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Weltalphabetisierungstag 2024 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Weltalphabetisierungstag 2024

Redaktion

/ 6 Minuten zu lesen

Seit 1967 begeht die UNESCO jährlich am 8. September den Weltalphabetisierungstag. In vielen Ländern ist es ein Privileg, lesen und schreiben zu können.

Das Wort Analphabetismus zwischen Buchstaben auf einer Magnettafel. (© picture-alliance, Caro | Waechter)

Lesen und schreiben zu können, ist eine zentrale Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Um an die Bedeutung von Alphabetisierung und Erwachsenenbildung zu erinnern und die öffentliche Aufmerksamkeit für Alphabetisierungsfragen zu wecken, begeht die Interner Link: Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) seit 1967 jedes Jahr am 8. September den Weltalphabetisierungstag. Ins Leben gerufen wurde dieser 1966 auf Empfehlung der Weltkonferenz der Bildungsminister zur Beseitigung des Analphabetismus, die im September 1965 in Teheran stattfand.

Was ist Analphabetismus?

Als Analphabeten werden im Allgemeinen Erwachsene bezeichnet, die über keine oder nur unzureichende Kenntnisse Interner Link: der Schriftsprache verfügen. Die UNESCO zählt zu dieser Gruppe all jene Menschen, denen grundlegende Interner Link: Lese- und Schreibkompetenzen fehlen.

Darüber hinaus werden verschiedene Arten von Interner Link: Analphabetismus unterschieden: Von „primärem“ Analphabetismus spricht man, wenn ein Mensch keinerlei Schreib- und Lesefähigkeiten erworben hat. „Sekundärer“ Analphabetismus bedeutet, dass eine Person in der Schule Lesen und Schreiben gelernt, diese Kenntnisse nach der Schulzeit jedoch wieder verlernt hat. In Deutschland gibt es zudem den Begriff des Interner Link: „funktionalen Analphabetismus“. Er beschreibt Menschen, deren Lese- und Schreibfähigkeiten nicht ausreichen, um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Da dieser Begriff sich jedoch an dem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld orientiert, ist er nicht international vergleichbar.

Ein globales Problem

Zuletzt verfügten laut UNESCO weltweit über Externer Link: 765 Millionen Erwachsene nicht über grundlegende Lese- und Schreibfähigkeiten. Darüber hinaus haben Millionen von Kindern Schwierigkeiten, ein Mindestmaß an Lese-, Schreib- und Rechenkenntnissen zu erlangen. Vor allem in strukturschwachen, ärmeren Ländern können Jungen und besonders Mädchen häufig nicht oder kaum lesen und schreiben. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist enorm: Unter den Frauen lag die Analphabetenrate laut Weltbank im Jahr 2022 mit 16 Prozent deutlich höher als unter Männern mit 10 Prozent. Dennoch: Der Anteil der Frauen, der lesen und schreiben kann, stieg in den vergangenen Jahrzehnten deutlich. Der Interner Link: UNESCO zufolge lag die Alphabetisierungsrate der Frauen im Jahr 1976 noch bei 57 Prozent. Bis 2022 stieg sie kontinuierlich auf 84 Prozent an – ab den 2000er-Jahren hat sich der Anstieg jedoch verlangsamt. In manchen Staaten ist der Anteil der Frauen ab 15 Jahren, die lesen können, nach wie vor äußerst gering.

Alphabetisierungsrate der erwachsenen Weltbevölkerung nach Geschlecht

Im internationalen Vergleich variieren die Alphabetisierungsraten stark: Die weltweit Externer Link: niedrigste Alphabetisierungsrate wies 2022 die Region Subsahara-Afrika auf – rund ein Drittel der Menschen ab 15 Jahren in dieser Region kann nicht lesen und schreiben.

In Südasien kann rund jeder vierte und in Nordafrika und dem Nahen Osten knapp jeder fünfte Mensch nicht lesen und schreiben. Wegen der hohen Bevölkerungszahl in Südasien leben dort in absoluten Zahlen so viele Analphabeten wie in keinem anderen Erdteil.

Besonders niedrig ist der Anteil der Analphabeten mit jeweils unter zwei Prozent in Europa (z.B. Finnland, Norwegen, Ukraine) und Zentralasien (z.B. Usbekistan) sowie Nordamerika. Es gibt jedoch eine nennenswerte Zahl von funktionalen Analphabeten auch in Ländern mit hohen Einkommen und Bildungsstandards, wie etwa in der Interner Link: Europäischen Union.

Alphabetisierungsrate der erwachsenen Bevölkerung

Ursachen

Die Ursachen für Analphabetismus sind sehr unterschiedlich. Armut ist einer der Hauptgründe, warum Menschen der Zugang zu Lese- und Schreibunterricht verwehrt bleibt, da Familien beispielsweise das Schulgeld nicht aufbringen können oder Kinder schon früh zum Familieneinkommen beitragen müssen. Ängste, fehlende Förderung in der Familie oder eine schlechte Interner Link: Bildungspolitik können ebenfalls Ursachen sein. Kinder können häufig in der Schule aufgrund von Personal- oder Zeitmangel nicht ausreichend Interner Link: individuell gefördert werden. Auch Interner Link: Geschlechterdiskriminierung spielt, wie oben beschrieben, eine zentrale Rolle: Weltweit dürfen viele Mädchen und Frauen nach wie vor nicht zur Schule gehen.

