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1953: Gründung der Republik Ägypten

Redaktion

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Am 18. Juni 1953 wurde in Ägypten die Republik ausgerufen. Damit endeten die Monarchie und die britische Sonderstellung im Land. In der Folge etablierte sich ein autoritäres Regierungssystem.

General Mohammed Nagib (4.v.l.) und Gamal Abdel Nasser (3.v.l.) während eines Gebets nach der Proklamation der Republik Ägypten am 18. Juni 1953. (© picture-alliance/dpa, UPI)

Mit der Ausrufung der Republik endete 1953 endete die Monarchie in Ägypten. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Land über weite Strecken fremdbestimmt: Einerseits war Ägypten lange abhängiger Teil des Interner Link: Osmanischen Reiches, andererseits stand es ab Mitte des 19. Jahrhunderts unter der Vorherrschaft Großbritanniens. Letzteres lag vor allem am Bau des Suez-Kanals, der 1867 fertiggestellt wurde. Das Vorhaben brachte Ägypten in finanzielle Abhängigkeiten von Großbritannien und Frankreich. Insbesondere für Großbritannien war der Kanal als Verkehrsweg von essenzieller Bedeutung, um das eigene Kolonialreich beherrschen zu können.

Großbritanniens Sonderstellung in Ägypten

Im Jahr 1882 marschierten britische Truppen in Ägypten ein, um einen nationalistischen Aufstand niederzuschlagen. Großbritannien setzte zur Verwaltung Ägyptens einen Generalkonsul ein und bestimmte faktisch das politische Geschehen. Auch wirtschaftlich wurde Ägypten in das britische Kolonialreich integriert, formal blieb es jedoch weiterhin Teil des Osmanischen Reiches. Das änderte sich im Jahr 1914: Nach Ausbruch des Interner Link: Ersten Weltkriegs und der britischen Kriegserklärung an das Osmanische Reich wurde der letzte osmanische Gouverneur, der Khedive Abbas II., für abgesetzt erklärt. Stattdessen etablierten die Briten ein von ihnen abhängiges Sultanat, an dessen Spitze Sultan Hussein Kamil stand. Ägypten war damit zum britischen Protektorat geworden.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges verhinderten die Briten zunächst, dass sich Ägypten mit einer Delegation von nationalistischen Politikern der Wafd-Partei an den Interner Link: Pariser Friedensverhandlungen beteiligte. Daraufhin kam es zu anhaltenden Protesten und Streiks, die einen revolutionären Charakter annahmen. Großbritannien sah sich dazu gezwungen, Ägypten die Unabhängigkeit in Aussicht zu stellen – unter Beibehaltung von britischen Sonderrechten. Interner Link: Am 28. Februar 1922 wurde Ägypten formell ein eigenständiger Staat. Sultan Fuad, der bereits ab 1917 amtierte, rief sich am 15. März 1922 zum König von Ägypten aus. Großbritannien behielt aber unter anderem das Recht, in Ägypten Truppen zu stationieren, ausländische Interessen zu schützen und die ägyptische Außenpolitik mitzubestimmen.

Anhaltende britische Militärpräsenz

Der Anglo-Ägyptische Vertrag von 1936 löste die in der Unabhängigkeitserklärung verbrieften britischen Sonderrechte zwar in weiten Teilen ab, dennoch behielt Großbritannien weiterhin eine Sonderrolle in Ägypten. So wurde die militärische Besetzung Ägyptens durch britische Truppen für beendet erklärt. Gleichzeitig wurde den Briten erlaubt, bis zu 10.000 Soldaten am Suezkanal zu stationieren, solange Ägypten dessen Sicherheit nicht selbst garantieren kann. Zudem schlossen beide Länder eine Allianz zum militärischen Beistand. Dabei wurde Großbritannien das Recht eingeräumt, im Kriegsfall im gesamten Land militärisch tätig zu sein. Dazu kam es während des deutschen Afrika-Feldzuges von 1940 bis 1943, als die britische Armee unter dem Befehl von General Bernard Law Montgomery in ganz Ägypten operierte.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges drängte die ägyptische Regierung auf eine Neuverhandlung des Anglo-Ägyptischen Vertrages. Ihr Ziel war es, die britische Militärpräsenz im Land komplett zu beseitigen. Parallel dazu verlor das alte monarchische System immer weiter an Vertrauen. König Faruq, der seit 1936 auf dem Thron saß und anfangs durchaus populär war, geriet wegen der anhaltenden britischen Truppenpräsenz, Korruptionsvorwürfen und der wachsenden Ungleichheit im Land immer weiter in die Kritik. Hinzu kam noch die Niederlage der arabischen Staaten im Interner Link: Krieg gegen Israel 1948/49 – auch das wurde dem König angelastet. Nationalistische, radikal-islamische und kommunistische Stimmen gewannen hingegen immer mehr Gehör – besonders jene, die sich gegen die britischen Sonderrechte in Ägypten richteten.

