Anhänger einer im 18. Jh. entstandenen islam. Bewegung auf der Arab. Halbinsel, die eine Reinigung der ihrer Ansicht nach verderbten muslim. Praktiken und Glaubensinhalte anstrebten und sich bei ihrem Ansinnen auf die Schriften Muḥammad ibn ʿAbd al-Wahhābs (1703 – 1791) stützten. Ein Dorn im Auge war den W. v. a. der weitverbreitete Brauch, bei verstorbenen Heiligen um Fürsprache nachzusuchen. Aus diesem Grunde wandten sie sich vehement gegen den Besuch von Mausoleen und Andachtsstätten und forderten die Einebnung aller muslim. Grabanlagen. Darüber hinaus sollte jeder, der das islam. Interner Link: Glaubensbekenntnis abgelegt hatte, aber Unglauben – im Sinne der W. – praktizierte, getötet werden. Generell müsse jede Lehrmeinung und jede Handlungsnorm direkt aus dem Interner Link: Koran und den prophet. Überlieferungen (Interner Link: Sunna) entnommen werden (Interner Link: ijtihād) und nicht aus den Auslegungen der vier Interner Link: Rechtsschulen. Praktiken, die aus seiner Sicht nicht auf diese Weise begründet werden konnten – etwa das Feiern des Geburtstages Interner Link: Muḥammads (arab. maulid) –, lehnte Ibn ʿAbd al-Wahhāb als ungerechtfertigte Neuerung (arab. bidʿa) ab. Um 1746 wurde die Lehre der W. zur vorherrschenden religiösen Richtung auf der Arab. Halbinsel. Der wichtigste Grund für ihre rasche Ausbreitung war ihre Übernahme durch den in al-Dirʿīya ansässigen mächtigen Stamm der Banū Saʿūd. Muḥammad ibn Saʿūd begann den Heiligen Krieg (Interner Link: Jihad) gegen die anderen Stämme Arabiens, die er nach wahhabit. Maßstab zu Ungläubigen erklärte. Bis 1773 gelang es ihm und seinen Gefolgsleuten, alle umliegenden Fürstentümer zu erobern und eine neue – nunmehr wahhabit. – Ordnung auf der Halbinsel zu etablieren. 1805 und 1806 fielen auch Interner Link: Mekka und Interner Link: Medina in die Hände der Saʿūdīs. Ein herber Rückschlag für die Anhänger der neuen Macht war die Einnahme al-Dirʿīyas durch ägypt. Truppen im Jahre 1818. Den Grundstein für den endgültigen Siegeszug der W. wie auch der Saʿūdīs auf der Arab. Halbinsel legte letzten Endes ʿAbd alʿAzīz ibn Saʿūd mit seiner Eroberung Riyads im Jahre 1902.
Literatur: Winder, B.: Saudi Arabia in the Nineteenth Century, 1965. – Peskes, E.: Muhammad b. ʿAbdalwahhab (1703 – 1792) im Widerstreit. Untersuchungen zur Rekonstruktion der Frühgeschichte der Wahhabiya, 1993. – Preuschaft, M.: Religion, Nation und Identität. Eine Untersuchung des zeitgenössischen saudischen Diskurses zum Umgang mit religiöser Pluralität, 2014.
Autor/Autorinnen:Prof. Dr. Stephan Conermann, Universität Bonn, Orientalistik
Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.