den hier zu erörtenden Kontext keine primäre Rolle. Der kritische Hinweis auf diese Besonderheiten allein kann daher nicht als Ausdruck von "Islamfeindlichkeit" oder "Islamophobie" gelten, wie dies gelegentlich geschieht.
Derartige Auffassungen entstanden mitunter als Eindrücke aus dem persönlichen Alltagsleben, aber auch in Kenntnis von sozialwissenschaftlichen Studien. Sie haben deswegen nicht notwendigerweise etwas mit der Akzeptanz von Diskriminierungsideologien zu tun. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Eigenschaften und Handlungen von Minderheiten der Muslime in pauschaler und verzerrter Weise auf die gesamte Gruppe der Gläubigen übertragen werden. Ein solches Feindbild stünde dann in der Tat für eine "Muslimenfeindlichkeit". Davon können Auffassungen abgegrenzt und unterschieden werden, welche sich kritisch auf besondere Entwicklungen und Haltungen unter den Anhängern des Islam beziehen.
In Abwandlung einer Aussage zur Unterscheidung von Aufklärung und Islamkritik kann daher formuliert werden: "Muslimenkritik" wendet sich gegen besondere Einstellungen und Missstände in der Gruppe der Gläubigen, "Muslimenfeindlichkeit" klagt die gesamte Bevölkerungsgruppe der Anhänger des Islam an (vgl. Emcke 2010, S. 222).
"Antimuslimischer Rassismus"
Und schließlich kursiert auch immer wieder der Terminus "Antimuslimischer Rassismus". Die Bezeichnung irritiert, denn es handelt sich bei Muslimen um keine "Rasse". Um das damit Gemeinte besser zu verstehen, muss zunächst eine Definition von Rassismus erfolgen: Er bezeichnet biologistische Auffassungen, die erstens aus angeblichen ethnischen Besonderheiten von Menschengruppen eine "Rasse" ableiten und zweitens die dann dieser Rasse zugeordneten Menschen diskriminieren und abwerten. Dies betrifft Einstellungen, Äußerungen und Handlungen und geht bis hin zur Gewalt.
Da Rassisten sich angesichts des Holocaust kaum noch offen auf "Rasse"-Vorstellungen beziehen könnten, würden einschlägige Diskriminierungen meist nur noch mit dem Hinweis auf die gemeinten "Kulturen" erfolgen. Deren biologisierte Deutung führe zu einem "Rassismus ohne Rassen" (z.B. Balibar/Wallerstein 1990; Hall 1989). Diese Auffassung wird auch als "kultureller Rassismus" oder "Neorassismus" bezeichnet. Dabei geht man von einer Biologisierung des Kulturellen aus, mitunter findet auch "Kulturalismus" statt "Rassismus" eine sprachliche Verwendung.
Als eine besondere Form davon gilt der "antimuslimische Rassismus", wobei in die Ethnisierung die Kategorie "Muslime" einbezogen wird. Der Diskriminierung könnten die Gemeinten daher nicht entkommen, denn es seien auch Menschen aus den islamisch geprägten Regionen ohne islamische Religionszugehörigkeit gemeint. Die Anhänger dieses Begriffsverständnisses sehen somit in den Muslimen tatsächlich keine "Rasse". Es geht ihnen darum, dass die Betroffenen zu einer homogenen Gruppe aufgrund ihrer tatsächlichen oder angenommenen Religion konstruiert werden. Alles Bedenkliche leite man pauschal aus ihrem "Muslimsein" ab (vgl. Eickhoff 2010; Kuhn 2015).
Diese Ansätze weisen darauf hin, dass der heutige "Fremdenfeind" eher vom "Islam" und weniger von der "Rasse" spricht. Die Kategorie "antimuslimischer Rassismus" steht hinsichtlich ihrer Trennschärfe und des inhaltlichen Verständnisses jedoch auch in der Kritik. Dabei kann erstens auf die bedenkliche inhaltliche Ausweitung des Rassismus-Verständnisses verwiesen werden, denn mit dem Begriff gehen die historischen Besonderheiten des eigentlich Gemeinten verloren. Man hat es gegenüber dem Rassismus mit einer zwar nicht beabsichtigten, aber objektiven Relativierung oder Verharmlosung zu tun.
Ein zweiter Einwand besteht darin, dass die Bezeichnung die Grenze zwischen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Grundauffassung und einer fremdenfeindlich-hetzerischen Position verwischt. Argumentative Einwände gegen kritikwürdige Missstände in der muslimischen Religionsgemeinschaft werden so diskreditiert. Dafür steht etwa eine menschenrechtliche Kritik, die sich gegen die Benachteiligung von Frauen im Islam richtet, aber als Form von "antimuslimischem Rassismus" gelten soll. Demgegenüber erweist sich die Bezeichnung "Muslimenfeindlichkeit" als trennschärferer Terminus.
Fazit
Es geht also keineswegs nur um einen Streit um Worte. Vielmehr stehen hinter den Begriffen unterschiedliche Inhalte, die sich zwischen den beiden Polen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Islamkritik einerseits und einer fremdenfeindlich-hetzerischen Muslimenfeindlichkeit andererseits bewegen. Eine möglichst klare und trennscharfe Definition und Nutzung der Begriffe kann mehr Sachlichkeit in eine stark emotionalisierte und politisierte Debatte bringen: Mitunter werden Islamkritiker als "Islamfeinde" diffamiert, mitunter stellen sich tatsächliche Muslimenfeinde selbst als "Islamkritiker" dar, mitunter deuten Muslime alle Kritik als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, mitunter ignorieren Islamkritiker die bedenkliche Schlagseite ihrer Argumentation.
Die Bilanz der Definitionen im Überblick: Der Begriff "Islamophobie" ist von seiner Wortbedeutung her nur für Auffassungen sinnvoll, die in einer ausgeprägten Angst vor dem Islam als subjektiver Einstellung bestehen. Für darüber hinausgehende Einstellungen oder Handlungen können geeignetere Begriffe genutzt werden. Hierzu gehört "Islamfeindlichkeit", was für eine ausgeprägte, fundamentale und unbedingte Ablehnung des Islam als Religion und dessen pauschale Deutung als gefährlich, unmoralisch und verwerflich steht. Diese Einstellung kann, muss aber nicht mit einer Feindschaft gegenüber den Muslimen verbunden sein. Davon unterscheidbar ist eine "Islamkritik", die einzelne Bestandteile oder Auslegungen der Religion und deren Wirken in der Gesellschaft hinterfragt.
Während diese drei Begriffe auf die Religion abstellen, beziehen sich die drei folgenden Begriffe auf die Muslime als deren Anhänger. "Muslimenfeindlichkeit" steht hierbei für eine Feindschaft gegen Muslime als Muslime, das heißt: Eine Ablehnung und Diskriminierung von Einzelnen oder Gruppen erfolgt primär aufgrund deren Glaubens an den Islam. Damit geht nicht nur ein negatives Bild im Sinne einer öffentlichen Herabwürdigung einher, sondern auch eine angestrebte Benachteiligung im Sinne eines niedrigeren Rechtsstatus. Hiervon grundlegend zu unterscheiden wäre eine "Muslimenkritik", die sich auf bedenkliche Einstellungen und Handlungen von Anhängern des Islam bezieht, ohne damit Verallgemeinerungen und Zerrbilder zu verbinden. Eine solche Kritik ist aus menschenrechtlicher Sicht mitunter richtig und notwendig. Und diese hätte auch nichts mit einem "antimuslimischen Rassismus" zu tun, wobei es sich um eine inhaltlich missverständliche und wenig trennscharfe Kategorie handelt.
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