Situation in Deutschland

Laut einer Externer Link: Studie der Universität Hamburg von 2018 waren in Deutschland etwa 6,2 Millionen Deutsch sprechende Erwachsene (12,1 Prozent) im Alter zwischen 18 und 64 Jahren von funktionalem Analphabetismus betroffen. Rund 62,3 Prozent der 2018 Betroffenen sind erwerbstätig. Während 16,9 Prozent über einen höheren Bildungsabschluss verfügen, haben 22,3 Prozent keinen Schulabschluss.

Von den 6,2 Millionen Betroffenen gelten rund zwei Millionen als Analphabeten im engeren Sinne, das heißt sie können zwar einzelne Buchstaben oder Wörter lesen oder schreiben, scheitern jedoch an der Ebene von Sätzen. Anders als im weltweiten Durchschnitt sind in Deutschland die Mehrheit der Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen Männer; ihr Anteil betrug der Studie zufolge 2018 rund 58,4 Prozent. Insgesamt sind in Deutschland weniger Menschen von funktionalem Analphabetismus betroffen als noch vor einigen Jahren. 2011 ermittelte die Externer Link: Vorgängerstudie der Universität Hamburg rund 7,5 Millionen betroffene, was einem Anteil von 14,5 Prozent in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands entsprach.

Internationale Gemeinschaft

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die internationale Gemeinschaft wiederholt dazu bekannt, die Alphabetisierung unter Erwachsenen zu fördern. Bereits auf der ersten Weltkonferenz der UNESCO zum Thema "Bildung für alle" im März 1990 setzten sich die teilnehmenden Staaten mit der Weltdeklaration "Bildung für alle" Externer Link: (Education for All, EFA) das Ziel, die Analphabetenrate bei Erwachsen bis zum Jahr 2000 um rund 50 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Die damals gesteckten Ziele – wie der allgemeine Zugang zu und Verbesserung von der Grund- und Sekundarbildung sowie die Senkung der Analphabetenrate bei Erwachsenen – wurden auf zwei Weltbildungsforen in den Jahren 2000 und 2015 konkretisiert. Die Analphabetenrate der Weltbevölkerung ab 15 Jahren sank nach Angaben der UNESCO innerhalb von zwei Jahrzehnten von 18 Prozent im Jahr 2000 auf 13 Prozent im Jahr 2020.

Ziele der Vereinten Nationen

2015 hat sich die Weltgemeinschaft mit Ziel 4 der Globalen Nachhaltigkeitsagenda dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 den Erwerb ausreichender Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten für alle Jugendlichen und Erwachsenen sicherzustellen. Im Jahr 2016 hat die UNESCO zudem die Global Alliance for Literacy (GAL) einberufen. Die GAL besteht aus Vertretern von UNESCO-Mitgliedstaaten, regionalen Organisationen sowie Vertretern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Zu den Zielen gehört u.a. die Förderung des Zugangs zu Alphabetisierungsprogrammen für alle Altersgruppen.

Laut Vereinten Nationen sind die Verbesserungen noch unzureichend: So ist beispielsweise der weltweite Anstieg der Abschlüsse (Grundschule, Sekundarstufe I und II) zwar begrüßenswert, doch könnten die von der UNESCO gesteckten Ziele in diesem Tempo nicht erreicht werden.

Insbesondere die Auswirkungen der Corona-Pandemie seien nicht zu unterschätzen. In vier von fünf Ländern habe sie laut UN zu Lernverlusten geführt. Deshalb könnte es passieren, dass im Jahr 2030 um die 300 Millionen Schülerinnen und Schüler nicht über grundlegende Rechen- und Lesekompetenzen verfügen werden.

„AlphaDekade“

In Deutschland wurde 2016 zudem die sogenannte Externer Link: AlphaDekade, die die Lese- und Schreibfähigkeiten Erwachsener in Deutschland verbessern soll, ins Leben gerufen. Das Programm läuft zunächst bis 2026. Zentrale Herausforderung bildet die Frage, wie Erwachsene mit niedrigen Schriftsprachkompetenzen erreicht und zum Lernen aktiviert werden können.

Laut Externer Link: Forschungsbericht des Bundesbildungsministeriums von 2023 haben Bund, Länder und Kooperationspartner der AlphaDekade ihre Anstrengungen zur Erreichung der Ziele in den Jahren 2019 bis 2022 deutlich erhöht. Eine Herausforderung sei aber die verstärkte Zuwanderung seit Interner Link: 2015/2016. Laut dem IQB-Bildungstrend 2022 war die Lese- und Schreibkompetenz der Viertklässler bundesweit zuletzt rückläufig. Im Vergleich zu 2015 ist laut dem IQB-Bildungstrend der Anteil der Jugendlichen, die den Mindeststandard für den Ersten Schulabschluss (ESA) und den Mittleren Schulabschluss (MSA) verfehlen, gestiegen.

Motto 2024

In diesem Jahr steht der Weltalphabetisierungstag unter dem Motto „Förderung mehrsprachiger Bildung: Alphabetisierung für gegenseitiges Verständnis und Frieden“. Die globale Feier findet am 9. und 10. September 2024 in Kamerun statt. Im Rahmen einer internationalen Konferenz und einer Preisverleihung soll auch ein Fokus auf der Alphabetisierung des afrikanischen Kontinents liegen.

Hinweis: Die ursprüngliche Version dieses Text wurde im Jahr 2019 veröffentlicht und von der Redaktion am 05.09.2024 aktualisiert.

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