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Welttag der sozialen Gerechtigkeit

Redaktion

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Am 20. Februar ist der Internationale Tag der sozialen Gerechtigkeit. Zwar ist der Wohlstand in Deutschland in den vergangenen Jahren gewachsen, doch sind gerade die Vermögen extrem ungleich verteilt.

Am 20. Februar ist der Internationale Tag der sozialen Gerechtigkeit. Diese gesellschaftskritische Wandmalerei in Ehrenfeld, Köln thematisiert soziale Ungleichheit. (© picture-alliance, Mika Volkmann)

2009 haben die Interner Link: Vereinten Nationen (UN) erstmals den Welttag der sozialen Gerechtigkeit ausgerufen. Der Tag soll jährlich am 20. Februar auf die soziale Ungerechtigkeit weltweit aufmerksam machen und zu ihrer Überwindung aufrufen.

Eine verbindliche und einheitliche Definition sozialer Gerechtigkeit gibt es nicht. Was als gerecht oder ungerecht empfunden wird, wird in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Um soziale Gerechtigkeit zu beschreiben, kann diese mit bestehendenInterner Link: sozialen Ungleichheiten in Beziehung gesetzt werden. Darunter fallen z.B. die Interner Link: Verteilung von Vermögen und Einkommen, Interner Link: Bildungschancen und das Interner Link: Armutsrisiko innerhalb einer Gesellschaft. Aber auch Faktoren wie der Interner Link: Zugang zum Gesundheitswesen und zum Interner Link: Arbeitsmarkt sowie politische Teilhabe können eine Rolle spielen.

Soziale Ungleichheit in Deutschland

In den meisten Untersuchungen sind einerseits die Konzentration der Vermögen und andererseits die Höhe der Einkommen die zentralen Messkriterien für die Ungleichheit einer Gesellschaft. Ein gängiges Instrument zur Messung von Einkommens- und Vermögensungleichheit ist der nach dem italienischen Statistiker Corrado Gini benannte Gini-Koeffizient. Dieser misst, wie gleich oder ungleich die Einkommen bzw. Vermögen innerhalb einer bestimmten Personengruppe verteilt sind. Er kann zwischen 0 oder 1 liegen. Je näher sein Wert an 1, desto ungleicher sind Einkommen bzw. Vermögen verteilt.

Der Gini-Koeffizient der Einkommensungleichheit lag in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2022 bei 0,29. Im Vergleich zu den Vorjahren sind die Einkommen gleicher verteilt. Durchschnittlich erzielten 2021 die reichsten 10 Prozent der deutschen Bevölkerung das zehnfache Einkommen der Einkommensschwächsten 50 Prozent. 2021 waren rund 16,9 Prozent der deutschen Bevölkerung Interner Link: armutsgefährdet, d.h. ihnen standen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung. Im Vergleich zum Vorjahr blieb diese Zahl nahezu unverändert. Vor allem Erwerbslose und Alleinerziehende waren betroffen. Im Jahr 2022 lag der Gini-Koeffizient für die Vermögensungleichheit laut dem Global Wealth Report bei 0,77. Damit ist das Vermögen, also zum Beispiel Wohneigentum, Aktienbesitz oder Geldvermögen, in Deutschland deutlich ungleicher verteilt als das Einkommen.

Verzerrte Daten zur Vermögensungleichheit

In Deutschland wird die Vermögensungleichheit auch durch eine Externer Link: Langzeitstudie des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) berechnet. Laut SOEP lag der Gini-Koeffizient 2019 in Deutschland bei 0,79. Aussagekräftige Daten waren gerade bei der Berechnung sehr großer Vermögen wegen statistischer Schwächen lange Zeit nur eingeschränkt verfügbar. Durch Zusatzstichproben des SOEP im Bereich hoher Vermögen konnten Datenlücken von 2017 geschlossen werden. So waren alte Berechnungen davon ausgegangen, dass das reichste Prozent der Bevölkerung knapp 22 Prozent des Vermögens auf sich vereint. Nach der Ergänzung mit den zusätzlichen Daten von 2019 sind es jedoch rund 35 Prozent.