Militärputsch im Jahr 1952 und der Aufstieg Nassers

Am 23. Juli 1952 putschte das ägyptische Militär unter den Generälen Muhammad Nagib und Gamal Abdel Nasser. Die Wafd-Partei wurde verboten, König Faruq musste ins Exil gehen. An seiner Stelle wurde Fuad II. zum König von Ägypten, der zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate alt war. Die "Freien Offiziere" verfolgten keine einheitliche politische Linie. Sie verband zwar ein vager Nationalismus, aber vor allem der Wunsch der Absetzung des alten Königs. Sowohl die Muslimbruderschaft als auch die marxistische Linke hatten Anhänger in den Reihen der Militärs. Die Putschisten kontrollierten das Land über einen Revolutionsrat, in den ersten Monaten nach dem Putsch kümmerte sich eine zivile Regierung aber um die Tagespolitik. Als diese Regierung an einer geplanten Landreform zerbrach, wurden alle politischen Parteien vom regierenden Revolutionsrat mit Nagib und Nasser an der Spitze verboten. Nagib übernahm nun das Amt des Premierministers.

Am 18. Juni 1953 wurde schließlich die Republik ausgerufen. Auch der junge König Fuad II. musste nun ins Exil gehen. Neues Staatsoberhaupt wurde Nagib, der Ägypten nun als Staatspräsident regierte. Er war in der Bevölkerung beliebt und forderte im Revolutionsrat ein Vetorecht ein. Gamal Abdel Nasser, der andere Anführer des Putsches, wandte sich nun gegen Nagib. Auch Unstimmigkeiten über die Rolle des Militärs im Staat spielten eine Rolle: während Nagib sich für einen Rückzug des Militärs aus der Politik zugunsten eines parlamentarischen Systems einsetzte, setzte sich Nasser gegen diese Machtaufgabe ein. Nach einem ersten gescheiterten Versuch gelang es Nasser, mittlerweile selbst Ministerpräsident, im November 1954 Nagib abzusetzen. Zuvor hatte Nasser ein Attentat unverletzt überstanden. Der Attentäter bekannte sich zur Muslimbruderschaft, aber auch Nagib war möglicherweise indirekt involviert. Die Muslimbruderschaft wurde daraufhin verboten und ihre Anhänger verfolgt, Nagib zum Rücktritt als Staatspräsident gezwungen und unter Hausarrest gestellt.

Außenpolitik unter Nasser und Suezkrise 1956

International profilierte sich Nasser schnell. Schon im Juli 1954 hatte Nassers Regierung eine Vereinbarung mit der Regierung Großbritanniens erreicht, die den Abzug der letzten britischen Truppen vom Suezkanal bis 1956 vorsah. 1955 nahm er an der Konferenz von Bandung teil. Dabei trafen sich asiatische und afrikanische Staaten, um das Handeln des Westens in den jeweiligen Regionen zu besprechen. Nasser galt als einer der bedeutendsten Vertreter der sogenannten Interner Link: blockfreien Staaten, die sich im Kalten Krieg weder dem kapitalistischen Westen noch dem kommunistischen Ostblock anschließen wollten.

Zum Schlüsselereignis für Nassers politische Karriere wurde die Interner Link: Suezkrise im Jahr 1956. Nachdem die Briten ihre Truppen zurückgezogen hatten, verkündete er in einer Rundfunkansprache die Verstaatlichung der Suezkanal-Gesellschaft. Diese war zuvor fast vollständig in französischer und britischer Hand. Britische, französische und israelische Truppen intervenierten daraufhin. Militärisch erlitt Nasser eine Niederlage, die Verstaatlichung der Betreibergesellschaft war jedoch wegen des politischen Widerstands der USA und der Sowjetunion gegen die Intervention nicht mehr rückgängig zu machen. Nasser gewann über die Grenzen Ägyptens hinaus das Image des Kämpfers gegen den alten und neuen Imperialismus.