Millionärinnen und Millionäre waren in den SOEP-Bevölkerungsbefragungen bis 2019 unterrepräsentiert, entsprechend wenig war über die Vermögenskonzentration in Deutschland bekannt. Allerdings gibt es noch weitere Unschärfen bei der Bestandsaufnahme der Vermögen: Da die Interner Link: Vermögenssteuer in Deutschland seit 1997 ausgesetzt ist und die Steuerämter die Vermögen seitdem nicht mehr erfassen, tauchen sie in den offiziellen Statistiken nicht auf. Zudem hat Deutschland ein vergleichsweise gutes soziales Sicherungssystem – die in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlte Summe zählt formal allerdings nicht zum privaten Vermögen. Und wegen der gesetzlichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung sowie dem Sozialhilfesystem müssen und können die Menschen hierzulande weit weniger für Notzeiten zurücklegen als in vielen anderen Staaten, in denen Lebensrisiken wie Krankheit und das Alter durch den Staat kaum abgedeckt werden.

In der Gruppe der Millionärinnen und Millionäre zeigen sich auf der Grundlage der SOEP-Daten 2019 soziodemografische Ungleichheiten: Nur knapp ein Drittel dieser Gruppe ist weiblich, und je höher das Vermögen, desto älter ist die Person. Rund 14 Prozent dieser Gruppe haben einen Migrationshintergrund. Während die SOEP-Daten eine Stagnation von 2002 bis 2017 bzw. mit den neuen Daten von 2019 eine Erhöhung der Vermögensungleichheit in Deutschland aufzeigen, legen die Zahlen der Deutschen Bundesbank einen Rückgang der Vermögensungleichheit nahe.

Die ungleiche Verteilung von Vermögen ist auch Gegenstand politischer Diskussionen. Mögliche Maßnahmen, um der Vermögenskonzentration entgegenzuwirken, sind eine progressive Vermögensteuer, die Reform der staatlich geförderten privaten Alterssicherung, veränderte Immobilienförderung und eine höhere Erbschaftssteuer.

Soziale Ungleichheit im internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich liegt die Einkommensungleichheit in Deutschland unter dem Durchschnitt. Dies ist auf die staatliche Umverteilung und das Sozialversicherungssystem zurückzuführen. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Gini-Koeffizient für Vermögensungleichheit mit 0,77 ein hoher Ungleichheitswert. Innerhalb des Euro-Raums wies 2021 Deutschland gemeinsam mit Schweden, Norwegen, Irland, Lettland und Zypern die höchste Vermögensungleichheit auf. In den Vereinigten Staaten lag dieser Wert 2022 bei 0,83.

Neben dem Gini-Koeffizienten gibt es auch andere Verfahren, soziale Ungleichheit zu messen. Einer davon ist der von der Bertelsmann Stiftung erhobene "Social Justice Index". Dieser gewichtet Faktoren wie Armutsrisiko, Bildungschancen und Arbeitsmarktzugang deutlich höher als die Vermögensungleichheit. In einer Externer Link: Studie der Stiftung von 2019 belegt Deutschland unter 41 OECD-Staaten, darunter auch sämtliche EU-Länder, Rang zehn. Die Top fünf nehmen die skandinavischen Staaten und Island ein. In fünf der sechs Dimensionen, die in die Berechnung einfließen, lag Deutschland 2019 über dem Durchschnitt der 41 Länder. Defizite bestünden vor allem in Bezug auf die Generationengerechtigkeit und Umwelt- bzw. Klimapolitik (Stichwort: Ökologisches Erbe).

Auswirkungen politischer Entwicklungen auf soziale Ungleichheit

Die Interner Link: Corona-Pandemie verschärfte die soziale Ungleichheit hinsichtlich ökonomischer Aspekte. Während der Corona-Pandemie gab es einen wirtschaftlichen Einbruch, der viele Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubte. In Reaktion wurden politische Maßnahmen ergriffen und kompensierende Unterstützungsprogramme geschaffen, die die sozialen und politischen Notlagen abmilderten. Die Einkommensungleichheit hat sich aber laut dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) durch dieInterner Link: Corona-Pandemie nicht wesentlich verändert. Der Deutschen Bundesbank zufolge ist ein leichter Rückgang der Vermögensungleichheit zwischen 2017 und 2021 zu verzeichnen.

Aber auch die Interner Link: Inflation und Interner Link: Energiekrise infolge des Interner Link: russischen Angriffskriegs auf die Ukraine könnten zur Verstärkung der sozialen Ungleichheit beitragen. Die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise nach Februar 2022 treffen beispielsweise die einkommensschwächeren Bürgerinnen und Bürger laut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung deutlich stärker als einkommensstärkere Haushalte. Die Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt und bei den Einkommen der Bevölkerung geringere Auswirkungen als erwartet – dank Kurzarbeit, Unterstützungszahlungen und Energiepreisbremsen.

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