Die Rolle Ägyptens in Nahostkonflikt

Ägypten ist der mit Abstand einwohnerreichste Staat der arabischen Welt. Sowohl politisch als auch kulturell hat das Land eine immense Bedeutung in der Region. Lange Zeit bezog Ägypten Position gegen Israel und dessen Existenz als jüdischer Staat im Nahen Osten. Im Jahr 1948 war die Armee Ägyptens Teil jener Koalition arabischer Länder, die im Palästinakrieg gegen den neugegründeten Staat Israel kämpften. Auch während der Suezkrise im Jahr 1956 standen sich ägyptische und israelische Truppen gegenüber. 1967 führte Israel im Sechs-Tage-Krieg in Erwartung einer möglichen Militäroperation einen Präventivangriff gegen die Armeen Ägyptens und Syriens.

Im Jahr 1973 schließlich versuchten Ägypten und Syrien erfolglos, die israelische Armee durch einen Interner Link: Überraschungsangriff während des Jom-Kippur-Festes zu vernichten. Interner Link: Ägypten war im Jahr 1979 der erste arabische Staat, der einen Friedensvertrag mit Israel schloss. Seitdem nimmt das Land immer wieder Interner Link: eine vermittelnde Position im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ein.

Auch wenn er einen dritten Weg zwischen den beiden Supermächten propagierte, kooperierte Nasser in mancher Hinsicht mit der Sowjetunion. Um die ägyptische Armee zu modernisieren, hatte er 1955 mit der Regierung in Moskau ein Rüstungsgeschäft über die Tschechoslowakei vereinbart. Offiziell verfolgte das Nasser-Regime eine Ideologie des "Arabischen Sozialismus", der allerdings mit dem Sozialismus marxistisch-leninistischer Prägung nur bedingt Gemeinsamkeiten hatte. Ägypten erlebte in der Ära Nasser eine Phase der schnellen Industrialisierung, in dieser Zeit wurde mit Hilfe der Sowjetunion auch der für das Land wirtschaftlich sehr bedeutende Assuan-Staudamm gebaut. Außerdem strebte Nasser eine Politik des Interner Link: Panarabismus an: Unter seiner Herrschaft gingen Ägypten und Syrien einen kurzlebigen Staatenbund ein, die Vereinigte Arabische Republik, welche von 1958 bis 1961 bestand.

Nasser etablierte autoritären Staat

Während Nasser nach außen hin sich gegen Kolonialismus und Imperialismus wendete, war seine Herrschaft innenpolitisch alles andere als demokratisch. Ägypten wurde in dieser Ära diktatorisch und größtenteils von Mitgliedern des Militärs regiert. Zudem provozierte Nasser mit der Blockade der Meerenge von Tiran den Interner Link: Sechs-Tage-Krieg mit Israel im Jahr 1967. Die Außenpolitik Ägypten wandte sich damals gegen die Existenz des israelischen Staates.

Gamal Abdel Nasser starb im Jahr 1970 im Alter von 52 Jahren an einem Herzinfarkt. Im Jahr 1971 bekam Ägypten unter Nassers Nachfolger Anwar as-Sadat eine neue Verfassung, die den autokratischen Staat zementierte: So war es den Herrschenden jederzeit möglich, darauf Einfluss zu nehmen, wer zu einer Wahl antreten konnte und wer nicht. As-Sadat wurde 1981 bei einem Attentat erschossen. Ihm folgte Hosni Mubarak, der Ägypten bis zum Interner Link: Arabischen Frühling im Jahr 2011 regierte.

Arabischer Frühling und erneuter Militärputsch

Die Revolution in Ägypten im Jahr 2011 führte zum Sturz von Mubarak und den ersten freien Wahlen im Land. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2011 holte die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, die der Muslimbruderschaft nahestand, fast die Hälfte der Sitze im Parlament. Neuer Präsident wurde 2012 Mohammed Mursi, der ebenfalls der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit angehörte. Im Jahr 2013 kam es erneut zu einem Militärputsch. Der Chef des Militärrats, Interner Link: Abdel Fattah al-Sisi, wurde neuer Staatschef und regiert das Land seitdem wieder diktatorisch. Die Menschenrechtslage ist kritisch: Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist stark eingeschränkt, es gibt keine unabhängige Justiz. Es gibt viele Berichte von politischen Gegnern, die eingeschüchtert, entführt oder verhaftet wurden. Schätzungen des Arabic Network for Human Rights Information zufolge Externer Link: waren 2021 etwa 65.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert; nach Berichten oft unter menschenunwürdigen Bedingungen.

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